JudikaturJustiz1R195/02k

1R195/02k – LG Krems/Donau Entscheidung

Entscheidung
09. Januar 2003

Kopf

Das Landesgericht Krems a.d. Donau als Rekursgericht hat durch den Richter Dr. Klaus als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Mischer und Mag. Mörtl in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner Partner, Anwaltssocietät in 4021 Linz, wider die beklagte Partei Erika T*****, wegen € 208,25 s. A., über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Krems a.d. Donau vom 23.8.2002, GZ 9 C 1362/02w-2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels

selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung:

Mit ihrer Mahnklage begehrte die klagende Partei den Zuspruch eines Betrages von j 208,25 s.A. Sie schlüsselte ihr Begehren wie folgt auf und erstattete dazu nachstehendes Vorbringen:

"Code Angaben über Forderung BelegNr von bis Betrag

01 Rechnung u. Anerkenntnis 11.01.2002 138,19 EUR

12A Kosten der außergerichtl. 70,06 EUR

12A Forderungseintreibung

Zinsenbegehren: Zinsen vereinbart

Beweis:

Parteienvernehmung

Urkunden Rechnung und Anerkenntnis

Weiteres Vorbringen:

Im Klagsbetrag sind der klagenden Partei erwachsene Kosten für die außergerichtliche Forderungsbetreibung von 70.06 EUR beinhaltet,

zu deren Tragung sich die beklagte Partei verpflichtet hat und welche darüberhinaus zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren.

Diese gliedern sich wie folgt auf:

KOSTEN I. MAHNUNG 27.04.2002 21.95 EUR

KOSTEN II. MAHNUNG 27.05.2002 21.95 EUR

EVIDENZGEBÜHR 26.06.2002 26.16 EUR 70.06 EUR

Die verzeichneten Kosten entsprechen dem Tarif der Bundesinnung für Inkassobüros und der Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Angelegenheiten über die Höchstsätze der Inkassoinstitute gebührenden Vergütungen (Bundesgesetzblatt vom 27.3.1996, 41.Stück Verordnung 141). In eventu werden die vorprozessualen Kosten aus dem Titel des Schadenersatzes geltend gemacht, in eventu unter Feld 08 als Kosten. Der Klagevertreter bestätigt durch Unterfertigung der Klage daß die begehrten Kosten tatsächlich aufgelaufen sind."

Mit dem angefochtenen Beschluss erließ das Erstgericht hinsichtlich eines Teilbetrages von j 138,19 samt Zinsen einen Zahlungsbefehl, bestimmte die Kosten mit j 93,71 (unter Abweisung eines Kostenmehrbegehrens von j 49,34) und wies die Klage hinsichtlich des Teilbetrages von j 70,06 (Kosten für außergerichtliche Forderungsbetreibung) samt Zinsen wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück.

Gegen diesen zurückweisenden Beschlussteil richtet sich der rechtzeitige Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss diesbezüglich aufzuheben und dem Erstgericht die Erlassung eines bedingten Zahlungsbefehles auch hinsichtlich des Teilbetrages von j 70,06 aufzutragen.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Text

Beschluss

gefasst:

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurswerberin präzisiert ihr erstinstanzliches Vorbringen in ihrem Rechtsmittel zunächst dahingehend, dass sie eine Vereinbarung behauptet, wonach sich die beklagte Partei zur Bezahlung der vorprozessualen Kosten auch eines eingeschalteten Inkassobüros für den Fall des schuldhaften Zahlungsverzuges verpflichtet habe. Daraus gehe eindeutig hervor, dass die Vereinbarung vor Entstehen der Kosten geschlossen worden ist.

Der Rekurswerberin kann darin nicht gefolgt werden, dass jede Vereinbarung über den Ersatz von Mahn- und Inkassokosten bereits bewirkt, dass diese als Hauptforderung geltend gemacht werden können. Den Entscheidungen 2 Ob 9/97f und 5 Ob 227/98p, auf die sich der Rekurs beruft, ist (nur) zu entnehmen, dass Vereinbarungen über die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten von Rechtsverfolgungs- bzw. Eintreibungsmaßnahmen sowohl nach deren Entstehen, wie auch unter gewissen Einschränkungen, die der OGH in den zitierten Entscheidungen trifft, für erst entstehende derartige Kosten als zulässig erachtet werden. Dies entspricht auch der Ansicht des erkennenden Senates. Von der dort erörterten Frage der materiell-rechtlichen Zulässigkeit und Wirksamkeit derartiger Vereinbarungen ist aber die Frage, in welchem Verfahren sie geltend gemacht werden können, zu trennen. Es muss nämlich die Bestimmung des § 40 Abs. 2 ZPO überwunden werden, wonach der Kostenerstattungsanspruch ein öffentlich-rechtlicher Anspruch eigener Art ist, der nur in dem in den §§ 41 ff ZPO vorgesehenen Verfahren geltend gemacht werden kann. Vorprozessuale Kosten, wie die hier geltend gemachten Inkassospesen, können grundsätzlich nicht gesondert mit Klage geltend gemacht werden, vielmehr teilen sie das Schicksal der Prozesskosten (E 5. zu § 41 ZPO in MGA14). Nur ausnahmsweise, wenn die Akzessorietät zum Hauptanspruch durch Abschluss einer Vereinbarung aufgehoben wurde, können sie selbständig mit Klage geltend gemacht werden. Die Parteien müssen dabei aber die Auflösung eines schon bestehenden Zusammenhanges zwischen Haupt- und Nebenforderung vereinbart haben (siehe dazu hg. 1 R 249/99v; 1 R 652/97x des HG Wien; 1 R 498/97m des LG Feldkirch; 17 R 104/97 des LG Wr. Neustadt; 54 R 81/96 des LG Salzburg).

Nur eine Vereinbarung über bereits dem Grunde und der Höhe nach entstandene Kosten ist geeignet, die Akzessorietät aufzuheben und die Zulässigkeit des Rechtsweges zur Geltendmachung derartiger Kosten zu begründen. Gerade eine derartige Vereinbarung wurde aber hier nicht behauptet.

Auch die im Rekurs geltend gemachten europarechtlichen Bezüge verfangen nicht. Verfehlt ist der Hinweis auf die Richtlinie 200/35/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Diese Richtlinie - sie ist im übrigen auf Verbraucher nicht anwendbar - lässt (nur) erkennen, dass einem Gläubiger Mahn- und Inkassospesen nach Möglichkeit ersetzt werden sollen. In welcher Verfahrensart dies zu geschehen hat, ist aber Sache des nationalen Gesetzgebers und hat sich der erkennende Senat bereits dahingehend geäußert, dass Inkassokosten - Bescheinigung, Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit vorausgesetzt - bei aufrechter Akzessorietät grundsätzlich im Rahmen des Kostenzuspruches ersatzfähig sind (1 R 187/98z). Gemäß § 448 Abs. 2 ZPO darf ein Zahlungsbefehl dann nicht erlassen werden, wenn die Klage zurückzuweisen ist. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn der Rechtsweg nicht zulässig ist. Nach § 240 Abs. 3 ZPO ist die Zulässigkeit des Rechtsweges auch jederzeit von amtswegen zu berücksichtigen. Das Gericht hat daher jedenfalls die Klage auf die Prozessvoraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsweges zu prüfen. Dies hat anhand der für wahr zu haltenden Klagsbehauptungen zu geschehen.

Eines Verbesserungsauftrages hinsichtlich der von der klagenden Partei behaupteten Vereinbarung bedarf es im vorliegenden Fall deswegen nicht und ist somit in der Sache sogleich zu entscheiden, da - wie einleitend bereits ausgeführt - dem Rekurs nun eindeutig die zur Beurteilung maßgeblichen Sachverhaltsbehauptungen zu entnehmen sind.

Nun hat aber der Gesetzgeber mit dem Zinsenrechts- Änderungsgesetz (ZinsRÄG) 2002, in Kraft getreten am 1.8.2002, eine Neuregeleung außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, wie etwa Inkassokosten, getroffen. § 1333 Abs. 3 ABGB lautet: "Der Gläubiger kann außer den gesetzlichen Zinsen auch den Ersatz anderer, vom Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen, insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betreibenden Forderung stehen." In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wurde dazu ausgeführt, dass in Rechtsprechung und Lehre die Ersatzfähigkeit außergerichtlicher Inkassokosten äußerst kontrovers beurteilt worden sei. Überwiegend sei die Judikatur der Meinung, dass Inkassokosten "vorprozessuale Kosten" seien. Der Anspruch auf Ersatz derartiger Aufwendungen werde nach diesen Entscheidungen als ein öffentlich-rechtlicher Kostenersatzanspruch qualifiziert, der in der Kostennote geltend zu machen sei. Wegen der Akzessorietät des Kostenanspruches zum eingeklagten Hauptanspruch sei nach der Rechtsprechung eine gesonderte Geltendmachung im ordentlichen Rechtsweg im allgemeinen unzulässig. Eine selbständige Einklagung sei nur dann möglich, wenn feststehe, dass es - etwa wegen Befriedigung des Hauptanspruchs - nicht mehr zu einem Prozess über die Hauptforderung kommen könne. Etwa die Hälfte der einen öffentlich-rechtlichen Kostenersatzanspruch judizierenden Rechtsmittelgerichte sei der Auffassung, dass eine Vereinbarung über die Tragung der Inkassokosten die Akzessorietät nicht aufhebe. Nach dieser Rechtsprechungskette könnten derartige Ansprüche auch bei einer entsprechenden materiell-rechtlichen Vereinbarung nicht auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend gemacht werden. Dies ist, wie oben schon ausgeführt wurde, auch die Ansicht des erkennenden Senates, ausgenommen der Fall, dass mit einer Vereinbarung über bereits dem Grunde und der Höhe nach entstandenen Kosten die Akzessorietät zum Hauptanspruch aufgehoben wurde. Die andere Hälfte der Rechtsmittelgerichte stehe auf dem Standpunkt, dass eine (behauptete) Vereinbarung über die Tragung von Inkassokosten grundsätzlich deren Akzessorietät zum Hauptanspruch aufhebe, sodass der beantragte Zahlungsbefehl zu erlassen sei. Dieser Zustand sei unbefriedigend, weshalb eine Neuregelung zu treffen gewesen sei. Nach dem nunmehrigen § 1333 Abs. 3 ABGB werde die Frage der Ersatzfähigkeit von Inkassokosten im Schadenersatzrecht geregelt. Diese Bestimmung gehe von einem materiell-rechtlichen und nicht von einem prozessualen Ansatz aus. Danach wird der Betreibungsaufwand als ein Schaden, den der Schuldner durch seine Säumigkeit dem Gläubiger schuldhaft zugefügt hat, behandelt. Demnach wird durch § 1333 Abs. 3 ABGB ein neuer schadenersatzrechtlicher Tatbestand eingeführt. Nach Art. VI. des ZinsRÄG tritt, wie oben schon angeführt, der Art. I (Änderung des ABGB) mit 1.8.2002 in Kraft.

Nach § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluss. Das ABGB ist ein einfaches Gesetz. Der in § 5 ABGB ausgesprochene Satz der Nichtrückwirkung von Gesetzen ist kein Verfassungsgrundsatz. Der Gesetzgeber kann somit auch in einfachen Gesetzen eine Rückwirkung anordnen. Der Grundsatz des § 5 ABGB hat somit die Bedeutung, dass ein Gesetz im Zweifel nicht rückwirkt (EvBl 1972/218). Die Rückwirkung eines Gesetzes muss aber ausdrücklich angeordnet sein, sich aus dem Gesetz selbst ergeben (EvBl 1969/425; JBl 1970,477; RZ 1970,20; EFSlg 32.691; ÖBA 1998,484). Ist dies nicht gegeben, sind Sachverhalte vor dem Inkrafttreten eines neuen Gesetzes nicht nach diesem, sondern nach dem alten Gesetz zu beurteilen (EvBl 1977/67).

Hinsichtlich des § 1333 ABGB wird eine Rückwirkung im ZinsRÄG nicht angeordnet. Das bedeutet, dass der neue schadenersatzrechtliche Anspruch des § 1333 Abs. 3 ABGB auf Schadensfälle anzuwenden ist, die erst nach dem 31.7.2002 entstanden sind. Eine ähnliche Rechtslage war durch die Neuregelung des § 63 Abs. 1 KfG 1967 gegeben, wonach der geschädigte Dritte den ihm gegen einen durch eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung Versicherten zustehenden Schadenersatzanspruch auch gegen den Versicherer selbst geltend machen konnte und dieser und der ersatzpflichtige Versicherte als Gesamtschuldner haften. Diese neue materiell-rechtliche Regelung trat mit 1.1.1968 in Kraft, wurde deswegen mangels Anordnung einer Rückwirkung von der Rechtsprechung die Klage gegen den Haftpflichtversicherer aus Schadensfällen, die sich vor dem 1.1.1968 ereignet haben, nicht zugelassen (EvBl 1969/425; RZ 1970,20). Wenn es in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage heißt, dass mangels Übergangsbestimmungen die neuen Regelungen des § 1333 ABGB nach ihrem Inkrafttreten auch auf Forderungen Anwendung finden werden, die schon vorher begründet worden sind, so sind unter diesen Forderungen diejenigen zu verstehen, hinsichtlich der der Schuldner sich in Verzug befindet und somit die Grundlage für Verzugszinsen und/oder außergerichtliche Betreibungs- oder Einbringungskosten nach § 1333 ABGB darstellen. Dies zeigt sich schon darin, dass in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Verzugszinsen verwiesen wird, die neuen - höheren - gesetzlichen Zinsen erst ab dem Inkrafttreten des ZinsRÄG gelten sollen, auch wenn der Verzug schon vor dem 1.8.2002 eingetreten ist, bis dahin die frühere Regelung anzuwenden sei. Hinsichtlich der außergerichtlichen Betreibungs- oder Einbringungskosten bedeutet dies, dass die diesen zugrundeliegende und solche Kosten verursachende Forderung schon vor dem 1.8.2002 entstanden und fällig geworden sein kann, der Schaden durch die versuchte außergerichtliche Betreibung aber nach dem 31.7.2002 entstanden sein muss, um ihn selbständig mit Klage geltend zu machen, weil zuvor mangels gesetzlicher Rückwirkungsanordnung ein solcher Schadenersatzanspruch noch nicht bestand. Auf solche Sachverhalte ist die frühere Regelung anzuwenden, die oben ausführlich dargelegt wurde.

Im vorliegenden Fall macht die klagende Partei Inkassokosten geltend, die allesamt vor dem 1.8.2002 entstanden sind (siehe weiteres Vorbringen in der Klage). Dies zeigt auch schon alleine der Umstand, dass die Klage vor dem 1.8.2002 bei Gericht eingebracht wurde. Hiefür bestand aber nach der anzuwendenden alten Rechtslage kein Schadenersatzanspruch.

Dem Rekurs musste somit ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 40 ZPO. Der Ausspruch, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist, hat seine Grundlage in § 528 Abs. 2 Z. 1 ZPO.

Landesgericht Krems a.d. Donau

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