JudikaturJustiz1R171/08d

1R171/08d – LG Klagenfurt Entscheidung

Entscheidung
19. Juni 2008

Kopf

1 R 171/08d

Das Landesgericht Klagenfurt hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Joham (Vorsitz), Dr. Steflitsch und Dr. Mikulan in der Exekutionssache der betreibenden Partei *****, vertreten durch Dr. Christian Boyer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei *****, wegen € 8.129,36 s. A., über den Rekurs der Drittschuldnerin *****, vertreten durch Freimüller Noll Obereder Pilz Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 25. April 2008, 8 E 2272/08s-2, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass der Antrag der betreibenden Partei, der Drittschuldnerin auch die Erbringung von aus dem Recht an der Internet-Domain „*****“ entspringenden Leistungen an die verpflichtete Partei zu untersagen, abgewiesen wird; im Übrigen bleibt der angefochtene Beschluss als unbekämpft unberührt.

Die betreibende Partei ist schuldig, der Drittschuldnerin binnen 14 Tagen die mit € 618,12 (darin € 103,14 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO ist zulässig.

Text

Begründung:

Am 17. April 2008 beantragte die Betreibende beim Erstgericht, ihr gegen die Verpflichtete auf Grund des Zahlungsbefehles des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 11. Dezember 2007, 20 C 2229/07y, zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von € 8.129,36 s. A. ua die „SONSTIGE EXEKUTION (S)“ durch Pfändung und Verkauf der der Verpflichteten zustehenden Rechte an der Domain „*****“ zu bewilligen, an die Verpflichtete das Gebot zu erlassen, sich jeder Verfügung über die oben bezeichneten Rechte zu enthalten sowie der Drittschuldnerin *****die Erbringung von aus dem Recht an der Internet-Domain „*****“ entspringenden Leistungen an die verpflichtete Partei und jede Verfügung über die Domain zu untersagen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht diesen Exekutionsantrag unter Vorbehalt der Entscheidung über den Antrag auf Verwertung der der Verpflichteten zustehenden Rechte an der Domain „*****“ bewilligt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Drittschuldnerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung (nur) dahingehend abzuändern, dass der Antrag der Betreibenden, ihr die Erbringung von aus dem Recht an der Internet-Domain „*****“ entspringenden Leistungen an die verpflichtete Partei zu untersagen, abgewiesen werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

A. Grundsätzliches zur Exekutionsführung auf Rechte an einer Internet-Domain:

1. Vorraussetzung für das Funktionieren des Datenaustausches und der Kommunikation im Netzwerk/-verbund des Internets - das „www“ (World Wide Web) ist dzt führendes Informationssystem - ist die Identifizierbarkeit der unzähligen, am Internet hängenden „host“-Rechner, die ua mit Hilfe des sog DomainNameSystem (DNS) durch logische Namen eindeutig identifiziert und zugeordnet werden können. Diese logischen Namen [bestehend aus TopLevelDomain (TLD), SecondLevelDomain (SLD) usw] werden als Domain bezeichnet. Weil ein Domain-Name nur einmal - nach dem technischen Prioritätsprinzip „first come, first served“ - vergeben wird, können Internet-Domains einen hohen wirtschaftlichen und finanziellen Wert haben (vgl Thiele, Verträge über Internet Domains, ecolex 2000, 210 ff, unter Hinweis auf die AGB der Drittschuldnerin; Burgstaller, Internet-Domain - eine pfändbare Sache ?, RdW 2001, 258).

2. Die Drittschuldnerin ist ua für die ausschließliche Vergabe von Domain-Namen unter der TLD „.at“ berechtigt; sie verpflichtet sich gemäß ihren AGB zur Zuteilung eines eindeutigen Domain-Namens gegen Entgelt (Burgstaller aaO mwN). Mit Registrierung einer Domain bei der Drittschuldnerin, also (hier) unter der TLD „.at“, erwirbt der Inhaber lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch für die Dauer des Vertrages, die Domain zur Adressierung im Internet zu seinen Diensten zu verwenden, maW ein ausschließliches Gebrauchsrecht (Thiele, ecolex 2000, 212 f); nur eine registrierte Domain kann geroutet werden und ist so über das Internet abrufbar (Thiele, Internet Provider auf Abwegen - Zur Rechtsnatur der Domainbeschaffung, ecolex 2004, 777 ff). Die Registrierstelle hat also die korrekte Adressierung zu gewährleisten und es zu unterlassen, die Domain anderweitig zu vergeben (Thiele, Pfändung von Internet Domains, ecolex 2001, 38 mwN); sie hat es übernommen, alle Einträge zur Domain aufrecht zu erhalten (Thiele, ecolex 2000, 212 f). Die Einordnung der Domainbeschaffung und damit die Einräumung des Nutzungsrechtes an einem Domain-Namen als Mandatsvertrag mit werkvertraglichem Element folgt aus der Tatsache, dass der Internet Domain eigene Sachqualität iSd § 285 ABGB zukommt. Eingeräumt wird nämlich das Eigentum (die uneingeschränkte Verfügungsmacht) an einem dem Kunden an dem Domain-Namen zustehenden schuldrechtlichen Nutzungsrecht, das zwischen ihm als Domaininhaber und der Vergabestelle begründet wurde (Thiele, ecolex 2004, 777 ff). Der rechtmäßige Domainholder ist bei den von der Drittschuldnerin zu vergebenden TDLs auch in der Rubrik „Description - descr“ durch einen aktuellen Auszug aus der WhoIs-Datenbank ausgewiesen, der prima facie als Inhabernachweis für eine Internet-Domain gilt (Thiele, ecolex 2000, 212 f). In dieser "Reinkultur" kommt die Domainbeschaffung selten vor. Meist stellt der Auftragnehmer dem Auftraggeber gleichzeitig Speicherplatz zur Speicherung von Websites zur Verfügung und stellt zudem die Website des Auftraggebers in das „www“ unter der gewünschten Domain ein. Soweit es bei diesem "Web-Hosting-Vertrag" um die Bereitstellung von Speicherplatz geht, ist dieser Vertragsbestandteil als Mietvertrag bzw Vertrag mit mietähnlichem Charakter zu qualifizieren (Thiele, ecolex 2004, 777 ff).

3. Die Ansprüche des Domain-Inhabers aus dem Registrierungsvertrag, wie etwa jener auf Aufrechterhaltung der Eintragung (vgl BGH vom 5. Juli 2005, VII ZB 5/05), können wie andere Vermögenswerte gemäß den §§ 331 ff EO in Exekution gezogen werden [47 R 320/07t des LGZ Wien; 53 R 346/07z des LG Salzburg; Jakusch, Exekution auf Internet-Domains, RdW 2001, 580 ff; Oberkofler, (Ver )Pfändung von Internet-Domains - Neue Entwicklungen im Domain-Recht, MR 2001, 185 ff ua; Thiele, Pfändung von Internet-Domains, ecolex 2001, 38].

B. Zur Rekurslegitimation der Drittschuldnerin:

Ein Dritter ist im Exekutionsverfahren nur rekurslegitimiert, wenn durch einen Beschluss des Exekutionsgerichts, insbesondere durch Überschreitung seiner Kompetenz, in seine Rechte eingegriffen wird (RIS-Justiz RS0002150; vgl RS0003998).

Dies ist hier, wie zu zeigen sein wird, der Fall.

C. Das vom Erstgericht der Rekurswerberin erteilte Leistungsverbot ist nämlich unzulässig:

Gemäß § 331 Abs 1 EO hat die Pfändung grundsätzlich durch Erlassung eines Verfügungsverbotes an den Verpflichteten (Satz 1) und - wenn eine bestimmte Person Kraft dieses Rechtes zur Leistung verpflichtet ist - durch ein zusätzliches Leistungsverbot an den Dritten zu erfolgen (Satz 2). Nach der Rsp des OGH sind etwa Fruchtgenuss- und Bestandrechte, aber auch Unternehmen durch bloßes an den Verpflichteten zu richtendes Verfügungsverbot zu pfänden (vgl RIS-Justiz RS0123452; RS0004339; 3 Ob 260/07t mwN aus der Lehre), weil die zur Leistung verpflichteten Personen nicht Dritte iS d § 331 EO sind; demnach kann ein Leistungsverbot in diesen Fällen nicht ergehen.

Im vorliegenden Fall hat die Betreibende die Rechte der Verpflichteten an der Domain „*****“ in Exekution gezogen. Aus dem Registrierungsvertrag schuldet die Rekurswerberin - nach bereits erfolgter Registrierung - die Aufrechterhaltung aller Einträge zur Domain, damit die korrekte Adressierbarkeit und die Richtigkeit der WhoIs-Datenbank gewährleistet ist. Der erkennende Senat teilt die Ansicht der Rekurswerberin, dass sie in Entsprechung des vom Erstgericht erlassenen Leistungsverbotes den Eintrag im DNS sowie in der WhoIs-Datenbank zu entfernen hätte und dies einer Löschung der Domain gleichkäme (53 R 346/07z des LG Salzburg; aA 47 R 320/07t des LGZ Wien). Die Verwertung des Rechtes des Domaininhabers setzt aber geradezu gegenteilig voraus, dass der Drittschuldner seiner Leistungspflicht gegenüber dem Verpflichteten weiter nachkommt; andernfalls besteht die Gefahr einer perplexen Exekution (vgl Oberhammer, Das Mietrecht als Gegenstand der Zwangsvollstreckung, WoBl 1999, 376 ff und Frauenberger in Burgstaller/Deixler/Hübner, EO, § 331 Rz 18).

Dass zwischen der vom Betreibenden erwirkten Exekutionsbewilligung und der nachfolgenden Zwangsverwertung keine Vereitelung von Verwertungshandlungen stattfinden kann und insbesondere kein Wechsel des Inhabers der Domain ohne Zustimmung des Betreibenden möglich ist, wird hier ohnedies durch das an die Drittschuldnerin erlassene und in Rechtskraft erwachsene Gebot, jede Verfügung über die Domain zu unterlassen, bewirkt.

Der Drittschuldnerin ist demnach kein weiteres Leistungsverbot zu erteilen, weil sie insoweit nicht Dritte iS des § 331 Abs 1 Satz 2 EO ist.

Das der Rekurswerberin erteilte Leistungsverbot entspricht also nicht dem Gesetz, weshalb ihrem zulässigen Rechtsmittel Folge zu geben und der angefochtene Beschluss iS einer Abweisung des Antrages der Betreibenden, der Drittschuldnerin die Erbringung von aus dem Recht an der Internet-Domain „*****“ entspringenden Leistungen an die Verpflichtete zu untersagen, abzuändern war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens - einem Zwischenstreit - gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO iVm § 78 EO. Weil, soweit überblickbar, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob bei der Bewilligung einer Exekution auf Rechte aus einer Internet-Domain der Drittschuldnerin, der jede Verfügung darüber untersagt wurde, ein weiteres Leistungsverbot iS des § 331 Abs 1 Satz 2 EO zu erteilen ist, fehlt und die Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz hiezu uneinheitlich ist, war auszusprechen, dass der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 1 ZPO iVm § 74 EO zulässig ist.

Landesgericht Klagenfurt

als Rekursgericht

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