JudikaturJustiz13R212/04f

13R212/04f – LG Eisenstadt Entscheidung

Entscheidung
03. September 2004

Kopf

Das Landesgericht Eisenstadt als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Manfred Zechmeister (Vorsitzender), Dr. Jürgen Rassi und Mag. Ursula Kirschbichler in der Insolvenzsache des Schuldners G***** C*****, 2491 Neufeld an der Leitha, *****, wegen Euro 908,41 s.A., über den Rekurs der D*****ges.m.b.H., 1010 Wien, *****, vertreten durch Dr. Wenzel Drögsler, Rechtsanwalt in 1030 Wien, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 15.7.2004, GZ 9 S 16/00 d-54 (Rekursinteresse 1.493,70), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des Rekurses wird der angefochtene Beschluss ersatzlos als nichtig aufgehoben.

Die Rekurswerberin hat die Kosten des Rekurses selbst zu tragen. Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

B e g r ü n d u n g:

Mit Beschluss vom 22.8.2000, GZ 9 S 16/00 d-8, hat das Erstgericht über das Vermögen des Schuldners G***** C***** das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Nach Scheitern eines Zahlungsplanes wurde mit Beschluss vom 22.11.2000 (ON 23) das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Zum Treuhänder wurde der Kreditschutzverband von 1870 bestellt. Mit Beschluss vom 28.12.2000 (ON 31) wurde das Schuldenregulierungsverfahren gemäß § 200 Abs. 4 KO aufgehoben. Das Abschöpfungsverfahren ist noch aufrecht. Im Schuldenregulierungsverfahren hat die Rekurswerberin ihre Forderung nicht angemeldet.

Mit Schriftsatz vom 23.10.2003 (ON 44) erfolgte eine nachträgliche Anmeldung ihrer Forderung durch die Rekurswerberin, wobei sich diese auf einen rechtskräftigen und vollstreckbaren Zahlungsbefehl des Bezirksgerichtes Mödling vom 21.9.1992 (GZ 3 C 1673/92 m-2) stützte, aus dem sich eine Forderung von Euro 908,41 samt 14,5 % Zinsen seit 20.4.1991 zuzüglich 20 % USt aus den Zinsen ergebe. An Verfahrenskosten seien ihr im Titel- und im Exekutionsverfahren Euro 557,23 entstanden. Insgesamt wurden (inkl. kapitalisierter Zinsen von Euro 1.515,64) Euro 2.981,28 angemeldet.

Mit Schreiben vom 1.12.2003 (ON 44) zeigte der Treuhänder dem Erstgericht an, dass dieser die Forderung der Rekurswerberin in Höhe von Euro 1.465,64 (Kapital und Kosten) als feststehend gemäß § 207 KO festgestellt habe. Diese Forderung nehme am Abschöpfungsverfahren und den Quotenausschüttungen teil. Es wurde der Antrag gestellt, den Betrag im Gerichtsakt vorzumerken. Betreffend der Zinsen von Euro 1.515,64 wurde ausgeführt, dass diese bereits verjährt seien. In der Folge legte die Rekurswerberin ein Schreiben ihres Rechtsvertreters an den Treuhänder dem Erstgericht vor, in dem ihr Rechtsvertreter die Meinung vertrat, dass die Verjährung der Zinsen aufgrund kontinuierlicher Exekutionsmaßnahmen nicht eingetreten sei (ON 47).

Mit Schreiben vom 26.3.2004 (ON 50) legte wiederum der Treuhänder dem Erstgericht zur Kenntnisnahme ein Antwortschreiben an den Rechtsvertreter der Rekurswerberin vor, in dem der Treuhänder eine zur Verjährung gegenteilige Sichtweise darlegte.

Dieses Schreiben übermittelte das Erstgericht der Rekurswerberin mit der Aufforderung zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen, widrigenfalls von ihrer Zustimmung ausgegangen werde (ON 52). In ihrer fristgerecht eingebrachten Stellungnahme (ON 53) wiederholte die Rekurswerberin ihren Standpunkt und meldete erneut Euro 2.981,28 (Zinsen, Kosten und Kapital) "nachträglich im Konkursverfahren" an. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht "auf Antrag des Gläubigers Di-Ho Gaststättenbetriebsges.m.b.H." eine Forderung im Betrag von Euro 1.465,64 als feststehend gemäß § 207 KO festgestellt und ausgesprochen, dass diese Forderung am Abschöpfungsverfahren und den Quotenausschüttungen teilnehme. "Das Mehrbegehren des Gläubigers" wurde abgewiesen.

Unter Zugrundelegung der vorgelegten Urkunden betreffend die Betreibungshandlungen der Rekurswerberin ging das Erstgericht rechtlich davon aus, dass diese die Forderung aufgrund des Zahlungsbefehls betreffend Kapital und Kosten nachgewiesen hätte. Hingegen sei ihr Antrag auf Berücksichtigung der Zinsen abzuweisen gewesen, weil diese Zinsen bereits verjährt seien. Eine die Verjährung unterbrechende kontinuierliche Exekutionsführung sei nicht vorgenommen worden. Die Konkurseröffnung alleine unterbreche die Verjährung nicht.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Gläubigerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass auch die angemeldeten Zinsen (kapitalisiert Euro 1.493,70) als feststehend gemäß § 207 KO festgestellt werden. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Rekurswerberin führt im Wesentlichen aus, dass nach ihrer Ansicht die Zinsen noch nicht verjährt seien, weil sie laufend Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gesetzt hätte. Aus Anlass des zulässigen Rekurses war der angefochtene Beschluss ersatzlos als nichtig aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 207 KO sind Konkursgläubiger, die ihre Forderung nicht angemeldet haben, bei der Verteilung im Abschöpfungsverfahren nur dann zu berücksichtigen, wenn ihre Forderungen feststehen und die Konkursgläubiger dies dem Treuhänder angezeigt haben. § 207 KO fußt auf der Überlegung, dass es im Abschöpfungsverfahren keine Forderungsanmeldung und keine Prüfungstagsatzung gibt, andererseits aber alle Altgläubiger von der Restschuldbefreiung betroffen sind. Daher muss der Treuhänder wenigstens jene Altforderungen, die zwar nicht zum Konkurs angemeldet wurden, aber ihm im Abschöpfungsverfahren angezeigt werden und dort feststehen, aus der Abschöpfungsmasse mitbefriedigen. Die Nichtanmeldung einer Forderung im Insolvenzverfahren hat also grundsätzlich nicht den Verlust dieser Forderung zur Folge. Eine "Anmeldung" im technischen Sinn ist jedoch nach Abschluss des Konkursverfahrens jedenfalls nicht mehr möglich (Kodek, Handbuch Privatkonkurs, Rz 615). Nach der Regierungsvorlage zu § 207 KO steht eine Forderung im Sinne dieser Gesetzesbestimmung jedenfalls dann fest, wenn es bereits einen rechtskräftigen gerichtlichen Titel gibt (vgl. RV 1218 BlgNR 18. BP 31; Jelinek KO Anm. zu 207; Kodek aaO 616). "Feststehen" bedeutet dabei jedoch nicht, dass zwingend ein Exekutionstitel über die Forderung vorliegen muss. Es obliegt somit im Einzelfall durchaus auch der Prüfung des Treuhänders, ob die Forderung feststeht. Mit der Insolvenzrechts-Novelle 2002 wurde § 207 KO dahin geändert, dass dem Treuhänder für die Forderungsprüfung Euro 50,-- zuzüglich USt zu ersetzen sind. Diese Neufassung ist auf Insolvenzverfahren anzuwenden, die nach dem 30.6.2002 eröffnet werden (Art VI Abs 3 BGBl 2002/75); sie findet somit auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Daraus darf jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass dem Treuhänder vor der Insolvenzrechts-Novelle 2002 ein Prüfungsrecht nicht zustand. Mit der neuen Bestimmung des § 207 Abs. 2 KO wurde dieses lediglich klargestellt und dem Treuhänder eine (pauschale) Vergütung garantiert.

Sowohl nach der neuen als auch nach der hier noch anzuwendenden Fassung des § 207 KO bereitet das Tatbestandselement "feststehen" Probleme. Im Schrifttum ist anerkannt, dass die Befugnisse des Treuhänders nicht derart weit gehen, dass er nicht titulierte und vom Schuldner bestrittene Forderungen zu prüfen und - nach Art eines Prüfungsprozesses - deren "Feststehen" im Sinne des § 207 KO zu beurteilen hätte (vgl. Kodek aaO 617; Mohr, Insolvenzrecht 2002, 110). Dafür spricht auch die Formulierung, dass die Forderung dem Treuhänder bloß "angezeigt" werden muss. Bei nicht titulierten Forderungen gehen nun Zweifel am Bestehen der Forderung zu Lasten des Konkursgläubigers. Kommt der Treuhänder zum Ergebnis, dass die Forderung nicht besteht, so kann die Forderung eingeklagt werden. Die Klage ist nicht gegen den Treuhänder zu richten, sondern gegen den Schuldner, wobei eine Leistungsklage erhoben werden kann (Kodek aaO Rz 617, Mohr, Insolvenzrecht 2002, 110). Die Zuständigkeit richtet sich dabei nach allgemeinen Grundsätzen. Eine Sonderzuständigkeit des Konkursgerichtes besteht - im Gegensatz zu Prüfungsprozessen - nicht (Mohr in Konecny/Schubert, Rz 4 zu § 207 KO; Mohr, Privatkonkurs 63 f).

Aber selbst das Vorliegen eines Exekutionstitels bedeutet nicht zwingend, dass der Treuhänder die Forderung jedenfalls berücksichtigen muss. Die Präklusionswirkung der Rechtskraft verbietet wohl eine neuerliche Überprüfung der Forderung im Verhältnis Schuldner-Gläubiger. Dies gilt aber nicht, wenn es sich um neue und anspruchshemmende oder -vernichtende Tatsachen handelt, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (bzw. bei einem Zahlungsbefehl: nach Erlassung des Zahlungsbefehls) eingetreten sind, weil der Präklusionswirkung der materiellen Rechtskraft neben objektiven und subjektiven diesbezüglich auch zeitliche Grenzen gesetzt sind. Das Vorliegen neuer Tatsachen (insb Erfüllung, Verzicht oder Verjährung) kann in einer Klage ungeachtet des rechtskräftigen Titels aufgezeigt werden. Das Gleiche gilt für die Feststellung, dass behauptete neue Tatsachen nicht vorliegen. Kommt es nun bei Vorliegen eines Exekutionstitels zu keiner Einigung zwischen dem Treuhänder und dem Gläubiger, so ist die Frage, inwieweit die titelmäßig gedeckte Forderung noch besteht, im Rechtsweg zu klären.

In der hier vorliegenden Konstellation ist strittig, ob ein Teil der titelmäßig gedeckten Forderung bereits verjährt ist und ob die Gläubigerin hier (die Verjährung unterbrechende) kontinuierliche Exekutionshandlungen gesetzt, die Forderung somit gehörig betrieben hat. Die Klärung dieser Frage bleibt einem Verfahren über eine Feststellungsklage vorbehalten. Eine Feststellungklage wird unter anderem dann zu erheben sein, wenn unklar ist, ob der Schuldner nach Erlassung des Titels bereits gezahlt hat, der Gläubiger auf seine Forderung verzichtet hat, oder ob - wie im vorliegenden Fall - bereits Verjährung eingetreten ist.

Dem Rekursgericht erscheint dies der einzig gangbare und vom Gesetz gedeckte Weg, um eine im Abschöpfungsverfahren strittige vollstreckbare Forderung prüfen zu können. Als Alternative dazu kommt eine Exekutionsführung durch den Gläubiger (mit einer allfälligen anschließenden Oppositionsklage des Schuldners) nicht in Betracht, weil für Konkursgläubiger auch im Abschöpfungsverfahren eine umfassende Exekutionssperre besteht (vgl. §§ 10, 206 KO). Die Konkursordnung sieht allerdings auch keine Kompetenz des Konkursgerichtes vor, hier eine bindende Entscheidung über den Bestand einer Forderung zu treffen (vgl. 8 Ob 290/00 f). Das Gesetz hat wohl in einigen Fällen dem Konkursgericht die Befugnis eingeräumt, Entscheidungen über Forderungen zu treffen. So besteht nach § 66 AO die Befugnis, dass das Ausgleichsgericht auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers die mutmaßliche Höhe einer bestrittenen Forderung oder des Ausfalls festzustellen hat. Diese Bestimmung wird analog auch im Falle des § 156 KO angewendet. Dies ist jedoch mit dem zu beurteilenden Fall nicht zu vergleichen, weil sich die Kompetenz des Ausgleichsgerichtes (bzw. des Konkursgerichtes) nach § 66 AO (§ 156 KO) auf die Fällung einer Provisorialentscheidung beschränkt. Das gleiche gilt für § 197 Abs. 2 KO in der Fassung nach der Insolvenzrechts-Novelle 2002, zumal das Wort "vorläufig" hier ausdrücklich genannt ist. Die endgültigen Entscheidungen über die Voraussetzung des § 197 KO erfolgt im Titelverfahren, sonst in einem Oppositions- oder Feststellungsprozess (Kodek aaO, Rz 442). Schließlich ist im Abschöpfungsverfahren auch ein Abhilfeantrag im Sinne des § 84 (bzw. § 124) KO für einen Gläubiger kein gangbarer Weg, eine vom Treuhänder nicht anerkannte Forderung vom Konkursgericht feststellen zu lassen. Dies schon deshalb, weil hier die Frage, ob eine Verjährung vorliegt, von streitigen Tatsachen abhängig ist und das Konkursgericht nach § 84 bzw. § 124 KO in einem solchen Fall auf das Erkenntnisverfahren des Zivilprozesses zu verweisen hat (vgl. SZ 35/39; SZ 36/152). Dem liegt die Wertung zugrunde, dass im Konkursverfahren als Gesamtvollstreckungsverfahren ähnlich wie bei der Einzelvollstreckung "gehandelt" und nicht "verhandelt" werden soll.

Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass das Erstgericht ohne gesetzliche Grundlage über den materiellen Bestand der angemeldeten Forderungen entschieden hat, wobei auch darauf hinzuweisen ist, dass eine derartige Entscheidung entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes von der Gläubigerin gar nicht angestrebt wurde. Die Rekurswerberin hat dem Erstgericht nämlich lediglich eine nachträgliche Forderungsanmeldung vorgelegt, jedoch weder eine endgültige noch eine vorläufige Entscheidung über die Verjährungsfrage beantragt.

Aus Anlass des zulässigen Rekurses war somit der angefochtene Beschluss als nichtig ersatzlos aufzuheben (vgl. 8 Ob 290/00 f). Abweichend vom Zivilprozess wird im Konkursverfahren gemäß § 173 Abs 1 KO grundsätzlich kein Kostenersatz gewährt; dies gilt auch für das Rechtsmittelverfahren (Deixler-Hübner in Konecny/Schubert Rz 2 zu § 173) und im Konkursverfahren natürlicher Personen (§ 181 KO), sodass die Rekurswerberin die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen hat. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf die §§ 500 Abs. 2 Z 2, 526 Abs. 3, 528 Abs. 2 Z 1 ZPO, § 171 KO, wobei sich der Entscheidungsgegenstand nach der Höhe der strittigen Forderung, somit der (kapitalisierten) Zinsen von Euro 1.493,70 richtet.

Landesgericht Eisenstadt

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