JudikaturJustiz1R268/91

1R268/91 – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
15. November 1991

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat in der Rechtssache der klagenden Partei S gegen die beklagte Partei Fa. L Gesellschaft mbH Co KG wegen S 116.863,50 samt Anhang über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18.7.1991, 41 Cg 154/91-4, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 5.657,40, darin S 942,90 Umsatzsteuer, bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der am 23.4.1991 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die klagende Partei Schadenersatz in Höhe von S 116.863,50 und brachte dazu vor, seine Tochter sei von einer Lawine verschüttet und getötet worden, als sie einen von der beklagten Partei in Biberwier betriebenen

Schlepplift benützt habe. Die beklagte Partei habe es als Verschulden zu vertreten, daß sie die

lawinengefährdete Liftanlage nicht sperrte; dazu wäre sie in Zusammenarbeit mit der für Biberwier bestellten Lawinenkommission verpflichtet gewesen. Der damalige Betriebs leiter der beklagten Partei, H, sei Mitglied der Lawinenkommission gewesen, aber inzwischen verstorben, sodaß das als Folge des Lawinenunglückes durchgeführte Strafverfahren nur zwei weitere Mitglieder der Lawinenkommission betroffen habe; diese seien allerdings rechtskräftig freigesprochen worden.

Die klagende Partei habe ihre Ansprüche bereits mit Schreiben vom 5.10.1989 geltend gemacht und bis 30.10.1989 fällig gestellt. Die Haftpflichtversicherung der beklagten Partei habe mit Schreiben vom 6.12.1989 mitgeteilt, daß vorerst mit der Erledigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens abgewartet werden solle. Mit Schreiben vom 14.11.1990 sei die Haftpflichtversicherung neuerlich aufgefordert worden, den Schaden zu begleichen; diese habe mit Schreiben vom 18.12.1990 den Eintritt in die Schadensliquidierung endgültig abgelehnt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete unter anderem Verjährung ein.

Die klagende Partei brachte dazu ergänzend vor, der Lauf der Verjährungsfrist sei unterbrochen worden, weil die Haftpflichtversicherung der beklagten Partei eine Entschädigungsleistung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens abgelehnt habe und weil sich der Kläger überdies zur Sicherung seiner Ansprüche dem

gegen den Betriebsleiter Hermann Höck und gegen die übrigen Mitbeschuldigten durchgeführten Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen habe.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Es stellte aus dem Akt 36 Vr 1233/88 des Landesgerichtes Innsbruck folgendes fest:

Als Folge des Lawinenunglückes am 12.3.1988 wurde beim Landesgericht Innsbruck ein Strafverfahren gegen unbekannte Täter eingeleitet. Am 30.6.1988 schloß sich der Kläger dem Verfahren gegen unbekannte Täter als Privatbeteiligter an. Am 30.8.1988 stellte die Staatsanwaltschaft Innsbruck beim zu ständigen Untersuchungsrichter den Antrag, S, T und H, die zum Zeitpunkt des Unglückes Mitglieder der Lawinenkommission Biberwier waren, gemäß § 38 Abs. 3 StPO abzuhören; H war allerdings bereits am 19.6.1988 verstorben.

Am 3.4.1989 stellte die Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen S und T Strafantrag wegen des Vergehens der fahrlässigen Gemeingefährdung nach § 177 Abs. 1 und 2 StGB. Am 13.11.1990 wurden die Beschuldigten gemäß § 259 Z. 3 StPO von der wider sie erhobenen Anklage freigesprochen.

Dem genannten Strafakt ist weiter zu entnehmen, daß dieses Urteil in Anwesenheit des Vertreters des Klägers als Privatbeteiligten erging und am 16.11.1990 in Rechtskraft erwuchs.

Die klagende Partei machte den nunmehr eingeklagten Schaden erstmals mit Schreiben vom 5.10.1989 bei der Haft pflichtversicherung der beklagten Partei geltend. Die Haft pflichtversicherung teilte mit Schreiben vom 6.12.1989 mit, daß sie den rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens abwarten wolle, bevor sie zur Frage der Haftung Stellung beziehe; der Kläger werde unter Bedachtnahme auf diesen Umstand ersucht, die angemeldeten Ansprüche bis dahin zurückzustellen.

Aus rechtlicher Sicht führte das Erstgericht aus, der Anspruch der klagenden Partei sei wegen Ablaufes der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB verjährt. Eine Unterbrechung der Verjährung durch den Privatbeteiligtenanschluß des Klägers sei nicht eingetreten, da das diesbezügliche Strafverfahren nur gegen Personen durchgeführt worden sei, die mit der beklagten Partei "nichts zu tun" hätten.

Dieses Urteil bekämpft die klagende Partei seinem gesamten Inhalt nach mit Berufung. Sie macht die Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte in der Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.

Da keine der Parteien die Anberaumung einer Berufungsverhandlung beantragte und auch das Berufungsgericht die Durchführung einer solchen nicht für erforderlich hält, konnte über das Rechtsmittel nach § 492 ZPO in nicht öffentlicher Sitzung entschieden werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

In Anbetracht des Wohnsitzes des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland ist vorweg festzuhalten, daß auf die vorliegende Sache österreichisches Recht als das Recht des Unfallsortes anzuwenden ist (§ 48 IPRG).

Die Ansicht, die eingeklagte Forderung sei nicht verjährt, stützt der Kläger einerseits auf seine Erklärung, sich dem auf Grund des Lawinenunglücks durchgeführten Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen, andererseits auf das Ersuchen der Haftpflichtversicherung der beklagten Partei, der Kläger möge seine Ansprüche bis zum rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens zurückstellen. Auch unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens führt der Berufungswerber lediglich Rechtsfragen aus, wobei die unrichtige Bezeichnung des Berufungsgrundes nicht schadet.

Der Anschluß als Privatbeteiligter unterbricht die Verjährung nur gegen den, gegen den sich das Strafverfahren richtet (JBl. 1955, 578; JBl. 1976, 590 u.a.). Das gilt auch in jenem Fall, in welchem der Schadenersatzanspruch nur gegen eine juristische Person geltend gemacht wird, gegen welche die Durchführung eines Strafverfahrens begrifflich nicht möglich ist. So unterbricht der Privatbeteiligtenanschluß im Strafverfahren gegen ein Organ eines in § 1 AHG genannten Rechtsträgers nicht die Verjährung der Schadenersatzforderung gegen den letzteren (JBl. 1969, 280). Die für die letztgenannte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen treffen auch für den hier vorliegenden Fall zu, selbst wenn die Mitglieder der Lawinen kommission Biberwier als Erfüllungsgehilfen der beklagten Partei anzusehen wären, da die beklagte Partei einerseits und die Mitglieder der Lawinenkommission andererseits nicht identische Rechtssubjekte sind und die Unterbrechung der Verjährung, wie bereits ausgeführt wurde, nur subjektiv wirkt. Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers wurde die Verjährung auch nicht durch das Verhalten des Haftpflichtversicherers der beklagten Partei verhindert. Es entspricht zwar nunmehr ständiger Rechtsprechung, daß der Einwendung der Verjährung die Replik der Arglist entgegengehalten werden kann, wenn der Gläubiger durch den Schuldner veranlaßt wurde, die Forderung innerhalb der Verjährungszeit nicht geltend zu machen (MGA ABGB33, E 2 zu § 1501; Schubert in Rummel, Rz 2 zu § 1501). Darin ist nach nunmehr herrschender Auffassung eine Ablaufhemmung zu erblicken. Verjährung tritt in einem solchen Fall dann nicht ein, wenn nach Beendigung des maßgeblichen Verhaltens des Gegners unverzüglich die Klage eingebracht wird. Unabhängig von der Frage, inwieweit das Verhalten des Haft pflichtversicherers im Zuge der Schadensregulierung zum Nachteil des Versicherungsnehmers wirkt (vgl. MGA ABGB33, E 9 zu § 1497), ist die von der klagenden

Partei nunmehr behauptete Hemmung der Verjährung

deswegen nicht (mehr) wirksam, weil die klagende Partei

unangemessen lang mit der Einbringung der Klage

zuwartete. Der Haftpflichtversicherer der beklagten Partei lehnte nach dem Vorbringen der klagenden Partei mit Schreiben vom 18.12.1990 endgültig die Schadensliquidierung ab; diese Erklärung kann für die klagende Partei nicht überraschend gewesen sein, da ihr spätestens kurz nach dem 16.11.1990 bekannt sein mußte, daß die angeklagten Mitglieder der Lawinenkommission rechtskräftig freigesprochen wurden.

Unter diesen besonderen Umständen war die Verzögerung der Einbringung der Klage bis zum 23.4.1991, somit von mindestens vier Monaten, nicht vertretbar, zumal die klagende Partei keine triftigen Gründe dafür geltend macht, aus welchem Grund sie die Klage nicht schon früher einbrachte. Nach ständiger Rechtsprechung tritt die Verjährung - nach einer Ablaufhemmung - dann nicht ein, wenn die Klage innerhalb angemessener, in der Regel aber nur kurz zu bemessender Frist eingebracht wird (vgl. ZVR 1979/287; JBl. 1955, 552; MietSlg. 33.254 u.a.). Die beklagte Partei kann daher dem Anspruch des Klägers erfolgreich die Einrede der Verjährung entgegensetzen, sodaß der Berufung nicht Folge zu geben war.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat ihre Kosten richtig verzeichnet.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil für die hier zu beurteilenden Rechtsfragen eine

einheitliche Rechtsprechung des OGH vorliegt, an welche sich das Berufungs gericht gehalten hat.

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen