JudikaturJustiz1R282/12h

1R282/12h – LG Klagenfurt Entscheidung

Entscheidung
23. November 2012

Kopf

Das Landesgericht Klagenfurt hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Joham (Vorsitz), Dr. Mikulan und Dr. Steflitsch in der Rechtssache der klagenden Partei ***** , Tanzpädagogin, *****, vertreten durch Dr. Hans Georg Mayer, Rechtsanwalt in Klagenfurt a. WS, gegen die beklagte Partei ***** , Lehrerin, *****, vertreten durch Mag. iur. Oliver Lorber Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt a. WS, wegen EUR 507,00 s. A., über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 10. Juli 2012, 16 C 6/12i 11, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird abgeändert und hat zu lauten:

"Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin EUR 507,00 samt 4 % Zinsen seit 2. Juli 2011 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die Klägerin hat der Beklagten zu Handen ihrer Vertreterin die mit EUR 731,59 (davon EUR 121,93 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die Klägerin hat der Beklagten zu Handen ihrer Vertreterin die mit EUR 252,02 (davon EUR 64,00 Barauslagen, EUR 31,34 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Am 25. September 2001 meldete die Beklagte ihre am ***** 1996 geborene Tochter ***** in der Tanzschule der Klägerin an. Die Beklagte erhielt die AGB der Tanzschule ausgehändigt, die auszugsweise wie folgt lauten:

"1. Beginn des Schuljahres ist der 15. September.

...

10. Während des laufenden Schuljahres kann die Teilnahme auch nur schriftlich gekündigt werden. Eine dreimonatige Stornogebühr ist sofort fällig. Teilnahme am Unterricht ist dann nicht mehr möglich.

...

14. Die Anmeldung bleibt für das folgende Jahr aufrecht, wenn sie nicht bis 15. Juni schriftlich gekündigt wird. Spätere Abmeldung siehe Punkt 10.

..."

In der Folge "wurden" die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wie folgt abgeändert:

"5. Der Unterricht dauert von 15. September bis 1. Juli (9 1/2 Monate).

...

12. Während des laufenden Schuljahres kann die Teilnahme nur schriftlich gekündigt werden. Eine dreimonatige Stornogebühr ist sofort fällig. Eine Teilnahme am Unterricht ist dann nicht mehr möglich.

...

15. Die Anmeldung bleibt für das folgende Jahr aufrecht, wenn sie nicht bis 30. Juni schriftlich gekündigt wird. Spätere Abmeldung siehe Punkt 12."

Mit E-Mail vom 18. Juli 2011 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis.

Die Klägerin begehrt nun unter Hinweis auf die Punkte 12. und 15. der AGB die Zahlung einer Stornogebühr von EUR 507,00 s. A.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie wandte zusammengefasst - unter anderem ein, die herangezogenen Bestimmungen der AGB seien unklar und für die Beklagte im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend. Im Übrigen unterliege die Stornogebühr dem richterlichen Mäßigungsrecht.

Die Erstrichterin gab der Klage statt. Dabei traf sie die eingangs dargestellten und die weiteren, auf den Seiten 6 10 der Urteilsausfertigung wiedergegebenen Feststellungen, auf welche verwiesen werden kann. Rechtlich vertrat sie unter anderem die Auffassung, die Kündigungsbestimmungen seien klar und unmissverständlich abgefasst und seien weder grob benachteiligend noch wiesen sie einen ungewöhnlichen Inhalt auf. Für die Anwendung des richterlichen Mäßigungsrechts bestehe kein Anlass.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, sie dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen werde. In eventu wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der erstatteten Berufungsbeantwortung, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Die Berufung ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte, deren Verbrauchereigenschaft in diesem Rechtsstreit nicht strittig ist, beruft sich unter anderem darauf, dass die Punkte 12. und 15. der hier dem Vertrag zugrunde liegenden AGB sowohl gröblich benachteiligend als auch intransparent sind.

Dazu ist auszuführen:

Zufolge § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das damit geforderte Transparenzgebot verlangt nicht nur formale Verständlichkeit im Sinn von Lesbarkeit, sondern auch, dass der Inhalt und die Tragweite für den Verbraucher durchschaubar sind. Es soll sichergestellt werden, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Verbraucher zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung informiert wird. Damit soll verhindert werden, dass er von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigt Pflichten auferlegt werden (4 Ob 88/05b; 4 Ob 5/08a je mwN; vgl. auch RIS-Justiz RS0115217; RS0115219; RS0122169). Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig ist oder von ihm jedenfalls festgestellt werden kann. Dabei sollen keine Begriffe verwendet werden, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht. Der durch ihre Verwendung geschaffene Deutungsspielraum würde verhindern, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann (vgl. 4 Ob 88/05b).

Maßgeblich für die Prüfung, ob eine Klausel im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend ist, ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (4 Ob 50/00g, SZ 73/46 mwN). Gröblich Benachteiligung liegt nicht nur vor, wenn vom dispositiven Recht abweichende Klauseln unangemessen bzw. sachlich nicht gerechtfertigt sind, sondern auch dann, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Vertragsposition in auffallendem, sachlich nicht zu rechtfertigendem Missverhältnis zur vergleichbaren Position des anderen steht (6 Ob 241/07w; 4 Ob 5/08a je mwN; RIS-Justiz RS0016914).

Bei Anwendung dieser Grundsätze halten die hier beanstandeten Bestimmungen der AGB der Prüfung nach § 6 Abs 3 KSchG und der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB nicht Stand.

Punkt 15. der AGB enthält eine sogenannte Verlängerungsklausel für den Fall der nicht fristgerechten Abmeldung bis 30. Juni. Gleichzeitig wird für den Fall einer späteren Abmeldung auf Punkt 12. verwiesen. Punkt 12. betrifft aber die Kündigung während des laufenden Schuljahres (15. September bis 1. Juli) und verknüpft die Kündigung mit der Zahlung einer sofort fälligen, dreimonatigen Stornogebühr und mit dem Ausschluss vom Unterricht.

In der Zusammenschau dieser beiden Bestimmungen bleibt zunächst schon unklar, ob im Punkt 15. nur allgemein auf die Folgen einer Kündigung während des Schuljahres verwiesen wird, oder ob so das Verständnis der Klägerin - jede nach dem 30. Juni erfolgende Abmeldung die Zahlung einer dreimonatigen Stornogebühr nach sich zieht. Nach diesem Verständnis und unter Beachtung des Punktes 12., wonach jede Kündigung während des laufenden Schuljahres zur Zahlung einer dreimonatigen Stornogebühr und zum Ausschluss der Teilnahme am Unterricht führt, bliebe für die Beklagte nur der 30. Juni, um das Vertragsverhältnis ohne die beschriebenen Rechtsfolgen zu kündigen. Dass diese Bestimmungen somit im Sinne der oben dargestellten Grundsätze nicht nur intransparent, sondern auch gröblich benachteiligend sind, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Nach dem Wortlaut des § 6 Abs 3 KSchG sind unklare und unverständliche Vertragsbestimmungen unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion einer solchen Klausel findet auch im Individualprozess nicht statt (7 Ob 179/03d = SZ 2003/91; 10 Ob 67/03k = ÖBa 2008, 131/1459; RIS-Justiz RS0122168). Dem Begehren der Klägerin auf Zahlung der Stornogebühr fehlt somit jede Rechtsgrundlage, weshalb der Berufung ohne auf die weiteren Ausführungen eingehen zu müssen, bereits aus diesen Gründen Folge zu geben war.

Die Entscheidung über die Kosten erster und zweiter Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, im Berufungsverfahren iVm § 50 ZPO.

Landesgericht Klagenfurt, Abteilung 1

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