JudikaturJustiz1R266/12t

1R266/12t – LG Klagenfurt Entscheidung

Entscheidung
04. Oktober 2012

Kopf

Das Landesgericht Klagenfurt hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Joham (Vorsitz), Dr. Mikulan und Dr. Steflitsch in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Dr. Hans-Dieter Sereinig, Rechtsanwalt in Ferlach, gegen die beklagte Partei *****, vertreten durch Dr. Helmut Trattnig, Rechtsanwalt in Ferlach, wegen EUR 3.126,40 s. A ., über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Ferlach vom 11. Juli 2012, 2 C 169/11b 23, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen.

Im Übrigen wird der Berufung Folge gegeben, das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache an das Prozessgericht erster Instanz zur Verhandlung und Urteilsfällung zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit einem undatierten Mietvertrag mietete die Klägerin, beginnend ab 1. September 2010, von der Beklagten eine Wohnung. Die Klägerin leistete eine Kaution von EUR 1.000,00. Die Parteien vereinbarten eine Kündigungsfrist von drei Monaten. Die Klägerin wollte um Wohnbeihilfe bei der Kärntner Landesregierung ansuchen. Die Beklagte verweigerte die Unterfertigung des Förderungsansuchens. Die Klägerin hätte die Voraussetzungen zur Erlangung der Wohnbeihilfe gehabt. Diese hätte monatlich EUR 265,80 betragen. Die Klägerin bezahlte Miete und Betriebskosten bis einschließlich April 2011. Am 27. April 2011 stellte die Klägerin das Bestandobjekt geräumt zurück.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung der Kaution. Ferner macht sie Schadenersatz für die Dauer des Mietverhältnisses von acht Monaten im Betrag von EUR 2.126,40 geltend, weil die Beklagte das Förderansuchen der Klägerin nicht unterfertigt habe.

Die Beklagte rechnet mit den Mieten für Mai und Juni 2011 zuzüglich Reinigungskosten von monatlich EUR 11,00 (insgesamt also EUR 1.002,00) auf. Ferner wendet sie ein, die Klägerin habe das Bestandobjekt verwüstet, was Behebungskosten im Betrag von EUR 11.096,00 nach sich gezogen habe. Auch mit diesem Betrag rechnet die Beklagte auf.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht, ausgehend von prozessualer Aufrechnung, die Klagsforderung mit EUR 1.000,00 und die Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung als zu Recht bestehend erkannt und das Klagebegehren insoweit zufolge Aufrechnung und das darüber hinaus gehende Schadenersatzbegehren abgewiesen. Die Beklagte schulde die Rückzahlung der Kaution, die Klägerin schulde die Miete für Mai und Juni 2011 sowie das Reinigungsgeld von EUR 20,00. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, das Förderansuchen der Klägerin auf Wohnbeihilfe zu unterfertigen, weil sie diesbezüglich keine Zusage abgegeben habe. Wenn sich die Klägerin darauf berufe, sich das Bestandobjekt ohne Wohnbeihilfe nicht habe  leisten können, so hätte sie den Mietvertrag nicht unterfertigen sollen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Berufungsgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung zufolge unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, der Klage in Abänderung des Ersturteiles zur Gänze stattzugeben; hilfsweise stellt die Klägerin einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte strebt mit ihrer Berufungsbeantwortung die Bestätigung des Ersturteiles an.

Die Berufung ist im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nicht vor. Das Berufungsvorbringen, dem Ersturteil sei nicht zu entnehmen, aus welchem Grund der geltend gemachte Klagsbetrag von EUR 2.126,40 s. A. abgewiesen wurde, ist schlicht aktenwidrig. Das Erstgericht hat die Klage in diesem Umfang aufgrund seiner rechtlichen Erwägung abgewiesen, dass die Beklagte die Unterfertigung des Förderansuchens nicht zugesagt habe. Das Erstgericht verneinte demnach eine vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur Unterfertigung des Antrages der Klägerin auf Wohnbeihilfe und mangels einer solchen Pflicht die Möglichkeit eines Verstoßes gegen dieselbe, im Ergebnis also das Vorliegen von Rechtswidrigkeit als eine der Voraussetzungen zur Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches.

Auf die Mängel- und Beweisrüge der Klägerin ist nicht näher einzugehen, weil ihre Rechtsrüge die teilweise aktenwidrig, nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt und, soweit Erörterungen über den Aufrechnungseinwand der Beklagten angestellt wurden, auch unverständlich ist - im Ergebnis dennoch berechtigt ist.

Es steht nämlich fest, dass die Klägerin den Bestandgegenstand am 27. April 2011 an die Beklagte zurückgestellt hat. Nach den erstgerichtlichen Urteilsannahmen "wurde dies zwischen den Parteien (auch) vereinbart". Noch am 26. April 2011 hat zwischen den Streitteilen ein Telefongespräch darüber stattgefunden, ob am nächsten Tag die Schlüsselübergabe erfolge. Von dieser Vereinbarung hat die Beklagte in der Folge einseitig - Abstand genommen, weil sie in der Zwischenzeit ein Schreiben des Klagsvertreters erhalten hat.

Das Erstgericht hat nun die äußeren Umstände der Rückstellung des Bestandobjektes zum Gegenstand von Tatsachenfeststellungen gemacht, allerdings bleibt völlig unklar, welche konkrete Vereinbarung der Streitteile der Rückstellung der Bestandsache zugrunde lag. Selbst nach Aussage der die Beklagte vertretenden ***** bestünde nämlich eine materielle Aufrechnungsvereinbarung bezüglich der Kaution dahin, dass der Klägerin bei Rückstellung des Bestandobjektes am nächsten Tag (offenbar) Zug um Zug noch ein Teilbetrag der Kaution von EUR 254,60 ausbezahlt wird. Ohne die  Feststellung, was die Parteien im Zusammenhang mit der Rückstellung des Bestandobjektes konkret vereinbarten , kann die Rechtssache nicht abschließend rechtlich beurteilt werden. Hat nämlich die Beklagte das Bestandobjekt Ende April 2011 vereinbarungsgemäß zurückgenommen, spielt die vereinbarte Kündigungsfrist von drei Monaten nur mehr insofern eine Rolle, als der Beklagten möglicherweise eine Schadenersatzforderung aus dem Vertragsbruch der Klägerin (vorzeitige Rückgabe der Bestandsache) zustünde, und zwar dann, wenn es der Beklagten nicht möglich gewesen sein sollte, das Bestandobjekt kurzfristig wieder zu vermieten. Inhalt einer anlässlich der Rückstellung des Bestandobjektes getroffenen Vereinbarung könnte ferner eine verbindliche  abschließende Regelung der Angelegenheit zwischen den Streitteilen gewesen sein, die die spätere Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus dem Rechtsgrund der verweigerten Unterfertigung des Förderansuchens durch die Beklagte, aber auch allfällige Schadenersatzansprüche der Beklagten aus der Devastierung des Bestandobjektes ausschließen würde.

In diesem Zusammenhang teilt das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, wonach Voraussetzung für die Annahme einer rechtswidrigen Handlungsweise der Beklagten sei, dass sie eine abgegebene Zusage nicht eingehalten habe, nicht: Das Mietverhältnis als Dauerschuldverhältnis beruht nämlich auf gegenseitigen Treuepflichten und damit auf einem beiderseitigen Vertrauensverhältnis. Das erhellt schon aus § 1096 ABGB , aus welchem die Rechtsprechung etwa die Pflicht des Vermieters auf Schutz des Mieters gegen Störungen dritter Personen abgeleitet hat (Koziol/Bydlinski/Bollenberger ABGB Rz 7 zu § 1096 mwN). Der Bestandgeber ist auch verpflichtet, bei der Einholung behördlicher Bewilligungen, die für die vertragsgemäße Nutzung und Umgestaltung des Bestandobjektes erforderlich sind, mitzuwirken (Koziol/Bydlinski/Bollenberger aaO Rz 5 mwN). Auf dieser gegenseitigen Treuepflicht der Parteien des Bestandvertrages fußt auch zwanglos die Pflicht des Vermieters, dem Mieter den Bestand des Mietverhältnisses gegenüber der Landesregierung als zuständigem Förderungsgeber zu bestätigen, wenn nicht redliche und rechtlich anerkennenswerte Gründe für die Verweigerung einer solchen Bestätigung bestehen. Diese zu behaupten und unter Beweis zu stellen, obliegt dem Vermieter, hier also der Beklagten, zumal nicht feststeht, dass die Klägerin die Förderung auch ohne Vorlage der Bestätigung der Beklagten erreichen hätte können.

Das Erstgericht wird demnach die Sache in der aufgezeigten Richtung mit den Prozessparteien zu erörtern und eine entsprechende Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage herbeizuführen haben (§ 496 Abs 1 Z 3 ZPO). Erst dann wird abschließend beurteilt werden können, ob die Klagsforderung zur Gänze oder zum Teil zu Recht besteht und, hierauf fußend, in welchem Umfang sie allenfalls durch berechtigte Gegenforderungen erloschen ist. Eine Ergänzung des Verfahrens durch das Berufungsgericht (§ 496 Abs 3 ZPO) scheidet schon deshalb aus, weil es zur Klärung der Sach- und Rechtslage noch eines ergänzenden Parteienvorbringens und dessen Erörterung in erster Instanz bedürfen wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Landesgericht Klagenfurt, Abteilung 1

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