JudikaturJustiz17Bs50/24p

17Bs50/24p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schneider-Reich und den Richter Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen §§ 241e Abs 1 StGB uaD über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 9. Februar 2024, GZ 35 Hv 7/24h-9, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird mit der Maßgabe, dass der Strafantrag gemäß § 485 Abs 1 Z 2 StPO aus dem Grunde des § 212 Z 3 StPO zurückgewiesen wird, und des Entfalls der Verfahrenseinstellung nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Strafantrag vom 5. Februar 2024, AZ 4 St 40/24f (ON 3) legt die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau dem am ** geborenen Österreicher A* zur Last, er habe am 27. Jänner 2024 in **

I./ sich ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz verschafft, dass er durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, indem er die von ihm gefundene Bankomatkarte eines unbekannten Opfers an sich nahm;

II./ fremde bewegliche Sachen, nämlich drei Packungen Zigaretten im Gesamtwert von zumindest EUR 15,-- dem Betreiber des Zigarettenautomaten der Trafik ** mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, indem er mit der unter I. angeführten Bankomatkarte die Zigaretten beim Zigarettenautomaten kaufte.

Er habe hiedurch

zu I./ das Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB und

zu II./ das Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB begangen.

Die Staatsanwaltschaft beantragt dessen Bestrafung unter Anwendung der §§ 28, 39 Abs 1 StGB nach § 241e Abs 1 StGB sowie den Widerruf der zuletzt gewährten bedingten Entlassung.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht diesen Strafantrag gemäß § 485 Abs 1 Z 3 StPO iVm § 212 Z 1 zweiter Fall StPO zurück und stellte das Verfahren nach § 191 Abs 1 iVm Abs 2 StPO ein.

Dazu führte es begründend aus, dass nach dem Akteninhalt der Verdacht bestehe, der Angeklagte habe in der Nacht von 26. auf den 27. Jänner 2024 vermutlich zwischen 00.00 und 03.00 Uhr direkt beim Zigarettenautomat der Trafik ** in stark alkoholisiertem Zustand eine fremde Bankomatkarte am Boden liegend gefunden und anschließend mit dieser Zigaretten gekauft. Am 29. Jänner 2024 habe er im Beisein seiner Bewährungshelferin vom Verein Neustart (B*) bei der PI ** eine Selbstanzeige (ON 2.2) erstattet und bei seiner Beschuldigtenvernehmung ausgesagt, er könne aufgrund seiner damaligen starken Alkoholisierung weder Angaben zum rechtmäßigen Besitzer der Bankomatkarte noch zur ausstellenden Bank machen. Auch sei er sich nicht sicher, wieviele Packungen Zigaretten er gekauft habe, vermutlich seien es drei gewesen. Er sei bereit, den Schaden wieder gutzumachen, wisse aber eben nicht genau, wieviel er mit dieser Bankomatkarte gekauft habe oder wem die Karte gehöre. Die Bankomatkarte habe er in der Folge an einem ihm nicht mehr erinnerlichen Ort weggeworfen. Das (tatsächliche) Opfer sei im Ermittlungsverfahren nicht ausgeforscht und ebensowenig Nachforschungen zu der tatsächlichen Schadenshöhe angestrengt worden. Der Angeklagte weise drei einschlägige Vorstrafen auf. Zuletzt sei er als Junger Erwachsener vom Landesgericht Krems a.d. Donau mit Urteil vom 9. Juli 2021 zu 29 Hv 38/21v wegen §§ 107; 125; 83; 109 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt worden, aus welcher er am 17. Februar 2023 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen worden sei.

Das Gericht habe gemäß § 485 Abs 1 Z 3 StPO den Strafantrag in den Fällen des § 212 Z 1, 2 und 7 StPO mit Beschluss zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen. Nach § 212 Z 1 zweiter Fall StPO sei vorzugehen, wenn die Staatsanwaltschaft zu Unrecht von der Möglichkeit der Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit (§ 191 StPO) nicht Gebrauch gemacht habe. Die Voraussetzungen, nämlich dass die strafbare Handlung nur mit Geldstrafe oder mit einer drei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, dass der Störwert der Tat gering ist, dass eine Bestrafung oder ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück aus spezial- und generalpräventiven Gründen nicht geboten erscheint, seien vorgelegen. Unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze des § 32 Abs 2 und 3 StGB sei auch das Tat- und Nachtatverhalten des Angeklagten zu berücksichtigen und insgesamt ein Vorgehen nach § 191 Abs 1 StPO indiziert.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Krems a.d. Donau (ON 10), der mit spruchgemäßer Maßgabe keine Berechtigung zukommt.

Initial ist dazu auszuführen, dass die Verschaffung von Waren (Zigaretten) aus einem Automaten unter Einsatz einer gefundenen Bankomatkarte zutreffend nicht unter das Tatbild des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3 StGB subsumiert wurde (vgl RIS-Justiz RS0093818; Stricker in WK-StGB § 129 Rz 58; L/St/Messner StGB 4 § 129 Rz 19a). Da die Voraussetzungen der Strafschärfung im Rückfall nach § 39 StGB vorliegen, ist somit nach § 241e Abs 1 StGB von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.

Gemäß § 485 Abs 1 StPO hat das Gericht den Strafantrag vor Anordnung der Hauptverhandlung zu prüfen. Diese Bestimmung orientiert sich an dem für Anklageeinsprüche geltenden § 215 StPO sowie den zugrundeliegenden Gründen des § 212 StPO (Bauer, WK-StPO § 485 Rz 2). Das Gericht hat gemäß § 485 Abs 1 Z 3 StPO den Strafantrag in den Fällen des § 212 Z 1, 2 und 7 StPO mit Beschluss zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen. Nach § 212 Z 1 zweiter Fall StPO ist vorzugehen, wenn die Staatsanwaltschaft zu Unrecht von der Möglichkeit der Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit (§ 191 StPO) nicht Gebrauch machte (Birklbauer, WK-StPO § 212 Rz 8).

Grundvoraussetzung für eine Einstellung wegen Geringfügigkeit ist zunächst, dass die strafbare Handlung nur mit Geldstrafe oder mit einer drei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist. Weiters muss der Störwert der Tat gering sein, wobei für diese Beurteilung eine Abwägung der Schuld, der Folgen der Tat, des Verhaltens des Beschuldigten nach der Tat und weiterer Strafbemessungsumstände vorzunehmen ist. Dabei kommt der Schadensgutmachung besondere Bedeutung zu. Es muss sich um einen deutlich unter der Norm liegenden Fall handeln und wird hinsichtlich der – als gering zu wertenden – Schuld des Täters ein erhebliches Zurückbleiben seines tatbildmäßigen Verhaltens hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt verlangt, sohin ein Vorliegen besonderer unrechts- und schuldmindernder Umstände (Kirchbacher, StPO 15 § 191 Rz 2 ff). Das in der Strafzumessungsschuld beinhaltete Erfolgsunrecht ist bei der Bewertung der Schwere der Schuld mitzuberücksichtigen (Schroll, WK-StPO § 191 Rz 37).

Fallbezogen ist angesichts des massiv einschlägig getrübten Vorlebens des A* (siehe Strafregisterauskunft ON 6), der bereits drei Vorstrafen aus den letzten vier Jahren wegen ua Sachbeschädigung, Einbruchsdiebstahls und Raubes, aber auch Delinquenz gegen Leib und Leben, die Freiheit und die Staatsgewalt aufweist, und ihn weder mehrfach gewährte bedingte Strafnachsicht unter Verlängerung der Probezeiten und Anordnung von Bewährungshilfe noch der Vollzug von Freiheitsstrafen und bedingte Entlassungen hieraus davon abzuhalten vermochten, neuerlich zu delinquieren, bereits die Schuld nicht als nicht schwer zu bezeichnen, aber auch spezialpräventive Umstände stehen einer Einstellung wegen Geringfügigkeit deshalb entgegen. Auch der Störwert der Tat ist nicht zu bagatellisieren, hat A* doch die angeblich am Boden gefundene Karte nach dem Angriff so entsorgt, dass sie jedenfalls nicht mehr auffindbar war.

Erfolgte somit die Verfahrenseinstellung durch das Erstgericht zu Unrecht, war die Zurückweisung des Strafantrags der Staatsanwaltschaft Krems an der Donau – wenn auch aus dem Grunde des § 485 Abs 1 Z 2 iVm § 212 Z 3 StPO – berechtigt. Denn die Staatsanwaltschaft führte keine zur Individualisierung der Tat nötigen und zur Erforschung der Wahrheit gebotenen Erhebungen durch, sondern begnügte sich mit der sich selbst belastenden Aussage des zur Tatzeit stark betrunkenen Angeklagten. Es wären jedoch Ermittlungen vonnöten gewesen, um zum Einen diese Angaben zu verifizieren, zum Anderen eine allenfalls geschädigte Person auszuforschen und die Schadenshöhe zu eruieren. Dazu hätte es Erhebungen bei der Trafik bedurft, ob diese über eine (Video-)Überwachung verfügt bzw mit welcher Karte allfällige Umsätze zu der vom Angeklagten genannten Tatzeit getätigt wurden.

Da die Ermittlungen nicht soweit gediehen sind, dass sie die Anordnung einer Hauptverhandlung rechtfertigen, war der Strafantrag - zur besseren Aufklärung des Sachverhalts - zurückzuweisen (vgl Mayerhofer StPO 6 § 215 E 28).

Der Beschwerde war daher im Ergebnis nicht Folge zu geben.

Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

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