JudikaturJustiz17Bs4/24y

17Bs4/24y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über dessen Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 10. November 2023, GZ 617 Hv 4/23a-70.2, nach der am 21. Februar 2024 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Röggla, im Beisein der Richterin Mag. Schneider-Reich und des Richters Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Dr. Verena Lechner und des Angeklagten A* sowie seines Verteidigers Mag. Roland Bollmann durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO hat der Angeklagte auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Vergehens der grob fahrlässigen Tötung nach § 81 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung unter Anwendung des § 39 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 81 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 25. April 2023 in ** B* grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB) getötet, indem er ihm mit einem Messer in den linken Brustbereich stach, wodurch dieser eine Bruststichverletzung mit vollständiger Durchtrennung des absteigenden Abschnittes des linken Herzkranzgefäßes erlitt, welche zu einem sauerstoffmangelbedingten Hirnschaden führte, an dem er am 4. Mai 2023 verstarb, wobei er zur Abwehr eines fahrlässig irrtümlich angenommenen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriffs des B* auf sein Leben, seine Gesundheit oder seine körperliche Unversehrtheit handelte, bzw zur Abwehr eines tatsächlichen oder fahrlässig irrtümlich angenommenen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriffes des B* auf sein Leben, seine Gesundheit oder seine körperliche Unversehrtheit, aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken fahrlässig das gerechtfertigte Maß der Verteidigung überschritt bzw sich fahrlässig einer im Hinblick auf das Drohen eines bloß geringen Nachteils offensichtlich unangemessenen Verteidigung bediente.

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht sechs einschlägige Vorstrafen erschwerend, mildernd hingegen keinen Umstand.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die fristgerecht angemeldete (ON 71) und zu ON 81 ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruches über die Strafe, der Berechtigung nicht zukommt.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe zutreffend erfasst und auch angemessen gewichtet, wohingegen es dem Angeklagten nicht gelingt, Mängel in der Strafbemessung zu seinen Ungunsten geltend zu machen.

Soweit der Berufungswerber das Vorliegen des Milderungsgrundes nach (gemeint:) § 3 4 Abs 1 Z 17 StGB für sich reklamiert, ist ihm zu entgegnen, dass ein „Tatsachengeständnis“ nur unter dem Aspekt eines wesentlichen Beitrags zur Wahrheitsfindung strafbemessungsrelevant sein kann ( Riffel in WK 2 StGB § 34 Rz 38). Ein solcher Fall liegt nur dann vor, wenn sich dieses maßgeblich auf die Beweisführung ausgewirkt hätte (RIS-Justiz RS0091460 [T6]), wovon gegenständlich keine Rede sein kann, zumal das Tatgeschehen auf Tatbestandsebene – nämlich insbesondere das Versetzen eines Messerstiches mit bedingt vorsätzlichem Tötungsvorsatz - im Wesentlichen auf die Angaben der Zeugen C* (ON 5.10 S 4; ON 66 S 25 ff), Dr. D* (ON 5.8 S 3 f; ON 66 S 33 ff), E* (ON 5.7 S 5; ON 70 S 3 ff) und F* (ON 23.4 S 5) in Zusammenhalt mit den Videoaufzeichnungen (vgl insbesondere ON 20.5 iVm mit dem eingeholten anthropometrisch-forensischen Gutachten ON 41.2 [insbesondere auch dessen S 14 f]), dem Obduktionsbericht (ON 23.23) und den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Dr. G* (ON 70.1 S 14 ff) gestützt werden musste, während der Berufungswerber versuchte darzulegen, das Opfer sei ihm gewissermaßen ins Messer gelaufen als er seine Hand ausgestreckt habe, um diesem zu drohen, er habe ihn nicht einmal berühren bzw verletzen wollen und dies auch nicht für möglich gehalten (ON 5.6 S 5; ON 12 S 3; ON 66 S 12, 15, 17 ff; ON 70.1 S 13).

Wenn der Berufungswerber im Übrigen vermeint, bei der Strafbemessung sei der Tathergang, insbesondere die Tatprovokation durch das Opfer, die spontane Abwehrreaktion des Angeklagten und die Tatbegehung bloß aus Furcht bzw in dieser heftigen Gemütserregung, nicht angemessen berücksichtigt worden, so übersieht er, dass gerade diese Umstände überhaupt erst zu einer Verurteilung wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Tötung nach § 81 Abs 1 StGB führten. Erschwerungs- und Milderungsgründe sind jedoch zufolge des sich aus § 32 Abs 2 erster Satz StGB ergebenden Doppelverwertungsverbot, nur soweit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen („gegeneinander abzuwägen“), als sie „nicht schon die Strafdrohung bestimmen“ (vgl RIS-Justiz RS0130193). Unter „Furcht“ im Sinne des § 34 Abs 1 Z 4 StGB ist auch nur eine solche vor einem Dritten zu verstehen, wenn die Tatausübung auf dessen Bestimmung zurückzuführen ist und der bestimmende Einfluss so geartet ist, dass den Umständen nach auch ein maßgerechter Charakter zur Tat gedrängt werden konnte (vgl RIS-Justiz RS0095999).

Wenngleich der Berufungswerber bislang keine Verurteilungen wegen im ersten Abschnitt des besonderen Teils des StGB genannten strafbaren Handlungen aufweist, manifestiert sich in seinen bis in das Jahr 2005 zurückreichenden Verurteilungen wegen Suchtmitteldelikten, wegen strafbarer Handlungen gegen die Freiheit (§ 105 Abs 1 StGB und § 107 Abs 1 StGB), gegen die Staatsgewalt (§ 269 Abs 1 StGB) und gegen fremdes Vermögen (§ 125 StGB) ungeachtet dessen, seine gleichgültige Einstellung gegenüber dem geschützten Rechtsgut Leib und Leben sowie seine nachhaltige Neigung zu Gewalt, richten sich die genannten Vorstrafen doch teils gegen dieses Rechtsgut (Leib und Leben; vgl Ropper in WK 2 StGB § 71 Rz 8 zu Suchtgiftdelikten) bzw fußen sie teils auf diesem Charaktermangel (Gewalttätigkeit; vgl aaO § 71 Rz 2 und RIS-Justiz RS0091417 [T3, T6], RS0091978 [T5] zur Sachbeschädigung; RS0092084 zur Nötigung; RS0092020 [auch T8] zur gefährlichen Drohung und zum Widerstand gegen die Staatsgewalt). Die Argumentation, er sei in diesem Sinne bisher nicht auffällig gewesen, geht daher fehl.

Bei einem zufolge des Vorliegens der Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB (zwingend; vgl hiezu RIS-Justiz RS0133600) erhöhten Strafrahmen von bis zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe hat das Erstgericht mit Blick auf die Strafzumessungsgründe, insbesondere auf die sechs einschlägigen Vorstrafen, auf Grund derer der Berufungswerber auch bereits mehrfach – zuletzt bis 22. Februar 2022 - und auch schon für längere Zeit - insgesamt mehr als zwölf Jahre - das Haftübel verspürte, eine Freiheitsstrafe ausgemittelt, die keiner Korrektur bedarf. Dabei waren auch die weiteren Tatumstände ins Kalkül zu ziehen, nämlich dass der Berufungswerber die zur Tatverübung verwendete Waffe – eine solche iSd § 1 Z 1 WaffG (vgl die Lichtbilder in ON 5.15 und die Beschreibung der besonderen Eigenschaften des Messers in ON 70.2 S 8 [mit einer Hand zu öffnendes Fixiermesser; Gesamtlänge von ca 21 cm; Klingenlänge von ca 9 cm; dolchartig ausgebildete Klingenspitze; haptische Erscheinung eines Kampfmessers]; vgl RIS-Justiz RS0081910) – trotz aufrechten Waffenverbots nach § 12 WaffG mit sich führte und sich die Tat überdies im Suchtmittelmilieu ereignete.

Fallaktuell zeigt sich daher ein auffallend hoher Gesinnungsunwert, nämlich eine massiv ablehnende bzw gleichgültige Einstellung des Täters gegenüber rechtlich geschützten Werten, sodass auch unter Einbeziehung allgemeiner Strafzumessungserwägungen (§ 32 Abs 2 und 3 StGB) bereits aus spezialpräventiven Erwägungen die Verhängung einer Freiheitsstrafe im obersten Bereich erforderlich ist. Zudem sprechen aber auch gewichtige allgemein-prohibitive Gründe gegen eine Herabsetzung der ausgesprochenen Freiheitsstrafe, weil es gilt, der Allgemeinheit zu demonstrieren, dass es – wie vom Erstgericht zutreffend ausgeführt – in Zeiten einer extremen Häufung von gewalttätigen Vorfällen keinesfalls toleriert werden kann, anderen Personen bei einem vergleichsweise niederschwelligen Bedrohungsszenario tagsüber auf offener Straße unter dem Einfluss von Suchtmitteln (vgl ON 5.6 S 4: „ Ich habe zu diesem Zeitpunkt einen Joint geraucht.“ ) mit Waffengewalt, wenn auch nur aus Furcht und in Überschreitung des gerechtfertigten Maßes der Verteidigung, tödliche Stichverletzungen zuzufügen.

Der Berufung war sohin ein Erfolg zu versagen.

Rechtssätze
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