JudikaturJustiz20R38/07y

20R38/07y – LG Eisenstadt Entscheidung

Entscheidung
02. Mai 2007

Kopf

Das Landesgericht Eisenstadt als Rekursgericht hat durch den Präsidenten des Landesgerichtes Hofrat Dr. Josef Wimmer (Vorsitzender) und durch die Richter Mag. Bernhard Kolonovits und Dr. Jürgen Rassi in der Pflegschaftssache 1. der mj. V***** S ***** , geb. am 30.12.1993, 2. der mj. L***** S*****, geb. am 6.7.2001, und

3. des mj. F***** S ***** , geb. am 19.11.2002, über den Rekurs der Minderjährigen L*****, V***** und F***** S*****, sämtliche vertreten durch die Kindesmutter Ing. A***** S*****, diese wiederum vertreten durch Ing. Mag. Dr. Roland Hansely, Rechtsanwalt in 1030 Wien, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Neusiedl am See vom 2.3.2007, GZ 2

P 13/07a-U-9, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird t e i l w e i s e Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass er nunmehr zu lauten hat wie folgt:

„Der Kindesvater T***** S*****, *****, 1030 Wien, ist schuldig,

a) der mj. V***** S*****, geb. am 30.12.1993, einen vorläufigen monatlichen Unterhaltsbetrag von EUR 130,90,

b) der mj. L***** S*****, geb. am 6.7.2001, einen vorläufigen monatlichen Unterhaltsbetrag von EUR 112,70 und

c) dem mj. F***** S*****, geb. am 19.11.2002, einen vorläufigen monatlichen Unterhaltsbetrag von EUR 112,70

bei sonstiger Exekution, ab 2.3.2007 für den Monat März sofort und für die Nachfolgemonate am 1. eines jeden Monats im Voraus, längstens bis zur rechtskräftigen Erledigung des anhängigen Unterhaltsverfahrens, zu Handen des betreuenden Elternteiles, Ing. A***** S*****, *****, 2423 Deutsch Jahrndorf, zu bezahlen."

Der Antrag des Kindervaters T***** S***** auf Ersatz der Kosten der Rekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.

Text

Begründung:

Hinsichtlich der im Spruch angeführten mj. Kinder ist beim Erstgericht ein Unterhaltsfestsetzungsverfahren anhängig. Mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtete das Erstgericht den Kindesvater, den mj. Kindern V*****, L***** und F***** S***** je einen vorläufigen monatlichen Unterhaltsbetrag von EUR 105,40 gemäß § 382a EO ab 2.3.2007 zu bezahlen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Minderjährigen mit der Begründung, dass dem Grundbetrag der Familienbeihilfe nach § 382a EO auch die Zuschläge hinzuzurechnen seien. Unter „Grundbetrag" der Familienbeihilfe nach § 382a EO sei jener Betrag zu verstehen, der einer Person an Familienbeihilfe für ein Kind zustehe und der sich nach dem Alter des Kindes richte. Auch der als „Geschwisterstaffelung" bezeichnete Erhöhungsbetrag laut § 8 Abs 3 FamLAG sei unter den Begriff „Grundbetrag" zu subsumieren (OGH vom 9.9.2002, 7 Ob 200/02s).

Der Kindesvater erstattete eine Rekursbeantwortung, diese ist zulässig.

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

In seiner Entscheidung vom 8.6.2004, 10 Ob 28/04 x, hat sich der OGH ausdrücklich mit der zur hier wesentlichen Frage zur ergangenen Entscheidung des OGH vom 9.9.2002, 7 Ob 200/02a, auseinandergesetzt und Nachstehendes erwogen:

Die spezielle unterhaltsrechtliche einstweilige Verfügung (eV) nach § 382a EO wurde mit dem Bundesgesetz über den vorläufigen Unterhalt für Minderjährige (BGBl 1987/645) geschaffen. Sie unterscheidet sich mehrfach von der Entscheidung über den einstweiligen Unterhalt nach § 382 Z 8 lit a EO, die sie nach § 382a Abs 5 EO nicht vollständig verdrängt (Seibt, Einstweilige Verfügungen im Familienrecht, in Deixler-Hübner/Schwarzinger [Hrsg], Die rechtliche Stellung der Frau [1998], 31 [38]). Zweck der Regelung, die vor allem eine verfahrensrechtliche Bevorzugung des Unterhalt fordernden Kindes vorsieht, ist es, der Existenzgefährdung von auf Unterhaltszahlungen angewiesenen Minderjährigen entgegenzuwirken (RIS-Justiz RS0097430). Als Ausgleich zum erleichterten Bewilligungsverfahren dient die den Antragsgegner begünstigende Sonderregelung der Aufhebung und Einschränkung der eV in § 399a EO sowie der Rückforderung des zu Unrecht Empfangenen in § 399b EO (Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO [April 2002] § 382a Rz 1). Weiters ist das Höchstausmaß des vorläufigen Unterhaltes mit dem „Grundbetrag der Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz" begrenzt. Allerdings kennt das FamLAG den Begriff „Grundbetrag" nicht. Nach der in Judikatur (4 Ob 508/96 = EF 82.538; 7 Ob 209/99g = EF 91.296 = JBl 2000, 389; RIS-Justiz RS0006134) und Literatur (Seibt aaO 38; Sailer aaO Rz 9 mwN) herrschenden Ansicht ist der „Grundbetrag" jedenfalls vom Alter des Kindes abhängig. Die Autoren, die die herrschende Meinung nicht teilen, wollen nicht weitere, sondern - gestützt auf den Wortlaut „Grundbetrag" und die Gesetzesmaterialien, die von einem relativ geringen fixen Betrag sprechen (645 BlgNR 17. GP 4) - überhaupt keine Zuschläge berücksichtigen, also auch keine altersabhängigen (Schober, RPfl 1988/1, 18 [20]; Neumayr in Schwimmann2 § 4 Rz 89). Auch Holzner (Glosse zu JBl 2003, 324) bezeichnet es als „an sich schon sehr kühn", zum Grundbetrag auch den Alterszuschlag zu zählen.

Zu 7 Ob 200/02s (RIS-Justiz RS0006134 [T2] = JBl 2003, 324, Holzner) hat der Oberste Gerichtshof dann entschieden, dass neben dem Alterszuschlag auch der als „Geschwisterstaffelung" bezeichnete Erhöhungsbetrag laut § 8 Abs 3 FamLAG idF BGBl I 2001/68 unter den Begriff des „Grundbetrags" falle. Diese Meinung wird in der überwiegenden Literatur nicht geteilt (siehe etwa Sailer aaO Rz 9, Zechner, Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung [2000] § 382a Rz 3, und König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren2 [2000] 2/146 FN 547). Insbesondere Holzner (JBl 2003, 324) hat mit überzeugenden Argumenten die Unrichtigkeit der Einbeziehung der „Geschwisterstaffelung" dargelegt, ist doch dann nicht mehr einzusehen, warum der Gesetzgeber weiterhin von „Grundbetrag der Familienbeihilfe" spricht und nicht gleich vom Betrag der „Familienbeihilfe". Die Entscheidung 7 Ob 200/02s hat auch sowohl den Text des § 8 FamLAG idF BGBl I 2001/68 als auch die Gesetzesmaterialien, auf die sie sich beruft (RV 594 BlgNR 21. GP 4), gegen sich.

Nach § 8 Abs 2 FamLAG idF BGBl I 2002/105 beträgt die Familienbeihilfe ab 1. Jänner 2003 für jedes Kind monatlich EUR 105,40; sie erhöht sich für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem dieses das 3. Lebensjahr vollendet, um monatlich EUR 7,30, sie erhöht sich weiters für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem dieses das 10. Lebensjahr vollendet, um monatlich EUR 18,20; sie erhöht sich weiters ab Beginn des Kalendermonats, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet, um monatlich EUR 21,80.

Nach § 8 Abs 3 FamLAG idF BGBl I 2002/105 erhöht sich der „Gesamtbetrag der Familienbeihilfe" um monatlich EUR 12,80, wenn ab 1. Jänner 2002 für zwei Kinder die Familienbeihilfe bezogen wird; darüber hinaus erhöht sich der Gesamtbetrag an Familienbeihilfe ab dem dritten Kind, für das Familienbeihilfe bezogen wird, um monatlich EUR 25,50 pro Kind. In der bis 31.12.2001 geltenden Fassung des § 8 Abs 3 FamLAG war für das erste Kind altersabhängig ein bestimmter Betrag der Familienbeihilfe vorgesehen gewesen und für jedes weitere Kind ein um ATS 175,-- höherer Betrag.

Aus dieser legislativen Entwicklung kann die Tendenz des Gesetzgebers ersehen werden, mit der Erhöhung letztlich die Familie insgesamt zu fördern und nicht dem einzelnen Kind einen von der Zahl der Kinder des Beihilfenbeziehers abhängigen „Grundbetrag" zukommen zu lassen. In der der Änderung des FamLAG mit BGBl I 2001/68 zugrunde liegenden Regierungsvorlage (RV 594 BlgNr 21.GP 4) sind zwei Berechnungsbeispiele angeführt, in denen vorerst die Familienbeihilfe je Kind berechnet und dann dargestellt wird, dass wegen einer höheren Kinderzahl der „Gesamtbetrag an Familienbeihilfe" noch um einen bestimmten Betrag erhöht wird. Soweit sich die Entscheidung 7 Ob 200/02s darauf beruft, die (Geschwister )Staffelbeträge seien „nach dem klaren Wortlaut zum Gesamtbetrag der Familienbeihilfe zu zählen und demgemäß auch vom Sicherungszweck des § 382a EO erfasst", wird außer Betracht gelassen, dass in § 8 Abs 3 FamLAG und den angeführten Gesetzesmaterialien vom „Gesamtbetrag der Familienbeihilfe" die Rede ist, in § 382a EO dagegen vom „Grundbetrag der Familienbeihilfe". Diese beiden Begriffe unterscheiden sich sowohl im Wortlaut als auch im Wortsinn. Anders als bei den Alterszuschlägen würde die Berücksichtigung der Geschwisterstaffelung letztlich zu dem dem Unterhaltsrecht sonst fremden Ergebnis führen, dass ein jüngeres Kind einen höheren vorläufigen Unterhalt erhalten würde als die älteren Geschwister. Demnach umfasst der „Grundbetrag der Familienbeihilfe" nicht die Zuschläge aufgrund der Geschwisterstaffelung nach § 8 Abs 3 FamLAG; die in 7 Ob 200/02s vertretene Ansicht wurde daher vom OGH in seiner später zu 10 Ob 28/04 x ergangenen Entscheidung ausdrücklich nicht aufrecht erhalten. Dieser Rechtsansicht schließt sich das Rekursgericht an.

Für die am 30.12.1993 geborene Antragstellerin V***** S***** beträgt der altersabhängige „Grundbetrag der Familienbeihilfe" somit EUR 105,40 + EUR 7,30 + EUR 18,20 = EUR 130,90 und für die beiden mj. Kinder L***** und F***** S***** je EUR 105,40 + EUR 7,30 = EUR 112,70. In diesem Umfang war daher dem Rekurs Folge zu geben. In Verfahren auf Festsetzung des Unterhalts für Minderjährige ist auch nach dem In-Kraft-Treten des neuen AußStrG (§ 101 Abs 2 AuStrG nF) Kostenersatz nicht vorgesehen; dies gilt nach ständiger Rechtsprechung auch für das Verfahren auf Festsetzung eines vorläufigen Unterhalts nach § 382a EO (EFSlg.112.526). Der Kostenersatzanspruch des Kindesvaters für die Rekursbeanwortung war daher zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gründet sich auf die §§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 3, 528 Abs 1 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 1 letzter Satz EO. Eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung liegt vor, da zur verfahrensrelevanten Frage der Höhe des „Grundbetrages" der Familienbeihilfe iSd § 382a EO divergierende Entscheidungen zweier Senate des Höchstgerichtes vorliegen, auch wenn das Rekursgericht der jüngeren Entscheidung folgt und die darin vertretene Rechtsansicht zwischenzeitig auch von anderen Rekursgerichten übernommen wurde (zB LG Salzburg zu 21 R 80/05v; LGZ Wien zu 44 R 484/05k). Landesgericht Eisenstadt

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