JudikaturJustiz1R39/17v

1R39/17v – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
14. Februar 2017

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch die Richterin Hofrätin Dr. Kempf als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Mayrhofer und den Richter Dr. Fischer als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei K***** T *****, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, gegen die beklagte Partei B***** Verein G***** , vertreten durch den Obmann S***** K*****, wegen Feststellung (Streitwert EUR 10.500,00), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Montafon vom 13.1.2017, 1 C 23/17s-2, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs, dessen Kosten der Kläger selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00, nicht hingegen EUR 30.000,00.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

BEGRÜNDUNG:

Text

Mit der am 12.1.2016 beim Erstgericht überreichten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der Beschluss vom 10.2.2014, mit welchem die Auflösung der beklagten Partei beschlossen wurde, nichtig und somit rechtsunwirksam ist. Er sei Mitglied der beklagten Partei (gewesen). Der Beschluss sei unter vielfachem Verstoß gegen das Vereinsgesetz und die Statuten der beklagten Partei zustande gekommen und daher nichtig. Insbesondere habe der für eine außerordentliche Generalversammlung notwendige Beschluss des Vorstandes gefehlt; die Generalversammlung sei nicht vom Vorstand und zudem ohne schriftliche Einladung der Vereinsmitglieder einberufen worden; es seien nur vier von elf Mitgliedern anwesend gewesen; die für die Auflösung notwendige 2/3 Mehrheit habe nicht vorgelegen. Im Hinblick auf vorhandenes Vereinsvermögen hätte ein Liquidator bestimmt werden müssen. Die Löschung des Vereins im Vereinsregister sei aufgrund der wahrheitswidrigen Behauptung, es gebe kein Vereinsvermögen, erfolgt. Die vorliegende Vereinsauflösung habe offensichtlich den Zweck, den Verein um das Vereinslokal zu bringen, welches die Mitglieder mit erheblichem Aufwand finanziert hätten.

Mit dem angefochtenen Beschuss hat das Erstgericht die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges gemäß § 42 Abs 1 JN zurückgewiesen. Gemäß § 8 Abs 1 Vereinsgesetz hätten die Statuten eines Vereins vorzusehen, dass eine Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis, wie sie hier vorliege, vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sei. Erst nach Ablauf von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung stehe der ordentliche Rechtsweg offen. Einer vor Ablauf dieser Frist erhobenen Klage aus dem Vereinsverhältnis stehe das gemäß § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen. Die Anrufung einer solchen Schlichtungseinrichtung sei in der Klage nicht einmal behauptet worden. Die Klage sei daher zurückzuweisen, ohne auf die Frage der Passivlegitimation eingehen zu müssen.

Dagegen richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Klägers, mit welchem er beantragt, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Rekurswerber wendet sich gegen die Rechtsansicht des Erstgerichtes und macht zusammenfassend geltend, ein Schiedsverfahren setze einen existenten Verein voraus. Bei einem gelöschten Verein könne es nicht mehr zu Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis kommen. Auch sei in diesem Fall die Anrufung einer vereinsinternen Schlichtungsstelle unzumutbar iSd Entscheidung 7 Ob 38/14k. Die Anrufung der ordentlichen Gerichte gemäß § 8 Abs 1 VerG könne nur dann ausgeschlossen werden, wenn ein Schiedsgericht gemäß § 577 ZPO eingerichtet worden ist, was hier nicht der Fall sei. Im Hinblick auf die absolute Nichtigkeit (ua als Folge der behaupteten Verletzung von Gläubigerschutzbestimmungen) könne sich jedermann auf diese berufen. Ein Streit zwischen Mitgliedern des Vereins liege hier nicht vor, sodass keine Verpflichtung zur Anrufung einer Schlichtung bestehe. Im Übrigen seien sämtliche Versuche einer gütlichen Lösung gescheitert. Die Gegenseite sei über sechs Monate untätig geblieben und habe „die Löschung des Vereinsregisters nicht revidiert“.

Dazu hat das Rekursgericht erwogen:

1. Unzulässigkeit des Rechtswegs

§ 8 Vereinsgesetz 2002 bestimmt unter der Überschrift „Streitschlichtung":

„(1) Die Statuten haben vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht früher beendet ist, steht für Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen. Die Anrufung des ordentlichen Gerichts kann nur insofern ausgeschlossen werden, als ein Schiedsgericht nach den §§ 577 ff ZPO eingerichtet wird.

(2) Die Statuten haben die Zusammensetzung und die Art der Bestellung der Mitglieder der Schlichtungseinrichtung unter Bedachtnahme auf deren Unbefangenheit zu regeln. Den Streitparteien ist beiderseitiges Gehör zu gewähren".

Zutreffend hat daher das Erstgericht festgehalten, dass der Verein zwingend über eine eigene Streitschlichtung verfügen muss ( Fessler/Keller , Kommentar zum Vereinsgesetz 2002, 104).

Die Nichteinhaltung

des vereinsinternen Instanzenzugs bei Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis begründet nach nunmehr hRsp (vorläufig/befristet/temporär)

Unzulässigkeit des Rechtswegs und kann daher vom Gericht auch ohne entsprechenden Einwand der Parteien von Amts wegen geprüft und aufgegriffen werden (vgl 8 Ob 138/08i). Die Prüfung der Rechtswegzulässigkeit durch das Gericht erfolgt dabei - wie bei § 41 Abs 2 JN - vorweg aufgrund der Angaben

des Klägers in der Klage. Der Kläger hat daher konkrete Tatsachen zu behaupten, aus denen sich ergibt, dass der „Rechtsweg" in dieser Streitsache bereits offen ist. Fehlen in einer unter § 8 VerG fallenden Streitigkeiten diese Angaben, so ist unklar, ob überhaupt der „Rechtsweg" zulässig ist. In diesem Fall ist dem Kläger die Möglichkeit zur Verbesserung zu bieten (RIS-Justiz RS011982 [T14]).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger in seiner Klage keine Behauptungen zur Zulässigkeit des Rechtswegs vor Einhaltung des vereinsinternen Instanzenzugs aufgestellt. Das Erstgericht hätte daher – wie dies vom Rekurswerber in seinem Rechtsmittel auch angesprochen wird – ein Verbesserungsverfahren einleiten und dem Kläger Gelegenheit geben müssen, entsprechende Tatsachen zu behaupten.

In seinem Rekurs hat der Kläger nun dahingehende Behauptungen aufgestellt. Dabei handelt es sich um Neuerungen, welche aber aufgrund der zu Unrecht unterblieben Verbesserung zulässig sind. Von diesem Vorbringen ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs auszugehen.

2. Nichtigkeit

Der Kläger behauptet Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses, weshalb die Klage – im Gegensatz zur befristeten Anfechtungsklage – ohne zeitliche Befristung möglich ist. Ob tatsächlich Nichtigkeit vorliegt, ist an dieser Stelle (noch) nicht zu beurteilen.

3. Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis

Hier ist zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes zu verweisen. Es sind zwei Grundsituationen zu unterscheiden: Einmal ist der Verein selbst in den Streit verwickelt, das andere Mal streiten Mitglieder untereinander ( Höhne/Löchl/Lummerstorfer , Das Recht der Vereine 5 395).

Die Beurteilung, ob eine Vereinsauflösung gültig zustande gekommen ist, fällt in die Kompetenz der Zivilgerichte ( Höhne/Löchl/Lummerstorfer , aaO 438). Der Kläger behauptet die Nichtigkeit des Beschlusses, mit dem die Auflösung des Vereins beschlossen wurde, und geht daher selbst von der aufrechten Existenz des Vereins aus.

Gemäß § 27 VerG endet die Rechtspersönlichkeit eines Vereins mit der Eintragung seiner Auflösung im Vereinsregister; ist eine Abwicklung (Anm.: von Vereinsvermögen) notwendig, verliert er seine Rechtsfähigkeit jedoch erst mit ihrer Beendigung. (Nur) in diesem Fall ist die Eintragung der Auflösung im Vereinsregister konstitutiv ( Höhne/Löchl/Lummerstorfer , aaO 440 und 446). Ausgehend von der Behauptung, die erforderliche Abwicklung sei unterblieben, konnte die Eintragung der Auflösung im Vereinsregister keinen konstitutive Wirkung entfalten. Im Ergebnis ist daher, wenn man die Behauptungen des Klägers zugrunde legt, von einem aufrecht existierenden Verein auszugehen.

Sein Argument, die Anrufung der Schlichtungsstelle habe sich erübrigt, weil kein Verein mehr existiere, geht daher ins Leere.

4. Der Rekurswerber bringt weiter vor, ein Streit zwischen Vereinsmitgliedern liege nicht vor, nur für solche sei aber die in § 8 VerG geregelte Streitschlichtung vorgesehen. Für die Frage, ob eine Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis vorliege, sei allein maßgeblich, ob eine vermögensrechtliche Streitigkeit in der Vereinsmitgliedschaft wurzle. Der gegenständlichen Rechtssache liege keine vermögensrechtliche Streitigkeit zugrunde, vielmehr gehe es nur um den Bestand oder Nichtbestand des Vereins.

Wie bereits ausgeführt, gehört auch eine Streitigkeit zwischen dem Verein und einem Mitglied zu den Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis. Entscheidend ist, ob die Streitigkeit zwischen dem Kläger und dem Verein – nach dem Klagesachverhalt – ihre Wurzeln in der Vereinsmitgliedschaft hat (4 Ob 146/07l Jbl 2008/51; 4 Ob 77/09s). Das hier zu beurteilende Klagebegehren ist auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses der Generalversammlung gerichtet. Gemäß § 7 Satz 3 VerG ist jedes von einem Vereinsbeschluss betroffene Vereinsmitglied zur Anfechtung berechtigt. Schon daraus ergibt sich der enge Zusammenhang zwischen der klagsgegenständlichen Streitigkeit und der Vereinsmitgliedschaft des Klägers (vgl 4 Ob 77/09s).

5. Unzumutbarkeit der Anrufung der Schlichtungsstelle

5.1. Sehen die Statuten ohne jede Einschränkung vor, dass die Schlichtungseinrichtung („das vereinsinterne Schiedsgericht") zur Schlichtung aller aus dem Vereinsverhältnis entstehenden Streitigkeiten anzurufen ist, dann ist auch bei Streitigkeiten im Sinn des § 7 VerG grundsätzlich zwingend vor Anrufung des Gerichtes ein Streitschlichtungsantrag im Sinn des § 8 Abs 1 VerG zu stellen. Nur in Fällen, in denen ein Vereinsbeschluss ausnahmsweise im Anfechtungszeitpunkt unrevidierbar wäre, erschiene eine Anrufung der Schlichtungseinrichtung als bloßer Formalakt ohne jede Möglichkeit einer Streitschichtung unzumutbar (7 Ob 139/07b). Ist aber der betreffende Vereinsbeschluss noch revidierbar, so ist § 8 Abs 1 VerG auch in den Fällen des § 7 VerG anwendbar (RIS Justiz RS01222211 [T 1 und  3]).

5.2. Dass die Statuten der beklagten Partei ein Schlichtungseinrichtung nicht vorsehen, behauptet der Kläger nicht. Dies wäre im Übrigen – wie oben aufgezeigt – gesetzwidrig. Der Kläger behauptet in seinem Rekurs lediglich, dass ein Schiedsgericht iSd § 577 ZPO (Anm.: iSd § 8 Abs 1 letzter Satz VerG) nicht vereinbart worden sei. Darauf kommt es jedoch nicht an.

Der Beschluss, mit dem der Verein seine Auflösung beschlossen hat, kann grundsätzlich rückgängig gemacht werden. Dafür wäre es nur zu spät, wenn der Auflösungsbeschluss bereits der Vereinsbehörde bekanntgegeben wurde und entweder keine Abwicklung erforderlich oder diese schon beendet ist. Dies trifft jedoch nach dem Vorbringen des Klägers, nach welchem eine Abwicklung erforderlich ist (gewesen wäre), nicht zu ( Höhne/Löchl/Lummerstorfer , aaO 441).

5.3. Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, es sei ihm unzumutbar, die bis dahin dilettantisch agierenden Vereinsorgane zu einem Schiedsverfahren aufzurufen, da nach den Satzungen die Vereinsorgane bzw der Obmann ein Mitglied des Schiedsgerichtes namhaft machen müsste. Im Übrigen seien bereits sämtliche Versuche einer gütlichen Einigung gescheitert. Die Gegenseite sei über mehr als sechs Monate passiv geblieben und habe – ungeachtet dahingehender Auffoderungen – die Löschung des Vereins aus dem Vereinsregister nicht revidiert.

Auch diese Ausführungen überzeugen nicht.

Die Statuten haben die Zusammensetzung und die Art der Bestellung der Mitglieder der Schlichtungseinrichtung unter Bedachtnahme auf deren Unbefangenheit zu regeln. Den Streitparteien ist beiderseitiges Gehör zu gewähren (§ 8 Abs 1 VerG). Der Rekurswerber vermag nicht aufzuzeigen, dass von vornherein nicht mit einem „fair trial“ zu rechnen wäre. Ob die Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem Beschluss zur Auflösung des Vereins „dilettantisch“ war, kann dahingestellt bleiben. Daraus ist auf keinen Fall abzuleiten, dass der Kläger bei der Schlichtungsstelle kein faires Verfahren erwarten würde und deren Anrufung aus diesem Grund unzumutbar wäre. Die behaupteten Bemühungen um eine gütliche Einigung können die Anrufung der Schlichtungsstelle ebenso wenig ersetzen die Aufforderungen, die Löschung aus dem Vereinsregister zu revidieren.

5.4. Der Kläger kann sich in seiner Argumentation auch nicht auf die von ihm herangezogene Entscheidung 10 Ob 50/06k stützen. Das Erfordernis der Ausschöpfung des vereinsinternen Instanzenzugs wurde in dieser Entscheidung, in welcher es um eine Sperre eines Fußballspielers für 15 Pflichtspiele ging, mit der Begründung verneint, dass es (nur) um die (umgehend notwendige) Sicherung eines Anspruchs gehe und damit nicht voreilig in die Selbstverwaltung des Vereines eingegriffen werde. Dieser Sachverhalt ist daher mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Eine besondere Dringlichkeit, welche die sofortige Anrufung des ordentlichen Gerichts infolge eines nicht wirksamen verbandsinternen Rechtsschutzes rechtfertigen könnte, behauptet der Kläger nicht.

Einer vorherigen Anrufung einer vereinsinternen Schlichtungsstelle bedarf es, wenn überhaupt, aufgrund teleologischer Reduktion nur bei typischer Sinnhaftigkeit eines Schlichtungsversuchs (vom Gegenstand und von der Revidierbarkeit des Beschlusses her); in jedem Fall ist das generelle Korrektiv der „Zumutbarkeit“ großzügigst auszulegen ( Heinz Keinert, Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Vereinsbeschlüssen, JBl 2011, 625).

Nachdem es dem Kläger nicht gelingt, tragfähige Gründe für die Unzumutbarkeit der Anrufung der vereinsinteren Schlichtungsstelle aufzuzeigen, erweist sich der Rechtsweg auf Basis des behaupteten und hier maßgeblichen Sachverhalts als nicht zulässig.

Das Erstgericht hat die Klage frei von Rechtsirrtum zurückgewiesen, weshalb dem Rekurs nicht Folge zu geben ist .

Gemäß §§ 40, 50 ZPO hat der Kläger die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

In der Bewertung des Entscheidungsgegenstandes orientierte sich das Erstgericht an der Bewertung des Streitwerts durch den Kläger (Anm.: mit EUR 10.500,00).

In Ermangelung einer Rechtsfrage iSd § 528 Abs 2 ZPO ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.

Landesgericht Feldkirch, Abteilung 1

Feldkirch, 14. Februar 2017

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