JudikaturJustiz22Bs336/23g

22Bs336/23g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
13. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung der Staatsanwaltschaft Krems a.d. Donau wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Krems a.d. Donau vom 6. September 2023, GZ 56 Hv 50/22h 37, durch die Senatspräsidentin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Hahn und Mag. Gruber als weitere Senatsmitglieder gemäß §§ 470 Z 3, 489 Abs 1 StPO nichtöffentlich zu Recht erkannt:

Spruch

In amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrunds nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruchfaktum III./ und demgemäß im Strafausspruch und in der Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Strafsache im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Kassation verwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 (zu ergänzen: erster Fall) StGB sowie des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 106 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt.

Der Schuldspruch erfolgte, weil A*

I./ am 8. Jänner 2022 in C* auf der PI ** B* durch die Äußerung, „Wenn sich dein Vater noch einmal vor mich stellt, dann ist er hin, i foit eam zaum, die spindeldürre Drecksau! Schod war um eam ned“, gefährlich mit dem Tod einer Sympathieperson bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

II./ in der Nacht zum 14. März 2022 in ** in einem mehrstündigen Telefonat B* gefährlich mit dem Tod von Sympathiepersonen bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, nämlich indem er ihr durch die angeführten Äußerungen sinngemäß mitteilte, er werde ihren Vater C*, ihre Freundin D* und ihren Bekannten E* töten, und zwar

a) bezogen auf C* und D* mit den Worten, „Ich hab´ den Gedanken nicht zum ersten Mal gehabt (…) dass ich denen ein Messer in den Hals ramme und schau wie sie ausbluten (…). Die Zwei stehen ganz oben auf meiner Liste.“;

b) bezogen auf E* mit den Worten „Ich hab a halbe Stunde halluziniert was ich mit dem mache. Wirklich“ und „Na ob ich eam in de Goschn hau oder in die Eier tritt und dann den Ellbogen in die Goschn. Oder irgendetwas, keine Ahnung. Ob i erm daschlog, erwürge, keine Ahnung. Ich habe überlegt, aber er war Gott sei Dank nicht da. Das war sein Glück.“ und „(…) wenn er es beim 3. Mal net checkt hätt, ja hm. Hätte er ein bisserl sein eigenes Hirnwasser gegurgelt (…)“;

III./ in der Nacht zum 14. März 2022 in ** in einem mehrstündigen Telefonat B* durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich der Verständigung der Polizei nötigte, indem er ihr sinngemäß mitteilte, er werde die einschreitenden Kollegen, nämlich die Polizisten töten, und zwar mit den Worten „Wenn du jetzt Schritte einleitest, und der erste Kiwara der rein geht, den ersten stech i ab, den zweiten entwaffne ich und bring eam um und dann bin i selber hin.“, sowie „Wenn da jetzt ana eine marschiert, san olle hin. Da sag i uuhhh maaah wegen so einem Blödsinn seids da und dann glaubens eh der is normal und dann… Den ersten knock ich aus und den zweiten erschieß ich. Was is, du glaubst, du tust da keinem was Gutes. Du bringst zwei Kollegen um und mich noch dazu (…)“.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen mit einem Verbrechen sowie den Umstand, dass der Angeklagte die Taten gegen seine frühere Lebensgefährtin beging, mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, sein teilweises Tatsachengeständnis, den Umstand, dass er sich selbständig in Therapie begab und über das verpflichtende sechsstündige Gewaltpräventionstraining hinaus auch weiterhin freiwillig Bewährungshilfe in Anspruch nahm, die überlange Verfahrensdauer (wofür ein Monat Freiheitsstrafe in Abzug gebracht wurde) und die für beide Seiten sehr belastende On Off Beziehung. Ausgehend von den solcherart gegeneinander abgewogenen Strafzumessungstatsachen sprach es eine Freiheitsstrafe von elf Monaten aus, die es mit Blick auf den bisherigen ordentlichen Lebenswandel bedingt nachsah.

Gegen dieses Urteil richtet sich die sogleich nach Verkündung angemeldete (S 18 in ON 36) und fristgerecht ausgeführte Berufung der Anklagebehörde wegen Strafe, mit der sie eine Neubemessung zum Nachteil des Verurteilten anstrebt (ON 39).

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der Berufung überzeugte sich das Oberlandesgericht davon, dass dem angefochtenen Urteil eine gemäß den §§ 290 Abs 1, 471, 489 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit in Ansehung des Schuldspruchfaktums III./ anhaftet und war in Übereinstimmung mit der Oberstaatsanwaltschaft Wien zu erwägen:

Den hier relevanten erstgerichtlichen Feststellungen zufolge waren der Angeklagte und B* von zirka Juni bis Dezember 2021 Lebensgefährten und sie arbeiteten beide als Polizeibeamte an derselben Polizeidienststelle in ** (US 3). Ende Februar 2022 nahmen sie die Beziehung ein letztes Mal auf. B* beendete diese nach kurzer Zeit Anfang März aber neuerlich (US 4). Im weiteren Verlauf des Telefonats in der Nacht zum 14. März 2022 sagte B* – aufgrund der vom Angeklagten geäußerten konkreten suizidalen Gedanken und des Umstands, dass dieser als Polizist auch Zugang zu einer Waffe hatte –, dass sie langsam andenken müsse, Schritte einzuleiten. Daraufhin entgegnete der Angeklagte: „Wenn du jetzt Schritte einleitest, und der erste Kiwara der rein geht, den ersten stech i ab, den zweiten entwaffne ich und bring eam um und dann bin i selber hin.“ sowie „Wenn da jetzt ana eine marschiert, san olle hin. Da sag i uuhh maaah wegen so einem Blödsinn seids da und dann glaubens eh der is normal und dann… Den ersten knock ich aus und den zweiten erschieß ich. Was is, du glaubst, du tust da keinem was Gutes. Du bringst zwei Kollegen um und mich noch dazu (…)“. Der Angeklagte wusste bei allen zu /…/ III. angeführten Äußerungen, dass er durch diese B* gefährlich mit dem Tod jeweils an /…/ ihren Arbeitskollegen bedrohte und sie dadurch in Furcht und Unruhe versetzte /…/. Es kam ihm bei den zu /…/ III./ geäußerten Äußerungen auch darauf an, B* dadurch jeweils in einen nachhaltigen, das ganze Gemüt ergreifenden, peinvollen Seelenzustand (Unruhe)/…/, ausgelöst durch massive Erwartungsangst vor dem herannahenden Übel, nämlich des Todes der genannten Sympathiepersonen, /…/ zu versetzen. Bei den zu III./ genannten Äußerungen kam es dem Angeklagten auch wissentlich und willentlich darauf an, B* zur Unterlassung der Verständigung der Polizei zu veranlassen (US 5).

Eine gefährliche Drohung gemäß § 74 Abs 1 Z 5 StGB setzt voraus, dass sich das angekündigte Übel gegen die Person des Bedrohten, gegen dessen Angehörige oder gegen andere unter seinem Schutz gestellte oder ihm persönlich nahestehende Personen richtet. Persönlich nahestehend sind Personen, die nach den gegebenen Umständen ein gewisses persönliches Naheverhältnis, welches eine Verbundenheit zu der in der Drohung bezeichneten Person begründet, erkennen lassen; dazu zählen zum Beispiel (und zwar „ohne dass es dabei auf eine besondere individuelle Zuneigung ankäme“) auch die jeweils Dienst verrichtenden Kollegen, die regelmäßig im unmittelbaren dienstlichen Kontakt stehen, eines (gemeint: desselben) Gendarmeriepostens. Unter diesem Gesichtspunkt können auch Berufskollegen (gemeint: tatsächliche Arbeitskollegen; vgl. 14 Os 132/05a), alle innerhalb eines überschaubaren Kreises, als nahestehend im Sinne der Z 5 angesehen werden (Jerabek/Ropper in WK 2 § 74 Rz 27; 10 Os 133/80; RIS Justiz RS0120471). So muss das Mittel (der Gewalt) bei der Gruppe der sonstigen, dem Genötigten persönlich nahestehenden Personen danach beurteilt werden, ob die Nahebeziehung real eine solche ist, dass sich der Genötigte selbst unter psychischen Druck gesetzt fühlen könnte (Seiler/Seiler SbgK § 105 Rz 34).

Vorliegend fehlt es bereits an Feststellungen in objektiver Hinsicht, dass der Angeklagte B* mit dem Tod von Kollegen der Polizeidienststelle in **, bei welcher sowohl A* als auch die Genannte tätig waren, bedrohte und sich die Genötigte dadurch unter psychischen Druck gesetzt fühlen könnte. So erhellt aus den Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, dass nicht deren (tatsächliche) Arbeitskollegen, zu denen eine gewisse Verbundenheit besteht, gemeint sind, sondern – nicht konkretisiert – „einschreitende Beamte und sohin Kollegen“ (US 10). Da das Erstgericht somit nicht alle für die vorgenommene Subsumtion erforderlichen Feststellungen traf und daher eine Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO vorliegt, welche sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkt, zumal auch die Strafe nach § 106 Abs 1 StGB ausgemessen wurde, war das angefochtene Urteil bereits nichtöffentlich in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Strafsache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Mit der verbleibenden Berufung war die Berufungswerberin auf die Kassation zu verweisen.

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen