JudikaturJustiz21R295/19h

21R295/19h – LG Korneuburg Entscheidung

Entscheidung
18. November 2019

Kopf

Das Landesgericht Korneuburg als Rekursgericht hat durch seine Richter Mag Rak als Vorsitzende sowie Mag Iglseder und Mag Jarec LLM in der Rechtssache der klagenden Parteien [1] F***** E***** [2] C***** E***** [3] V***** B***** , vertreten durch Dr Kurt Fassl, Mag Alexander Haase, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei T***** , wegen EUR 1.821,36 sA , infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Schwechat vom 13.08.2019, 21 C 518/19p 2, in nicht öffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Kläger begehren den Zuspruch von insgesamt EUR 1.821,36 samt Zinsen und bringen dazu vor, dass sie mit der Beklagten einen Beförderungsvertrag geschlossen haben, der ua eine Luftbeförderung am 22.12.2018 von Wien (VIE) nach Bangkok (DMK) – sowie weiter nach Phuket (HKT) und zurück über DMK nach VIE – beinhaltet habe. Der Flug von VIE nach DMK habe jedoch nicht stattgefunden, weshalb sie tags darauf einen Ersatzflug über Frankfurt (FRA) nehmen haben müssen. Sie hätten daher gemäß Art 5 iVm Art 7 der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Fluggastrechte-VO) einen Anspruch auf eine Pauschalentschädigung von EUR 600,-- pro Person, sowie gemäß Art 9 Abs 1 lit a der VO auf den Ersatz der Verpflegungskosten von EUR 21,36.

Zur Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Schwechat brachten sie vor, dass auf den gegenständlichen Beförderungsvertrag das Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (MÜ) anwendbar sei. Da der Bestimmungsort des Beförderungsvertrags VIE gewesen sei, könnten sie den Gerichtsstand gemäß Art 33 MÜ in Anspruch nehmen.

Mit dem angefochtenen Beschluss erklärte sich das Erstgericht für unzuständig und wies die Klage zurück. Begründend führte es zunächst aus, dass der Sachverhalt nicht in den räumlich-personellen Anwendungsbereich der EuGVVO falle, weil die Beklagte ihren Sitz in Thailand habe. Offenkundig wollte das Erstgericht damit – zutreffend – darlegen, dass damit nicht das unionsrechtliche System der Streiteinlassung anzuwenden, sondern die Zuständigkeit gemäß § 41 JN a limine zu prüfen, und die Klage allenfalls noch vor Zustellung an den Prozessgegner gemäß § 43 Abs 1 JN zurückzuweisen ist.

Das MÜ enthalte keine Regelungen im Hinblick auf Schäden in Folge Nichtbeförderung oder Annullierung; so beziehe sich Art 19 MÜ lediglich auf Verspätungsschäden. Unter Verspätung werde ein nicht rechtzeitiges Eintreffen des Flugzeuges am Bestimmungsort unter Überschreiten der Beförderungsfrist verstanden. Die Annullierung sei im Gegensatz zur Verspätung die gänzliche Nichtdurchführung eines Fluges. Schäden, die Folge einer solchen Annullierung seien, würden damit nicht in den Anwendungsbereich des MÜ fallen. Abgesehen davon würden die Kläger ihre Ansprüche nicht auf einen Tatbestand des MÜ stützen, sondern auf die Fluggastrechte-VO; eine übergreifende Anwendung des MÜ auf derartige Ansprüche komme jedoch nicht in Betracht.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Kläger aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung – wenn auch ohne ausdrücklichen, so doch - mit dem erkennbaren Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

[1] Im Wesentlichen argumentieren die Rekurswerber, dass die Regelungsrahmen des MÜ und der Fluggastrechte-VO vergleichbar seien, und aus einem Größenschluss folge, dass nicht nur Verspätungsschäden, sondern erst recht Schäden aus der Annullierung eines Fluges vom MÜ umfasst seien.

Festzuhalten ist zunächst, dass die Kläger ihre Ansprüche allein auf die Fluggastrechte-VO stützen (und auch deren Höhe danach berechnen). Zutreffend hat daher das Erstgericht erkannt (§§ 500a iVm 526 Abs 3 ZPO), dass Art 33 MÜ nur für solche Ansprüche Gerichtsstände anbietet, die aus dem MÜ abgeleitet werden. Dem gegenüber verfügt die Fluggastrechte-VO über kein autonomes Gerichtsstandssystem, sodass – je nach räumlich-personeller Anwendbarkeit – auf die Bestimmungen der EuGVVO oder des innerstaatlichen Rechts zurüc kzugreifen ist (Schmid in BeckOK, Fluggastrechteverordnung Art 7 Rz 62). Die Gerichtsstandsregelung des Art 33 MÜ gilt hingegen nur, wenn Ansprüche aus diesem Übereinkommen geltend gemacht werden. Für Ansprüche, die aus der Fluggastrechte-VO hergeleitet werden, gilt Art 33 MÜ also nicht, auch nicht analog (aaO Rz 60 mwN). Dies hat jüngst auch der Europäische Gerichtshof bekräftigt (Urteil vom 07.11.2019 zu C-213/18 [Guaitoli ua/easyJet] ).

[2] Wenn die Rekurswerber meinen, dass ohne Gerichtsstand gemäß Art 33 MÜ dem Grundsatz des effet utile nicht zum Durchbruch verholfen werden könne ( offenbar gemeint: weil sie dann ihre Rechte in unzumutbarer Weise vor thailändischen Gerichten durchsetzen müssten), ist auf die Möglichkeit der Ordination gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN zu verweisen.

[3] Sofern die Rekurswerber die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nun auf Art 18 EuGVVO stützen, liegt darin nicht nur eine unzulässige Neuerung; sie setzen sich damit auch argumentationslos über die zutreffende Ansicht des Erstgerichts hinweg, wonach die Beklagte nicht dem räumlich-personellen Anwendungsbereich der EuGVVO unterliege, was die Anwendbarkeit dieser Verordnung schon grundsätzlich ausschließt.

Abgesehen davon ist der Verbrauchergerichtsstand des Art 18 Abs 1 EuGVVO gemäß Art 17 Abs 3 nicht auf Beförderungsverträge anzuwenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 1 ZPO.

Rechtssätze
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