JudikaturJustiz14R90/16k

14R90/16k – LG Ried/Innkreis Entscheidung

Entscheidung
17. Januar 2017

Kopf

Das Landesgericht Ried im Innkreis hat als Berufungsgericht durch Dr. Roman Bergsmann als Vorsitzenden sowie Dr. Walter Koller und Mag. Daniela Hofer in der Rechtssache der klagenden Partei F***** L***** , *****, vertreten durch Estermann Partner OG, Rechtsanwälte in 5230 Mattighofen, wider die beklagte Partei mj. P***** G***** , geboren am 14.7.2009, Schüler, vertreten durch den Vater G***** G*****, *****, dieser vertreten durch Dr. Gerhard und Dr. Monika Holzinger, Rechtsanwälte in 5280 Braunau am Inn, wegen EUR 5.173,50 s.A., über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Braunau am Inn vom 26. September 2016, 6 C 108/15a-33, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 730,97 (darin enthalten EUR 121,83 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die Revision gemäß § 502 Abs. 1 ZPO ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Der *****1955 geborene Kläger wurde am 31.8.2014 vom ***** *****2009 geborenen Beklagten am rechten mittleren/vorderen innenseitigen Unterschenkel dadurch verletzt, dass ihn der Beklagte mit der beschuhten Fußspitze am Schienbein berührte. Der Kläger erlitt durch diese Berührung zwar nur eine leichte Prellung, diese führte aber zu einem Bluterguss und mehrfachen Komplikationen. Zum Vorfallszeitpunkt bestand für den Beklagten eine aufrechte private Haftpflichtversicherung.

Mit der am 1.4.2015 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger vorrangig den Zuspruch eines Schmerzengeldes von EUR 5.000,00; zusätzlich an Besuchskosten EUR 73,50 und an Spesen, Behandlungs- und Fahrtkosten EUR 100,00. Er habe am 31.8.2014 – ebenso wie der Beklagte mit seiner Familie - das Liedertafelfest in Mining besucht. Beim Verlassen des Festes gegen 15.30 Uhr habe er gesehen, wie der Beklagte mit seinen (beschuhten) Füßen gegen die Zierkappe eines Fahrzeuges getreten sei. Er habe ihn darauf hingewiesen, dass er dies lassen solle, worauf dieser frech gemeint hätte, ob er auch ihm eine treten solle. Als daraufhin der Beklagte tatsächlich versucht hätte, auf den Kläger hinzutreten, habe ihn der Kläger weggehalten, worauf der Beklagte seine Handlungen eingestellt habe. Als dann der Kläger schon wieder am Weggehen gewesen sei, habe ihm der Beklagte plötzlich ohne Vorwarnung gegen das rechte Schienbein getreten. Durch den Tritt habe der Kläger einen Bluterguss, der nach mehreren erfolglosen Punktationsversuchen im Rahmen eines 9-tägigen stationären Krankenhausaufenthaltes operativ entfernt worden sei, erlitten. Die Verletzung, verbunden mit dem komplizierten Heilungsverlauf, rechtfertige den Zuspruch eines Schmerzengeldes von EUR 5.000,00. Der Beklagte hafte im Sinn des § 1310 ABGB, weil er einerseits auch in seinem Alter erkennen hätte können, dass Tritte Verletzungen verursachen könnten; andererseits bestünde für den Beklagten eine Haftpflichtversicherung, sodass er insoweit über ausreichendes Vermögen verfüge.

Der Beklagte bestritt, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und brachte seinerseits im Wesentlichen vor:

Er habe nur leicht mit der Ferse gegen einen Reifen des Fahrzeuges seiner Eltern geschlagen, als der Kläger vorbeigegangen sei und den Beklagten aufgefordert hätte, dies zu unterlassen. Weil der Beklagte darauf erwidert hätte, dass ihn (den Kläger) dies nichts angehe, habe der Kläger den Beklagten am Genick gepackt. Der Beklagte habe daraufhin versucht, vom Kläger loszukommen, wobei es sein könnte, dass er dabei gestrampelt und den Kläger am Fuß getroffen habe. Der Beklagte habe weiche Turnschuhe getragen. Der Beklagte habe im Zuge des Vorfalls große Angst gehabt, weil ihn der körperlich überlegene Kläger gepackt habe. Der Kläger habe seine Verletzung selbst zu verantworten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen. Es hat im Wesentlichen folgenden Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Sowohl der Kläger als auch der ihm fremde Beklagte (mit seiner Familie) besuchten am 31.8.2014 das Liedertafelfest in Mining. Nach dem Fest (um 15.30 Uhr) ging der 1,77 m große Kläger zu seinem am Straßenrand geparkten Auto zurück. Dabei sah er den damals ca. 1,21 m großen und 21 kg schweren Beklagten, der sich mit seinen (zwei) Brüdern schon bei den parkenden Autos befand, wie dieser vor dem Hinterreifen stehend mit seinem beschuhten Fuß gegen die Zierkappe der Reifenfelge schlug. Der Kläger wusste zu dessen Zeitpunkt nicht, dass es sich um das Auto der Familie des Beklagten handelte. Die Eltern des Beklagten waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht beim Auto. Der Kläger ging zum Beklagten hin und fragte ihn, warum er auf das Auto hintrete. Der beklagte trat vom Auto weg und antwortete: „Soll ich dir auch eine treten?“ Der Kläger sagte daraufhin: „Du Pippn du, da fehlt es direkt soweit.“ Er packte den Beklagten am „Krawattl“. Darunter ist zu verstehen, dass er den Beklagten an der Kleidung im Hals-/Brustbereich erfasste. Als der Kläger den Beklagten wieder loslassen wollte, berührte dieser in Folge einer Abwehrbewegung mit seinem Fuß den rechten Unterschenkel des Klägers. Der Kläger ließ daraufhin den Beklagten los und dieser lief weg. Der Beklagte trug zum Vorfallszeitpunkt einen Turnschuh der Größe 29 mit der Aufschrift „Police“. Beim Vorfall wurde der Beklagte vom Kläger nicht am Genick erfasst und hochgehoben. Der Beklagte strampelte auch nicht, er trat oder schlug auch nicht, er berührte den Kläger lediglich mit seiner beschuhten Fußspitze am Schienbein. Der Beklagte war nicht der Typ von 5-jährigen Buben, die auf fremde Menschen zugehen.

Noch am selben Tag fiel dem Kläger eine Schwellung am rechten Unterschenkel auf. Zwei Tage nach dem Vorfall kontaktierte er einen Unfallchirurgen. Dieser nahm einen operativen Eingriff mit Inzision und Hämatomaufräumung aufgrund der bevorstehenden Schwedenreise des Klägers vor. Er legte auch einen Kompressionsverband an, sodass der Kläger am 5.9.2014 wie geplant seine Reise nach Schweden antrat. Nach der Reise wurde der Kläger aufgrund der eingetretenen Verschlechterung am 16.9.2014 wieder im Krankenhaus Braunau vorstellig. Er wurde dann am 24.9.2014 mit der Diagnose „Hämatom im Bereich des Unterschenkels rechts“ aufgenommen und erst am 2.10.2014 in die ambulante Behandlung entlassen. Er musste sich zuhause selbst Thrombosespritzen verabreichen. Am 7.10.2914, 14.10.2014 und 21.10.2014 erfolgten weitere ambulante Kontrollen. Während des stationären Aufenthaltes wurde der Kläger jeden Tag im Krankenhaus in Braunau von seiner Gattin besucht, die ihn auch zu den ambulanten Kontrollen chauffierte. Die Distanz zwischen Mining und dem Krankenhaus Braunau beträgt ca. 13 km.

Die durch die Berührung des Beklagten am rechten Bein des Klägers eingetretene leichte Prellung führte wegen einer bestehenden Prädisposition in Form von präexistenzten Besenreiservarizen und einer zumindest leichtgradig ausgeprägten Stammvarikositas des oberflächlichen Venensystems der unteren Extremitäten zur Entstehung eines Blutergusses im Unterhautfettgewebe. Es kam durch die Prellung zu einer Blutung aus einer dieser Besenreiservarizenkonvolute ins Unterhautfett- bzw. Bindegewebe und somit zu einer entsprechenden Raumforderung im Sinne einer nach außen hin sichtbaren Schwellung, verursacht durch eine Einblutung zwischen Haut und dem Fasziengewebe ohne Einblutung in tiefere anatomische Strukturen. Eine gesunde, bezüglich des Venensystems nicht vorgeschädigte Person, hätte vermutlich nicht einmal eine Prellmarke davongetragen. Beim Kläger bedurfte es aufgrund der gegebenen Prädisposition nur einer geringen Kraftkomponente, um eine lokale Einblutung zu verursachen. Der Kläger hatte aufgrund der erlittenen Verletzung einen Tag starke, 5 Tage mittelstarke und 18-21 Tage leichte Schmerzen zu erdulden. Wegen der Schmerzen musste der Kläger während der Reise nach Schweden Medikamente einnehmen. Es fanden auch zwei Besprechungen mit seinem Rechtsanwalt in Mattighofen statt; die Distanz zwischen Mining und Mattighofen beträgt ca. 24 km.

In seinen rechtlichen Erwägungen erachtete das Erstgericht als entscheidend, dass der subsidiäre Ersatzanspruch des § 1310 ABGB nur dann zur Anwendung kommen könnte, wenn der deliktsfähige Geschädigte das schädigende Verhalten des Unmündigen im Sinne des § 1308 ABGB „nicht veranlasst“, also nicht typischerweise verursacht habe. Von einer schuldhaften Veranlassung sei auszugehen, wenn der Geschädigte das Verhalten des Unmündigen herausgefordert bzw. eine typische Fehlreaktion verursacht habe. Weil der Kläger den Beklagten – sei es auch nach dessen unpassender Antwort – am „Krawattl“ packte, habe er die Fehlreaktion des 5-jährigen Beklagten, der in der Folge mit seinem Fuß den rechten Unterschenkel des Klägers berührte, als eine geradezu typische Fehlreaktion eines Unmündigen veranlasst. Damit sei aber eine Anwendung der subsidiären Haftungsbestimmung des § 1310 ABGB ausgeschlossen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Berufung des Klägers, mit welcher er die Berufungsgründe der unrichtigen Tatsachenfeststellungen infolge unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte hat eine Berufungsbeantwortung erstattet und beantragt darin, der Berufung des Klägers keine Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Nach den Ausführungen des Berufungswerbers in seiner Beweis- und Tatsachenrüge biete das abgeführte Beweisverfahren keine Grundlage für den vom Erstgericht festgestellten Geschehensablauf, wie er sich zwischen dem Kläger und dem Beklagten bis zum Verletzungseintritt ereignet hätte. Insbesondere hätte der Kläger den Beklagten nicht am „Krawattl“ gepackt, sondern den Buben nur von sich weggehalten. Zunächst hätte dann der Beklagte auch aufgehört, mit den Füßen zu treten und hätte ihn der Kläger daraufhin losgelassen. Erst dann hätte der Beklagte dem Kläger neuerlich einen Tritt gegen das rechte Schienbein versetzt und sei weggelaufen. Dieser Geschehensablauf sei aufgrund der Angaben des Klägers nicht nur logisch und nach vollziehbar, er stehe auch in Einklang mit den Angaben des unbeteiligten Zeugen E***** S*****. Letzterer habe gleichfalls bestätigt, dass der Kläger den Buben mit ausgestrecktem Arm von sich weggehalten und der Bub mit dem Fuß nach dem Kläger geschlagen hätte.

Der Kläger lässt außer Acht, dass beide Elternteile des Beklagten zum Inhalt des nach dem Vorfall mit dem Kläger geführten Telefonates übereinstimmend angegeben haben, dass dieser den Beklagten wegen des Tretens gegen die Zierkappe des PKW gemaßregelt, der Beklagte dann frech „zurückgemault“ habe und der Kläger daraufhin den Beklagten beim „Krawattl“ erfasst hätte (vgl. Seite 5 und 6 in ON 21). Der Kläger selbst beantwortete dann die Frage der Beklagtenvertreterin, ob er zu den Eltern gesagt hätte, dass er den Buben am „Krawattl“ gepackt habe, wie folgt:

„Es kann schon sein, dass ich so gesagt habe. Mit „Erfassen an der Oberbekleidung“, oberhalb zwischen Brust und Hals, meine ich „Krawattl“.

In Übereinstimmung dazu hat das Erstgericht festgestellt, dass er (der Kläger) den Beklagten am „Krawattl“ packte und darunter zu verstehen ist, dass der Kläger den Beklagten an der Kleidung im Hals-/Brustbereich erfasst hat. Demnach räumt auch der Kläger ein, dass er den Beklagten nicht nur – wie dies der Zeuge S***** aus einer Entfernung von 20 bis 25 m wahrzunehmen glaubte – mit ausgestrecktem Arm von sich weggehalten, sondern den Beklagten tatsächlich am „Krawattl“ gepackt hat, wobei darunter nach der eigenen Definition des Klägers ein „Erfassen an der Oberbekleidung, oberhalb zwischen Brust und Hals“, zu verstehen ist. Sohin ist diese vom Erstgericht zum Geschehensablauf getroffene Feststellung weder unverständlich noch konstruiert oder fadenscheinig, sondern anhand der Angaben des Klägers, die er nicht nur gegenüber den Eltern des Beklagten, sondern in dieser Art und Weise auch anlässlich der Befundaufnahme beim Sachverständigen (vgl. Seite 3 in ON 24) gemacht hat, durchaus nachvollziehbar. Auch gegenüber dem Sachverständigen hat der Kläger den Ablauf so geschildert, dass er zuerst das Kind ermahnt habe, dieses auf ihn losgegangen sei und er das Kind beim „Krawattl“ gepackt habe. Ob nach dem Loslassen durch den Kläger der Beklagte „gestrampelt“, „getreten“ oder auf sonstige Art und Weise mit seiner beschuhten Fußspitze den Kläger am Schienbein getroffen hat, ist – wie die Ausführungen zur Rechtsrüge noch zeigen werden – in rechtlicher Hinsicht ohne Belang.

Zu den Angaben des Zeugen S***** ist im Übrigen noch zu ergänzen, dass dieser den Vorfall nicht aus unmittelbarer Nähe, sondern aus einer Distanz von 20-25 m beobachtet hat und gerade jene Handlung des Beklagten, die zur Verletzung des Klägers führte, nicht beobachtet hat. Er habe - nach seinen Angaben (S. 8 in ON 21) - bei der ersten Beobachtung den ausgestreckten Arm des Klägers wahrgenommen, er habe dann seinen Weg fortgesetzt und die Beobachtung erst wieder aufgenommen, wie der Kläger „Ah“ gesagt habe und der Bub davongelaufen sei. Aus den Angaben des Zeugen S***** ist daher für die Art und Weise, in welcher der Beklagte den Kläger am Fuß berührt hat, kein eindeutiges Ergebnis abzuleiten. In Anbetracht der sonst von den Eltern geschilderten Wesensart des Beklagten und der (menschlich verständlichen) Verärgerung, mit der der Kläger auf die der Maßregelung folgenden frechen Äußerung des Beklagten reagiert hat, sind auch die Zweifel, die das Erstgericht zu dem vom Kläger behaupteten „Tritt“ gegen dessen Schienbein geäußert hat, nachvollziehbar. Auch insoweit waren die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über eine „Berührung“ aufrecht zu erhalten, auch auch wenn in rechtlicher Hinsicht ein „Strampeln“ oder „Treten“ nicht anders zu beurteilen wäre.

Zur Rechtsrüge:

Nach Ansicht des Berufungswerbers sei die Bestimmung des § 1308 ABGB im gegenständlichen Fall auf den Kläger nicht anwendbar; dem Kläger sei insbesondere keine „Veranlassung“ im Sinne des § 1308 ABGB anzulasten, weil er das schädigende Verhalten des Beklagten in keiner Weise herausgefordert habe; primär sei ein Haftungsfall gemäß §1310 1. und 3. Fall ABGB anzunehmen.

§ 1308 ABGB regelt einen besonderen Fall der Schädigung durch Unmündige und Geisteskranke. Hat der Geschädigte die Schädigung durch den Deliktsunfähigen schuldhaft veranlasst, so steht ihm weder gegen den Aufsichtspflichtigen noch gegen den Deliktsunfähigen ein Ersatzanspruch zu. Die Anwendung der §§ 1309 und 1310 ABGB ist ausgeschlossen (6 Ob 566/94; Reischauer in Rummel³, § 1308 RZ 1, Karner in KBB 4 , § 1308 RZ 1, Kletecka/Schauer, ABGB-ON1.04, § 1308 RZ 1). Der Geschädigte muss das Fehlverhalten des Deliktsunfähigen schuldhaft veranlasst haben. Schuldhafte Veranlassung liegt vor, wenn er das schädigende Verhalten herausgefordert bzw. eine typische Fehlreaktion verursacht hat. Die Beweislast trägt der Geschädigte; er hat zu beweisen, dass er das schädigende Verhalten nicht veranlasst hat (2 Ob 40/93; Reischauer in Rummel³, § 1309 RZ 9, § 1310 RZ 11; Karner in KBB 4 , § 1308 RZ 5 und § 1310 RZ 12; Kletecka/Schauer ABGB-ON1.04, § 1308 RZ 6). Da Deliktsunfähige unreif reagieren, ist der Bereich der Reaktionen, mit denen man rechnen muss, weit zu stecken, doch sind nur typische Fehlreaktionen zu berücksichtigen, das heißt solche, die bei Deliktsunfähigen der betreffenden Art (Unmündige bestimmter Altersstufen) immer wieder vorzukommen pflegen (Reischauer in Rummel, ABGB³, § 1308 RZ 2). Mit allgemeiner Zustimmung der oben zitierten Lehrmeinungen hat auch der Oberste Gerichtshof – wie schon das Erstgericht zutreffend dargelegt hat – die Ohrfeige eines 13 ½-jährigen Kindes als (geradezu) typische Reaktion auf ein vorsätzliches Niederstoßen qualifiziert (6 Ob 566/94 = EFSlg. 75.432).

Weil – wie oben dargelegt - Deliktsunfähige unreif reagieren, ist auch im vorliegenden Fall der Bereich der Reaktionen, mit denen der Kläger, der sich als Erwachsener von einem 5-jährigen Buben provozieren ließ und diesen beim „Krawattl“ packte, weit zu stecken. Zweifellos kamen als typische Fehlreaktionen des 5-jährigen Buben nicht nur Schläge und Tritte, sondern auch andere Berührungen im Zuge von Abwehrbewegungen mit Händen und Füßen in Betracht. Unabhängig davon, ob der Beklagte, wie dies das Erstgericht festgestellt hat, den Kläger im Zuge einer Abwehrbewegung mit seinem Fuß den rechten Unterschenkel des Klägers berührte oder ob dieses Berühren allenfalls als „Treten“ zu qualifizieren wäre, hat der damals 5-jährige Beklagte eine typische Fehlreaktion gesetzt, die – aufgrund ihrer sonstigen Wehrlosigkeit gegenüber Erwachsenen – bei Unmündigen dieser Altersgruppe immer wieder vorzukommen pflegen. Demnach war es im Ergebnis der Kläger selbst, der aus einer Überreaktion heraus (schuldhaft) den Beklagten am „Krawattl“ gepackt und damit dessen schädigendes Verhalten herausgefordert bzw. als eine typische Fehlreaktion verursacht hat. Ihm steht daher gegen den Deliktsunfähigen kein Ersatzanspruch zu. Die Anwendung des § 1310 ABGB ist ausgeschlossen und hat damit das Erstgericht das Klagebegehren zu Recht abgewiesen.

Die Kostenentscheidung des Berufungsverfahrens gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

Die Revision an den Obersten Gerichtshof war nicht zuzulassen, weil es sich – im Sinne der oben aufgezeigten Lehre und Rechtsprechung – um einen geradezu klassischen Anwendungsfall des § 1308 ABGB handelt.

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