JudikaturJustiz17Bs271/23m

17Bs271/23m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen § 107b Abs 1 StGB über dessen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe sowie des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 30. August 2023, GZ 317 Hv 80/23m-12.4, nach der am 24. Jänner 2024 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Röggla, im Beisein der Richterin Mag. Schneider Reich und des Richters Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Dr. Lechner, in Anwesenheit des Angeklagten A* sowie seiner Verteidigerin Mag. Katharina Georgieff und der Privatbeteiligtenvertreterin Mag. Elisabeth Schmidl durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und des Aus-spruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht, jener wegen Strafe jedoch dahingehend Folge gegeben, dass die verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Dem Erstgericht wird aufgetragen, mit Beschluss die erforderlichen Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB zu verfügen.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene Österreicher A* des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt.

Weiters wurde er nach § 366 Abs 2 StPO schuldig erkannt, der Privatbeteiligten B* EUR 1.000,-- binnen 14 Tagen zu zahlen, mit ihren weiteren Ansprüchen wurde diese auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er im Zeitraum von 22. Jänner 2023 bis 9. August 2023 in ** und andernorts eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt gegen seine Ex-Lebensgefährtin B* ausgeübt, indem er sie

I.) am Körper verletzte, und zwar

1.) am 22. Jänner 2023, indem er sie mit der Hand ins Gesicht schlug, wodurch Genannte einen Nasenbeinbruch, Hämatome und Schwellungen im Gesicht erlitt,

2.) am 28. März 2023, indem er sie würgte, wodurch Genannte mehrere Hämatome im Gesicht und am Hals erlitt,

3.) am 19. Mai 2023, indem er sie mit der Faust ins Gesicht schlug, wodurch Genannte Hämatome und Schwellungen im Gesicht und am Auge erlitt,

4.) am 13. Juni 2023, indem er sie am Hals und im Gesicht kratzte, auf sie einschlug und sie würgte, wodurch Genannte Kratzer und Hämatome im Gesicht und am Hals erlitt;

II.) zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1.) im genannten Zeitraum regelmäßig durch die sinngemäße Äußerungen "Ich bringe dich um", "Ich mache dich fertig" bzw "Ich lösche deine gesamte Existenz aus",

2.) am 28. März 2023 durch die sinngemäße Äußerung "Ich bringe dich um",

3.) am 9. August 2023 durch die sinngemäße Äußerung "Ich bringe dich um";

III.) im genannten Zeitraum regelmäßig durch die sinngemäße Äußerung, dass er sie umbringen werde, wenn sie die Vorfälle der Polizei melden würde, durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zur Abstandnahme von der Anzeigeerstattung nötigte.

Dazu traf das Erstgericht wortwörtlich folgende Feststellungen und gründete sie auf nachstehende Beweiswürdigung:

Feststellungen:

Der am ** in ** geborene Angeklagte A* ist österreichischer Staatsbürger, geschieden und gibt an, als Elektriker EUR 2.000,-- netto monatlich zu verdienen. Demgegenüber hat der Angeklagte finanzielle Verpflichtungen in Höhe von rund EUR 20.000,-- und ist für ein Kind sorgepflichtig. Der Angeklagte ist bislang gerichtlich unbescholten.

Der Angeklagte unterhielt mit der im ** geborenen polnischen Staatsbürgerin B* eine Lebensgemeinschaft im Zeitraum von Anfang August 2021 bis 09.08.2023. Der Angeklagte, der seiner damaligen Lebensgefährtin B* körperlich überlegen ist und seit längerer Zeit regelmäßig Alkoholabusus betreibt, hat, zumeist in alkoholisiertem Zustand, im Zeitraum von 22.01.2023 bis 09.08.2023 in ** und an anderen Orten seine damalige Lebensgefährtin B* mehrfach im Zuge von Streitigkeiten in der Partnerschaft körperlich attackiert und mit Hand und Faust ins Gesicht geschlagen, immer wieder auch gewürgt, gekratzt und dadurch seiner damaligen Lebensgefährtin fortgesetzt vorsätzliche Körperverletzungen zugefügt. Im Einzelnen hat der Angeklagte das Opfer B* am 22.01.2023 am Körper verletzt, indem er der Genannten mit der Hand ins Gesicht schlug, wodurch B* einen Nasenbeinbruch, Hämatome und Schwellungen im Gesicht erlitt. Im Zuge eines weiteren Streites am 28.03.2023 hat der Angeklagte das Opfer gewürgt, wodurch B* mehrere Hämatome im Gesicht und am Hals erlitt. Wiederum in seiner Gewohnheit, verbale Auseinandersetzungen und Unstimmigkeiten in der Partnerschaft gewaltsam auszutragen, insbesondere in alkoholisiertem Zustand, hat der Angeklagte seiner Ex-Lebensgefährtin am 19.05.2023 derart mit der Faust ins Gesicht geschlagen, dass das Opfer Hämatome und Schwellungen im Gesicht und am Auge erlitt. Zuletzt hat der Angeklagte seine frühere Lebensgefährtin am 13.06.2023 bei einem weiteren alkoholbedingten Kontrollverlust neuerlich am Körper verletzt, indem er B* am Hals und im Gesicht kratzte, auf sie einschlug und sie danach würgte, wodurch das Opfer Kratzer und Hämatome im Gesicht und am Hals erlitt. Die beschriebenen fortgesetzten Körperverletzungen hat der Angeklagte mit dem Vorsatz begangen, immer wieder partnerschaftliche Konflikte durch Gewalt und gefährliche Drohungen gegenüber seiner Partnerin bis zu Gewaltattacken auf sie zu eskalieren. Die mangelnde Affektkontrolle des Angeklagten, insbesondere in alkoholisiertem Zustand, zum Nachteil seiner damaligen Lebensgefährtin war dem Angeklagten stets bewusst; der Angeklagte vermittelte zwar den Eindruck, als fehle ihm jegliches Unrechtsbewusstsein, nicht destotrotz ist der in Österreich geborene Angeklagte österreichischer Staatsbürger und mit den einschlägigen gerichtlichen Strafvorschriften jedenfalls laienhaft soweit vertraut, dass hierzulande Gewalt oder gefährliche Drohungen gegen Partnerinnen gesellschaftlich nicht akzeptiert und gerichtlich strafbar sind.

Im genannten Zeitraum von 22.01. bis 09.08.2023 hat der Angeklagte, wie bereits erwähnt, seine ehemalige Lebensgefährtin B* darüber hinaus regelmäßig durch die sinngemäßen Äußerungen, er werde sie umbringen, sie fertig machen bzw ihre Existenz auslöschen, zumindest mit Körperverletzungen bedroht; konkret am 28.03.2023 und am 09.08.2023 ging es dem Angeklagten wieder darum, durch die sinngemäßen Äußerungen "ich bringe dich um" B* in Furcht und Unruhe zu versetzen, zumal B* die Äußerungen zumindest als Bedrohung mit einer Verletzung am Körper verstanden hat und diese vom Angeklagten auch so gemeint waren. Zumeist verknüpfte der Angeklagte diese Drohungen mit dem Umbringen damit, dass er das Opfer aufforderte, von einer Anzeigeerstattung Abstand zu nehmen, was dem Angeklagten auch bis zuletzt gelungen ist. Die Anzeige wurde von einem Bekannten des Opfers, dem Polizisten C*, erstattet. Dem Angeklagten ist es zumindest im obgenannten Zeitraum fortgesetzt darauf angekommen, seine Lebensgefährtin B* immer wieder durch körperliche Gewalt mit Verletzungsfolgen und gefährlichen Drohungen derart gefügig zu machen und zu verängstigen, dass das Opfer sich weder traute die erlittenen Verletzungen, so sogar auch den Nasenbeinbruch, ärztlich versorgen zu lassen oder aber Anzeige gegen ihren Lebensgefährten zu erstatten.

Beweiswürdigung:

Der Angeklagte verantwortete sich auf Nachfrage zu den einzelnen Anklagevorwürfen nicht geständig und vermeinte lapidar, er habe sich wehren müssen und sei in Notwehr gewesen. Seine Verantwortung, er sei in Notwehr gewesen, hat der Angeklagte jedoch nicht weiter erläutert, sondern vielmehr den Eindruck vermittelt, nicht zu verstehen, weshalb es B* überhaupt gelungen ist, aus der Gewaltbeziehung zu entkommen. Evident war in der Hauptverhandlung überdies, dass der Angeklagte der Zeugin B* körperlich bei Weitem überlegen ist. Seine Verantwortung, sich jeweils nur gewehrt zu haben, war geradezu abwegig.

Die Zeugin B* wiederum hinterließ einen noch immer vor dem Angeklagten einerseits verschreckten, andererseits aber auch einen zutiefst von ihm manipulierten Eindruck. Jedenfalls war die Zeugin B* in ihren Äußerungen, die dem Angeklagten zum Nachteil gereichen konnten, zurückhaltend und offensichtlich um Wahrheitsfindung bemüht. Die Zeugin B* hat die einzelnen Verletzungsfolgen, anstatt sie medizinisch behandeln zu lassen oder deshalb Anzeige zu erstatten, lediglich fotografisch dokumentiert. Die ihr vom Angeklagten zugefügten Verletzungen sind in ON 10 des Aktes ersichtlich und wurden in die Hauptverhandlung durch Vorhalt an den Angeklagten eingebracht. Darüber hinaus finden sich Videoszenen in ON 10.9, die den Angeklagten zeigen, wie er ansetzt, gegen seine damalige Lebensgefährtin tätlich vorzugehen. In einer Kurznachricht, ON 10.7, formuliert der Angeklagte gegenüber dem Opfer selbst wörtlich "Ja hab dir in der Früh eine gegeben", sohin räumt der Angeklagte einen, der ihm angelasteten wiederkehrenden Gewaltübergriffe gegen das Opfer letztlich ein. In der Kurznachricht berief sich der Angeklagte auch nicht darauf, sich nur gewehrt zu haben. Die Zeugin B* war bis zuletzt unter dem Eindruck der erlittenen körperlichen Übergriffe des Angeklagten derart verängstigt, dass sie die sichtbaren Verletzungsfolgen, wie ein zugeschwollenes Auge, Würgemale, etc vor Dritten geheimhalten wollte. Letztlich hat sie sich jedoch einem Bekannten, der von Beruf Polizist ist, dem Zeugen C*, anvertraut, der von sich aus sodann Anzeige erstattet hat. Die Zeugin D*, eine Nachbarin des Opfers, berichtete von regelmäßigen Streitigkeiten, die sie mitanhören konnte und zwar bereits ab Sommer 2022. Darüber hinaus bestätigte die Zeugin D* die von der Angeklagten fotografisch dokumentierten Verletzungsfolgen und glaubte der Zeugin B* nicht, als diese ihr erklären wollte, ein zugeschwollenes Auge stamme von einem Anprall an einen Ast. Die genannte Zeugin wusste auch zu berichten, dass der Angeklagte des Öfteren übermäßig dem Konsum alkoholischer Getränke zusprach.

Die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere auch zum Fortsetzungsvorsatz des Angeklagten resultieren aus einer Gesamtschau der Lebensumstände des Angeklagten und der Zeugin B* im Deliktszeitraum. Die jeweilige subjektive Tatseite des Angeklagten bei den Körperverletzungen und geäußerten Drohungen ergibt sich unschwer aus den objektiven Sachverhalt. Hinweise darauf, dass der Angeklagte etwa seine Drohung nicht ernst gemeint haben könnte oder dergleichen, sind nicht hervorgekommen. Die Fortsetzung der Gewaltbeziehung über einen Zeitraum von mehr als fünf Monaten und die Häufung der körperlichen Übergriffe und deren Regelmäßigkeit im Deliktszeitraum hat der Angeklagte ebenfalls in seinen Vorsatz aufgenommen, weil er im Wissen um seine mangelnde Impulskontrolle weiterhin dem Alkohol zusprach.

Rechtlich sah das Erstgericht den Tatbestand der fortgesetzten Gewaltausübung subjektiv und objektiv als verwirklicht.

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht als mildernd die Unbescholtenheit (-aufgrund des längeren Tatzeitraums sei nicht von einem ordentlichen Lebenswandel auszugehen-), als erschwerend demgegenüber die Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers sowie die Begehung der Taten gegen die damalige Lebensgefährtin. Ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe erachtete das Erstgericht die verhängte Strafe als schuld und tatangemessen, ein diversionelles Vorgehen oder eine bedingte Strafnachsicht seien spezial- und generalpräventiv ausgeschlossen.

Die Ansprüche der Privatbeteiligten seien im spruchgemäßen Ausmaß in Ansehung der Verletzungsfolgen jedenfalls berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig (in vollem Umfang) angemeldete (ON 13), mit ON 14 fristgerecht wegen Nichtigkeit, Strafe und des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche zur Ausführung gelangte Berufung des Angeklagten, der spruchgemäß Berechtigung zukommt.

Was die Reihenfolge der Behandlung der Berufungspunkte und Nichtigkeitsgründe anbelangt, geht eine wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung einer Rüge wegen der Z 9 bis 10a des § 281 Abs 1 (§ 468 Abs 1 Z 4) StPO vor (vgl Ratz in WK-StPO § 476 Rz 9).

Der (unausgeführten) Berufung wegen Schuld ist zunächst entgegenzuhalten, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungsgrundsätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind ( Mayerhofer , StPO 6 § 258 E 30f; Fabrizy/Kirchbacher , StPO 14 § 258 Rz 8). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den einen oder anderen Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, so tut dies nichts zur Sache. Die Frage der Glaubwürdigkeit des Angeklagten sowie die Beweiskraft seiner Aussagen sind der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten. Aus dem Grundsatz „in dubio pro reo“ lässt sich nämlich keine negative Beweisregel ableiten, die das erkennende Gericht im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen verpflichten würde, sich für die aus Sicht der Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336). Die Beweiswürdigung ist angesichts dieser Prämissen nicht zu beanstanden, hat doch der Tatrichter sämtliche relevanten Beweismittel vollständig ausgeschöpft und eine an allgemeinen Erfahrungssätzen und den Denkgesetzen der Logik orientierte überzeugende (US 4 f) Beweiswürdigung vorgenommen. So gründete er die Sachverhaltsannahmen zum objektiven Tatgeschehen – bei Fehlen sonstiger unmittelbarer Tatzeugen – auf die als glaubhaft eingeschätzten Angaben der Zeugin B*, die als Tatopfer trotz eines verschreckten Eindrucks „offensichtlich um Wahrheitsfindung bemüht“ war. Demgegenüber wurden die Angaben des sich bis zuletzt leugnend verhaltenden Angeklagten, welcher sich mit Notwehr rechtfertigen wollte, als nicht überzeugend und als „geradezu abwegig“ erachtet. Des weiteren konnte das Erstgericht seine Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen auch unbedenklich auf die jeweils in der Hauptverhandlung vom 30. August 2023 getätigten Angaben der Zeugen C* und D* (ON 12.3, 10 ff), auf Lichtbilder über die Verletzungen (ON 10.1 bis 10.6) sowie eine Textnachricht (ON 10.7) und eine Videosequenz (ON 10.9) stützen. Auch der Tatverdacht zur subjektiven Tatseite wurde aufgrund der leugnenden Verantwortung in rechtsstaatlich unbedenklicher Weise (RIS-Justiz RS0116882) aus dem äußeren Tatgeschehen abgeleitet. Argumente, die diese Einschätzung des Erstgerichts zu erschüttern geeignet wären, bringt der Berufungswerber nicht vor und bestehen demnach keine erheblichen Bedenken gegen die Beweiswürdigung und damit einhergehend die Lösung der Schuldfrage.

In Geltendmachung des Nichtigkeitsgrunds nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO moniert der Berufungswerber (zusammengefasst), dass es das Erstgericht unterlassen hätte, geeignete Feststellungen insbesondere zur subjektiven Tatseite (bedingter Vorsatz) zu den einzelnen Gewalthandlungen der Körperverletzungen (I.), der gefährlichen Drohungen (II.) und Nötigungen (III.) zu treffen. Zudem vermisst der Berufungswerber hinsichtlich der gefährlichen Drohungen und Nötigungen konkrete Feststellungen zur objektiv-abstrakten Eignung der festgestellten Äußerungen, dem Gegenüber begründete Besorgnis einzuflößen (siehe aber Jerabek/Reindl-Krauskopf/Ropper/Schroll in WK² StGB § 74 Rz 33 f). Überdies hätte das Erstgericht diese Äußerungen sowohl zur Begründung einer Strafbarkeit nach § 107 Abs 1 StGB als auch nach § 105 Abs 1 StGB herangezogen und damit gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen.

Voranzustellen ist, dass die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrunds das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung hat (RIS-Justiz RS0099810). Dabei ist die behauptete rechtliche Konsequenz methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (RIS-Justiz RS0116565). Diesen Anforderungen wird das Rechtsmittel nicht gerecht.

Das nach § 107b Abs 1 StGB strafbare Verhalten besteht in der fortgesetzten Ausübung von Gewalt gegen eine andere Person über eine längere Zeit hindurch. Der Eintritt eines bestimmten Erfolgs ist nicht gefordert; es handelt sich insofern um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt ( Schwaighofer in WK² StGB § 107b Rz 8). Das strafbare Verhalten ist die Ausübung von Gewalt. Gewalt im Sinne des Abs 2 des § 107b StGB übt aus, wer eine Person körperlich misshandelt oder vorsätzlich mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben oder gegen die Freiheit (ausgenommen §§ 107a, 108, 110) begeht ( Schwaighofer aaO Rz 9; 11).

Wenn die Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Fehlen von Konstatierungen zur Häufigkeit, Frequenz sowie zur Intensität der Verletzungen am Körper, der Drohungen sowie Nötigungen und zum diesbezüglichen Vorsatz behauptet, setzt sie sich prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) über die dazu getroffenen Urteilsfeststellungen (US 3 f) hinweg. Demnach stellt das Erstgericht fest (US 4): „ Dem Angeklagten ist es zumindest im obgenannten Zeitraum fortgesetzt darauf angekommen, seine Lebensgefährtin B* immer wieder durch körperliche Gewalt mit Verletzungsfolgen und gefährlichen Drohungen derart gefügig zu machen und zu verängstigen, dass das Opfer sich weder traute die erlittenen Verletzungen, so sogar auch den Nasenbeinbruch, ärztlich versorgen zu lassen oder aber Anzeige gegen ihren Lebensgefährten zu erstatten. “ Damit wird - auch in der Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen weiteren getroffenen Feststellungen - eindeutig vom Erstgericht zum Ausdruck gebracht, dass der Angeklagte bei seinen festgestellten Gewalthandlungen mit Absicht iSd § 5 Abs 2 StGB vorgegangen ist. Indem das Erstgericht zusätzlich zu den bereits an einzelnen Tagen konstatierten Tathandlungen noch feststellt, dass es „ regelmäßig “ zu weiteren sinngemäßen Äußerungen im gesamten Zeitraum kam, liegt ein entsprechender Feststellungswille auf der Hand ( Ratz in WK-StPO § 281 Rz 19), dass es zu keinen längeren (über mehrere Wochen hinweg dauernden) Unterbrechungen der Gewaltanwendung durch den Angeklagten kam.

Wenn in der Rechtsrüge zudem behauptet wird, das Erstgericht habe gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen, so entfernt sich der Berufungswerber ebenfalls in unzulässiger Weise von den eindeutigen Urteilsfeststellungen, denen nicht entnommen werden kann, dass das Erstgericht idente Tathandlungen sowohl unter den Tatbestand nach § 107 Abs 1 StGB als auch nach § 105 Abs 1 StGB subsumierte.

Die auf eine Verurteilung nach § 83 Abs 1 StGB und/oder § 105 Abs 1 StGB oder § 107 Abs 1 StGB abzielende Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) geht aus den schon zur Rechtsrüge ausgeführten Erwägungen ebenfalls fehl.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche moniert der Angeklagte, dass das für einen Schadenersatzanspruch erforderliche Verschulden des Angeklagten nicht hinreichend festgestellt worden und weiters die Höhe des zugesprochenen Betrages unschlüssig sei. Feststellungen zu den Schmerzperioden würden gänzlich fehlen.

Dazu ist auszuführen, dass bei der Ermittlung der Höhe einer Entschädigung nach herrschender Rechtsprechung auf eine Schätzung im Sinne des § 273 ZPO zurückgegriffen werden kann (vgl ua OLG Wien vom 5. Mai 2022 zu 23 Bs 71/22t; RIS-Justiz RS0031614) . Für den richterlichen Entschluss über die Festsetzung des Schmerzengeldes der Höhe nach ist es verfestigte Rechtsprechung, dass dies nur nach § 273 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, der körperlichen und seelischen Schmerzen sowie der Art und Schwere der Verletzung nach der freien Überzeugung des Richters (auch des Strafrichters) zu erfolgen hat (vgl RIS-Justiz RS0031415) . Bei der Bemessung des immateriellen Schadenersatzes sind alle Unlustgefühle zu berücksichtigen, die mit der Schädigungshandlung und ihren Konsequenzen verbunden sind, die zusammen dann den immateriellen Gesamtschaden bilden . In Gesamtschau aller konstatierten Umstände ist in Anbetracht der festgestellten Verletzungen (insb eines Nasenbeinbruchs, Hämatomen, Schwellungen und Kratzern) und der weiteren immateriellen Nachteile gestützt auf § 273 ZPO der zugesprochene (Schmerzengeld-)Betrag von EUR 1.000,-- nicht zu beanstanden.

Allerdings kann der Strafberufung Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Tatsächlich kommt dem Angeklagten der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 2 StGB zugute, liegt dieser doch vor, wenn der Täter bisher, also vor allen zur Aburteilung gelangenden Taten einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und diese mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen. Selbst wiederholte Delinquenz über einen längeren Zeitraum beseitigt diesen Milderungsgrund nicht (Riffel WK 2 StGB § 34 Rz 6). Da die Fortsetzung des Delikts über eine längere Zeit hindurch Tatbestandsmerkmal ist, hindert dies – insbesondere bei einem konstatierten Zeitraum von nicht einmal sieben Monaten – nicht die Annahme dieses Milderungsgrunds.

Eine einem Schuldausschließungsgrund nahekommende Alkoholisierung (§ 34 Abs 1 Z 11 StGB) findet weder in den Feststellungen noch im Akteninhalt Deckung, der konstatierte Alkoholabusus kann dem Täter vorgeworfen werden (§ 35 StGB)..

Zurecht hat das Erstgericht den Erschwerungsgrund des § 33 Abs 2 Z 2 StGB angenommen und dabei nicht gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen, weil Tatobjekt des § 107b StGB nicht nur Angehörige sind („eine andere Person“).

Von einer Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers (§ 33 Abs 1 Z 7 StGB) ist hingegen nicht auszugehen, sind darunter doch Zustände zu verstehen, die es dem Opfer unmöglich machen oder doch außerordentlich erschweren, sich gegen Angriffe auf seine Person oder seine sonstigen strafrechtlich geschützten Interessensphären zu verteidigen. Sie können in körperlichen oder seelischen Gebrechen oder durch äußere Umstände begründet sein. In Betracht kommen etwa hochgradige Seh- oder Gehbehinderung oder Lähmung, aber auch schwere Alkoholisierung, Geisteskrankheit, Bewusstlosigkeit oder verletzungsbedingte Wehr- oder Hilflosigkeit. Um den Erschwerungsgrund herzustellen, muss der Zustand vom Täter bei der Tatbegehung (bewusst) ausgenutzt worden, also von seinem Vorsatz erfasst gewesen sein (Riffel in WK 2 StGB § 33 Rz 23).

Ausgehend von diesen solcherart korrigierten bzw konkretisierten Strafzumessungsgründen erweist sich unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 32 StGB sowie spezial- und generalpräventiver Aspekte die verhängte Freiheitsstrafe als schuld- und tatangemessen und nicht überhöht.

Doch teilt das Berufungsgericht die Einschätzung des Erstrichters, dass eine bedingte Nachsicht aus Gründen der Spezial- und Generalprävention ausscheidet, nicht. Vielmehr vermag eine Weisung zu einer Therapie seiner Alkoholsucht, einer Gewaltpräventions-Therapie bzw einer Anti-Aggressions-Therapie, die vom Erstgericht mit Beschluss anzuordnen und deren Einhaltung während der Probezeit zu überwachen sein wird, die Präventionszwecke weit besser zu erfüllen, als der sofortige Vollzug der Strafe.

Gemäß § 494 Abs 1 StPO entscheidet über die Erteilung von Weisungen und die Anordnung der Bewährungshilfe das Gericht mit Beschluss. Die Entscheidung obliegt in der Hauptverhandlung dem erkennenden Gericht, sonst dem Vorsitzenden. Die spezielle Zuständigkeitsnorm des Abs 1 zweiter Satz gilt auch in den Fällen der erst im Rahmen einer Rechtsmittelentscheidung gewährten Nachsicht (14 Os 117/92); da die bedingte Nachsicht und die damit zusammenhängenden Anordnungen nicht in derselben Entscheidung ergehen und daher auch nicht mit demselben Rechtsmittel angefochten werden können, fehlt dem die Entscheidung über die bedingte Nachsicht prüfenden Rechtsmittelgericht von vornherein eine Weisungen und Bewährungshilfe erfassende Entscheidungskompetenz. Dies gilt selbst dann, wenn das materielle Recht (unter anderem § 45 Abs 1 und 2 StGB) die Erteilung einer Weisung zwingend vorschreibt. Gewährt erst das Rechtsmittelgericht die bedingte Nachsicht, hat es dem Erstgericht aufzutragen, mit Beschluss die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (Jerabek/Ropper, WK-StPO § 494 Rz 1 mwN).

Der Angeklagte hat anlässlich des Gerichtstages vor dem Oberlandesgericht Wien ausdrücklich seine Zustimmung zur Therapieweisung erteilt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen