JudikaturJustiz1R139/23x

1R139/23x – LG HG Wien Entscheidung

Entscheidung
06. Juli 2023

Kopf

Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Gumpinger(Vorsitzender) Mag. a Michlmayr und KR Hanzl in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) A* B* , **-Straße **, **, Deutschland, und 2) C* B* , **, **, Deutschland, beide vertreten durch JBB Rechtsanwälte in Berlin, wider die beklagte Partei D* GmbH , ** Straße **., **, **, **, vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen € 500,-- samt Anhang über die Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 27.04.2023, Gz 6 C 82/23m-9, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit € 278,10 (darin enthalten € 46,35 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe :

Die Kläger besaßen eine bestätigte Buchung für den Flug der Beklagten EJU1060 von E* ** nach ** am 30.3.2020. Am 11.3.2020 stufte die WHO Covid 19 als Pandemie ein und am 14.März 2020 wurde durch das königliche Dekret 463/2020 in Spanien wegen rasanter Ausbreitung des Virus ein Lockdown verhängt. Artikel 7 der Verordnung sah vor, dass der Aufenthalt außerhalb der Wohnung grundsätzlich mit wenigen Ausnahmen verboten war.

Eine Feststellung darüber, dass die Kläger am 30.3.2020 unter einen der Ausnahmebestimmungen gefallen wären, wird nicht getroffen. Die Beklagte annullierte den Flug, Ersatzbeförderung wurde nicht angeboten.

Die Kläger begehren von der Beklagten einen Ausgleichsanspruch auf Grund der Flugannullierung.

Die Beklagte bestreitet den Klagsanspruch und wandte ein, dass Annullierung auf einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art 5 Abs 3 VO (EG) Nr. 261/2004 zurückzuführen gewesen sei, nämlich auf die Auswirkungen der Covid 19-Pandemie.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab und verpflichtete die Kläger zum Prozesskostenersatz. Den den Entscheidungsgründen vorangestellten Sachverhalt beurteilte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht dahingehend, dass nach den Feststellungen in Spanien eine Verordnung erlassen wurde, nach welcher es Personen nur dann erlaubt war, ihren Wohnort zu verlassen, wenn sie einen der in der Verordnung angeführten Gründe nachweisen konnten. Eine Behauptung über das Vorliegen eines solchen Ausnahmetatbestandes sei von Klagsseite nicht erfolgt.

Es würde einen vollkommenen Wertungswiderspruch zur allgemeinen Rechtsordnung darstellen, müsste einer aufgrund staatlicher Verordnung zum Antritt eines Fluges gar nicht berechtigten Person ein Ausgleichsanspruch zuerkannt werden. Überdies wäre ein Luftfahrtunternehmen im Sinne des Artikel 2, lit.j FluggastrechteVO zur Nichtbeförderung aus Gründen, die in der Person des Fluggastes liegen, die den Flugverkehr oder andere Passagiere in der Sicherheit gefährden oder sonstige, öffentliche oder vertragliche Belange berühren, berechtigt. Im Hinblick auf diese Ausnahmeregelung kann aber bei Annullierung eines Fluges bei staatlicher Verordnungsgesetzgebung, unter die die Kläger hier fallen, nichts anderes gelten, da es sonst schon in der Fluggastrechteverordnung zu einem unlösbaren Widerspruch käme.

Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und Feststellungsmängeln mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung; Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte beantragte der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Die Berufungswerberin argumentiert zunächst, dass eine Einzelberechtigung eines einzelnen Passagiers niemals Grund für eine Annullierung sein könne und die Beklagte als darlegungs- und beweisbelastete Partei nie vorgetragen habe, dass die Kläger nicht zum Antritt des Fluges berechtigt gewesen seien. Dabei übersehen sie offensichtlich den Vorbereitenden Schriftsatz der Beklagten (ON 5) vom 21.03.2023 in welcher die Beklagte ausdrücklich auf das Königliche Dekret 463/2020 verwies und vorbrachte, dass sie ausdrücklich bestritten, dass die Kläger (wofür sie behauptungs-und beweispflichtig wären) einen der laut der spanischen Lockdown-Verordnung zwingend notwendigen Ausnahmetatbestände erfüllt haben und daher berechtigt gewesen wären, den klagsgegenständlichen Flug in E* anzutreten. Die Kläger haben bei der Buchung dieses Fluges als Reisezweck „Freizeit“ angegeben (ON 5).

Vielmehr haben die Kläger dieses Vorbringen der Beklagten nicht bestritten, weshalb es als außer Streit stehend anzusehen ist (vgl RS0039927). Auf die Ausführungen wer dabei für was beweisbelastet wäre muss daher bereits aus diesem Grunde nicht eingegangen werden.

Wenn die Kläger erstmals in der Berufung behaupten, sie wären zur Rückkehr zum gewöhnlichen Aufenthaltsort berechtigt gewesen, verstoßen sie, wie sie selbst erkennen, gegen das Neuerungsverbot.

Soweit die Kläger sich mit der Thematik auseinandersetzen, dass ein mit Ausgehverbot behafteter Passagier keine Annullierung rechtfertige, verkennen sie die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts in nicht nachvollziehbarer Weise.

Auf die weiteren Ausführungen und von der Berufungswerberin zitierten erstinstanzlichen Entscheidungen, welche sich im Wesentlichen mit der Frage ob die pauschale Berufung auf die Covid-Pandemie einen tauglichen Annullierungsgrund nach der Fluggastrechte-VO darstellt oder nicht, auseinandersetzen, musste daher nicht näher eingegangen werden. Das Erstgericht hat auch nicht festgestellt, dass die Pandemie der Annullierungsgrund für gegenständlichen Flug gewesen sei.

Es kann auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden (§ 500a ZPO). Die Fluggastrechte-VO, auf welche die Kläger ihren Anspruch stützten, sieht zwar Mindestrechte für Fluggäste u.a. bei Annullierung des Flugs vor, welche gemäß Artikel 15, insbesondere durch abweichende oder restriktive Bestimmungen im Beförderungsvertrag nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden dürfen, um ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen ( Schmid/Degott in Schmid Fluggastrechte-VO – Kommentar, Rz 1 zu Art. 15). Dennoch würde es einen völligen Wertungswiderspruch zur allgemeinen Rechtsordnung darstellen, müsste einer zum Antritt eines Fluges gar nicht berechtigten Person auf Grund staatlicher Verordnung ein Ausgleichsanspruch zuerkannt werden.

Überdies wäre ein Luftfahrtunternehmen im Sinne des Artikels 2 lit. j zur „Nichtbeförderung“ aus vertretbaren Gründen, die in der Person des Fluggastes liegen, die den Flugverkehr oder andere Passagiere in ihrer Sicherheit gefährden oder sonstige, öffentliche oder vertragliche Belange berühren, berechtigt ( Hopperdietzel in Schmid , Fluggastrechte-VO, Kommentar, Rz 49 zu Art. 2 und Degott in Schmid Fluggastrechte-VO, Kommentar Rz 37 zu Art. 4 ). Im Hinblick auf diese Ausnahmeregelung kann aber letztlich bei Annullierung eines Fluges bei staatlicher Verordnungsgesetzgebung, unter die – wie hier die Kläger – ein Fluggast fällt, nichts anderes gelten, da es ansonsten schon in der Fluggastrechte-VO zu einem unauflösbaren inneren Widerspruch käme (so bereits HG Wien 50 R 129/22k, 50 R 94/23i, 60 R 64/23a).

Der im Ergebnis somit unberechtigten Berufung war daher der angestrebte Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf § 502 Abs. 2 ZPO.