JudikaturJustiz192Bl48/21k

192Bl48/21k – LG für Strafsachen Wien Entscheidung

Entscheidung
20. Oktober 2021

Kopf

Das Landesgericht für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht am Sitz des Oberlandesgerichtes Wien (§ 16 Abs 3 StVG) hat durch den Präsidenten Mag. Friedrich Forsthuber als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Sylvia Primer und die fachkundige Laienrichterin Oberstleutnant Heidemarie Heinz als weitere Senatsmitglieder über die Beschwerde des M***** H***** vom 31.8.2021 gegen die Mitteilung des Leiters der Justizanstalt ***** vom 30.7.2021 in nicht öffentlicher Sitzung am 20.10.2021 nachstehenden

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird dahingehend Folge gegeben, dass dem Leiter der Justizanstalt ***** aufgetragen wird, dem Beschwerdeführer binnen vier Wochen eine schriftliche Ausfertigung der am 30.7.2021 mündlich verkündeten Mitteilung des Anstaltsleiters auszufolgen.

Text

Begründung:

Mit Mitteilung der Justizanstalt ***** vom 30.7.2021, dem Strafgefangenen am 30.7.2021 verkündet, wurde diesem kundgemacht, dass kein Anlass für weitere Veranlassungen in Bezug auf das Verhalten des BezInsp U***** vom 20.7.2021 besteht.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Strafgefangenen (ON 1).

Die Anstaltsleitung nahm dazu mit Bericht vom 26.8.2021, eingelangt am 31.8.2021, Stellung (ON 2).

Folgender Sachverhalt steht fest:

M***** H***** wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes ***** vom *****, *****, wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von ***** Jahren verurteilt. Gleichzeitig erfolgte der Widerruf der zu AZ ***** des Landesgerichtes ***** gewährten bedingten Entlassung von ***** Monaten. Er verbüßte diese Freiheitsstrafen mit errechnetem Strafende ***** vom ***** bis ***** in der Justizanstalt *****. Seit ***** ist er in der Justizanstalt ***** aufhältig.

Mit nicht rechtskräftigem Straferkenntnis der Anstaltsleitung der Justizanstalt ***** vom 23.7.2021, AZ *****, wurde M***** H***** schuldig erkannt, er habe entgegen den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes vorsätzlich den allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen nach § 26 StVG zuwidergehandelt, indem er am ***** um ***** Uhr der Anordnung des Abteilungsbeamten der Zugangsabteilung *****, in einen Mehrmannhaftraum zu gehen, nicht Folge geleistet hat. Er wurde hiefür wegen der Begehung einer Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs 1 Z 10 iVm § 26 Abs 1 StVG gemäß § 109 Z 5 und § 114 StVG mit der Ordnungsstrafe des strengen Hausarrests mit Beschränkung der künstlichen Beleuchtung in der Dauer von einer Woche bestraft. Die Absonderung gemäß § 116 Abs 2 StVG erfolgte am ***** um ***** Uhr durch BezInsp K*****, BezInsp U*****, GrpInsp T***** und Asp M*****.

Mit Beschwerde vom 21.7.2021 an den Anstaltsleiter (ON 1 in ON 4) brachte M***** H***** -soweit in diesem Verfahren relevant - vor, dass ihm am ***** von BezInsp U***** wegen angeblicher Belagsverweigerung ein Haftraum zugewiesen worden sei, in weiterer Folge sei er durch das Verhalten des BezInsp U***** in der Achtung seines Ehrgefühls und einer menschenwürdigen Behandlung verletzt und von diesem massivst schikaniert und erniedrigt worden. Er stellte den Antrag, der Anstaltsleiter der Justizanstalt ***** wolle gemäß § 22 Abs 3 StVG ein Ermittlungsverfahren vornehmen, einen Bescheid gemäß §§ 56, 58 ff AVG erlassen, ihm diesen gemäß § 121 Abs 4 StVG zustellen und feststellen, dass er durch das rechtswidrige Verhalten des BezInsp U***** in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf Achtung des Ehrgefühls und einer menschenwürdigen Behandlung verletzt wurde, sowie Maßnahmen setzen, die geeignet sind, damit solche Rechtsverletzungen in der Justizanstalt ***** künftig hintangehalten werden.

Der Anstaltsleiter wertete die Eingabe als Administrativbeschwerde gemäß §§ 120, 121 StVG und unterzog den Sachverhalt einer Prüfung. Die Ermittlungen ergaben keine Missstände, kein Fehlverhalten des BezInsp U***** und keinen Anlass für den Anstaltsleiter für weitere Veranlassungen.

Der Inhalt der Prüfung wurde dem Beschwerdeführer am 30.7.2021 mündlich verkündet und ihm insbesondere mitgeteilt, dass durch die Ermittlungen das rechtmäßige Verhalten des Justizwachebeamten aufgezeigt werden konnte und kein Anlass für weitere Veranlassungen besteht. M***** H***** beantragte die Zustellung einer schriftliche Ausfertigung der Entscheidung, was nicht erfolgte.

Gegen die Mitteilung vom 30.7.2021 richtet sich die Beschwerde des M***** H***** vom 31.7.2021 (eingelangt in der Justizanstalt ***** am 2.8.2021), in welcher er zusammengefasst ausführt, dass er um Zustellung eines schriftlichen Bescheides hinsichtlich der mündlich verkündeten Entscheidung vom 30.7.2021 sowie um Ausfolgung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ersuchte.

In seiner Stellungnahme vom 26.8.2021 (ON 2) weist der Leiter der Justizanstalt ***** darauf hin, dass der Insasse in kurzer Zeit bereits eine Vielzahl an Beschwerden verfasst hat, weshalb sich die Justizanstalt ***** gezwungen sieht, diese größtenteils zunächst im Wege der Abhilfe zu erledigen, da andernfalls die Gefahr besteht, dass Fristen nicht gewahrt werden können. Zur gegenständlichen Beschwerde wird ausgeführt, dass die durchgeführten Ermittlungen das rechtmäßige Verhalten des Justizwachebeamten aufzeigen konnten und dies dem Insassen mitgeteilt worden sei. Aufgrund des Umstandes, dass das in der Beschwerde geäußerte Vorbringen keine inhaltliche Übereinstimmung mit den Ergebnissen der durchgeführten Erhebungen gefunden hat und somit von Missständen nicht ausgegangen werden kann, ergibt sich für den Anstaltsleiter kein Anlass für weitere Veranlassungen. Eine Abhilfe ist nach Drexler/Weger, StVG § 121 in jede Richtung möglich. Eine Abstellung des in Beschwerde gezogenen Verhaltens war daher nicht durchführbar. Der Justizwachebeamte wird sich auch in Zukunft entsprechend der gesetzlichen Vorgaben halten.

Zur Beweiswürdigung stützt sich der Sachverhalt auf das Beschwerdevorbringen und die Stellungnahme der Anstaltsleitung sowie die im Akt ***** des Landesgerichtes für Strafsachen ***** befindlichen und zu diesem Akt genommenen Aktenstücke.

Rechtliche Beurteilung

Rechtlich folgt:

Gemäß § 120 Abs 1 StVG können sich Strafgefangene gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und jedes ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren, wobei über Beschwerden gegen Strafvollzugsbedienstete oder deren Anordnungen der Anstaltsleiter, über solche gegen eine Entscheidung, Anordnung oder ein Verhalten des Anstaltsleiters oder gegen die Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Anstaltsleiter – sofern er der Beschwerde nicht selbst Abhilfe schafft – das Vollzugsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Sprengel die Freiheitsstrafe vollzogen wird (§ 16 Abs 3 StVG), entscheidet (§ 121 Abs 1 StVG). Gemäß § 120 Abs 2 StVG kann eine Beschwerde gegen eine Entscheidung spätestens am vierzehnten Tag nach jenem Tag erhoben werden, an welchem die Entscheidung dem Strafgefangenen verkündet oder zugestellt worden ist. Die Beschwerdefrist beträgt somit 14 Tage ab Verkündung oder Zustellung einer Entscheidung. Hat der Beschwerdeführer spätestens am dritten Tag nach dem Tag der Verkündung eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung verlangt, so ist § 120 Abs 2 Satz 2 StVG für den Lauf der Frist die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung maßgeblich.

§ 22 Abs 3 StVG normiert allgemein, dass Entscheidungen der Vollzugsbehörden oder Anordnungen derselben oder ihrer Organe - mit Ausnahme von hier nicht in Betracht kommenden - ohne förmliches Ermittlungsverfahren und ohne Bescheid zu erlassen sind. Es ist dabei zunächst gleichgültig, ob durch diese Anordnungen und Entscheidungen subjektiv-öffentliche Rechte des Strafgefangenen begründet werden oder nicht. Nur im Verfahren bei Ordnungswidrigkeiten (§ 116) und im Beschwerdeverfahren (§ 121 StVG) ist gemäß § 22 Abs 3 dritter Satz StVG ein Ermittlungsverfahren vorgeschrieben und ein Bescheid zu erlassen. Gemäß § 121 Abs 1 StVG entscheidet über Beschwerden gegen ein Verhalten oder eine Anordnung eines Strafvollzugsbediensteten der Anstaltsleiter durch Beschwerdeerkenntnis, das heißt in Form einer „Entscheidung“. Ob diese nun tatsächlich in Bescheidform zu ergehen hat, hängt davon ab, ob in der Beschwerde ein Anspruch aufgrund eines subjektiv-öffentlichen Rechts behauptet wird. Ist das der Fall, ist durch den Anstaltsleiter nach § 22 Abs 3 StVG ein Bescheid zu erlassen, andernfalls ist nach § 122 StVG vorzugehen. Gegen einen Bescheid des Anstaltsleiters ist die Beschwerde an das Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG zulässig. Daraus ist abzuleiten, dass dann, wenn der Strafgefangene behauptet, durch die Entscheidung oder Anordnung in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt zu sein, ein formelles, mit Bescheid zu erledigendes Beschwerdeverfahren nach §§ 120 f StVG durchzuführen ist. Mit diesem Bescheid ist über das Vorbringen entweder bei Vorliegen eines subjektiv-öffentlichen Rechts inhaltlich abzusprechen oder die Beschwerde aus formellen Gründen oder mangels Bestehen eines solchen Rechtes zurückzuweisen. Selbst wenn rechtsirrig das Bestehen eines subjektiv-öffentlichen Rechts behauptet wird, ist über die Beschwerde mit Bescheid (auf Zurückweisung) zu entscheiden. Es kommt daher für die Frage, ob der Anstaltsleiter über eine Beschwerde des Strafgefangenen mit Bescheid zu entscheiden hat, nicht darauf an, ob die Behauptung der Verletzung subjektiver Rechte letztlich zu Recht besteht, oder nicht, sondern lediglich darauf, ob nach dem Inhalt der Beschwerde erkennbar das Ziel verfolgt wird, dass eine jeweils bereits individuell eingetretene Rechtsverletzung bescheidmäßig festgestellt wird (OLG Wien 33 Bs 387/16b mwN).

Das Recht aus Anlass einer Beschwerde Abhilfe zu schaffen steht dem Anstaltsleiter bei jeder Beschwerde zu. Das Schaffen von Abhilfe bedeutet, dass der Anstaltsleiter der Beschwerde ganz oder teilweise Folge gibt, die bekämpfte Entscheidung oder Anordnung aufhebt oder abändert, das in Beschwerde gezogene Verhalten abstellt bzw. ändert oder die bisher versäumte Entscheidung nachholt. Eine Abhilfe („Beschwerdevorentscheidung“) ist in jede Richtung möglich ( Drexler , StVG 4 § 121, Rz 3 mwN).

Die Ansicht der Justizanstalt *****, die gegenständliche Beschwerde im Wege der Abhilfe erledigt zu haben, indem keine weitere Veranlassungen notwendig waren, weil die durchgeführten Ermittlungen das rechtmäßige Verhalten des Justizwachebeamten aufzeigen konnten und dies dem Beschwerdeführer mitgeteilt wurde, zumal eine Abhilfe in jede Richtung möglich ist, verkennt, dass beim Schaffen von Abhilfe der Beschwerde ganz oder teilweise Folge gegeben wird, die bekämpfte Entscheidung oder Anordnung aufgehoben oder abgeändert wird, das in Beschwerde gezogene Verhalten abgestellt bzw. geändert oder die bisher versäumte Entscheidung nachgeholt wird. Fallkonkret wurde seitens der Justizanstalt ***** nach Durchführung von Erhebungen jedoch festgestellt, dass die Beschwerdevorwürfe nicht zu Recht bestehen. Die gegenständliche Mitteilung an den Beschwerdeführer, dass kein Anlass für weitere Veranlassungen besteht, stellt kein Schaffen von Abhilfe dar. Im Übrigen beantragte M***** H***** von Beginn an die Feststellung, dass er durch das rechtswidrige Verhalten des BezInsp. U***** in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf Achtung des Ehrgefühls und einer menschenwürdigen Behandlung (§ 22 Abs 1 StVG) verletzt wurde, weshalb ein entsprechender Bescheid zu erlassen gewesen wäre. Wenngleich das Einbringen zahlreicher Eingaben durch den Beschwerdeführer notorisch ist, entbindet dies die Vollzugsbehörde nicht von einer gesetzmäßigen Behandlung einer Beschwerde.

Nachdem der Beschwerdeführer anlässlich der mündlichen Verkündung der Mitteilung des Anstaltsleiters am 30.7.2021 die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung verlangte, war der Beschwerde daher dahingehend Folge zu geben, dass dem Leiter der Justizanstalt ***** aufgetragen wird, dem Beschwerdeführer binnen vier Wochen eine schriftliche Ausfertigung der am 30.7.2021 mündlich verkündeten Entscheidung des Anstaltsleiters auszufolgen. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass mangels Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung der Lauf der Beschwerdefrist noch gar nicht in Gang gesetzt wurde, weshalb die Beschwerde nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung allenfalls neuerlich einzubringen wäre.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit an das Oberlandesgericht Wien erhoben werden. Sie ist nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung in Strafvollzugssachen abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Die Beschwerde ist schriftlich bei dem Gericht einzubringen, dessen Entscheidung bekämpft wird. Die Beschwerde hat den angefochtenen Beschluss zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und die Gründe für die Erhebung der Beschwerde, soweit es nicht offenkundig sind, darzulegen.

Rechtssätze
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