JudikaturJustiz22R11/20d

22R11/20d – LG Wels Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2020

Kopf

Das Landesgericht Wels als Rekursgericht hat durch den VPräs. Dr. Obermaier als Vorsitzenden sowie die weiteren Richter Dr. Hohensinner und Mag. W. Niedermayr in der Rechtssache der Kläger A* B* , technischer Angestellter, und C* B* , kaufmännische Angestellte, beide D* **, E*, vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in Vorchdorf, wider die Beklagte F* , Pensionistin, D* **, E*, vertreten durch Mag. Christian Aigner, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen Besitzstörung, über den Rekurs der Kläger gegen den Endbeschluss des Bezirksgerichts Gmunden vom 8. November 2019, 2 C 12/19x-15, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Endbeschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Text

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ ** KG G* mit den Grundstücken 379,372/1,373/2, .37, .38, 371 und 368, die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstücks 380/2, das Teil der EZ ** KG G* ist. Auf diesem Grundstück steht den Klägern die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechts zu.

Am 15. Jänner 2019 brachten die Kläger eine Besitzstörungsklage mit der Behauptung ein, sie hätten am 16. Dezember 2018 festgestellt, dass die Beklagte auf dem Grundstück 380/2 Betontröge und in der Folge Metallstangen aufgestellt habe, die die Kläger in der Ausübung ihres Fahrtrechts (von der A*brücke kommend) behindern. Die Beklagte habe sie dadurch in der Ausübung ihrer Dienstbarkeit im ruhigen Besitz des Fahrens über das Grundstück 380/2 gestört und sei verpflichtet, die aufgestellten Stangen zu entfernen. Letztlich habe die Beklagte an der genannten Stelle einen Holzzaun errichtet, der eine Behinderung und Erschwernis für sie als Dienstbarkeitsberechtigte darstelle. Der nunmehr gesperrte Kurvenbereich sei für sie erforderlich, um über die ** zu ihrem Anwesen zu zu fahren.

Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und wendete ein, sie habe keinerlei Störungshandlung gesetzt. Es stehe den Klägern jederzeit eine Fahrbahn in einer Breite von 5 m zur Verfügung. Sie habe lediglich im Randbereich und außerhalb des Fahrkanals Steine aufgelegt, um die Flucht für das Versetzen des Zaunes herzustellen. Anschließend seien die Steine wieder entfernt und der Holzzaun versetzt worden. Dadurch sei zu keinem Zeitpunkt die Durchfahrt behindert gewesen. Die Klagsführung stelle Schikane bzw. Rechtsmissbrauch dar. Sie – die Beklagte – sei insbesondere nicht für ein allfällig nicht vorhandenes fahrtechnisches Können der Kläger haftbar zu machen.

Mit dem angefochtenen Endbeschluss hat der Erstrichter das Klagebegehren, die Beklagte habe dadurch, dass sie um den 16. Jänner 2018 auf dem Grundstück 380/2 Stangen aufgestellt habe, den ruhigen Besitz der Kläger am Fahren und der Ausübung der Dienstbarkeit des Fahrens über das Grundstück 380/2 gestört und sei schuldig, die aufgestellten Stangen zu entfernen und jede weitere derartige Störung zu unterlassen, abgewiesen. Dieser Entscheidung legte er folgenden Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte beabsichtigte, den Zaun zur Fahrbahn, der aus dünnen Holzstangen/Holzstehern und dazwischen gespannten Drähten besteht, um einen halben Meter weiter nach außen (straßenseitig) zu versetzen. Ihr Lebensgefährte legte dazu am 12. Dezember 2018 Schalsteine im Randbereich des Grundstücks auf, die ihm als Flucht für die Versetzung des Zaunes dienen sollte. Bereits am nächsten Tag, nachdem sie den Zaun um etwa einen halben Meter versetzt hatten, entfernten die Beklagte und der Lebensgefährte die Steine wieder. In unmittelbarer Umgebung des Grundstücks befindet sich die A*brücke, die zwischen den vorhandenen Brückensockeln eine Breite von 3,5 m aufweist. An der gegenüberliegenden Westseite hat der Einmündungstrichter eine Länge von 12 bis 13 m, wobei insbesondere die trichterförmige Erweiterung Richtung Norden deutlich großzügiger ausgestaltet ist. An der hier betroffenen Ostseite ist von Beginn der trichterförmigen Erweiterung bis zur Verlängerung des von der Beklagten aufgestellten Zauns eine Trichtertiefe von etwas mehr als 10 m vorhanden. Die Trichterlänge ist beidseits in etwa gleich und beträgt 12 bis 13 m. Die Kläger haben auf der anderen Seite der Brücke den Großteil ihrer Grundstücke, weshalb sie die Brücke überfahren müssen. Ihr größter Traktor ist ein **, der samt Frontlade und Einachsladewagen eine Gesamtlänge von 11 m hat. Damit können die Kläger von ihrem Anwesen in einem 90° Rechtsbogen über die A*brücke fahren. Um diesen 90° Rechtsbogen fahren zu können, muss der Traktor mit der Frontlade ganz nahe an die linksseitig von der Beklagten aufgestellten Holzsteher des Zauns heran gelenkt werden. Anschließend wird der Traktor in einem weiten Bogen nach links auf die Brücke gelenkt, wobei es sich mit dem rechten Hinterrad des Ladewagens knapp ausgeht, dass es an den bei Brückenbeginn aufgestellten Schildern vorbei kommt. Wenn die Klägerin die andere Richtung fahren, stellt sich die Situation genauso dar. Den Klägern ist es möglich, die Rechtskurve über die A*brücke mit ihren landwirtschaftlichen Geräten in westliche Richtung zu befahren, ebenso die Linkskurve in die entgegengesetzte Richtung.

In rechtlicher Hinsicht begründete der Erstrichter seine Entscheidung dahin, der in seinem Besitz Gestörte habe gemäß § 339 ABGB das Recht, die Untersagung eines Eingriffs und den Ersatz des erweislichen Schadens gerichtlich zu fordern. Bei extrem geringfügigen Eingriffen, die kein vernünftiger Mensch als Nachteil empfinde, liege keine Störung im Rechtssinn vor. Die Rechtsprechung formuliere dies meist dahingehend, dass ein Nachteil bzw. der Eintritt eines „Schadens“ Voraussetzung für die Besitzstörung sei. Diesen Ausführungen folgend ergebe sich für den hier zu beurteilenden Fall, dass die Beklagte durch das Aufstellen bzw. Versetzen der Stangen für den Zaun gegenüber den Klägern keine Störungshandlung gesetzt habe. Aus dem Sachverhalt ergebe sich, dass die Kläger mit ihren landwirtschaftlichen Maschinen nach wie vor um die Kurve bei der A*brücke fahren könnten.

Gegen diesen Endbeschluss richtet sich der Rekurs der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit der sie eine Abänderung dahin anstreben, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellten sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte erstattete eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Rechtsmittel der Kläger nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist im Sinne der beschlossenen Aufhebung berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Besitzschutz ist Ausdruck des Eigenmachtverbots und ihn genießt unter anderem der Rechtsbesitzer ohne Rücksicht auf die absolute oder obligatorische Natur seines Rechts. Soweit der Rechtsbesitz eines anderen reicht, steht dem Sachbesitzer kein Anspruch zu. Das Besitzstörungsverfahrens bleibt auf die Erörterung des Besitzes und auf die Gewährung des Besitzschutzes beschränkt, es bedarf nur der Erörterung und des Beweises des letzten Besitzstands und der erfolgten Störung (1 Ob 181/03d mwN). Besitzstörung ist jede tatsächliche Beeinträchtigung der Herrschaft, wie sie beim Sachbesitz eine Verletzung des Eigentums und beim Rechtsbesitz eine solche des besessenen Rechts bedeuten würde, bis hin zur Grenze der völligen Entziehung. Ein Nachteil des Besitzers, der auch im bloßen Durchkreuzen subjektiven Beliebens liegen kann, muss zumindest möglicherweise eintreten. Keine Störung liegt vor, wo vernünftigerweise im Verhältnis zur bisherigen Lage ein Nachteil nicht angenommen werden kann, vielmehr Schikane des „Gestörten“ naheliegt (Holzner in Rummel/Lukas, ABGB 4 § 339 Rz 7 und 12). Der Besitzschutz beschränkt sich nicht nur auf die Bewahrung der Sachherrschaft, sondern erstreckt sich prinzipiell auch auf die Nutzungsmöglichkeit. Entscheidend für die Beurteilung, ob ein entsprechender Eingriff vorgenommen wurde, ist, ob die bisher bestehende Nutzungsmöglichkeit erhalten blieb. So ist z.B. das Aufstellen eines Zauns auch bei Verbleiben einer Restnutzungsmöglichkeit als Besitzstörungshandlung zu werten. Die Nutzung kann im Vergleich zum vor der Störungshandlung festgestellten Umfang insofern eingeschränkt sein, als Fahrzeuge die besagte Stelle nur erschwert passieren können (vgl. MietSlg 65.019).

Im hier zu beurteilenden Fall sind die Kläger aufgrund einer bestehenden Dienstbarkeit als Rechtsbesitzer berechtigt, das Grundstück 380/2 der Beklagten befahren. Nach ihren Behauptungen haben sie im Zuge der Ausübung der Dienstbarkeit eine nunmehr durch den errichteten Zaun abgesperrte Fläche befahren, insofern also Rechtsbesitz als Dienstbarkeitsberechtigte ausgeübt. Sollte diese Behauptung richtig sein und die Kläger tatsächlich in Ausübung der Dienstbarkeit bis zum Versetzen des Zaunes durch die Beklagte eine Fahrlinie unter Mitbenützung jetzt abgesperrter Teile des Grundstücks 380/2 mit ihren landwirtschaftlichen Fahrzeugen gewählt haben, so wäre das der Beklagten vorgeworfene Errichten des Zaunes an der nunmehrigen Stelle tatsächlich als Besitzstörung zu werten. Nachdem nach den insofern unbekämpften bzw. unbekämpfbaren Feststellungen das Befahren der A*brücke aktuell nur so möglich ist, dass es sich mit dem rechten Hinterrad des Ladewagens knapp ausgeht, dass dieses an den bei Brückenbeginn aufgestellten Schildern vorbei kommt, könnte – aus derzeitiger Sicht – auch von Rechtsmissbrauch oder Schikane wohl nicht gesprochen werden.

Es ist also durchaus möglich, dass tatsächlich eine Besitzstörung seitens der Beklagten stattgefunden hat. Eine abschließende Beurteilung setzt jedoch Feststellungen zur Frage, ob und inwieweit die Kläger vor Versetzen des Zaunes (nach Aussage der Beklagten einen halben Meter in Richtung Straße) den nunmehr abgetrennten Bereich des Grundstücks 380/2 befahren haben, voraus. Insofern ist also ein sekundärer Verfahrensmangel gegeben, den die Kläger in ihrer Rechtsrüge völlig zu Recht geltend machen.

Es war daher dem Rekurs im Sinne der beschlossenen Aufhebung des Endbeschlusses stattzugeben und der Erstrichter wird neuerlich einen Endbeschluss zu fassen haben, wobei es seiner Entscheidung überlassen bleibt, ob das Beweisverfahren zu ergänzen ist oder nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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