JudikaturJustiz1R760/96b

1R760/96b – LG HG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. März 1997

Kopf

Das Handelsgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Kreimel (Vorsitzender), Dr. Pelant und Mag.Dr. Wanke-Czerwenka in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Rainer Blasbichler, Rechtsanwalt in 1180 Wien, wider die beklagte Partei L*****, wegen S 15.001,-- samt Nebengebühren über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 10.5.1996, GZ 10 C 719/96z-4, in nicht öffentlicher Sitzung den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird insoweit, als er die Klage im Umfang von S 4.151,-- ("vereinbarte Mahnspesen") zurückweist, bestätigt. Im übrigen wird er aufgehoben und dem Erstgericht hinsichtlich des verbleibenden Klagsanspruchs die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit der vorliegenden Mahnklage begehrt die Klägerin S 15.001,-- samt 12 % Zinsen aus S 10.850,-- seit 20.3.1995 (so die Umschreibung des Klagebegehrens in den Feldern 06 und 07 des Klagsformblattes). Demgemäß ist der Streitwert im Feld 03 mit S 15.001,-- beziffert. Im Feld 10 wird der geltend gemachte Anspruch wie folgt aufgeschlüsselt und dargestellt:

"O1 Lieferung/Kaufpreis: Ware Datum: 20.3.1995 Forderung in ÖS: S 10.850,--,

12 sonstiger Anspruch: Vereinbarte Mahnspesen in ÖS: 4.151,--,

Der eingeklagte Betrag wurde trotz Fälligkeit nicht bezahlt".

Ausgehend von dieser Klagsdarstellung erteilte das Erstgericht den Auftrag zur Verbesserung durch "Vorlage der Vereinbarung von Mahnspesen im Sinne des § 448 a ZPO". Die Klägerin leistete diesem Auftrag nicht Folge und vertrat dabei die Rechtsansicht, daß kein Fall des § 448 a ZPO vorliege; im übrigen sei ihre Klage jedenfalls schlüssig.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Erstgericht daraufhin die Klage zur Gänze zurück. Es erachtete § 448 a ZPO auf den vorliegenden Fall für anwendbar und führte unter Verweis auf statistische Erhebungen aus, daß auch in concreto die gegründete Vermutung bestehe, daß sich die Klägerin möglicherweise zu Unrecht auf eine bestehende Vereinbarung bezüglich der Mahnspesen berufe, um damit einen bedingten Zahlungsbefehl über diese Kosten zu erschleichen. Da sie dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen sei, sei die Klage daher gemäß § 448 a Abs 3 ZPO zurückzuweisen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluß aufzuheben und den beantragten Zahlungsbefehl zu erlassen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

Das Erstgericht hat die Klagszurückweisung auf die mit BGBL 1995/519 neu geschaffene Bestimmung des § 448 a ZPO gegründet. Demgegenüber argumentiert die Klägerin - unter II. ihrer Rekursausführungen - damit, daß kein Anwendungsfall dieser neuen Vorschrift vorliege; sie sei nur darauf gerichtet, die Erschleichung von Ansprüchen durch deren Verschleierung zu verhindern, keinesfalls solle sie jedoch ermöglichen, materielles Klagsvorbringen von Amts wegen auf dessen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Davon abgesehen müsse jedenfalls eine konkrete Vermutung vorliegen, daß der Kläger eine Erschleichung in diesem Sinne versuche, wofür jedoch hier keinerlei Anhaltspunkt bestehen.

Diesen Argumenten stellt die Klägerin als "unbestritten" voran, daß auch über einen Anspruch prozeßrechtlicher Natur (vorprozessuale Kosten) eine Vereinbarung getroffen werden könne und daß damit dieser Anspruch seines öffentlich - rechtlichen Charakters entkleidet werde. Tatsächlich unstrittig ist jedoch nur, daß die hier in concreto zur Debatte stehenden "Vereinbarten Mahnspesen" vorprozessuale Kosten darstellen (gegenteilig offenbar nur M.Bydlinski, Prozeßkostenersatz, 166). Derartige Kosten unterliegen grundsätzlich den allgemeinen Regeln über den Kostenersatz (Fasching, Lb2, Rz 461). Sie sind daher wie diese in die Kostennote aufzunehmen und nur im Rahmen der §§ 41 ff. ZPO ersatzfähig. Werden sie dennoch nicht in der Kostennote verzeichnet, sondern als Teil der Hauptforderung geltend gemacht, so ist insoweit der Rechtsweg unzulässig (Fucik in Rechberger, ZPO, Rz 5 vor § 40).

In mehreren Entscheidungen wurde ausgesprochen, daß die gesonderte Geltendmachung solcher Kosten dann möglich sei, wenn die Akzessorietät zur Hauptforderung durch Abschluß einer Vereinbarung aufgehoben wurde (Stohanzl, ZPO14, E 7. zu § 41). Nicht jede Vereinbarung über vorprozessuale Kosten im allgemeinen und über Mahnspesen im besonderen führt jedoch schon dazu, daß die Akzessorietät zur Hauptforderung verloren geht; im Kern geht es nämlich nicht um die Schaffung eines Privatrechtstitels. Tatsächlich bildete nämlich schon das allgemeine Schadenersatzrecht eine ausreichende Grundlage für Ersatzansprüche (M.Bydlinski, aaO., 147, FN 21). Vielmehr muß die Bestimmung des § 40 Abs 2 ZPO überwunden werden, wonach der Kostenerstattungsanspruch ein (öffentlich - rechtlicher) Anspruch eigener Art ist, der nur in dem in den §§ 41 ff. ZPO vorgesehenen Verfahren geltend gemacht werden kann (LG Salzburg in 54 R 81/96). In diesem Sinne vertritt das Rekursgericht in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß nur eine Vereinbarung über schon entstandene Mahnkosten, somit eine nach Eintritt des Verzuges abgeschlossene Vereinbarung, die grundsätzliche Akzessorietät eines Ersatzanspruches zur Hauptforderung zu lösen vermag. Hingegen ist es nicht einsichtig, warum der Grundsatz der Akzessorietät schon dann verlassen werden soll, wenn für Ersatzansprüche, die ohnehin durch das Gesetz gedeckt sind (etwa § 1334 ABGB), zusätzlich eine vertragliche Regelung getroffen wurde. Die Entstehung dieses Anspruches ist genauso von der Nichterfüllung der Hauptforderung abhängig, wie letztlich der Anspruch auf Prozeßkostenersatz im engeren Sinne (vgl. dazu die mit ausführlicher Darstellung der Judikatur zu hg 1 R 541/90 - mit Beteiligung des nunmehrigen Klagevertreters am Verfahren! - ergangene Entscheidung; weiters hg 1 R 262/91 u.a.).

Das Rekursgericht sieht keine Veranlassung, von seiner bisherigen Judikatur abzugehen. Treffend hält das LG Salzburg in der schon zitierten Entscheidung fest, daß es die Parteien bei konsequenter Auslegung des Gedankens, daß nur irgendeine privatrechtliche Vereinbarung genügen würde, in der Hand hätten, durch eine entsprechende Vereinbarung die Prozeßkosten selbst zur Hauptsache zu machen. Dem steht § 40 Abs 2 ZPO aber ganz eindeutig entgegen. Zusammenfassend ergibt sich somit, daß eine Aufhebung der Akzessorietät des Anspruches auf vorprozessuale Kosten nur dann Platz greifen kann, wenn eine konkrete Vereinbarung über diese, zuvor bereits entstandenen Kosten behauptet wird, sonst aber gemäß § 40 Abs 2 ZPO die Kostenersatzregelungen der ZPO allein heranzuziehen sind, und zwar unabhängig davon, ob für ohnehin im Gesetz grundsätzlich gedeckte Ansprüche (ohne daß hier über die Notwendigkeit eine Aussage getroffen wird) auch vertraglich Vorsorge getroffen wurde oder nicht. Eine entsprechende Behauptung hat die Klägerin hier nicht aufgestellt. Weder ihr Klagsvorbringen noch die Ausführungen im Rekurs lassen eine derartige Deutung zu. Die Wendung "vereinbarte Mahnspesen" kann vielmehr nur so verstanden werden, daß sich die Beklagte, etwa durch Unterfertigung von Geschäftsbedingungen anläßlich der Bestellung, von Anfang an diesbezüglich verpflichtet hat (vgl. abermals 1 R 541/90). Jedenfalls wird mit keinem Wort angesprochen, daß eine im Sinn der obigen Darstellung nachfolgende Vereinbarung getroffen worden sei, die allein den Rechtsweg für die Geltendmachung vorprozessualer Kosten eröffnen würde. Da die Frage nach der Zulässigkeit des Rechtsweges aber aus Klagebegehren und Klagsbehauptungen zu beantworten ist (Stohanzl, ZPO14, E 8. zu § 1 JN), muß sie demnach hier in concreto bezüglich der zur Debatte stehenden Mahnspesen verneint werden. Daß das Erstgericht im angefochtenen Beschluß zum Ausdruck brachte, der Rechtsweg sei zulässig, steht der gegenteiligen Beurteilung im Rahmen der Rekursentscheidung nicht entgegen, weil jedenfalls noch keine bindende Entscheidung vorliegt. Auf die Streitfrage, ob eine Auseinandersetzung mit dem Vorliegen einer Prozeßvoraussetzung in den Gründen überhaupt Bindung nach § 42 Abs 3 JN bewirken kann (dazu Stohanzl, aaO., E 27. zu § 42 JN), braucht demnach nicht eingegangen werden.

Resultat der vorangegangenen Überlegungen ist, daß sich die Klagszurückweisung durch das Erstgericht im Umfang der geltend gemachten Mahnspesen im Ergebnis als berechtigt erweist, ohne daß der Frage nach der Anwendbarkeit des § 448 a ZPO Bedeutung zukäme (vgl. zuletzt auch Hofmann, Vorprozessuale Kosten aus dem Titel "Vereinbarung" oder "Schadenersatz" Rechtsweg nicht zulässig! RZ 1997, 52). Anderes gilt für den verbleibenden Teil der Klage. Daß diesbezüglich der Rechtsweg offen steht (geltend gemacht wird der Kaufpreis für eine Ware), bedarf keiner Erörterung. Aber auch eine Berufung auf § 448 a ZPO im Sinn der erstgerichtlichen Vorgangsweise könnte zu keinem anderem Ergebnis führen, weil der Zweck dieser neuen Bestimmung - worauf immer er im übrigen gerichtet sein mag - jedenfalls nicht darin liegt, einer "unstrittigen" Forderung die Durchsetzung zu versagen. Daß sich die Zweifel des Erstgerichtes aber nicht auf die eingeklagte Kaufpreisforderung, sondern nur auf die Mahnspesen bezogen haben, zeigt der Rekurs zutreffend auf. In diesem Umfang ist der angefochtene Beschluß daher aufzuheben und dem Erstgericht insoweit die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens aufzutragen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO (vgl. Stohanzl, aaO, E 4. zu § 43).

Gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

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