JudikaturJustiz1R58/17p

1R58/17p – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
28. März 2017

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Präsidenten Hofrat Dr. Bildstein als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Mayrhofer und den Richter Dr. Fischer als weitere Mitglieder des Senats in der Exekutionssache betreibenden Partei Bundesrepublik Deutschland , vertreten durch die Republik Österreich, diese vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, gegen die verpflichtete Partei M***** R *****, wegen EUR 5.146,23 sA, über den Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Montafon vom 9. Februar 2017, 4 E 967/16s-2, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert , dass er lautet:

Der betreibenden Partei wird aufgrund des einheitlichen Vollstreckungstitels vom 20.7.2016, DE_S1316AT1501175_20160720_UIPE_1, zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von insgesamt EUR 5.124,23 sowie der mit EUR 427,40 (darin enthalten EUR 236,00 an Barauslagen) bestimmten Kosten des Exekutionsantrags und der weiteren Exekutionskosten Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung ob der Liegenschaft EZ ***** GB ***** B-LNR 3, 1/1 bewilligt.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

BEGRÜNDUNG:

Text

Mit Eingabe des Finanzamtes F***** vom 2.11.2016 beantragte die Republik Österreich (vertreten durch die Finanzprokuratur, diese vertreten durch das Finanzamt Feldkirch) zur Hereinbringung einer Forderung von EUR 5.146,23 samt Nebengebühren und der Kosten von EUR 427,40 die Bewilligung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung auf der dem Verpflichteten gehörenden Liegenschaft EZ ***** GB *****. Als Exekutionstitel wurde der Rückstandsausweis des Finanzamtes F***** vom 20.7.2016 mit Vollstreckbarkeitsbestätigung vom selben Tag angeführt. Unter Punkt 11 des Antrags wurde vorgebracht, dass der Exekutionsantrag ein Rechtshilfeersuchen aus Deutschland betrifft und sich auf offene Rückstände des Verpflichteten bezieht. Ebenfalls dem Antrag angeschlossen war der (im Spruch näher bezeichnete) einheitliche Vollstreckungstitel über die betriebenen Steuerforderungen in der Gesamthöhe von EUR 5.146,23.

Mit Beschluss vom 16.11.2016 forderte das Erstgericht die Antragstellerin auf, den Antrag zu verbessern und binnen 7 Tagen wieder vorzulegen. Im Antrag werde auf ein Rechtshilfeersuchen aus Deutschland Bezug genommen, gleichzeitig aber ein Rückstandsausweis des Finanzamtes Feldkirch als Exekutionstitel angeführt. Hier sei eine Klarstellung vorzunehmen und – je nachdem – der Rückstandsausweis im Original vorzulegen oder ergänzend mitzuteilen, ob die Vollstreckbarerklärung des Titels des Finanzamtes L***** auch für Österreich beantragt worden ist.

Den am 24.11.2016 beim Erstgericht wieder eingelangten Antrag, in welchem sich die Antragstellerin nicht mehr auf den Rückstandsausweis stützt (Anm: das entsprechende Vorbringen wurde durchgestrichen [siehe AS 61]) und in welchem in einem handschriftlichen Zusatz die Vollstreckbarerklärung des vorgelegten Vollstreckungstitels für Österreich beantragt wurde, stellte das Erstgericht mit Beschluss vom 21.12.2016 (AS 63) neuerlich zur Verbesserung gemäß § 54 Abs 3 EO zurück. Es sei der „originale Exekutionstitel versehen mit der originalen Vollstreckbarkeitsbestätigung und oder Bescheinigung gemäß Art. 53 EuGVVO geltende Fassung vorzulegen“.

Eine neuerliche Verbesserung erfolgte nicht.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Exekutionsantrag ab. Zur Begründung führte es aus, die EuGVVO sei nach Art. 1 Abs. 1 lediglich in Zivil- und Handelssachen anwendbar und gelte nicht für Steuer- und Zollsachen. Gemäß § 79 EO sei Voraussetzung für die Exekutionsbewilligung, dass der ausländische Exekutionstitel in Österreich für vollstreckbar erklärt wurde, was gemäß § 7 EO iVm § 54 Abs 2 EO durch Anschluss einer entsprechenden Bestätigung des Titelgerichtes oder der Titelbehörde nachzuweisen sei. Ein solcher Nachweis sei auch nach dem Verbesserungsauftrag nicht erfolgt und der Antrag daher abzuweisen.

Dagegen richtet sich der rechtzeitige (und rechtzeitig verbesserte) Rekurs der betreibenden Partei Bundesrepublik Deutschland (vertreten durch die Republik Österreich) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss in eine Stattgebung des Exekutionsantrags abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurswerberin beruft sich in ihrer Argumentation auf Art 12 der Richtlinie 2010/24/EU bzw § 10 Abs 1 EU-VAHG. Nach diesen Bestimmungen sei die vom Erstgericht geforderte Übermittlung der Exekutionstitel versehen mit der originalen Vollstreckbarkeitsbestätigung und/oder die Bescheinigung gemäß Art 53 EuGVVO nicht erforderlich. Der in der Anlage des Exekutionsantrags befindliche einheitliche Vollstreckungstitel gelte als Exekutionstitel iSd Exekutionsordnung.

Diesen Ausführungen schließt sich das Rekursgericht an.

Auszug aus dem EU-Vollstreckungsamtshilfegesetz, BGBl. I Nr. 112/2011:

§ 10 Abs. 1: Auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Abgabenansprüchen vor, für die im anderen Mitgliedstaat ein Exekutionstitel besteht. Der ausländische Abgabenanspruch wird wie ein inländischer Abgabenanspruch behandelt. Als vollstreckbarer Exekutionstitel gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel im Sinne des Art. 12 Abs. 1 der Beitreibungsrichtlinie. Er muss in Österreich weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt oder ersetzt werden. (...)

Auszug aus der Beitreibungsrichtlinie 2010/24/EU vom 16.3.2010:

Art. 12 Abs. 1: Jedem Beitreibungsersuchen ist ein einheitlicher Vollstreckungstitel beizufügen, der zur Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat ermächtigt.

Dieser einheitliche Vollstreckungstitel, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Vollstreckungstitels entspricht, ist die alleinige Grundlage für die im ersuchten Mitgliedstaat zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen. Er muss im ersuchten Mitgliedstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt oder ersetzt werden.

Der einheitliche Vollstreckungstitel enthält mindestens die nachstehenden Angaben:

a) Angaben zur Feststellung des ursprünglichen Vollstreckungstitels, eine Beschreibung der Forderung, einschließlich Angaben zur Art der Forderung, des von der Forderung abgedeckten Zeitraums, sämtliche für die Beitreibung wichtigen Termine, den Betrag der Forderung und ihrer Bestandteile wie Hauptsumme, aufgelaufene Zinsen usw.;

b) Name und andere einschlägige Angaben zur Feststellung des Schuldners;

c) Name Anschrift und sonstige Verbindungsdaten bezüglich der für die Festsetzung der Forderung zuständigen Stelle ...

Der dem Exekutionsantrag zugrunde liegende einheitliche Vollstreckungstitel vom 20.7.2016 beinhaltet zum einen die Einkommenssteuer und zum anderen die Umsatzsteuer des Verpflichteten jeweils für das Jahr 2013. Diese Abgabenansprüche fallen ebenso wie die im einheitlichen Vollstreckungstitel enthaltene Geldbuße von EUR 180,00 in den Anwendungsbereich des EU VAHG (§ 1 Abs 2 und 3 z 1 leg. cit.). Der einheitliche Vollstreckungstitel geht zurück auf entsprechende Festsetzungen der aushaftenden Steuern durch das Finanzamt L***** (E*****) und weist alle alle Bestandteile im Sinne des Art. 12 Abs 1 der Beitreibungsrichtlinie auf. Gründe für die Ablehnung der Amtshilfe iSd § 15 EU-AHVG sind nicht erkennbar. Das Nichtvorliegen solcher Gründe muss im Antrag nicht behauptet werden.

Gemäß § 18 Abs 1 EU-VAHG werden Ersuchen um Vollstreckung mittels eines Standardformblattes auf elektronischem Weg übermittelt. Der einheitliche Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat sind ebenfalls auf elektronischem Weg zu übermitteln (Abs 2 leg. cit.). Der vom Erstgericht verlangten Vorlage im Original bedarf es daher nicht.

Gemäß § 1 Abs. 5 EU-VAHG werden Abgabenansprüche nach Abs 2 samt den in Abs 3 genannten sonstigen Ansprüchen nach den Bestimmungen der Abgabenexekutionsordnung vollstreckt, soweit dieses Bundesgesetz nicht etwas anderes bestimmt. Gemäß § 3 Abs AbgEO ist für die hier beantragte zwangsweise Pfandrechtsbegründung auf die Liegenschaft des Verpflichteten nur ein gerichtliches Vollstreckungsverfahren zulässig.

Zusammenfassend zeigt sich, dass dem Exekutionsantrag des hiefür gemäß § 4 Z 1 EU VAHG zuständigen Finanzamtes F***** keine Hindernisse entgegenstehen.

Das Erstgericht hat zum Schluss seiner Begründung im Beschluss vom 21.12.2016, mit welchem es den zweiten Verbesserungsauftrag erteilt hat, ausgeführt, dass im zu verbessernden Exekutionsantrag als betreibende Partei „wahrscheinlich“ die deutsche Behörde anzuführen sei.

Dazu ist Folgendes festzuhalten:

Betreibender Gläubiger eines auf Grundlage der oben angeführten Beitreibungsrichtlinie eingeleiteten Exekutionsverfahrens ist stets der ersuchende Staat, im vorliegenden Fall die Bundesrepublik Deutschland (vgl RIS-Justiz RS0128356; 3 Ob 152/12t). Wie oben ausgeführt sind in Bezug auf die iSd EU-VAHG betriebenen Abgabenansprüche die Finanzämter Vollstreckungsbehörden. Daraus ergibt sich, dass das um Bewilligung der gerichtlichen Exekution ansuchende Finanzamt den Rechtsträger, für den es einschreitet, nicht zu nennen braucht. Die Bezeichnung des Rechtsträgers im Rechtsmittelverfahren durch die in diesem Verfahrensabschnitt allein vertretungsbefugte Finanzprokuratur ist daher ausreichend und nicht als Neuerung anzusehen (vgl RIS Justiz RS000099; 3 Ob 9/92 [ergangen zum insoweit vergleichbaren Vorgängervertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen, BGBl 1955/249]).

In diesem Sinn wurde der Rekurs durch die Finanzprokuratur nach einem entsprechenden Auftrag durch das Rekursgericht vom 13.3.2017 rechtzeitig verbessert und im verbesserten Rekurs die Bundesrepublik Deutschland als betreibende Partei angeführt.

Dem Rekurs ist daher Folge zu geben und der angefochtene Beschluss in eine Bewilligung des Exekutionsantrages abzuändern.

Kosten wurden für den Rekurs nicht verzeichnet.

In Ermangelung einer erheblichen Rechtsfrage ist der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO nicht zulässig.

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