JudikaturJustiz22R139/23f

22R139/23f – LG Korneuburg Entscheidung

Entscheidung
07. September 2023

Kopf

Beschluss

Das Landesgericht Korneuburg als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Mag. Rak und Mag. Jarec, LL.M. in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. R***** N***** , vertreten durch Mag. Irmgard Neumann, Rechtsanwältin in Graz, wider die beklagte Partei A***** A***** SA , wegen EUR 250,-- s.A. , infolge Rekurses der klagenden Partei gegen die Kostenentscheidung im Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 16.03.2023, 27 C 34/23m-6 (Rekursinteresse: EUR 169,20), in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Der Kläger begehrte – gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (EU-FluggastVO) – den Zuspruch einer Ausgleichsleistung von EUR 250,-- samt Zinsen und brachte vor, dass sich der Abflug des von der Beklagten durchzuführenden Fluges A3 253 von Mytilini nach Athen am 26.08.2022 um mehr als drei Stunden verschoben habe, weshalb er den Anschlussflug von Athen nach Wien nicht erreichen habe können. Den Zielflughafen Wien habe er daher erst mit einer Verspätung von mehr als fünf Stunden erreicht.

Die Beklagte ließ sich auf das Verfahren nicht ein, indem sie zu der für den 16.03.2023 anberaumten vorbereitenden Tagsatzung nicht erschien.

Daraufhin wurde über Antrag der für die Klagevertreterin einschreitenden Substitutin – der Mitarbeiterin einer am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwaltskanzlei – das im Kostenpunkt angefochtene Versäumungsurteil erlassen. Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zum Ersatz der Kosten des Klägers von EUR 403,73. Dieser Kostenentscheidung legte es grundsätzlich das klägerische Kostenverzeichnis zugrunde, kürzte dieses aber insoweit, als es Kosten für Zeitversäumnis (5 h) im Ausmaß von EUR 141,-- samt der Umsatzsteuer aus diesem Betrag von EUR 28,20 nicht zusprach. Zur Begründung führte es aus, dass die Entschädigung für Zeitversäumnis (TP 9) nicht zuzusprechen gewesen sei, weil die auswärtige Klagevertreterin tatsächlich nicht angereist sei, sondern die vorbereitende Tagsatzung substitutionsweise von einer ortsansässigen Rechtsanwaltskanzlei übernommen worden sei; eine Entschädigung für eine fiktive Zeitversäumnis stehe nicht zu.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers mit den Antrag, die angefochtene Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass der Beklagten ein Prozesskostenersatz von EUR 572,93 (darin EUR 87,49 USt und EUR 48,-- Barauslagen) aufgetragen werde.

Die Beklagte beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Rekurswerber argumentiert, dass die Substitution einer Verhandlung am Kostenersatzanspruch nichts ändere. Bei Verhandlungen, die nach TP 2 RATG zu honorieren seien, sei der Anwalt gemäß § 23 Abs 5 RATG nicht berechtigt, einen doppelten Einheitssatz zu verrechnen, jedoch stehe ihm zusätzlich zum einfachen Einheitssatz offen, den Reiseaufwand nach TP 9 RATG anzusprechen. Nach der zuletzt genannten Bestimmung stünden die Reisekosten und Entschädigung für Zeitversäumnis zu. Da die Klagevertreterin ihren Kanzleisitz in Graz habe, seien ihr die für die Verrichtung einer Verhandlung am Bezirksgericht Schwechat erforderlichen kosten zu ersetzen. Demgemäß habe sie für die Strecke von Graz nach Schwechat und zurück Zeitversäumnis verzeichnet. Durch die Organisation der Substitution und die Vertretung vor Ort entstünden dem substituierenden Anwalt ebenso Aufwände und Kosten, die jenen nach TP 9 RATG entsprächen.

Diese Argumentation überzeugt nicht.

Vorauszuschicken ist, dass sich gemäß TP 2 II 1 c RATG für die Teilnahme an Tagsatzungen, die, ehe es zur Erörterung des Sachverhaltes gekommen ist, zu einem Versäumungs-, Anerkenntnis-, oder Verzichtsurteil oder zum Abschluss eines Vergleichs führen, die Honorierung des Rechtsanwaltes nach dieser Tarifspost vorzunehmen ist. Die Leistungen nach TP 2 sind in § 23 Abs 5 RATG über den Zuspruch eines doppelten Einheitssatzes für außerhalb des Sitzes der Kanzlei vorzunehmende Leistungen nicht erwähnt. Ergeht somit über Antrag des Klägers ein Versäumungs- urteil, weil der Beklagte zur vorbereitenden Tagsatzung nicht erschienen ist, scheidet der Zuspruch eines doppelten Einheitssatzes aus. Ungeachtet dessen kann die Partei jedoch nach TP 9 Reisekosten und Entschädigung für Zeitversäumnis ansprechen, wenn die Verhandlung außerhalb des Ortes, an dem sich die Kanzlei des Rechtsanwaltes befindet, stattfindet (LG Linz 14 R 183/09v = AnwBl 2010/8242, 275; LG Krems 1 R 10/91). Dass der Partei aber – für den Fall der Substitution an einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt – auch eine Entschädigung für eine bloß fiktive Zeitversäumnis zustehen soll, lässt sich weder dem Gesetz noch den oben genannten Entscheidungen entnehmen. Entgegen der Ansicht des Rekurswerbers enthält das Gesetz auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Entschädigung für Zeitversäumnis nicht nur als Ersatz für den tatsächlichen reisebedingten Zeitaufwand des einschreitenden Rechtsanwaltes, sondern auch als Ersatz für den „Substitutionsaufwand“ dienen soll.

Da sich der Bestimmung des § 23 Abs 5 RATG entnehmen lässt, dass – im Anwendungsbereich der TP 3 RATG – „nur“ der doppelte Einheitssatz (anstatt der Kosten nach TP 9) auch dann zuzusprechen ist, wenn sich der Rechtsanwalt durch einen am Gerichtsort ansässigen Kollegen hätte vertreten lassen können, im Zweifel also nur der (mit der Verdoppelung des Einheitssatzes) pauschalierte anstatt des tatsächlichen Aufwandes zu honorieren ist, wäre es auch ein Wertungswiderspruch, bei Leistungen nach TP 2, für die ein doppelter Einheitssatz, also eine Pauschalierung des Reiseaufwandes gar nicht vorgesehen ist, „Reisekosten“ (iwS) zuzusprechen, die gar nicht angefallen sind. Das vom Rekurswerber für seine Ansicht ins Treffen geführte Zitat in Obermaier , Kostenhandbuch 3 (Rz 3.16) bezieht sich demnach auch nur auf Leistungen nach TP 3.

Das Erstgericht hat somit dem Kläger zu Recht keine Entschädigung für Zeitversäumnis zugesprochen. Dem unberechtigten Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Aufgrund des erfolglosen Rechtsmittels im einseitig gebliebenen Rechtsmittelverfahren findet kein Kostenersatz statt (§§ 40 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO).

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf §§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 2, 528 Abs 2 Z 3 ZPO.