JudikaturJustiz1R439/97k

1R439/97k – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
07. November 1997

Kopf

Beschluß

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Vizepräsidenten des Landesgerichtes Dr. Dür als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Fußenegger und Dr. Höfle als weitere Senatsmitglieder in der Pflegschaftssache der mj. Cindy S*****, infolge Rekurses des Sachverständigen Dr. Ingo K*****, klinischer Fachpsychologe und Psychotherapeut, *****, vertreten durch Dr. Angelika Lener, Rechtsanwältin in 6800 Feldkirch, gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 3.9.1997, 8 P 145/96 b-28, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird unter Einbeziehung des bereits in Rechtskraft erwachsenen Teiles dahin abgeändert, daß er lautet:

Die Gebühren des Sachverständigen Dr. Ingo K***** für die Erstattung des schriftlichen fachpsychologischen Gutachtens vom 22.7.1997 werden nach Maßgabe der nachangeführten Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 idgF BGBl 1994/623, wie folgt bestimmt:

§ 34, Gebühr für Mühewaltung, 8,5 Std. a S 950,-- S 8.075,--

§ 36, Aktenstudium S 150,--

§ 31/3 Schreibgebühr S 418,--

§ 31/5 Porti S 33,--

S 8.676,--.

Die Erlassung der Auszahlungsanweisung an den Rechnungsführer wird dem Erstgericht vorbehalten.

Gemäß § 2 Abs 2 GEG wird dem Grunde nach bestimmt, daß die Kindeseltern Thomas S***** und Milena V***** diese Gebühren dem Bund je zur Hälfte zu ersetzen haben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

In der Pflegschaftssache der mj. Cindy S***** hat der Sachverständige Dr. Ingo K***** am 22.7.1997 über Auftrag des Erstgerichtes ein fachpsychologisches Gutachten zu folgender Fragestellung erstattet:

a) zu wem das Kind eine bessere Beziehung hat,

b) warum das Kind zu einem Elternteil allenfalls eine gestörte Beziehung hat,

c) bei welchem Eltnernteil die Entwicklung des Kindes wahrscheinlich besser gewährleistet ist.

Für dieses Gutachten hat er mit Honorarnote vom 22.7.1997 folgende Gebühren angesprochen:

1. § 34 Mühewaltung, 8,7 Std. a S 950,-- S 8.075,--

2. § 36 Aktenstudium S 150,--

3. § 31/3 Schreibgebühr S 418,--

4. § 31/5 Porti S 33,--

S 8.676,--.

Im Äußerungsverfahren wurden gegen die geltend gemachten Gebühren weder von den Kindeseltern noch vom Revisor Einwendungen erhoben.

Mit Beschluß vom 3.9.1997 hat das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen Dr. Ingo K***** für die Erstattung dieses Gutachtens mit S 5.982,-- bestimmt und das Mehrbegehren von S 3.694,-- abgewiesen. Dem Grunde nach wurde hiebei ausgesprochen, daß für diese Kosten die Kindeseltern dem Bund gegenüber je zur Hälfte haften.

In diesem Beschluß wurden die vom Sachverständigen verzeichneten Schreibgebühren sowie jene für das Aktenstudium und Porti antragsgemäß zugesprochen. Der Entlohnung für Befund und Gutachten legte das Erstgericht jedoch nicht den verzeichneten Stundensatz von S 950,-- sondern einen solchen von S 633,-- zugrunde. Dies mit der Begründung, daß für Psychologen nicht die Tarifansätze des § 43 GebAG heranzuziehen seien und die Gebühr für Mühewaltung nach § 34 Abs 2 GebAG zu bemessen sei, wobei eine Annäherung an die außergerichtlichen Einkünfte des Sachverständigen anzustreben sei. Andererseits sei aber auch die öffentliche Aufgabe der Rechtspflege zum Wohle der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Der angesprochene Stundensatz von S 950,-- sei überhöht. Der Hauptverband der Psychologen Österreichs habe nach Absprache mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger eine Honorarordnung herausgegeben, welche für Explorationen und Tests einen Stundensatz von S 633,-- vorsehe. Dieser Stundensatz sei daher auch im vorliegenden Fall zugrunde zu legen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Sachverständigen Dr. Ingo K***** mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinnes eines vollen Zuspruch der mit S 8.676,-- verzeichneten Gebühren.

Da die im Rekursverfahren strittige Gebühr, deren Zuspruch der Sachverständige beantragt, den Betrag von S 3.000,-- nicht übersteigt, ist das Rekursverfahren gemäß § 41 Abs 1 GebAG einseitig.

Der Rekurs ist begründet.

Rechtliche Beurteilung

Mangels eines im Gebührenanspruchsgesetzes für Psychologen vorgesehenen Tarifes ist die Gebühr für Mühewaltung von Psychologen nach den Bestimmungen des § 34 Abs 1 und 2 GebAG zu ermitteln. Die Heranziehung des Ärztetarifes nach § 43 GebAG ist nicht zulässig (SV 1997, 26).

Im Sinne der vom Erstgericht vertretenen Rechtsauffassung ist zwar davon auszugehen, daß der zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und dem Berufsverband österreichischer Psychologinnen und Psychologen am 28.11.1994 abgeschlossene "Gesamtvertrag", aus dessen Honorarordnung sich für Explorationen der vom Erstgericht zugrundegelegte Stundensatz von S 633,-- ergibt, den Charakter einer Gebührenempfehlung im Sinne des § 34 Abs 4 GebAG hat, doch ist im vorliegenden Fall die dem Sachverständigen zuzuerkennende Gebühr für die Aufnahme des Befundes und die Erstattung des Gutachtens nicht unter Zugrundelegung dieses Satzes für Explorationen zu bemessen. Die Exploration ist nach den Erläuterungen der Honorarordnung zwar ein wichtiger Bestandteil jeder psychologischen Untersuchung, die jedoch nicht die Auswertung von Testergebnissen und die Erstattung eines Gutachtens mitumfaßt. Die klinisch-psychologische Diagnostik ist im übrigen in der Regel mit der Durchführung und Auswertung von diversen Tests verbunden, für die die Honorarordnung des Gesamtvertrages unabhängig vom tatsächlichen Aufwand Richtzeiten und eigene Entlohnungsansätze (die zwar alle auf einem Stundensatz von S 633,-- basieren, vorsieht.

Daß im vorliegenden Verfahren ausführliche Gespräche mit den Kindeseltern und der väterlichen Großmutter, von der das Kind seit Jahren betreut wird, erforderlich waren und die Ergebnisse dieser Gespräche in das Gutachten des Sachverständigen Eingang gefunden haben, ist unstrittig. Die Erstattung des fachpsychologischen Gutachtens zu den dem Sachverständigen vom Erstgericht gestellten Fragen basiert auf diesen Gesprächen, darüberhinaus aber auch auf der Auswertung der sich aus dem Akt ergebenden Ergebnisse des bisherigen Pflegschaftsverfahrens, der Verwertung spezifischer Fachliteratur und der Berufserfahrung des Sachverständigen. Die Erstattung eines solchen Gutachtens geht daher über die Exploration der Angehörigen und des Kindes hinaus, sodaß es dem Rekursgericht nicht sachgerecht erscheint, hier den Stundensatz für Explorationen von S 633,-- zugrunde zu legen.

Zwar könnte man argumentieren, daß die Honorarordnung für Psychologen nicht nur für Explorationen, sondern auch für die Durchführung und Auswertung von Tests Tarife auf der Basis eines Stundensatzes von S 633,-- vorsieht, sodaß, nachdem die Honorarordnung als Gebührenempfehlung im Sinne des § 34 Abs 4 GebAG zu werten ist, es als gerechtfertigt angesehen werden könnte, auch der Erstattung des Gutachtens selbst diesen Stundensatz zugrundezulegen. Dieser Argumentation wird im vorliegenden Fall vom Sachverständigen in seinem Rekurs jedoch entgegengehalten, daß er primär als Psychotherapeut tätig sei, Psychotherapeuten höhere Tarifansätze hätten und die Kostensituation für freiberufliche Psychotherapeuten generell Stundensätze von plus/minus S 1.000,-- erforderlich machten. Außerdem führt der Sachverständige im Rekurs aus, daß er keinerlei Kassenverträge habe. In anderen Verfahren habe er unwidersprochen höhere Stundensätze ansprechen können. Auch anderen Sachverständigen sei bei vergleichbarer Tätigkeit ein höherer Stundensatz zuerkannt worden.

Diese Einwände des Rekurswerbers sind sachlich durchaus begründet und können bei der Entscheidung über die ihm zuzuerkennende Mühewaltungsgebühr nicht außer acht gelassen werden. Nach § 34 Abs 1 GebAG ist die Mühewaltungsgebühr nämlich primär nach den Einkünften zu bestimmen, die der Sachverständige für eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit im außergerichtlichen Erwerbsleben üblicherweise bezöge. Da im Sinne des Rekursvorbringens davon auszugehen ist, daß der Rekurswerber nicht über Kassenverträge verfügt und sein Tätigkeitsbereich nicht primär im Bereich der klinisch-psychologischen Diagnostik, sondern in der Psychotherapie liegt, ist das auf diesem Gebiet erzielte Einkommen als Basis für die Mühewaltungsgebühr im Sinne des § 34 Abs 1 GebAG heranzuziehen. Hiebei kann dahingestellt bleiben, ob das hier zu beurteilende Gutachten, das vom Rekurswerber als "fachpsychologisches Gutachten" bezeichnet worden ist, primär unter psychotherapeutischen oder klinisch-psychologisch diagnostischen Aspekten erstattet wurde.

Trägt man nun den sich aus dem außergerichtlichen Erwerbsleben des Rekurswerbers ergebenden Umständen Rechnung und berücksichtigt, daß Honorarempfehlungen für die Erstattung eines Gutachtens in einem Pflegschaftsverfahren auch im Berufsstand der Psychotherapeuten nicht bestehen, so hat eine Orientierung bei der Entlohnung der mit der Erstattung eines solchen Gutachtens verbundenen Mühewaltung unter Einbeziehung der Explorationen, die zur Vorbereitung des Gutachtens notwendig sind, auf einer Basis zu erfolgen, die einerseits den betriebswirtschaftlichen Kosten einer freiberuflichen Psychologen/Therapeutenpraxis gerecht wird und für vergleichbare Tätigkeiten üblicherweise verlangt wird. Unter Bedachtnahme auf diese Kriterien erachtet es das Rekursgericht für gerechtfertigt, dem Rekurswerber eine Mühewaltungsgebühr unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von S 950,-- zuzuerkennen, da ein Stundensatz in dieser Höhe bei Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Aspekte einer Psychotherapie-Praxis und für vergleichbare Tätigkeiten in Rechnung gestellten Sätzen gerecht wird und auch im vorliegenden Fall davon auszugehen ist, daß ein Stundensatz in dieser Höhe den Einkünften entspricht, die der Rekurswerber für eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit im außergerichtlichen Erwerbsleben üblicherweise beziehen würde. Bei der hier nach § 34 GebAG vorzunehmenden Ermessensentscheidung hat das Rekursgericht daher keine Bedenken, die vom Sachverständigen geltend gemachten Gebühren als angemessen anzusehen, sodaß dem Rekurs im Sinne eines vollen Gebührenzuspruchs Folge zu geben ist.

Von dieser Abänderung bleibt der von den Eltern nicht bekämpfte Ausspruch über deren Ersatzpflicht dem Grunde nach gemäß § 2 Abs 2 GEG unberührt.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 14 Abs 2 Z 4 AußStrG jedenfalls unzulässig.

Rechtssätze
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