JudikaturJustiz1Cga108/20p

1Cga108/20p – ASG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. Oktober 2020

Kopf

Das Arbeits- und Sozialgericht Wien erkennt durch seine Vizepräsidentin HR Dr. Patricia Wolf als Senatsvorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Andreas Umgeher (AG) und Mag. Michael Zawodsky (AN) in der Rechtssache der klagenden Partei C***** , Niederlassung Österreich der C*****, *****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH, A-1010 Wien, Sterngasse 13, wider die beklagte Partei Mag. H***** F***** , Angestellter, *****, wegen Feststellung, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

Spruch

1. Es wird festgestellt, dass für den Beklagten kein gesetzlicher Kündigungs- und Entlassungsschutz gemäß § 8 f VKG besteht.

2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit € 801,84 bestimmten Verfahrenskosten (darin € 133,64 an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei beantragte wie im Spruch und führte aus, dass ein rechtliches Interesse an der Feststellung vorliege, dass aufgrund des missbräuchlichen Elternteilzeitwunsch des Beklagten kein gesetzlicher Kündigungs- und Entlassungsschutz bestehen.

Dem Beklagten sei am 5.8.2020 von Seiten der klagenden Partei mitgeteilt worden, dass seine Position im Zuge von Umstrukturierungen wegfallen würde und nicht nachbesetzt werden könne. Dem Beklagten sei daher angeboten worden, auf Konzernebene die höhere Position CFO C***** Deutschland anzunehmen, doch habe dies der Beklagte abgelehnt.

Der Beklagte habe jedoch mit Schreiben vom 7.8.2020 einen Anspruch auf Elternteilzeit im Ausmaß von 30,5 Wochenstunden ab 1.12.2020 bis 4.2.2020 geltend gemacht.

Der Beklagte habe lediglich die 20 %ige Mindestreduktion für die Inanspruchnahme von Elternteilzeit geltend gemacht, eine stärkere Reduktion sei für ihn nicht in Betracht gekommen. Im vorliegenden Fall bestehe der Elternteilzeitanspruch nicht, da der Beklagte Elternteilzeit nicht zur Kinderbetreuung benötige, sondern Elternteilzeit lediglich zur Absicherung seines Arbeitsplatzes in Anspruch nehmen wolle, eben um den Kündigungsschutz und Entlassungsschutz nach § 8f VKG in Anspruch nehmen zu können.

Die beklagte Partei bestritt und führte aus, die Voraussetzungen für die gegenständliche Klage würden nicht vorliegen, da eine dokumentierte Ausführung über die Vergleichsgespräche im Sinne des § 8 VKG nicht erfolgt sei und nicht vorgelegt worden sei.

Der Beklagte habe seinen Anspruch auf Elternteilzeit ordnungsgemäß geltend gemacht und benötige er einen Tag in der Woche, um diesen mit seiner Tochter verbringen zu können.

Der Umstand, dass der Beklagte eine Beförderung nach Deutschland ausgeschlagen habe, zeige, dass das tatsächlich sein Ansinnen sei und ein anderer Grund nicht bestehe. Festzuhalten sei, dass der Wegfall seiner Position zum Zeitpunkt der Versendung des Anspruchs auf Elternteilzeit noch nicht konkret bekannt gewesen sei, sondern ihm aufgrund der Gespräche mit dem CEO bekannt gewesen sei, dass dies lediglich angedacht gewesen sei. Von einem konkreten Wegfall wisse der Beklagte bis heute nichts.

Die klagende Partei replizierte, dass eine Kinderbetreuungspflicht des Beklagten nicht bestehe, da seine Ehefrau nicht berufstätig sei. 2 Tage, nachdem der Beklagte informiert worden sei, dass seine Position wegfallen würde, hätte er den vorliegenden Antrag auf Elternteilzeit gestellt. In diesem Zeitpunkt sei das Kind des Beklagten schon 1,5 Jahre alt gewesen.

Es gebe keinen gleichwertigen Arbeitsplatz bei der klagenden Partei für den Beklagten in Österreich. Der Beklagte sei Teil des 4-köpfigen Managementteams gewesen. Allfällige Tätigkeiten, die der Beklagte ausüben könne, seien Positionen, die derzeit an ihn berichten würden.

Dies wurde von Seiten der beklagten Partei bestritten und zum Beweis dafür, dass es sehr wohl Arbeitsplätze gäbe bei der Klägerin, die im Rahmen der angestrebten Elternteilzeitvereinbarung für den Beklagten zur Verfügung stünden, die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens beantragt.

Feststellungen:

Der Beklagte ist bei der Klägerin seit 3.8.2012 aufgrund des Anstellungsvertrages als CFO (Chief Financial Officer) als leitender Angestellter tätig.

Er erhält ein Jahresbruttogehalt in 14 Monatsraten in der Höhe von jährlich € 80.000,00.

Der Beklagte ist Vater der am ***2019 geborenen Tochter *****.

Die Kindesmutter und Ehefrau des Beklagten ist seit der Geburt des gemeinsamen Kindes zuhause, sie hat keine Karenz in Anspruch genommen. Sie hat im September 2020 eine Ausbildung als Diätologin abgeschlossen. Sie war bis zum Schluss der Verhandlung nicht berufstätig und hatte auch kein konkretes Jobangebot in Aussicht und bis Jahresende 2020 auch nicht vor, ein konkretes Jobangebot anzunehmen und möchte sich erst dann nach einer Beschäftigungsmöglichkeit umsehen.

Die Ehefrau des Klägers und Kindesmutter ist daher ganztägig in der Lage, das gemeinsame Kind ***** zu betreuen.

Im Herbst 2021 soll das Kind ***** den Kindergarten besuchen.

Auch die Mutter des Beklagten könnte die Betreuung der Tochter ***** an einem Tag in der Woche übernehmen.

Die Position des Beklagten soll im Jahr 2021 wegfallen und sollte mit einer entsprechenden Position in Ungarn besetzt werden.

Dies teilte Mag. F***** W***** dem Beklagten am 5.8.2020 mit. Mag. W***** ist Hauptbevollmächtigter der Zweigniederlassung der Klägerin in Österreich. Es handelte sich diesbezüglich um eine Konzernentscheidung, die Mag. W***** umzusetzen hat.

Mag. W***** bot dem Beklagten an, dass er seine bisherige Tätigkeit als CFO in Deutschland ausüben könne zu finanziell besseren Konditionen.

Als Reaktion auf diese Mitteilung verfasste der Beklagte das Schreiben vom 7.8.2020 und teilte der Klägerin darin mit, dass er aufgrund der Geburt seines Kindes ***** Elternteilzeit ab 1.12.2020 in Anspruch nehmen wolle und zwar im Zeitraum Montag bis Donnerstag, von 08:30 bis 17:30 Uhr, dies bis zum Ablauf des 7. Lebensjahres der Tochter *****. Der Beklagte wusste, als er das Schreiben aufsetzte, dass mit (erfolgreicher) Inanspruchnahme von Elternteilzeit Kündigungs- und Entlassungsschutz besteht.

Dem Beklagten wäre es angenehm, einen Tag in der Woche mit seiner Tochter zu verbringen, wenn auch deren Betreuung durch seine Ehefrau und im Notfall auch durch seine Mutter jeweils gesichert wäre.

Der Beklagte wollte nicht für die Klägerin in Deutschland arbeiten, da ihm vorgeschlagen wurde, zu diesem Zweck nach Stuttgart in Deutschland zu übersiedeln, was für ihn undenkbar war, da er gerade im Jahr 2019 ein Haus gekauft hat, wo sich seine Ehefrau und Tochter wohl fühlen, die er aus ihrer gewohnten Umgebung nicht herausreißen möchte.

Der Kläger hätte auch zu seinem Arbeitsplatz nach ******* pendeln können, doch wäre es ihm dann nur möglich gewesen, am Wochenende zu seiner Familie nach Österreich zurückzukehren, was er nicht wollte.

Nach Bekanntgabe des Elternteilzeitwunsches des Beklagten teilte ihm die Klägerin mit Schreiben vom 20.8.2020 mit, dass sie vor allem die stattfindenden Gespräche hinsichtlich seiner beruflichen Weiterentwicklung im Konzern nicht vorgreifen wolle. Damit meinte die Klägerin, dass sie den Teilzeitwunsch einfach nicht an die Niederlassung der Klägerin in Deutschland kolportiere, da dies dort nicht gut ankommen werde. Auch in diesem Schreiben wurde der Beklagte darauf hingewiesen, dass eine Zusammenlegung seiner Position mit der entsprechenden Position in Ungarn beschlossen wurde und durch Ungarn besetzt würde. Es wurde ihm weiter mitgeteilt, dass eine Weiterbeschäftigung allenfalls auf einer 50 % Teilzeitstelle möglich sei, doch ist dem der Beklagte nicht nähergetreten. Zusätzlich ersuchte die Klägerin den Beklagten, ihr die Nachweise über das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 8b VKG zu erbringen, wobei der Beklagte diesbezüglich nur die Geburtsurkunde übermittelte.

Rechtliche Beurteilung

Rechtlich folgt:

Dass eine Klage auf Feststellung, ob eine Klägerin nach MSchG berechtigt sei, eine Elternteilzeit zu den von ihr vorgeschlagenen Bedingungen anzutreten, zulässig ist, bejahte der OGH in seiner Entscheidung vom 26.2.2016 zu 8 ObA 8/16h.

Dementsprechend muss vice versa auch eine Klage des Dienstgebers zulässig sein, dass ein Dienstnehmer nicht berechtigt sei, Elternteilzeit anzutreten.

Somit besteht auch ein negatives Feststellungsinteresse, dass ein derartiger Anspruch auf Elternteilzeit nicht zustehe, somit auch, dass der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz nach dem § 8f VKG nicht besteht.

Nur eine Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 15k Abs 3 MSchG bzw nach § 8b VKG setzt außer der Bekanntgabe des Dienstnehmers und ein betriebliches Verfahren im Sinne des § 8c VKG voraus.

Eine solche Rechtsstreitigkeit liegt jedoch hier gerade nicht vor, sodass der Einwand des Beklagten, die Nichtdurchführung des betrieblichen Verfahrens stehe der Klage entgegen, nicht berechtigt ist.

Der Zweck der Elternteilzeit besteht im übrigen darin, der Dienstnehmerin oder dem Dienstnehmer ausreichend Zeit zur Kinderbetreuung zu gewähren, weshalb es maßgebend ist, ob die Teilzeitarbeit oder die Änderung der Lage der Arbeitszeit deshalb begehrt wird, weil die bisherige Beschäftigung nicht die erforderliche Zeit für die Kleinkindbetreuung zulassen würde, die gewünschte „Teilzeit“, also der Betreuung des Kleinkindes, dient (vgl 9 ObA 80/10w; 8 ObA 15/12g).

Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass nur die gewünschte Änderung der Arbeitszeit der Betreuung des Kleinkindes dient. Der Wunsch des Vaters, mehr Zeit für seine Tochter zur Verfügung zu haben, ist verständlich, entspricht jedoch nicht der Vorgabe, dass nur die gewünschte Änderung der Arbeitszeit die erforderliche Betreuung des Kleinkindes gewährleistet und sicherstellt, da die Betreuung der Tochter des Klägers an sämtlichen Tagen der Woche durch die Kindesmutter und Gattin des Klägers gewährleistet ist (vgl auch ASG Wien, 1 Cga 116/12p in Wolf,Elternteilzeit 2016, S102).

Eine andere Sichtweise würde der Bestimmungen des § 137 Abs 2 ABGB, womit generell die gegenseitige Pflicht der Eltern, den Kindern beizustehen und die Gleichstellung von Vater und Mutter normiert wird, und des § 140 Abs 1 ABGB, wonach die Eltern zur Deckung der Lebensverhältnisse des Klägers anteilig beizutragen haben, widersprechen.

Da daher ein Anspruch auf Elternteilzeit im Sinne der Bestimmungen der §§ 8 ff VKG nicht besteht, steht dem Kläger auch der Kündigungsschutz bzw Entlassungsschutz nach § 8 f VKG nicht zu.

Die Frage, ob es der Klägerin möglich wäre, den Beklagten im Betrieb anderweitig zu beschäftigen, stellt sich im vorliegenden Verfahren gar nicht, da der Beklagte ohnedies keinen Anspruch auf Elternteilzeit hat. Nur bejahendenfalls wäre das betriebliche Interesse der Klägerin zu überprüfen.

Dementsprechend war zur Klärung dieser Frage weder ein berufskundliches Gutachten einzuholen noch die Einvernahme namentlich, ohnedies nicht bezeichneter Zeugen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG iVm § 41 ZPO.

Im vorliegenden Verfahren besteht Kostenersatzpflicht (8ObA8/16h).

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen