JudikaturJustiz15R68/98w

15R68/98w – LG Linz Entscheidung

Entscheidung
16. April 1998

Kopf

Das Landesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Dr. Franz Hammer als Vorsitzenden sowie Mag. Bernhard Telfser und Mag. Franz Pilgerstorfer als Beisitzer in der Rechtssache des Antragstellers W*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Walter Mörth, Dr. Georg Buder, Rechtsanwälte in 4020 Linz, wider den Antragsgegner J***** Tischler, ***** vertreten durch Dr. August Rogler, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, wegen Beweissicherung (Streitwert S 30.000,--) über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Rohrbach vom 25.3.1998, Nc 64/98z-6, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird k e i n e Folge gegeben.

Der Antragsgegner hat die Kosten seines erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Der Antragsteller verfolgt in seinem Beweissicherungsantrag die Aufnahme eines Befundes darüber, in welchem Zustand sich derzeit die Fenster und Türen im Hause des Antragstellers befinden würden bzw. ob die vom Antragsgegner gelieferten Fenster und Türen mangelhaft seien. Die vom Antragsgegner hiefür verwendete Dünnschichtlasur sei für maßhaltige Bauteile nicht geeignet. Ein entsprechender Holzschutz könne nur durch einen mehrschichtigen Lasuraufbau erreicht werden. Es sei zum Eindringen von Feuchtigkeit an der Außenseite der Elemente und im Anschluß zu einem Pilzbefall gekommen. Die Schlitz- und Zapfenverbindungen der Fensterstöcke würden eine waagrechte Fuge zwischen senkrechtem und waagrechtem Stock aufweisen. Dadurch werde die Lebensdauer der Elemente durch die Möglichkeit verstärkten Wasserandranges vermindert.

Antragsgemäß ordnete das Erstgericht wegen Gefahr in Verzug die Einleitung des Beweissicherungsverfahrens nach §§ 384 ff ZPO an. Es bestellte H*****, Tischler und Innenarchitekt zum Sachverständigen. Weiters beauftragte es den Sachverständigen mit der Befundaufnahme und (entgegen § 384 ZPO; vgl. Rechberger in Rechberger, ZPO, RZ 5 zu § 384 ZPO) mit der Erstattung eines Gutachtens.

Der Antragsgegner lehnte den gerichtlich bestellten Sachverständigen H***** ab. Einerseits bezweifelt er dessen fachliche Kompetenz. Der Sachverständige weise für die hier zu klärende Frage nicht die einschlägige Erfahrung und Praxis auf. Da es sich um ein konkretes Problem der Holzimprägnierung handle, sei ein Sachverständiger ausschließlich aus dem Fachgebiet 39.60 "Holzkrankheiten, Holzimprägnierung" zu bestellen. Im übrigen habe der Sachverständige bereits einige Privatgutachten gegen den Antragsgegner erstattet, sodaß eine volle Unvoreingenommenheit dem Antragsgegner gegenüber nicht zu erwarten sei. Es sei daher ein konkreter Umstand gegeben, der an der Unvoreingenommenheit berechtigte Zweifel gerechtfertigt erscheinen lasse.

Der Sachverständige erachtete sich in seiner Stellungnahme als nicht befangen. Zur fachlichen Kompetenz verwies er auf praktische Erfahrungen, Tätigwerden bei Normungen und Beauftragungen von Gerichten für Fensterbau- und Holzschutz.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Erstgericht den Ablehnungsantrag des Antragsgegners ab. Aus der Erstattung eines Privatgutachtens durch den Sachverständigen 1996, das nicht der Auffassung des Auftragsgegners entsprochen habe, folge nicht, daß sich der Sachverständige hier von anderen als von objektiven Erwägungen leiten lassen werde. Der Sachverständige werde seit Jahren laufend von Gerichten für die Begutachtung von Türen und Fenstern herangezogen, die fachliche Kompetenz der hier zur Beurteilung anstehenden Fragen sei daher gegeben.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Antragsgegners. Er verfolgt die Abänderung dahingehend, wonach dem Ablehnungsantrag Folge gegeben und dem Erstgericht aufgetragen werden möge, einen anderen Sachverständigen zu bestellen. Hilfsweise wird die Aufhebung beantragt.

Der Rekurs sei trotz § 366 Abs.1 ZPO zulässig, da keine Endentscheidung im Rahmen des Beweissicherungsverfahrens ergehe. Dies ergebe sich auch aus den europäischen Rechtsgrundsätzen.

Wenn bereits einmal ein Sachverständiger im Auftrag eines privaten Auftraggebers ein Privatgutachten erstattet habe, welchem in weiterer Folge nicht einmal die auftraggebende Partei gefolgt sei, könne wohl die erforderliche Unbefangenheit des Sachverständigen nicht mehr angenommen werden. Es liege daher ein zureichender Grund nach § 19 Z 2 JN vor. Ein klassischer Grund für die Ablehnung des Sachverständigen sei die Erstattung eines entgeltlichen Privatgutachtens für eine Partei vor dem Prozeß. Dies müsse aber auch dann gelten, wenn bereits einmal gegen eine der Parteien in einer anderen Sache vom Sachverständigen ein Gutachten erstattet worden sei.

Es sei völlig unwesentlich, ob der Sachverständige auch von anderen Gerichten laufend für die Begutachtung von Fenster und Türen herangezogen werde. Dabei möge nicht dem Grundsatz gefolgt werden, daß die fachliche Inkompetenz keinen Ablehnungsgrund darstelle. Die Nichtbeachtung der Inkompetenz des Sachverständige für das maßgebliche Fachgebiet sei ein schwerer Verstoß gegen den Grundsatz des "fair trial" im Sinne der EMRK.

Der Rekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Zulässigkeit:

Gemäß § 388 Abs.1 ZPO erfolgt die Beweisaufnahme in Beweissicherungsverfahren nach den Vorschriften des 2., 4., 5 und 6. Titels dieses Abschnittes.

In der so verwiesenen Norm § 366 Abs.1 ZPO wird geregelt, daß gegen den Beschluß, durch welchen die Ablehnung eines Sachverständigen verworfen wird, ein abgesondertes Rechtsmittel nicht stattfindet. In diesem Zusammenhang regelt § 389 Abs.2 ZPO, daß das erkennende Gericht nach § 272 ZPO zu würdigen hat, welcher Einfluß dem Einwand einzuräumen sei, daß die Beweisaufnahme nicht nach den Bestimmungen stattgefunden hat, welche für eine im Laufe des Prozesses erfolgende Beweisaufnahme gelten.

Zu der im Rekurs thematisierten Problematik, der Rekurs müsse zulässig sein, da keine Endentscheidung ergehe, hat der OGH - wenngleich unter anderen Prämissen - in EvBl 1966/59 Stellung bezogen: Danach könne nicht etwa gesagt werden, daß infolge Abschlusses der Sache eine weitere anfechtbare Entscheidung nicht mehr erfließen könne, in welchem Falle der aufgeschobene Rekurs (i.S. des § 515 ZPO) selbständig überreicht werden könnte. Die Beweissicherung sei nur ein vorweggenommener Teil des Hauptprozesses. Die Verwertung der im Sicherungsverfahren aufgenommenen Beweise finde erst bei der mündlichen Streitverhandlung statt, wobei bezüglich dieser Verwertung keine besonderen Vorschriften bestehen (unter Hinweis auf Neumann, aaO, S.1109). Es bleibe daher dem Beklagten unbenommen, seine Bedenken gegen die Person des Sachverständigen im Prozeß zu wiederholen (vgl. § 389 Abs.3 ZPO), gegebenenfalls seine Beschwerde nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 515, 462 Abs.2 ZPO im Prozeß zu erheben.

Dieser Ansicht, die zur Unzulässigkeit des vorliegenden Rekurses führen würde, kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:

Die Beweissicherung dient der vorsorglichen Beweisaufnahme vor einem Rechtsstreit (Rechberger in Rechberger, ZPO, RZ 1 zu § 384 ZPO). Es ist aber nicht zwingend notwendig oder vorausgesetzt, daß in Anschluß an das Beweissicherungsverfahren tatsächlich ein Rechtsstreit anschließen muß. Es ist daher auch auf den Fall Bedacht zu nehmen, daß das Beweissicherungsverfahren in der zu klärenden Tatsachenproblematik die einzige und ausschließliche Befassung eines Gerichtes darstellt.

Ein weiteres Kriterium für die Zulässigkeit des Rekurses stellt die zu beachtende Prozeßökonomie dar. Gerade die Anordnung eines "vorbehaltenen" (= verbundener oder aufgeschobener) Rekurs nach § 515 ZPO soll der Prozeßbeschleunigung und der Prozeßökonomie dienen (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 1 zu § 515 ZPO m.w.H.). Diesem Grundsatz steht jedoch der vom OGH aufgezeigte Weg gegenüber, wonach die den Sachverständigen ablehnende Partei mit ihren Einwänden auf das Hauptverfahren verwiesen wird. Es könnte nun der Umstand eintreten, daß ein solcher im Hauptverfahren erhobener Rekurs - abgesehen von der freien Würdigung nach §§ 272 iVm 389 Abs.2 ZPO - berechtigt ist. Nun fordert aber § 384 Abs.1 ZPO die Besorgnis, daß das Beweismittel ohne Beweissicherungsverfahren sonst verloren oder die Benützung desselben erschwert werde. Genau diese Gefahr besteht aber auf Grund der infolge verstrichenen Zeit zwischen Ablehnung des Sachverständigen im Beweissicherungsverfahren und Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes im anschließenden Hauptprozeß. Die sich so daraus ergebende allfällige Wertlosigkeit einer Befundaufnahme eines letztlich erfolgreich abgelehnten Sachverständigen kann daher nur so begegnet werden, daß die Frage der Befangenheit des Sachverständigen endgültig im Rahmen des Beweissicherungsverfahrens zu klären ist.

Eine letzte Stütze für die Zulässigkeit des Rekurses bildet auch § 384 Abs.3 ZPO. In dringenden Fällen, wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, ist der Beweissicherungsantrag bei dem Bezirksgericht anzubringen, in dessen Sprengel sich die Sachen, die Grundlage des Sachverständigenbeweises bilden, befinden. Müßte nun der Prozeß auf Grund der Zuständigkeitsbestimmungen vor einem Gerichtshof erster Instanz geführt werden, käme es zu einem Auseinanderklaffen der funktionalen Zuständigkeiten. Gemäß § 3 Abs.1 JN geht der Rechtszug gegen Beschlüsse der Bezirksgerichte in zweiter Instanz an die Landesgerichte. Nach § 4 JN geht der Rechtszug gegen die in erster Instanz von Landesgerichten gefällten Urteilen und Beschlüssen an die Oberlandesgerichte. Folgte man der Argumentation des OGH in EvBl 1966/59, hieße dies, daß das Oberlandesgericht als zweite Instanz des Prozeßgerichtes über den aufgeschobenen Rekurs gegen die Entscheidung des Bezirksgerichtes im Sinne der §§ 515, 462 Abs.2 ZPO zu entscheiden hätte. Dies steht jedoch mit den zitierten Regelungen der §§ 3 und 4 JN nicht im Einklang. Im Ergebnis liefe dies bei dieser Konstellation entgegen § 366 Abs.1 ZPO auf die Unzulässigkeit der Erhebung eines Rechtsmittels hinaus. Daß aber eine zweitinstanzliche Prüfung der Verwerfung der Ablehnung eines Sachverständigen erfolgen soll, läßt aber auch EvBl 1966/59 erkennen.

Es ist daher der ständigen - wenngleich hauptsächlich zur Frage der Nebenintervention - ergangenen Rechtsprechung zu § 515 ZPO zu folgen, wonach ein aufgeschobener Rekurs dann selbständig überreicht werden kann, wenn infolge Abschlusses der Hauptsache eine weitere anfechtbare Entscheidung nicht erfließen kann (vgl. Stohanzl, JN ZPO14, E 2 zu § 515 ZPO; Kodek in Rechberger, ZPO, RZ 4 zu § 515 ZPO; RIS-Justiz, RS 0035518). Der Rekurs des Antragsgegners ist daher auch inhaltlich zu behandeln.

2. Zu den Ablehnungsgründen:

Gemäß § 355 Abs.1 ZPO können Sachverständige aus denselben Gründen abgelehnt werden, welche zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Es trifft zu, daß ein klassischer Grund für die Ablehnung des Sachverständigen die Erstattung eines (entgeltlichen) Privatgutachtens für eine Partei vor dem Prozeß ist (Rechberger in Rechberger, ZPO, RZ 3 zu § 356 ZPO). Allerdings liegt diesem Rechtssatz zugrunde, daß der Sachverständige in derselben Sache bereits ein Privatgutachten erstattet hatte. Hier wird nicht die Erstattung eines Gutachtens in derselben Sache ins Treffen geführt, sondern ein früher in einem anderen Zusammenhang erstelltes. Der Rekurswerber hat nicht behauptet, daß der Sachverständige bei diesem früheren Gutachten sich von anderen als sachlichen Argumenten hätte leiten lassen. Es liegt nun in der Natur der Sache, daß gerichtlich bestellte Sachverständige nicht nur in Prozessen, sondern auch von privaten Auftraggebern herangezogen werden. Es kann daher der Fall, daß der Sachverständige seinem Beruf entsprechend früher einmal und ohne Zusammenhang mit der gegenständlichen Rechtssache ein - wenn auch gegen den Antragsgegner ausfallendes - Gutachten erstellt hat, nicht der Situation gleichgestellt werden, indem der Sachverständige in derselben Sache bereits ein Privatgutachten erstattet hat.

Wie der Rekurswerber selbst bemerkt, stellen nach der ständigen Rechtsprechung Bedenken gegen die persönliche Eignung des Sachverständigen oder die Behauptung mangelnder Sachkenntnis keinen Ablehnungsgrund dar (Rechberger in Rechberger, ZPO, RZ 2 zu § 356 ZPO; Stohanzl, JN ZPO14, E 3 und 4 zu § 355 ZPO). Das Rekursgericht sieht sich nicht veranlaßt, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen. Im übrigen ist der bestellte Sachverständige ohnehin unter dem Fachgebiet 39.12 "Holzverarbeitung: sonstige Tischlerarbeiten" in der Sachverständigenliste des LG Ried eingetragen. Erfahrungsgemäß werden Tischlerarbeiten aber nicht nur ausschließlich an unbehandeltem Rohholz durchgeführt; vielmehr erfolgt bei diesen Arbeiten ohnehin eine Oberflächenbehandlung. Der weiters geltend gemachte Mangel der Schlitz- und Zapfenverbindungen der Fensterstöcke bildet ohnehin keinen Bezug zur Oberflächenbehandlung.

Der Rekurs mußte daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs.2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Rechtssätze
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