JudikaturJustiz17Bs311/23v

17Bs311/23v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
15. Januar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schneider Reich und den Richter Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder in der Privatanklagesache des Privatanklägers Dr. A* B* gegen den Angeklagten C* D* wegen §§ 111 Abs 1 und 2 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 19. September 2023, GZ 328 Hv 44/23y 11.5, gemäß § 470 Z 3, 489 Abs 1 StPO nichtöffentlich zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Nichtigkeit wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner weiteren Berufung wegen Schuld und Strafe wird der Angeklagte auf die Kassation verwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Verfahrens ist eine vom Angeklagten auf der Website des Privatanklägers Rechtsanwalt Dr. B* am 18. März 2023 veröffentlichte Google-Rezension, die sich wie folgt gestaltete (ON 2.3):

Diese wurde in der Folge vom Angeklagten gelöscht bzw „abgeändert“ und lautete wie folgt (ON 7.2):

Eine formelle und prozessordnungsgemäße Anklageausdehnung hiezu erfolgte nicht und wurde im Urteil darüber - vom Privatankläger unangefochten - auch nicht abgesprochen (siehe S 4-5 in ON 11.3:

„Richterin: […] Das, was jetzt noch im Internet steht, wird das auch inkriminiert oder nicht?

Privatankläger: Das wird auch inkriminiert, aber ganz besonders inkriminierend, das muss ich schon dazu sagen, es ist im Internet gestanden und dadurch ist meines Erachtens der Tatbestand verwirklicht. Ob man das nachher löscht oder nicht oder etwas anderes hineinschreibt, ist meines Erachtens irrelevant.

Richterin: Die Frage ist, müssen wir uns mit dem anderen auch beschäftigen oder nicht?

Privatankläger: Ja, bitte, auch.

Richterin: Sie sind ja der Ankläger, Sie sind in dem Bereich Herr des Verfahrens.

Privatankläger: Ja, selbstverständlich. Wieso soll es eine Frechheit sein, wenn ich für meine Arbeit ein Geld verlange?

Richterin: Noch einmal: Ich kann Sie nur bitten, jetzt auf Profimodus umzuschalten, auf Juristenmodus. Wenn er schreibt, das ist eine Frechheit, das ist keine unrichtige Tatsachenbehauptung. Es ist eine Beschimpfung oder eine Unmutsäußerung, aber keine unrichtige Tatsachenbehauptung. Deshalb meine Frage: müssen wir uns mit dem abgeänderten oder dem neuen, dem langen Text auch beschäftigen oder beschäftigen wir uns nur mit dem Satz, "ein sehr schlechter Anwalt und nur aufs Geld aus, ohne Ahnung zu haben, absolut nicht empfehlenswert"?

Privatankläger: Wir müssen uns mit allem beschäftigen, bitte.

Richterin: Was wird ihm vorgeworfen von dem Rest?

Privatankläger: Von dem Rest wird ihm vorgeworfen, dass die Bewertung, die er geschrieben hat, "Verhandlung wurde verloren", einerseits unrichtig ist, weil ich habe damit nichts zu tun, dass sie verloren ist, und "17.000 € dadurch Schaden verursacht", ist auch unrichtig, und es ist meines Erachtens eine üble Nachrede, wenn mir wer nachsagt, er hat wegen mir 17.000 € verloren, wo ich mit dem Verfahren überhaupt nichts zu tun gehabt habe. Ich habe dort nie eine Vollmacht gelegt. Ich habe eine Wiedereinsetzung beantragt, weil er zu spät hergekommen ist. Das ist meines Erachtens eine üble Nachrede. Abgesehen davon, wenn das einmal im Internet steht, "alle Bewertungen sind Fake oder selber geschrieben", dann ist der Tatbestand verwirklicht.

Richterin: Okay. Also von dem aktuellen, jetzt noch im Internet stehenden Posting wird inkriminiert, dass draufsteht, die Verhandlungen wurden verloren und er bleibt auf 17.000 € Schaden, die verursacht wurden, sitzen. Dann beschäftige ich mich mit anderen Ausdrücken gar nicht.“)

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene Österreicher C* D* sodann des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit (richtig:) 100 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe à EUR 4, verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 18. März 2022 in ** Rechtsanwalt Dr. A* B* in einer für einen dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung geziehen bzw eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, wobei er die Tat auf eine Weise beging, wodurch die üble Nachrede einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde, indem er auf der öffentlich einsehbaren Website des Dr. A* B* unter „Google Rezensionen“ schrieb, [der Anwalt sei] „nur aufs Geld aus ohne Ahnung zu haben“ und „alle Bewertungen sind fake oder selber geschrieben“.

Dazu traf das Erstgericht folgende Feststellungen und gründete sie auf nachstehende Beweiswürdigung:

Feststellungen:

Der Angeklagte C* D* geboren am ** in **, österreichischer Staatsbürger, hat nach der Pflichtschule eine Ausbildung als Kfz-Techniker abgeschlossen, bezieht als Angestellter (Geschäftsführer des im Eigentum seines Vaters E* D* stehenden Fahrzeughandelsunternehmens F* e.U.) 2.000 € Nettoeinkommen 14-mal pro Jahr, außerdem steht ihm ein Firmenauto zur privaten Nutzung zur Verfügung. Er hat kein Einkommen, keine Schulden und ist für eine 18 Monate alte Tochter sorgepflichtig.

Der Angeklagte wurde bisher siebenmal strafgerichtlich verurteilt, jeweils wegen Delikten gegen fremdes Vermögen, zuletzt am 11.9.2020 wegen § 125 StGB zu 180 Tagessätzen Geldstrafe [ON 8].

Beim Bezirksgericht Wiener Neustadt waren für den 5.9.2022 zwei vorbereitende Tagsatzungen anberaumt, jeweils betreffend die F* e.U., **, Firmenbuch-Nr. **, Inhaber: E* D*, als beklagte Partei: für 9.50-10.20 Uhr zu 2 C 316/22g, klagende Partei: G* GmbH, Streitwert 12.499,37 €, nach Einspruch der beklagten Partei gegen den Zahlungsbefehl vom 22.6.2022, sowie für 10.30-11.00 Uhr zu 2 C 356/22i, klagende Partei: H* I* J*, Streitwert 52.561,56 €. Die beklagte Partei wurde jeweils mit dem Hinweis geladen: "Achtung! Im Verfahren besteht absolute Anwaltspflicht. Wenn Sie ohne Anwalt zum Termin kommen, dann kann ein Versäumungsurteil gegen Sie ergehen!"

Am 29.8.2022 um 12.49 Uhr schrieb der Angeklagte de m Privatankläger per E-Mail: "Ich habe 2 Zivilfälle für den 5 September beginnend um 9:50 im BG Wiener Neustadt bis 10.20 und dann darauf von 10:30 bis 11h Uhr gleich im nächsten Zuge". Der Privatankläger antwortete um 13:12 Uhr per E-Mail: "Ich bin am 5.9.2022 von 9 Uhr bis 15 Uhr am LG Eisenstadt und kann diese Verhandlung natürlich nicht mehr verlegen. Vielleicht bei der K* anrufen, welchen Anwalt sie im Sprengel ** beauftragen?" [ON 2.4].

Daraufhin ersuchte der Angeklagte selbst als Geschäftsführer der beklagten Partei am 29.8.2022 zu 2 C 316/22g und zu 2 C 356/22i schriftlich um Terminverlegung. Der zuständige Richter verfasste am 30.8.2022 in beiden Verfahren einen Vermerk: "Vertagungsbitte [...] wegen absoluter Anwaltspflicht unbeachtlich. Im Übrigen wird in der Vertagungsbitte auch kein hinreichender Vertagungsgrund vorgebracht [...]. Eine beschlussmäßige Erledigung unterbleibt, da eine Zustellung an den Beklagten bis zum Termin am 5.9. auf dem Postweg nicht realistisch ist." Der Angeklagte wurde nicht verständigt, erkundigte sich aber auch selbst nicht mehr über die weitere Vorgehensweise. Am 5.9.2022 ergingen in beiden Verfahren Versäumungsurteile gegen die beklagte Partei. Der danach zu 2 C 316/22g von der beklagten Partei, vertreten durch den nunmehrigen Privatankläger, eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde rechtskräftig abgewiesen. Zu 2 C 356/22i erhob die beklagte Partei, ebenfalls vertreten durch den nunmehrigen Privatankläger, mit Schriftsatz vom 20.9.2022 Widerspruch gegen das Versäumungsurteil, das Verfahren ist noch anhängig.

Am 18.3.2022 veröffentlichte der Angeklagte unter dem Nutzernamen "C* L*" aus Ärger über den Privatankläger auf der Internet-Plattform "M*" zur Webseite des Privatanklägers den Kommentar: "Sehr schlechter Anwalt und nur aufs Geld aus ohne Ahnung zu haben! Absolut nicht empfehlenswert! Alle Bewertungen sind fake oder selber geschrieben" und dazu die schlechtestmögliche Bewertung mit einem "Stern" [ON 2.3/1]. Diese Rezension war als eine von damals neun Rezensionen für alle Personen, die auf "Google" nach dem Privatankläger suchten, gleichzeitig mit dessen Profil wahrnehmbar. Von den anderen acht Rezensionen stammt eine vom Vater des Angeklagten und besteht nur aus der Bewertung mit einem "Stern", alle weiteren zeigen die bestmögliche Bewertung mit fünf "Sternen". Bei den Nutzernamen N*, O* I*, P*, Q* und R* ist kein

Kommentar beigefügt, die Kommentare der übrigen Rezensionen lauten: "Gute Beratung, angenehme Atmosphäre, sehr zufrieden" (S*), "Ausgezeichneter Anwalt, guter Rat, gute Vorschläge" (T*), "Sehr kompetentes und bemühtes Team, alle Anfrage bzw. Rückrufe werden schnell und zuverlässig erledigt" (The K).

Für den von den Rezensionen angesprochenen Empfänger:innenkreis, das sind in erster Linie Personen, die sich im Internet über den Privatankläger bzw. dessen Rechtsanwaltskanzlei informieren möchten, hat der Satz: "Sehr schlechter Anwalt und nur aufs Geld aus ohne Ahnung zu haben!" entsprechend seinem eindeutigen Wortlaut die Bedeutung, dass der Privatankläger geldgierig wäre und nicht über die für einen Anwalt erforderlichen Fachkenntnisse verfüge. Damit wird dem Privatankläger in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt sowohl eine verächtliche Eigenschaft, und zwar mangelnde Fachkenntnis, als auch eine verächtliche Gesinnung, nämlich Geldgier, also das Bestreben, sich ohne Rücksicht auf andere zu bereichern, unterstellt. Der Satz "Alle Bewertungen sind fake oder selber geschrieben" hat für den genannten Rezipient:innenkreis den Sinngehalt, der Privatankläger habe, um sich selbst in der Öffentlichkeit gut darzustellen, also zu Werbezwecken, die (nicht vom Angeklagten oder dessen Vater stammenden) Bewertungen und Kommentare selbst verfasst bzw. die hinter den Benutzernamen stehenden Personen zur Veröffentlichung animiert, wobei die lobenden Kommentare bzw. positiven Bewertungen inhaltlich unzutreffend seien. Das englische Wort fake bedeutet falsch bzw. Fälschung und ist in diesem Sinn auch im deutschen Sprachraum grundsätzlich allen Personen, die Social Media oder die Internet-Suchmaschine "M*" nutzen, unabhängig von ihren sonstigen Englischkenntnissen geläufig.

Mit Schreiben vom 22.3.2023 forderte der Privatankläger den Angeklagten auf, die "sowohl inhaltlich als auch juristischen falschen Rezensionen auf M* bis spätestens 24.3.2023 zu löschen" [ON 2.6]. Der Angeklagte kam dieser Aufforderung insofern nach, als der inkriminierte Kommentar am 14.4.2023 nicht mehr unter "M*-Rezensionen" aufschien. Wann konkret er die im Urteilsspruch genannten Behauptungen über den Privatankläger gelöscht hat, ist nicht mehr feststellbar.

Bei der Veröffentlichung des inkriminierten Kommentars hielt es der Angeklagte für gewiss und es kam ihm geradezu darauf an, dass er damit in einer für mehr als 150 Personen wahrnehmbaren Weise den Privatankläger einer jedenfalls für einen Rechtsanwalt verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht ("nur aufs Geld aus ohne Ahnung zu haben") und eines für einen Rechtsanwalt unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, den Privatankläger in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen ("Alle Bewertungen sind fake oder selber geschrieben"). Der Angeklagte hielt es zumindest ernstlich für möglich und wollte auch, dass "M*"-Nutzer:innen, die sich im Internet über den Privatankläger bzw. dessen Rechtsanwaltskanzlei informieren wollten, den Kommentar in dem oben beschriebenen Sinn verstehen. Dem Angeklagten war zumindest in laienhafter Weise bekannt, dass Rechtsanwälte aufgrund ihrer besonderen Verantwortung verpflichtet sind, sich die für ihre Tätigkeit erforderlichen Fachkenntnisse anzueignen, und dass sie in ihrem gesamten Verhalten, auch im Zusammenhang mit der Bewerbung und Verrechnung ihrer Leistungen, zu besonderer Korrektheit verpflichtet sind.

M*-Rezensionen können (nur) von der Person, die sie hochgeladen hat, jederzeit ohne weiteres geändert oder gelöscht werden [ON 9/7]. Google stellt auf seiner Webseite eine Anleitung "Rezensionen und Bewertungen auf M* ** hinzufügen, bearbeiten oder löschen" zur Verfügung [ON 9], in deren Einleitung unter anderem festgehalten ist: "Alle Rezensionen sind öffentlich und für jeden sichtbar. [...] Bevor Sie eine Bewertung oder Rezension veröffentlichen, müssen Sie sich mit den Inhaltsrichtlinien vertraut machen. [...] Informationen zu verbotenen und eingeschränkt zulässigen Inhalten." Durch Anklicken des als "link" erkennbaren letzten Satzes wird ein Dokument geöffnet, in dem unerwünschtes Verhalten definiert und durch Beispiele konkretisiert wird, unter anderem [ON 10]:

Gefälschte Interaktionen:

• Inhalte, die keinem tatsächlichen Erlebnis entsprechen und für deren Veröffentlichung der Nutzer bezahlt wird oder eine Gegenleistung erhält bzw. zu deren Veröffentlichung er ermutigt wurde

• Inhalte, die nicht auf realen Erlebnissen basieren und den betreffenden Ort bzw. das entsprechende Produkt nicht wahrheitsgemäß darstellen

Falschdarstellung:

• Falsche oder irreführende Angaben zur Beschreibung oder zur Qualität eines Produkts oder einer Dienstleistung

• Das Verzerren oder Auslassen von Informationen, durch das die Entscheidungsfindung des Nutzers unangemessen beeinflusst werden könnte.

Beweiswürdigung:

Soweit oben in eckigen Klammern Belegstellen angeführt sind, wurden die entsprechenden Beweismittel den jeweiligen Feststellungen als unbedenklich zu Grunde gelegt, zumal das Beweisverfahren keinen Anlass ergeben hat, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln. Die Feststellungen zu den Zivilverfahren gründen sich auf die dem Strafakt angeschlossenen und in der Hauptverhandlung erörterten Akten 2 C 316/22g und 2 C 356/22i des Bezirksgerichts Wiener Neustadt. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten ergeben sich aus seinen insofern unbedenklichen Angaben.

Der Angeklagte gestand zu, dass er die inkriminierten Bewertungen verfasst und als "M*-Rezensionen" hochgeladen hat, und dass ihm dabei bewusst war und es ihm darauf ankam, dass die Bewertungen öffentlich, also für alle "M*"-Nutzer:innen wahrnehmbar sind. Der angesprochene Emfänger:innenkreis ergibt sich aus der Natur der "M*"-Suche. Der Sinngehalt der inkriminierten Behauptungen lässt sich zweifelsfrei aus ihrem Wortlaut und dem allgemeinen Sprachgebrauch abzuleiten.

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite ergeben sich aus der Verantwortung des Angeklagten und folgen auch zwanglos aus dem äußeren Geschehen. Der Angeklagte ist 40 Jahre alt, hat eine abgeschlossene Berufsausbildung, ist Geschäftsführer eines Gewerbebetriebs und hat mehrfach Erfahrung mit Gerichtsverfahren und Rechtsanwälten gemacht. Daher ist zweifellos davon auszugehen, dass ihm zur Tatzeit zumindest grundsätzlich bewusst war, dass Rechtsanwälte berufsspezifischen Standesregeln unterliegen, die sie zu besonderer Korrektheit bei der Bearbeitung der ihnen anvertrauten Aufgaben sowie zur jederzeitigen Wahrung des Ansehens ihres Berufsstands verpflichten, sowie dass die von ihm dem Privatankläger unterstellten Eigenschaften bzw. Handlungen dem Ansehen des Berufsstands durchaus abträglich wären.

Rechtlich folgerte die Erstrichterin, dass vom Angeklagten dem Anwalt Dr. B* vorgeworfene Verhalten verstoße gegen § 10 RAO, und verletzen diese unwahren Tatsachenbehauptungen daher den geschützten guten Ruf des Privatanklägers.

Bei der Strafzumessung wertete es als mildernd das Tatsachengeständnis als Beitrag zur Wahrheitsfindung und die vom Angeklagten veranlasste Löschung des inkriminierten Artikels, erschwerend keinen Umstand.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 12), mit ON 15 fristgerecht zur Ausführung gelangte Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung wegen Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 4, Z 5 und Z 9 lit b StPO kommt Berechtigung zu.

Damit bekämpft der Angeklagte im Wesentlichen die (Negativ-)Feststellung des Erstgerichts, wann konkret er die im Urteilsspruch genannten Behauptungen über den Privatankläger gelöscht habe, sei nicht mehr feststellbar. Weiters macht er einen Feststellungsmangel betreffend den (Bedeutungs-)Inhalt des Aufforderungsschreibens des Privatanklägers Dr. B* vom 22. März 2023 geltend. Zur Negativfeststellung gebe es keine Beweiswürdigung (Z 5 vierter Fall) bzw widerspreche diese Feststellung den in der Hauptverhandlung hervorgekommenen Beweisergebnissen (Z 5 zweiter Fall) und hätte er zu entsprechender Antragstellung manuduziert werden müssen (Z 4). Aus dem Inhalt des Schreibens Dris. B* (ON 2.6) hätte sich für den Fall rechtzeitiger Löschung der Rezension eine Verzeihung iSd § 71 Abs 4 StPO ergeben (Z 9 lit b). Damit überzeugt der Berufungswerber. Denn unstrittig (und vom Erstgericht wenngleich verkürzt festgestellt) hat der Privatankläger mit Schreiben vom 22. März 2023 (ON 2.6) den Angeklagten aufgefordert, bis 24. März 2023 die anklagegegenständliche Rezension bzw die im Urteilsspruch genannten Behauptungen zu löschen. Nicht festgestellt aber für die Lösung der Rechtsfrage von Relevanz ist der weitere Bedeutungsinhalt, dass (nur) bei nicht rechtzeitiger Löschung der inkriminierten Rezension bzw deren relevanter Teile Privatanklage wegen übler Nachrede eingebracht werde, dass also im Falle der rechtzeitigen Löschung auf eine Anklage verzichtet bzw die strafbare Handlung verziehen werde (Strafaufhebungsgrund des § 71 Abs 4 StPO). Das Schreiben lautete wie folgt:

Das Erstgericht hat aber nicht nur die zur Lösung der Rechtsfrage nötigen Feststellungen unterlassen (Fabrizy/Kirchbacher StPO 14 § 281 Rz 79), sondern auch die getroffene Negativfeststellung (zur Frage des Löschungszeitpunkts, somit einer entscheidenden Tatsache) nicht begründet bzw hat dabei erhebliche in der Hauptverhandlung vorgeführte Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergangen (Fabrizy aao Rz 58 und 53).

Denn der Angeklagte hat nach eigener Aussage die Rezension „abgeändert“ bzw die gegenständliche gelöscht, bevor die Privatanklage eingebracht wurde (S 2, 3, 12, 13, 17 und 18 in ON 11.3; ON 7,2). Über Frage der Richterin, ob er sie aufgrund der Aufforderung gelöscht habe, antwortete er mit „richtig, genau“ und führte zur Rechtzeitigkeit aus, „zeitnah wird es sicher gewesen sein“. Das Erstgericht setzt sich überhaupt nicht mit dieser Aussage auseinander und befragte auch den Privatankläger nicht dazu, wann die Bewertung verändert bzw gelöscht wurde. Hierin ist auch eine Verletzung der Manuduktionspflicht iS eines nichtigkeitsbegründenden Verfahrensmangels (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) zu erkennen . Mag zwar die Bestimmung des § 6 Abs 2 StPO es dem Gericht nicht zur Pflicht machen, aus dem Angeklagten möglicherweise ihn entlastende Umstände und die hiefür etwa vorhandenen Beweise erst herauszuholen, so muss, um die Manuduktionspflicht in Hinsicht auf Beweiserhebungen auszulösen, ein entsprechendes Tatsachensubstrat aktenkundig oder in der Hauptverhandlung vorgekommen sein oder es muss sich der Angeklagte wenigstens andeutungsweise auf ein Beweismittel berufen haben (Ratz WK StPO § 468 Rz 38), was durch die eigene Aussage des Angeklagten indiziert ist.

Das Erstgericht hat weiters eine unvollständige Beweiswürdigung zu der im Urteil getroffenen entscheidenden Negativfeststellung vorgenommen, indem es in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse, nämlich die Aussage des Angeklagten überhaupt nicht gewürdigt hat (Z 5 zweiter Fall). Durch eine völlig fehlende Begründung dieser Negativfeststellung ist auch der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO verwirklicht.

Der Berufung wegen Nichtigkeit war daher Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang werden die vom Angeklagten in der Berufung angebotenen Beweise zur Rechtzeitigkeit der Löschung des Postings aufzunehmen und nach Vernehmung des Angeklagten hiezu und des Privatanklägers neuerliche Feststellungen, auch zum (Bedeutungs-)inhalt des Aufforderungsschreibens vom 22. März 2023 zu treffen und zu begründen sein.

Da die aufgezeigte Urteilsnichtigkeit und erfolgreiche Bekämpfung zur Aufhebung des Urteils und Verweisung der Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zwingt, erübrigt sich ein Eingehen auf die überdies geltend gemachten Berufungspunkte.

Rechtssätze
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