JudikaturJustiz1R83/12v

1R83/12v – LG Klagenfurt Entscheidung

Entscheidung
20. April 2012

Kopf

Das Landesgericht Klagenfurt hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Joham (Vorsitz), Dr. Mikulan und Dr. Steflitsch in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) ***** , 2.) ***** , *****, beide *****, *****, und vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt a. WS, gegen die beklagte Partei *****Hausverwaltung GmbH , *****, *****, vertreten durch Dr. Nikolaus Lanner, Rechtsanwalt in Klagenfurt a. WS, wegen Besitzstörung, über den Rekurs der Beklagten gegen den berichtigten Endbeschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 9. Jänner 2012, 45 C 662/11x 7 und -9, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wegen Nichtigkeit wird verworfen.

Im Übrigen wird dem Rekurs Folge gegeben.

Der angefochtene Endbeschluss wird dahin abgeändert, dass die auf Feststellung der Störung des letzten ruhigen Besitzes der Kläger an der Terrassen- und Gartenfläche der Wohnung Top 1, Görzer Allee 31, Klagenfurt a. WS, und auf Unterlassung weiterer ähnlicher Störungen durch die Beklagte gerichtete Besitzstörungsklage abgewiesen wird.

Die Kläger haben der Beklagten zu Handen ihres Vertreters die mit EUR 410,26 (davon EUR 68,38 Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz und die mit EUR 347,44 (davon EUR 143,00 Barauslagen, EUR 34,07 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 6 ZPO jedenfalls unzulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Die Kläger sind zu je 5533/200000 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ 2046 GB **********, mit denen Wohnungseigentum an der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung Top 1 verbunden ist. Der der Wohnung Top 1 vorgelagerte Terrassen- und Gartenanteil steht in der Nutzungs- und Verfügungsbefugnis der Kläger. Die Beklagte ist Hausverwalterin der Wohnungseigentumsanlage.

Am 1. September 2011 beauftragte der Geschäftsführer der Beklagten ein Bauunternehmen mit der Renovierung der Außenfassade. Die Arbeiten sollten so schnell wie möglich durchgeführt werden. Der Geschäftsführer der Beklagten wies die Baufirma an, vor den Arbeiten bei den einzelnen Wohnungseigentümern anzuläuten, um Zutritt zu den einzelnen Terrassen- und Gartenflächen zu erhalten. Er teilte die urlaubsbedingte Abwesenheit der Kläger bis 7. September 2011  und die Forderung der Kläger, dass mit den Arbeiten bis zu ihrer Urlaubsrückkehr zugewartet werden sollte, nicht mit. Am 5. September 2011 begann die Baufirma mit der Renovierung der Außenfassade. Zwei Arbeiter der Baufirma überstiegen  das Gartentor der Kläger, um in den Garten bzw. Terrassenteil der Kläger zu gelangen und von dort aus Renovierungsarbeiten durchzuführen.

Mit der vorliegenden Besitzstörungsklage begehren die Kläger gegenüber der Beklagten die Feststellung, dass die Beklagte die Kläger im letzten ruhigen Besitz der Terrassen- und Gartenfläche zu ihrer Wohnung Top 1 dadurch gestört habe, dass sie trotz Verbotes die von ihr beauftragten Arbeiter veranlasst habe, am 5. September 2011 das Gartentor zu dieser Gartenfläche zu übersteigen und von dort aus Arbeiten an der Fassade durchzuführen. Mit dem Unterlassungsbegehren begehren die Kläger die Unterlassung weiterer ähnlicher Störungen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Besitzstörungsklage. Sie wandte ein, sie sei nicht passiv legitimiert. Das Verhalten der Arbeiter des von ihr beauftragten Unternehmens sei ihr nicht zurechenbar.

Mit dem angefochtenen Endbeschluss entschied die Erstrichterin im Sinne des Klagebegehrens. Dabei ging sie vom eingangs dargestellten Sachverhalt und den weiteren auf den Seiten 3 - 4 der Beschlussausfertigung wiedergegebenen Feststellungen, auf welche verwiesen werden kann, aus. Rechtlich vertrat sie die Auffassung, die Beklagte sei als mittelbarer Störer passiv klagslegitimiert. Der Beklagten hätte klar sein müssen, dass zur Durchführung der Renovierungsarbeiten Wohnungseigentumsflächen in Anspruch genommen werden müssen. Die Beklagte hätte die einzelnen Wohnungseigentümer verständigen müssen bzw. die Baufirma von der urlaubsbedingten Abwesenheit der Kläger in Kenntnis setzen müssen. Die Weisung, dass die Arbeiter vor Durchführung der Arbeiten bei den einzelnen Wohnungseigentümern anzuläuten haben, sei nicht ausreichend gewesen, um zu vermeiden, dass ohne Zustimmung der Wohnungseigentümer deren Terrassen- bzw. Gartenflächen in Anspruch genommen werden.

Gegen diesen Endbeschluss, der den Parteien zunächst unvollständig (ohne Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung) zugestellt wurde, richtet sich der Rekurs der Beklagten aus den Rekursgründen der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung als nichtig aufzuheben, in eventu aber die Besitzstörungsklage abzuweisen. Weiters wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Nach Zustellung einer vollständigen Ausfertigung erhob die Beklagte neuerlich Rekurs aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie wiederholte ihren Antrag auf Abweisung der Besitzstörungsklage. In eventu stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Kläger haben zu beiden Rekursen jeweils eine Rekursbeantwortung erstattet und beantragen, dem Rechtsmittel des Gegners keine Folge zu geben.

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

A) Prozessuales (Einmaligkeit und Rechtzeitigkeit der Rechtsmittelhandlung):

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beginnen sowohl im Falle einer beantragten als auch einer von Amts wegen verfügten Berichtigung einer Entscheidung die Rechtsmittelfristen grundsätzlich erst mit der Zustellung der berichtigten Entscheidungsausfertigung, es sei denn, dass der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigungsbeschluss keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruchs haben konnte (1 Ob 392/97x; 2 Ob 61/00k; 8 Ob 54/08m; 4 Ob 79/08h; 2 Ob 179/09a; RIS-Justiz RS0041797 [T1]). Die zuletzt genannte Einschränkung soll eine missbräuchliche Verlängerung der Rechtsmittelfrist hintanhalten. Erlangen die Parteien erst durch die Berichtigung einer Entscheidung volle Klarheit über deren Inhalt, dann beginnt die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses bzw. der berichtigten Entscheidung zu laufen (vgl. 1 Ob 392/97x; 5 Ob 35/03p mwN; 2 Ob 179/09a).

Abweichungen zwischen der Urschrift und der Ausfertigung gerichtlicher Entscheidungen sind durch Berichtigung der Ausfertigung zu beseitigen, die ohne Rücksicht darauf zulässig ist, ob die Abweichungen für die Parteien offenkundig sind (RIS-Justiz RS0041601, RS0041530). Bei diesen Abweichungen handelt es sich nicht um Divergenzen zwischen dem Entscheidungswillen und der erklärten Entscheidung, sondern lediglich um eine Nichtübereinstimmung der bereits in Form der Urschrift vorliegenden Entscheidung und der darauf beruhenden Ausfertigung (9 ObA 14/01a; M. Bydlinski in Fasching/Konecny² § 419 ZPO Rz 10). Ein neuer Fristenlauf kann nach der dargestellten Rechtslage auch dann beginnen, wenn das Gericht innerhalb offener Rechtsmittelfrist die den Parteien zugestellte Ausfertigung von Amts wegen zur Berichtigung wieder abverlangt.

Im vorliegenden Fall hat die Erstrichterin noch innerhalb offener Rechtsmittelfrist und offenbar aus Anlass des von der Beklagten erhobenen Rekurses die den Parteien ursprünglich unvollständig zugestellten Ausfertigungen durch Ergänzung des Fehlenden "berichtigt" und den Parteien eine vollständige Ausfertigung des Endbeschlusses zugestellt. Erst mit dieser Zustellung der berichtigten Ausfertigung beginnt, weil die Parteien zuvor mangels Vollständigkeit der Ausfertigung keine Mutmaßungen über den eigentlichen Entscheidungswillen des Erstgerichtes anstellen mussten, die Rechtsmittelfrist gegen den Endbeschluss. Die Einbringung des zweiten Rekurses verletzt nicht den Grundsatz der Einmaligkeit der Rechtsmittelhandlung (allgemein zu diesem Grundsatz: Gitschthaler in Rechberger, ZPO³ §§ 84 - 85 Rz 15 mwN; Kodek in Rechberger, ZPO³ Vor § 661 Rz 12 mwN aus der Rechtsprechung). Die Beklagte durfte ihre Rekursgründe und Rekursanträge der durch die Berichtigung vorgenommenen Korrektur anpassen, ergab sich doch der eigentliche Entscheidungswille des Erstgerichtes erst aus der Berichtigung. In einem solchen Fall kann die Partei das gegen die unberichtigte Entscheidung erhobene Rechtsmittel durch einen weiteren Schriftsatz ergänzen. Die beiden Schriftsätze sind dann als Einheit aufzufassen (1 Ob 608/94; SZ 54/103; 1 Ob 59/02m). Das ursprünglich eingebrachte Rechtsmittel wäre auch durch ein neues ersetzbar (SZ 65/116). Hier wurde der erste Rekurs der Beklagten nicht zurückgezogen, die beiden Rekursschriftsätze sind daher nach den bisherigen Erwägungen rechtzeitig und meritorisch als Einheit zu erledigen.

B) Zur Sachentscheidung:

Nicht zielführend sind die Rechtsmittelausführungen der Beklagten zum geltend gemachten Rekursgrund der Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO. Divergenzen zwischen Ausfertigung und Urschrift sie sind durch Berichtigung der Ausfertigung zu beseitigen, die bloße Unrichtigkeit der Ausfertigung kann zu keiner Abänderung dieser Entscheidung im Rechtsmittelweg führen (RIS-Justiz RS0041530)  - begründen weder Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens oder Nichtigkeit (6 Ob 99/08i mwN). Der Rekurs wegen Nichtigkeit ist demnach mangels Vorliegens eines mit Nichtigkeit bedrohten Verstoßes durch das Erstgericht zu verwerfen.

Hingegen erweist sich die Rechtsrüge als berechtigt.

Vorliegend gilt allein zu beurteilen, inwieweit eine Passivlegitimation der Beklagten als "mittelbare" Störerin gegeben ist.

Die Haftung eines unmittelbaren Störers ist in der Regel unproblematisch. Dies entspricht auch dem auf die Verhinderung künftiger Störungen gerichteten Zweck des Unterlassungsanspruches. Unklar ist jedoch vor allem, inwieweit auch für das Verhalten Dritter einzustehen ist. Leitlinie aller diesbezüglichen Überlegungen muss zunächst die Wirksamkeit des Schutzes sein. Der Unterlassungsanspruch soll gewährleisten, dass zukünftige Besitzstörungen soweit wie möglich verhindert werden können. Unter diesem Gesichtspunkt ist das Interesse an der Störungshandlung von Bedeutung: Wird der unmittelbare Störer nämlich in fremdem Interesse tätig, so wäre dem Gestörten mit einem Unterlassungsanspruch bloß gegen den unmittelbaren Störer wenig gedient; der Geschäftsherr könnte dann statt dessen einen anderen Gehilfen einsetzen; gegen von diesem verübte Störungen bestände zunächst kein Schutz. Auf diese Weise würde der dem Besitzer zustehende Unterlassungsanspruch unterlaufen werden. Dass die Notwendigkeit, erst einen Titel zu schaffen, eine Schlechterstellung des Gestörten gegenüber einer sofortigen Möglichkeit zur Exekutionsführung bedeutet, bedarf in diesem Zusammenhang keiner weiteren Ausführungen. Wird hingegen der Unterlassungsanspruch gegen denjenigen eingeräumt, der ein eigenes Interesse an der Störung hat, so wird dadurch ein besonders wirksamer Schutz erzielt eine Überlegung, der auch dann Bedeutung zukommt, wenn ein Gehilfe aus eigenem Entschluss von seinem Auftrag abweicht. In einem solchen Fall kann die Haftung des Geschäftsherrn wohl nicht mehr ohne weiteres mit seinem "Interesse" an der Störung begründet werden (vgl. Kodek, Besitzstörung 385 ff mwN).

Auch die Rechtsprechung entwickelte sehr früh das Zurechnungskriterium des "Interesses". In neuerer Zeit neigt die Rechtsprechung in der Regel zu einer großzügigen Zurechnung. Häufig findet sich die Formel, dass nicht nur der eigentliche Störer und derjenige, der den Auftrag dazu erteilt hat, passiv klagslegitimiert sei, sondern auch jeder, von dem Abhilfe im Sinn der Beseitigung oder Verhinderung der Störung erwartet werden könne, dessen Hilfsperson der Störer sei oder in dessen Interesse die Störungshandlung vorgenommen wurde. Teilweise finden sich noch weitere Zurechnungskriterien, etwa die nachträgliche Genehmigung oder die Vorhersehbarkeit der Störung (vgl. MietSlg 31.026; 34.028; 57.020 ua). Die von der Rechtsprechung im Einzelfall erzielten Lösungen weisen oft starke Unterschiede auf, was sich besonders deutlich in den Fällen der Besitzstörung durch KFZ zeigt. So wird teilweise unter Berufung auf die Befugnis des Halters, dem Lenker Weisungen zu erteilen, eine generelle Haftung des Halters angenommen, während andere Entscheidungen – dies entspricht auch der Rechtsprechung des Rekurssenates - die Erfüllung weiterer Zurechnungskriterien fordern.

Passiv klagslegitimiert ist nach der Rechtsprechung des Rekurssenates grundsätzlich nur derjenige, von dem die Beseitigung der Störung erwartet werden kann bzw. der in irgendeiner Form Einfluss auf die Störungshandlung selbst nehmen konnte. Als mittelbarer Störer kann nur angesehen werden, wer die rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit hat, die auf ihn zurückgehende, seiner Interessenswahrnehmung dienende, aber unmittelbar von Dritten vorgenommene Störungshandlung zu steuern und gegebenenfalls zu verhindern.

Hier hat die Beklagte als Hausverwalterin das Bauunternehmen mit der Durchführung von Fassadenarbeiten beauftragt mit der Weisung, dass sich die Arbeiter vor dem notwendigen Betreten der Garten- und Terrassenflächen mit den einzelnen Wohnungseigentümern in Verbindung zu setzen haben. Wenn sich einzelne Arbeiter, wie hier, dem widersetzt und ohne Einholung einer Zustimmung der Kläger deren Gartenfläche betreten haben, so ist dieses beeinträchtigende Verhalten keine notwendige oder naheliegende Folge der Ausführung des Auftrages. Die Beklagte musste mit derartigem Verhalten gegenteilige Anhaltspunkte sind nicht festgestellt - nicht rechnen. Sie musste auch nicht das Bauunternehmen von der Abwesenheit der Kläger ausdrücklich in Kenntnis setzen und beauftragen, die von der Gartenfläche der Kläger aus durchzuführenden - Arbeiten erst nach Urlaubsrückkehr zu vollenden. Die Weisung der Beklagten an die Baufirma, die einzelnen Gartenflächen erst nach Absprache mit den einzelnen Wohnungseigentümern zu betreten, ist, entgegen der Auffassung der Erstrichterin, ausreichend. Die Arbeiter, die dem zuwider gehandelt haben, haben damit die Sphäre des Auftrages oder des Interesses verlassen und waren nicht mehr als "Gehilfen in Erfüllung des Auftrages" tätig.

Damit fehlt es aber an einem ausreichenden Anknüpfungsmoment, um der beklagten Partei die von den Arbeitern der von ihr beauftragten Baufirma unmittelbar begangene Besitzstörung als mittelbare Störerin zuzurechnen (vgl. auch ZVR 2003/11 mwN).

Inkriminiert war ausdrücklich nur das unbefugte Betreten der Garten- und Terrassenfläche durch Arbeiter der Baufirma, sodass die Fragen, ob den Fassadenarbeiten ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft zugrunde liegt, und wie weit die Fassadenarbeiten überhaupt zulässig waren, hier nicht zu prüfen sind.

Dem Rekurs war somit Folge zu geben.

Die Abänderung der Sachentscheidung hat die Neubemessung der Verfahrenskosten erster Instanz zur Folge, die sich auf die §§ 41 und 50 ZPO stützt. Die Entscheidung über die Kosten des Rekurses gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die beiden Rekursschriften sind, wie ausgeführt, als Einheit zu betrachten und daher nur einmal zu honorieren.

Landesgericht Klagenfurt, Abteilung 1

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