JudikaturJustiz1R306/11m

1R306/11m – LG Klagenfurt Entscheidung

Entscheidung
02. März 2012

Kopf

Das Landesgericht Klagenfurt hat als Berufungs- und Rekursgericht durch die Richter Dr. Joham (Vorsitz), Dr. Mikulan und Dr. Steflitsch in der Rechtssache der klagenden Partei ***** , Pensionist, *****, *****, vertreten durch Mag. Georg Luckmann, Rechtsanwalt in Klagenfurt/WS, gegen die beklagte Partei Dr.***** , Land- und Forstwirt, *****, vertreten durch Dr. Branko Perc, Rechtsanwalt in Bleiburg, wegen Unterlassung , über die Berufung des Beklagten gegen das berichtigte Teilurteil des Bezirksgerichtes Eisenkappel vom 15. September 2011, C 220/10k 31 und 36 und den Rekurs des Beklagten gegen den Berichtigungsbeschluss des Bezirksgerichtes Eisenkappel vom 18. November 2011, C 220/10k 36, den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Berufung des Beklagten wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Der Beklagte wird mit seinem Rekurs gegen den Berichtigungsbeschluss auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten (§ 52 ZPO).

Text

BEGRÜNDUNG:

Eigentümerin der auf dem Gelände des ehemaligen *****befindlichen Liegenschaft EZ ***** GB ***** *****mit dem Haus ***** ist die Tochter des Klägers, *****. Für den Kläger und ***** ist unter C LNr 2 a ein Fruchtgenussrecht einverleibt. Nach einem Umbau das Haus war ursprünglich ein Bürogebäude - lebt der Kläger seit ca. 1997 im Haus *****. Der Beklagte, der seit 12 Jahren auf dem ehemaligen Betriebsgelände des ***** Brennholz aufarbeitet, ist seit 2010 Pächter des direkt südlich an die Liegenschaft EZ ***** angrenzenden Grundstückes *****. Er verarbeitet sein Holz zu Hackschnitzel bzw. Brennholz. 2010 erzeugte er auf dem Gelände 600 srm Hackschnitzel und ca. 600 rm Brennholz. Im südlichen Bereich des ehemaligen Betriebsgeländes gibt es noch weitere vier Holzbetriebe.

Der Kläger begehrt vom Beklagten nunmehr mit dem in der mündlichen Streitverhandlung vom 30. 9. 2010 (ON 10) modifizierten Klagebegehren die Unterlassung von Lärmimmissionen , soweit diese den Wert von 50 dB übersteigen und von Staubimmissionen , die das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigen. Er behauptet, der Beklagte überschreite mit dem durch die Holzverarbeitung einhergehenden Lärm und Staub nach Maß und Zeit das ortsübliche Ausmaß, was bereits zur Gesundheitsschädigung des Klägers und seiner Angehörigen geführt habe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er wandte im Wesentlichen ein, der Kläger habe sich in einem Industrie- und Gewerbegebiet angesiedelt, er müsse die entsprechenden Immissionen dulden, zumal sich im näheren Umkreis vier weitere Holzverarbeitungsbetriebe befinden. Eine übermäßige Staubentwicklung liege zudem nicht vor.

Das Erstgericht entschied mit dem angefochtenen Teilurteil über die Unterlassung von Lärmimmissionen und gab unter Abweisung eines Mehrbegehrens dem Klagebegehren in Ansehung der 52 dB übersteigenden Lärmimmissionen statt. Dabei ging es vom eingangs dargestellten Sachverhalt und den weiteren auf den AS 196 200 wiedergegebenen Feststellungen aus, auf welche verwiesen werden kann. Rechtlich vertrat der Erstrichter die Auffassung, der ortsübliche Dauerschallpegel liege im Bereich der Liegenschaft des Klägers bei 49 dB; die vom Beklagten verwendeten Kreis- und Motorsägen würden diesen Dauerschallpegel um 7 - 11 dB, der Hacker sogar um 21 dB anheben. Diese Anhebung überschreite wesentlich das in der Praxis zumutbare Ausmaß von 3 dB.

Mit dem weiters angefochtenen Berichtigungsbeschluss berichtigte der Erstrichter die Ausfertigungen des angefochtenen Urteils vom 15. September 2011 dahingehend, dass die im Urteilsspruch der Ausfertigungen angeführte EZ ***** durch die EZ ***** ersetzt werde.

Der Beklagte macht die Berufungsgründe der unrichtigen bzw. mangelhaften Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend mit dem Antrag, das angefochtene Teilurteil dahin abzuändern, dass die Klage auf Unterlassung der Lärmimmissionen abgewiesen werde. In eventu wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Mit seinem Rekurs begehrt der Beklagte, dass der Antrag auf Berichtigung abgewiesen werde.

Der Kläger hat eine Berufungsbeantwortung erstattet, er strebt eine Bestätigung des angefochtenen Teilurteils an.

Die Berufung ist im Sinn des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist klarzustellen, dass der Oberste Gerichtshof in der Vergangenheit bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass bei der Unterlassungsklage nach § 364 Abs 2 ABGB der Erstrichter das Unterlassungsbegehren auf das Minus der ihm unzulässig erscheinenden Immissionen beschränken kann (SZ 65/145 = ecolex 1993, 451 = RdU 1994, 24; 7 Ob 636/94 = ImmZ 1995, 175 = NZ 1996, 118; SZ 67/138 = JBl 1995, 107 = RdU 1995, 40; 3 Ob 201/99a).

Ein derartiges Minus kann etwa in der Form erfolgen, dass der zulässige Geräuschpegel in dB in den Urteilsspruch aufgenommen wird (SZ 50/99 = MietSlg 29.040;  SZ 65/145; 1 Ob 6/99k ua). Auch zeitliche Beschränkungen im Hinblick auf die üblichen Ruhezeiten (Nacht-, Mittags- und Feiertagsruhe) werden in der Judikatur gebilligt (vgl. etwa SZ 67/138 = JBl 1995, 107 = RdU 1995, 40; SZ 70/201 ua).

Der vom Beklagten gegen die Stattgebung eines eingeschränkten Unterlassungsbegehrens erhobene Einwand, der Erstrichter spreche damit ein Aliud zu, kann daher nicht geteilt werden, ist doch davon auszugehen, dass auch ein Teilerfolg des Klagebegehrens für den Kläger eine Erleichterung bringt und daher von ihm gewollt ist. Ebenso unbegründet ist der Einwand, der Kläger habe durch die Aufnahme des zulässigen Geräuschpegels in den Urteilsspruch eine unzulässige Klagsänderung vorgenommen.

Der Untersagungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB setzt voraus, dass die Einflüsse, die auf das betroffene Grundstück einwirken, einerseits das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Ausmaß übersteigen und andererseits die ortsübliche Benutzung dieser Liegenschaft wesentlich beeinträchtigen. Lärmeinwirkungen nur solche sind im vorliegenden Berufungsverfahren zu beurteilen - sind mittelbare Immissionen, die demnach nur so weit verboten werden können, als sie das ortsübliche Ausmaß übersteigen und die ortsübliche Benützung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigen (stRsp; ua SZ 70/251 = ecolex 1998, 625 = NZ 1999, 75 = RdU 1998, 92; SZ 66/147; 1 Ob 6/99k ua). Beide Kriterien müssen kumulativ vorliegen, weshalb selbst übermäßige Immissionen zu dulden sind, wenn sie die ortsübliche Nutzung des Grundstückes nicht wesentlich beeinträchtigen, aber auch dann, wenn sie das ortsübliche Maß nicht übersteigen, obwohl die ortsübliche Nutzung des Grundstückes durch sie wesentlich beeinträchtigt wird (8 Ob 372/97g; 1 Ob 6/99k; Spielbüchler in Rummel³ § 364 Rz 13 mwN).

Die örtlichen Verhältnisse sind in beiden Richtungen zu beachten, sowohl für das Maß der Immission als auch für das Maß der Beeinträchtigung. Wesentlich sind neben dem Grad und der Dauer der Einwirkungen sowie ihrer Störungseignung auch das "Hervorkommen" und das öffentliche Interesse (SZ 70/251). Die Gesetzesbegriffe "örtlich" und "ortsüblich" sind nicht im Sinne einer politischen Gemeinde zu verstehen; die Beantwortung der Frage, ob die Beeinträchtigung das "nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß" übersteigt, ist auch nicht auf das beeinträchtigte Grundstück allein abzustellen; entscheidend sind vielmehr die Lage des beeinträchtigten Grundstückes zu jenem, von dem die Störung ausgeht und – was der Erstrichter nicht beachtet hat - die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung beider Liegenschaften (vgl. SZ 45/98 uva). Als Ort im Sinne des § 364 ABGB kommt daher zwar die nähere Umgebung in Betracht, es muss sich jedoch um ein größeres Gebiet handeln (vgl. Spielbüchler aaO, Rz 14). Wer beispielsweise im landschaftlichen Gebiet ein Wohngrundstück besitzt, hat die ortsüblichen Einwirkungen landwirtschaftlicher Betriebe zu dulden. Nicht entscheidend ist hiebei, welche Grenzen für Lärm- oder Geruchsbelästigung irgendwelche - rechtlich nicht verbindliche - Ö-Normen oder AÖL-Richtlinien festsetzen. Wo die Landwirtschaft dominiert, gibt sie das Maß der Ortsüblichkeit vor. Es entscheidet immer, was dem Gebiet die Prägung gibt. Gebiete mit einheitlicher Prägung sind daher als Einheit, als Ort im Sinn des § 364 ABGB, zu betrachten (vgl. Reischauer in JBl 1990, 217).

Die hier betroffenen Liegenschaften liegen auf dem ehemaligen Betriebsgelände des *****, also in einem Industrie- und Gewerbegebiet. Vier weitere holzverarbeitende Betriebe befinden sich in diesem Bereich, welche jedenfalls die Umgebung mitprägen und zu berücksichtigen sind. Es ist daher nicht entscheidend, wie hoch der Dauerschallpegel im Bereich des beeinträchtigten Grundstückes ist, sondern ob die Lärmimmissionen jenes Maß überschreiten, das bei vergleichbaren Betrieben im Sinne des oben erwähnten Ortsbegriffes ortsüblich ist. Dazu hat der Erstrichter keine Feststellungen getroffen. Zudem fehlt es auch an Feststellungen, ob eine wesentliche Beeinträchtigung der Liegenschaft des Klägers vorliegt, wobei es auch hier nicht auf sein konkretes Empfinden, sondern auf das Empfinden eines Durchschnittsmenschen des von der Immission betroffenen Gebietes ankommt. Wer sich in einem überwiegend gewerblich genutzten Gebiet zu Wohnzwecken ansiedelt, muss grundsätzlich jene nachteiligen Auswirkungen der gewerblichen Nutzung von Nachbargrundstücken hinnehmen, die bereits vorher bestanden haben und die für den Emittenten ohne erhebliche eigene Nachteile nicht vermeidbar sind.

Die aufgezeigten Feststellungsmängel erfordern daher die Aufhebung des Teilurteils und die Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Der Beklagte war mit seinem Rekurs gegen den Berichtigungsbeschluss auf diese Entscheidung zu verweisen.

Landesgericht Klagenfurt, Abteilung 1

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