JudikaturJustiz13dBl487/97

13dBl487/97 – LG für Strafsachen Wien Entscheidung

Entscheidung
25. Juli 1997

Kopf

Das Landesgericht für Strafsachen Wien als Berufungsgericht hat durch HR.Dr.Otto Bemmer als Vorsitzenden, LG.VP.HR.Dr.Otto Deibner und HR.Dr.Klaus Bohe (Berichterstatter) als beisitzende Richter in der Strafsache gegen L***** wegen Vergehens nach § 64 (63 Abs. 1 Z 1) LMG über die seitens des öffentlichen Anklägers gegen das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 26.2.1997, 8 U 785/96-8, wegen Nichtigkeit und Schuld erhobene Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das

Bezirksgericht Innere Stadt Wien

verwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde L***** von dem wider ihn wegen Vergehens nach § 64 (63 Abs. 1 Z 2) LMG erhobenen Strafantrag gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Dem Angeklagten liegt zur Last, er habe als Importverantwortlicher der Firma Löwa Warenhandelsgesellschaft m. b.H. am 21.2.1996 insgesamt 22 Stück in Deutschland hergestellter "Zimbo Delikatess Kalbsleberwurst" in Verkehr gesetzt, welche dadurch verfälscht war, daß der wertbestimmende Bestandteil an Kalbfleisch zur Gänze fehlte und durch einen Zusatz von Geflügelprotein ersetzt worden war. Das Erstgericht stellte diesen Sachverhalt in objektiver Hinsicht fest, vermeinte jedoch, der Angeklagte werde in subjektiver Hinsicht durch vierteljährlich vom Erzeuger eingeholte Gutachten eines deutschen lebensmittelchemischen Institutes, welche dem Angeklagten bekannt gewesen seien, auch dann exkulpiert, wenn in diesem Gutachten die Herkunft des Fleischeiweißes nicht untersucht worden ist; genug damit, daß die Gesamtbeurteilung der Ware dahin lautete, sie sei aufgrund der durchgeführten chemischen Untersuchung nicht zu beanstanden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die rechtzeitig angemeldete und fristgerecht zur schriftlichen Darstellung gelangte Berufung des öffentlichen Anklägers, welche unter dem Titel der Rechtsrüge nach § 281 Abs. 1 Z 9 a StPO releviert,

1.) das vorgelegte Privatgutachten des Institutes Dr.Rothe GesmbH (Beilage ./A zu ON 4a) habe nicht dieselbe Erzeugungscharge betroffen,

2.) reiche ein noch dazu ausländisches Privatgutachten nicht hin, die lebensmittelrechtliche Verkehrsfähigkeit zu attestieren,

3.) der Angeklagte hätte vielmehr die notwendigen Untersuchungen selbst veranlassen müssen;

4.) in der Schuldberufung werden Bedenken gegen die als erwiesen angesehene Verantwortung des Angeklagten erhoben, die Ware sei vierteljährlich untersucht worden, zumal dies durch kein Beweismittel gedeckt sei;

5.) schließlich enthält das Rechtsmittel vorsichtsweise Ausführungen dahin, daß eine Straflosstellung gemäß § 42 StGB nicht in Betracht komme.

Die Verteidigung hat Gegenausführungen mit der Zielsetzung erstattet, das angefochene Urteil zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsmittelsenat hat erwogen:

Die gemäß § 473 Abs. 2 StPO gebotene Durchsicht der Akten läßt erkennen, daß Punkt 4.) der obigen Auflistung der Aktenlage entspricht, auch wenn der Gegenausführung zur Berufung der Anklagebehörde ein weiteres, in seiner Aussage gleichartiges Gutachten der Anstalt Dris.Rothe GesmbH vom 3.7.1996 beigelegt worden ist.

Der Auftrag des deutschen Erzeugers, nämlich der Firma Zimbo, lautete auf Überprüfung in Richtung der Qualitätssicherung und Durchführung eines Lagertestes. Die chemische Untersuchung hat sich im hier verfahrensgegenständlichen Umfang lediglich auf die Bestimmung des Gesamtanteiles an Fleischeiweiß und dessen Differenzierung in collagenfreies Eiweiß und in Bindegewebseiweiß beschränkt, eine Bestimmung der verwendeten Fleischsorten (von Schwein oder vom Kalb) wurde jedoch unterlassen. Das Anzeigegutachten hat fünf der bei Revision vorgefundenen 22 Würste umfaßt, das Ergebnis der amtlichen Gegenprobe liegt nicht vor. Das Rechtsmittelgericht hat daher in diesem Umfang von repräsentativen Ergebnissen des Anzeigegutachtens auszugehen, vermag aber über die substanzielle Zusammensetzung der ansonsten importierten Ware (laut Angeklagten von monatlich ca. 500 kg, Seite 36 des Aktes) weder im Tatsächlichen noch in der rechtlichen Konsequenz irgendwelche Feststellungen zu treffen, zumal die chargenbedingte Homogenität der Ware weder aktenkundig, noch derzeit überhaupt feststellbar ist.

Entgegen der in den Gegenausführungen vertretenen Rechtsansicht handelt es sich im konkreten Fall nicht um eine falsch bezeichnete Geflügelleberwurst, vielmehr wurde der nach der Sachbezeichnung und Deklaration wertbestimmende Bestandteil an Kalbfleisch (Kalbsleber) durch Geflügelprotein ersetzt, welches sich schon nach dem notorischen Verkaufspreis als minderwertige Komponente darstellt. Wann anders, wenn nicht hier wurde durch eine Manipulation an der Substanz ein wertbestimmender Bestandteil, dessen Gehalt vorausgesetzt wird, nicht hinzugefügt, und so dem Endprodukt der Anschein einer besseren Beschaffenheit verliehen (§ 8 lit e LMG), ohne daß dieser Umstand (deutlich und allgemein verständlich) kenntlich gemacht worden ist (§ 63 Abs. 1 Z 2 LMG in Verbindung mit § 64 LMG).

Das Berufungsgericht geht von der Arbeitshypothese aus, daß die Inverkehrsetzung einer durch Geflügelprotein verfälschten Kalbsleberwurst auch im Erzeugungsland rechtswidrig ist, insbesondere keine landesspezifische Spezialität darstellt, die Verfälschung dem Konsumenten überdies nicht bekanntgemacht, sondern durch die falsche Deklaration der Inhaltsstoffe der Gehalt an wertbestimmendem Kalbfleisch noch zusätzlich hervorgehoben worden ist, sodaß der grundlegende Inhalt der Cassis de Dijon-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20.2.1979, Rs 120/78, insoweit ohne sachlichen Bezug bleibt. Die darüberhinaus diesem Urteil zu entnehmenden Rechtsausführungen werden jedoch vom nunmehrigen Berufungsgericht in seine Entscheidung miteinbezogen.

Der österreichische Produktionsverantwortliche einer gleichartigen Ware weiß entweder über die verfälschte Beschaffenheit, weil er selbst mit der Erzeugung befaßt war, oder er hat durch betriebsinterne Kontrollen und durch Einholung der Gutachten öffentlich rechtlicher Untersuchungsanstalten (§§ 42 bis 49 LMG) oder durch Gutachten anderer Berechtiger (§ 50 LMG) die Übereinstimmung mit den allenfalls im Normensetzungsverfahren festgelegten redlichen Verkehrsgewohnheiten sicherzustellen. Gleiches gilt zufolge § 1 Abs. 2 LMG grundsätzlich für den Importeur von Lebensmitteln i.w.S.

Während sich die Pflicht des Importeurs zunächst grundsätzlich nur aus Kapitel A 1 Abs. 50 ff des ÖLMB 3.Auflage ergibt, wurden bereits auf dem Gebiet der Begutachtung von Wein durch die Ursprungsländer Regelungen dahin getroffen, daß die hiezu legitimierten ausländischen und dann inländischen Untersuchungsanstalten gleichgestellten Institute taxativ aufgelistet worden sind (Verordnung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 28.1.1988, BGBl 142, i.d.F. BGBl 1989/587). In die gleiche Richtung ging das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, BGBl 1989/145. Hieran hat sich substanziell durch den Beitritt Österreichs zum Euorpäischen Wirtschaftsraum nichts geändert, vielmehr wurden auf der Basis des Artikels 30 EGV Grundsätze über die gute Laborpraxis entwickelt und in EN 45001 kodifiziert, zumal erst durch die in den jeweiligen Mitgliedsländern einheitlich bestehenden Standards und deren Kontrolle in den jeweiligen Herkunftsländern von Lebensmitteln vertretbar wird, von einer nachfolgenden zusätzlichen Kontrolle im jeweiligen Absatzland Abstand zu nehmen. Denn es besteht überhaupt kein Zweifel, daß von den jeweiligen Erzeugungsländern jene geeigneten Maßnahmen über die Vermarktung, über die Form, die Aufmachung und Zusammensetzung von Lebensmitteln zu ergreifen sind (Artikel 3 der Richtlinie Nr.70/50 der Kommission vom 22.12.1969), welche den Schutz des Verbrauchers vor Täuschung (und gesundheitlichen Gefahren) garantiert.

Der Berufungssenat mißt daher die objektiv gebotene Sorgfaltspflicht des inländischen Importeurs daran, daß ihm - soferne er nicht eine eigene nachkontrollierende Untersuchung bei in Österreich autorisierten Anstalten vornimmt - vom ausländischen, dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörigen Erzeuger ein gleichwertiges Untersuchungszeugnis vorgelegt wird, welches zwar - entgegen dem Standpunkt der Anklagebehörde in ihrer Berufungsschrift - nicht die Importware selbst, aber doch eine substanziell gleichartige betrifft und nachweist, daß diese im Herkunftsland einer stichprobenweisen repräsentativ-begleitenden Kontrolle unterzogen wird. Hiedurch tritt keine nach Artikel 37 EWG-Vertrag verpönte Diskriminierung des ausländischen Produktes, sondern eine Gleichbehandlung mit vergleichbaren inländischen Erzeugnissen ein, die ohne eine solche Maßnahme ihrerseits diskriminiert würden.

Das Erstgericht hat jedoch eine Prüfung dahin, ob die vom Erzeuger befaßte Anstalt Dr.Rothe GesmbH den zitierten Untersuchungsstandards entspricht und daher generell mit einer autorisierten inländischen Untersuchungsanstalt gleichwertige Verläßlichkeit repräsentiert, zur Gänze unterlassen.

In subjektiver Hinsicht geht der Berufungssenat davon aus, daß Indizien dafür bestehen, daß der Angeklagte als seit Anfang 1995 eingesetzter Einkaufsverantwortlicher einer Großhandelskette im hier relevanten Tatzeitraum (vom 14.2. bis 21.2.1996, Seite 9 des Aktes) über die Pflichten des ordentlichen Importeurs und über die ausschließliche Relevanz autorisierter Gutachten informiert gewesen ist. Es ist nun für den durchschnittlichen Importeur kein Grund ersichtlich, weshalb das Maß dieser Sorgfalt bei ausländischen, wenn auch dem Europäischen Wirtschaftsraum entstammenden Exportwaren nicht einzuhalten wäre, würde doch so ein gleichsam rechtsfreier, jedenfalls kontrollfreier und sanktionsloser Raum entstehen. Diese Konsequenz muß indiziell auch jedem Nichtjuristen in der Position dieses Angeklagten klar sein, womit das Maß subjektiv-zumutbarer Sorgfalt im allgemeinen determiniert ist. Ob dem Angeklagten die Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt im konkreten Fall auch subjektiv möglich und zumutbar war, bedarf aber näherer Beweisaufnahmen und tatsächlicher Feststellungen erster Instanz.

Da sohin schon vor Anordnung eines Gerichtstages feststand, daß das angefochtene Urteil zu beheben und ein erneuter Verfahrensgang anzuordnen sein werde, war unter den Voraussetzungen des § 470 Z 3 StPO spruchgemäß zu entscheiden.

Landesgericht für Strafsachen Wien

Landesgerichtsstraße 11, 1082 Wien

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