JudikaturJustiz1Ob100/53

1Ob100/53 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 1953

Kopf

SZ 26/166

Spruch

Nach rechtskräftiger Ablehnung der Beteiligung einer Nacherbin am Nachlaßverfahren durch das Abhandlungsgericht kann die Nacherbin ihre Rechte mit Klage geltend machen.

Entscheidung vom 26. Juni 1953, 1 Ob 100/53.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Klägerin stellte das Begehren:

1. festzustellen, daß sie auf Grund des Testamentes vom 1. August 1938 fideikommissarische Erbin nach dem am 18. Feber 1939 verstorbenen Franz P. sei und daß der Beklagten nur die Rechtsstellung einer Vorerbin zukomme,

2. die Beklagte zur Erteilung der Einwilligung zu verurteilen, daß die Anmerkung der Beschränkung ihres Eigentumsrechtes durch fideikommissarische Substitutionsrechte der Klägerin bei den der Beklagten gehörigen Liegenschaften bzw. Liegenschaftsteilen EZ. 15, 90, 195 Katastralgemeinde K., bewilligt werde, und begrundete ihre Begehren mit der Bestimmung des am 1. August 1938 errichteten Testamentes des Erblassers: "Sollte die Erbin Maria St. vor meiner Schwester Maria P. sterben, so setze ich meine Schwester Maria P. zur alleinigen Erbin meines Nachlasses ein und hat dieselbe dann dieselben Verpflichtungen zu erfüllen, die ich, wie oben angeführt, hiemit der Maria P. auferlege", worin eine fideikommissarische Substitution zu erblicken sei.

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 25. Oktober 1952 die Klage mit der Begründung abgewiesen es bestehe überhaupt kein Zweifel, daß es sich um eine gemeine Substitution im Sinne der §§ 604, 605 ABGB. handle, da das Testament von einem Notar verfaßt worden sei, die in § 605 ABGB. angeführten beiden Fälle ausdrücklich berücksichtigt seien und sich nicht der geringste Anhaltspunkt in der Testamentsbestimmung dafür finde, daß die Beklagte die angetretene Erbschaft nach ihrem Tode oder in einem anderen bestimmten Falle einem anderen Erben überlassen solle (§ 608 ABGB.).

Das Berufungsgericht hat dagegen mit dem angefochtenen Beschluß das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftsvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens an das Landesgericht Klagenfurt mit der Begründung zurückverwiesen, zutreffend sei, daß das Erstgericht den Wortlaut der fraglichen Testamentsbestimmung nicht vollkommen richtig angeführt habe. Diese Bestimmung lautet: "Sollte die Erbin Maria St. vor meiner Schwester Maria P. versterben, oder sollte Maria St. sich aus irgendwelchen Gründen der Erbschaft entschlagen, so setze ich meine Schwester Maria P. zur Alleinerbin meines Nachlasses ein." Mit Beschluß vom 12. Feber 1941 habe der Verlaßrichter die Erbserklärung der Beklagten angenommen, die Einantwortung sei mit dem späteren Beschluß vom 27. April 1941 erlassen worden. In dem erstgenannten Beschluß sei die Frage, ob Ersatz- oder Nacherbschaft vorliege, nur zur Begründung der Annahme der Erbserklärung erörtert worden. Keineswegs lasse dies aber erkennen, daß der Verlaßrichter damit über die Streitfragen habe entscheiden wollen, mag er auch die Zustellung des Beschlusses an die heutige Klägerin verfügt haben. Nach § 614 ABGB. sei nur dann Ersatz- und nicht Nacherbschaft anzunehmen, wenn die Einsetzung wirklich unklar sei und trotz aller Versuche zur Aufklärung unklar bleibe, also ein echter und nicht zu beseitigender Zweifelsfall vorliege. Der Erstrichter habe dies angenommen, ohne eine weitere Aufklärung zu versuchen und ohne den Testamentsverfasser Notar Dr. F. zu vernehmen. Dem Erstrichter habe aber den Wortlaut der Verfügung als völlig klar und eindeutig angesehen, so daß für ihn eigentlich eine Anwendung des § 614 ABGB. gar nicht in Betracht gekommen sei. Dieser Ansicht kann sich aber das Berufungsgericht nicht anschließen. Es komme zwar nicht darauf an, daß in der Verfügung Maria St. im ersten Falle als Erbin bezeichnet werde, während im zweiten Falle diese Bezeichnung fehle. Es könne dahingestellt bleiben, ob wirklich eine so feine Unterscheidung beabsichtigt gewesen sei. Wichtiger sei, daß die Berufung der Klägerin auf den Vortod der Beklagten vor der Klägerin abgestellt werde; daß aber der vorgesehene zweite Fall unter allen Umständen eine Ersatzerbeneinsetzung darstelle, könne wohl nicht bezweifelt werden. Dieser Fall sei aber nach dem Ablauf der Dinge gegenstandslos. Aus dem Zusammenhange könne jedoch keinesfalls geschlossen werden, daß eine Ersatzerbeneinsetzung allein in Frage komme. Klar wäre dies nur dann, wenn der Zusammenhang mit dem Vortode gegenüber dem Erblasser als maßgebend bezeichnet worden wäre. Denn der Wortlaut der Verfügung decke auch den Fall, daß Maria St. zwar vor der Klägerin, aber nach dem Erblasser sterbe, in welchem Falle die Beklagte Erbin geworden wäre. In diesem Falle käme man aber viel eher zu einer Nacherbschaft. Zumindest seien Zweifel möglich, die vielleicht durch Vernehmung des Notars Dr. F. behoben werden können. Dessen Nichtvernehmung könne unter den Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens eingeordnet werden, wenn auch nicht gerade diese Unterlassung, sondern ganz allgemein die Unterlassung weiterer Beweisaufnahmen als Mangel bezeichnet worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Auch die Klägerin konnte den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs anfechten, da das Berufungsgericht nicht ihrem primären Berufungsantrag auf Abänderung des erstgerichtlichen Urteils stattgegeben, sondern gemäß ihrem Eventualbegehren mit der Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils vorgegangen ist.

Beide Rekurse sind nicht begrundet.

Die klagende Partei hat allerdings in ihrer Berufung ausdrücklich erklärt, daß die Vernehmung des Zeugen Dr. F. nicht notwendig sei, und hat als Verfahrensmangel keineswegs das Unterbleiben der Vernehmung dieses Zeugen, sondern vielmehr nur gerügt, daß der Erstrichter sich auf die Auslegung der Testamentsbestimmung beschränkt, nicht aber das gesamte übrige Vorbringen beider Parteien einer näheren Feststellung und Beurteilung unterzogen habe. Damit hat die Klägerin zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht in dem Unterbleiben der Vernehmung des Zeugen Dr. F., wohl aber der anderen, über den Sinn der Testamentsbestimmung angebotenen Beweise - es handelt sich hiebei auf seiten der klagenden Partei nur um das Beweismittel der Parteienvernehmung - einen Verfahrensmangel erblickt. Dies ist gleich einem Verzicht der Klägerin auf die Vernehmung des Zeugen Dr. F. zu werten und schließt nicht aus, daß die Aufnahme sonstiger von ihr beantragter Beweise, also der Parteienvernehmung, als notwendig angeordnet wird. Dem Berufungsgericht ist dagegen beizupflichten, daß die fragliche Testamentsbestimmung, die ja nach ihrem Wortlaute sowohl den Fall des Todes der Beklagten vor dem Erblasser als nach dem Tode des Erblassers und selbst nach der Einantwortung, aber vor dem Tod der Klägerin umfaßt, nicht ganz klar erkennen läßt, ob der Erblasser nur eine Ersatzerbschaft oder etwa doch auch eine Nacherbschaft für den Fall, als die Beklagte noch Erbin werden, aber vor der Klägerin sterben sollte, im Auge hatte. § 614 ABGB. ist nur dann anzuwenden, wenn der sich aus dem Wortlaute der letztwilligen Verfügung ergebende Zweifel über die Absicht des Erblassers nicht durch Aufnahme entsprechender Beweise zu beheben ist. Die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils ist daher grundsätzlich zu billigen, wenn auch nicht gerade durch das Unterbleiben der Vernehmung des Zeugen Dr. F. gerechtfertigt. Daß das Abhandlungsgericht in seinem Beschluß vom 12. Feber 1941 seine Ansicht, daß es sich bloß um eine Ersatzerbschaft handle, bekanntgegeben hat und eine Ausfertigung dieses Beschlusses auch der Klägerin zugestellt wurde und der Beschluß von dieser nicht angefochten wurde, schließt die vorliegende Klage nicht aus. Das Abhandlungsgericht hat, wenn es sich selbst nicht nur um eine Begründung der Annahme der Erbserklärung der Beklagten gehandelt haben sollte, damit zumindest die Nichtbeiziehung der Klägerin als vermutliche Nacherbin zu rechtfertigen versucht. Die damit geschaffene Lage ist einfach analog jener zu behandeln, wenn ein Erbe sich am Abhandlungsverfahren nicht beteiligt, bzw. keine Erbserklärung abgibt, wodurch er im Sinne des § 120 AußStrG. von der Verlassenschaftsabhandlung ausgeschlossen wird, aber deshalb noch nicht unbedingt sein Erbrecht verlieren muß (vgl. die bei Hellwich - Preissecker, Das Verfahren in Außerstreitsachen, 2. Aufl., S. 250, unter Nr. 3 zu § 120 zitierten Entscheidungen). Die Aufhebung des erstrichterlichen Urteils erscheint somit im Ergebnis richtig, wenn auch nicht das Unterbleiben der Vernehmung des Zeugen Dr. F. als Verfahrensmangel berücksichtigt werden kann. Da die Parteienvernehmung ein subsidiäres Beweismittel darstellt, mag dies aber schließlich dazu führen, daß die von der beklagten Partei in dieser Richtung beantragten Beweise über den Sinn der Testamentsbestimmung, wozu auch der Zeuge Dr. F. gehört, vorerst aufzunehmen sein werden.

Den Rekursen war somit nicht Folge zu geben.