JudikaturJustiz12Rs107/18v

12Rs107/18v – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
07. November 2018

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Dr. Klaus Henhofer als Vorsitzenden, Dr. Barbara Jäger und Dr. Dieter Weiß sowie die fachkundigen Laienrichter DI Dr. Olga Lackner und Daniel Mühlböck in der Sozialrechtssache der klagenden Partei ***** vertreten durch ***** gegen die beklagte Partei ***** vertreten durch ihren Angestellten ***** wegen Pflegegeld, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Juli 2018, 11 Cgs 105/18z-8, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 21. Februar 2018 lehnte die beklagte Partei die Erhöhung des dem Kläger gewährten Pflegegeldes von Stufe 2 auf Stufe 3 mit der Begründung ab, dass nur ein Pflegebedarf von durchschnittlich 118 Stunden monatlich bestehe.

Der Kläger leidet an Funktionseinschränkungen der oberen und unteren Extremitäten mit Gefühlsstörungen, Atemnot bei Anstrengung, depressiven Stimmungsschwankungen und Schwerhörigkeit und hat unstrittig Betreuungsbedarf bei der täglichen Körperpflege (25 Stunden), der Zubereitung von Mahlzeiten (30 Stunden), der Reinigung nach der großen Notdurft (2,5 Stunden), der Einnahme von Medikamenten (3 Stunden) sowie beim An- und Auskleiden des Oberkörpers (10 Stunden). Hilfe bedarf der Kläger bei der Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, bei der Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, der Pflege der Leib- und Bettwäsche sowie bei der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn (viermal 10 Stunden). Strittig ist im Berufungsverfahren noch das erforderliche Ausmaß der Hilfestellung bei der Handhabung der Hörgeräte (10 Stunden) sowie des Beatmungsgerätes mit Maske (3 Stunden von 5,5 Stunden). 113 Stunden werden demnach von der beklagten Partei zugestanden.

Der Kläger begehrt Pflegegeld mindestens der Stufe 3 seit 1. Februar 2018 und meint, jedenfalls das Hörgerät sei gesondert mit 10 Stunden monatlich anzusetzen.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und wendete ein, die Reinigung der Hörgeräte falle in den Bereich der Hilfsverrichtungen zur Reinigung der persönlichen Gebrauchsgegenstände und sei daher bereits bei diesem Pflegebedarf berücksichtigt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf zur Handhabung der Hörgeräte sowie der Atemmaske folgende Sachverhaltsfeststellungen:

Das Einlegen und Entfernen sowie die notwendige Reinigung der Hörgeräte gelingt dem Kläger aufgrund seiner Gefühlsstörungen an den Fingern und Händen nicht mehr. Diese Tätigkeiten sind tagtäglich von einer Pflegeperson zu übernehmen. Das Hörgerät muss öfters nachpositioniert werden, was nicht sofort gelingt und somit einen erhöhten Zeitaufwand erfordert. Kommt es zu einem Pfeifen, muss das Hörgerät herausgenommen und wieder eingestellt werden, dabei muss auch die Batterie herausgenommen werden. Die tägliche Reinigung ist nur deshalb notwendig, weil eine Ohrenschmalzproduktion vorliegt, die das Hörgerät verschließt. Im Abstand von ein bis zwei Wochen muss das Gerät zur Hörgerätefirma zur Wartung gebracht werden. Aus pflegerischer Sicht wird ein Aufwand von 10 Stunden monatlich herangezogen.

Der Kläger benötigt wegen seines Schlaf-Apnoe-Syndroms eine Atemmaske. Diese ist mit feinen Ösen zum Einschließen und zum Fixieren versehen und der Kläger kann sie aufgrund seiner Sensibilitätsstörung nicht mehr selber anlegen. Wartung und Reinigung des Beatmungsgerätes kommen hinzu. Aus pflegerischer Sicht ist ein Aufwand von 5,5 Stunden pro Monat erforderlich.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht unter Hinweis auf § 5 Kinder-EinstV, wo altersunabhängig ein Richtwert von 20 Minuten pro Tag für die Handhabung von Hörgeräten vorgesehen ist, dass diese Tätigkeit auch bei Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr nicht unter die Verrichtung der Reinigung der persönlichen Gebrauchsgegenstände zu subsumieren und daher als Betreuungsbedarf mit dem tatsächlichen Aufwand zu berücksichtigen sei. Aufgrund seiner Gefühlsstörungen an den Fingern und Händen sei der Kläger weder zur Handhabung noch zur Reinigung der Hörgeräte in der Lage, wofür ein monatlicher Pflegebedarf von 10 Stunden zu veranschlagen sei. Für die Handhabung und Wartung des Beatmungsgerätes bei Maskenbeatmung sei der altersunabhängige Richtwert von 15 Minuten pro Verrichtung gemäß § 6 Z 1 Kinder-EinstV analog heranzuziehen. Im konkreten Fall sei dies ein Zeitwert von fünf Minuten täglich zum Anbringen der Maske (= 2,5 Stunden monatlich). Hinzu komme noch die Wartung und Reinigung des Gerätes dreimal wöchentlich mit einem Wert von 3 Stunden monatlich. In Summe belaufe sich diese Unterstützungsleistung auf 5,5 Stunden monatlich. Eine Ungleichbehandlung von erwachsenen Pflegebedürftigen im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen wäre sachlich nicht gerechtfertigt.

Unter Berücksichtigung des eingangs wiedergegebenen Pflegebedarfes zuzüglich 10 Stunden für die Handhabung der Hörgeräte und 5,5 Stunden für die Handhabung und Wartung des Beatmungsgerätes gelangt das Erstgericht zu einem Pflegebedarf von 126 Stunden und somit zu Pflegegeld der Stufe 3.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige, unbeantwortet gebliebene Berufung der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellungen infolge unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung in eine Gewährung von Pflegegeld der Stufe 2. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu erledigende Berufung ist nicht berechtigt .

1 Einen Verfahrensmangel erblickt die beklagte Partei darin, dass das Erstgericht das eingeholte pflegerische Gutachten nicht von Amts wegen zur Frage ergänzt habe, welches Personal das Beatmungsgerät warte, wie oft dies monatlich erfolge und wie lange es dauere. Bei einer solchen Gutachtensergänzung hätte sich ergeben, dass die Wartungsarbeiten am Beatmungsgerät durch ausgebildetes Fachpersonal zu erfolgen hätten und nicht als Pflegehandlungen im Sinn des BPGG zu qualifizieren seien. Daher seien die drei Stunden nicht in Ansatz zu bringen.

Da sich das Vorbringen der beklagten Partei in erster Instanz zum Pflegebedarf für das Beatmungsgerät auf die Behauptung beschränkte, die Kinder-EinstV sei nicht analog anzuwenden, bedurfte es jedenfalls keiner amtswegigen ergänzenden Beweisaufnahme zur Frage, ob die Wartung der Beatmungsmaske in den pflegegeldrelevanten Bereich fällt. Die Verpflichtung der Sozialgerichte zur amtswegigen Beweisaufnahme bezieht sich nicht auf anspruchsvernichtende Umstände, für die der Sozialversicherungsträger behauptungspflichtig ist, wenn er solche Behauptungen nicht aufstellt (vgl 10 ObS 233/00p = RIS-Justiz RS0086455 [T3] = RS0109126 [T1]; Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld 4 Rz 8.112).

Abgesehen davon ergibt sich aus § 6 Kinder-EinstV, dass die Handhabung der Beatmungsgeräte als Pflegemaßnahme bei der Beurteilung des Pflegebedarfes zu berücksichtigen ist. In den Erläuternden Bemerkungen wird dies noch näher erklärt und insbesondere darauf hingewiesen, dass Heimbeatmungsgeräte einfach zu bedienen seien, sodass Angehörige, Betreuungspersonen oder Betroffene selbst leicht mit der Technik umgehen und die notwendigen Einstellungen und Reinigungs- bzw. Wartungsarbeiten durchführen könnten (EB Kinder-EinstV 10).

2 In der Tatsachen- und Beweisrüge bekämpft die beklagte Partei die vorstehend wiedergegebenen Feststellungen zur Hilfe bei der Handhabung der Hörgeräte und meint, das Erstgericht habe die den Feststellungen zugrunde liegenden Ausführungen der Pflege-Sachverständigen „dahingehend unrichtig beweisgewürdigt, dass die Hörgeräte keine persönlichen Gebrauchsgegenstände seien, Wartungsarbeiten ohne technische Fachkenntnisse durchgeführt werden könnten und der Transport der Hörgeräte zur Wartungsfirma nicht zur Mobilitätshilfe im weiteren Sinn zu zählen sei“. Ausgehend von den ärztlichen Befunden hätte (zusammengefasst und sinngemäß) festgestellt werden müssen, dass die Hörgeräte persönliche Gebrauchsgegenstände seien, die Wartung durch Fachpersonal und nicht durch Pflegepersonen zu erfolgen habe und die behandelnden Ärzte eine vermehrte Ohrenschmalzproduktion, akustische Kommunikationsprobleme und Probleme in der Handhabung der Hörgeräte nicht festgestellt hätten.

Hier vermengt die beklagte Partei Tat- und Rechtsfragen. Ob ein Gegenstand ein Gebrauchsgegenstand im Sinn des § 2 Abs 2 EinstV ist und ob der Transport der Hörgeräte zur Hörgeräte-Firma unter die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn gemäß § 2 Abs 2 EinstV fällt, sind Rechtsfragen und weder von einem Sachverständigen zu beantworten noch sind dazu Tatsachenfeststellungen zu treffen.

Sachverhaltsfeststellungen dürfen sich auch nicht in der Aneinanderreihung verschiedener ärztlicher Befunde und Atteste erschöpfen, wie von der beklagten Partei begehrt, sondern sie müssen das Ergebnis einer Beweiswürdigung sein, d.h. einer Auseinandersetzung mit den verschiedenen Beweismitteln. Die beklagte Partei legt mit keinem Wort dar, warum die Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen unzutreffend sind, sondern behauptet nur lapidar, das pflegerische Gutachten sei „unrichtig beweisgewürdigt“.

Aus dem Umstand, dass im Pflege-/Verlegungs-/Entlassungsbericht der Abteilung für Innere Medizin des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Salzburg sowie im Attest des Hausarztes die Hörgeräte des Klägers keine Erwähnung finden, kann auch nicht geschlossen werden, dass ein Unterstützungsbedarf bei deren Handhabung und Reinigung aus ärztlicher Sicht „nicht festgestellt worden sei“. Die Schwerhörigkeit ist in keinem der beiden Befunde ein Thema, was auch nicht überrascht, da diese weder eine in den Bereich der Inneren Medizin fallendes Gebrechen ist noch ein vom Hausarzt zu behandelndes. Im Anstaltsgutachten kommen die Schwerhörigkeit und die Hörgeräte im Übrigen weder als Diagnose noch als zur Verfügung stehendes Hilfsmittel vor, obwohl der Kläger unstrittig schwerhörig ist und Hörgeräte hat. Schon das relativiert den Beweiswert der ins Treffen geführten Befunde und Untersuchungsergebnisse.

Zudem entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass private ärztliche Befunde und Gutachten grundsätzlich nicht geeignet sind, die Gutachten gerichtlich bestellter Sachverständiger zu widerlegen (RIS-Justiz RS0040598, RS0040570 [T1]; 10 ObS 77/14t), allerdings dürfen sie im Verfahren nicht übergangen werden, sondern der gerichtlich bestellte Sachverständige soll dazu überprüfbar Stellung nehmen ( Neumayr in ZellKomm³ § 75 ASGG Rz 8 mwN; vgl 10 ObS 19/02w, 10 ObS 151/13y; Greifeneder/Liebhart Pflegegeld 4 Rz 8.138).

Dementsprechend wurden die genannten Befunde und Untersuchungsergebnisse auch nicht übergangen, sondern flossen in das Pflegegutachten ein (ON 5 Seite 3 bis 5). Die Sachverständige befasste sich aber nicht nur mit diesen Befunden und Attesten, sondern untersuchte den Kläger, führte ein Gespräch mit ihm sowie der anwesenden Vertrauensperson und verschaffte sich einen Gesamteindruck vom Lebensumfeld. Wenn die Sachverständige in der Folge, ausgehend von den Gefühlsstörungen des Klägers in den Fingern und der Schultersteife, zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger Hilfestellung bei der Handhabung seiner Hörgeräte benötigt, ist das plausibel. Hörgeräte sind klein und empfindlich, sodass es eines Mindestmaßes an Fingerfertigkeit bedarf, um sie selbständig hinein- und herausgeben sowie reinigen zu können. Dass Hörgeräte je nach körperlicher und akustischer Situation immer wieder pfeifen können und nachjustiert werden müssen, ist ebenfalls allgemein bekannt.

Dass das Erstgericht basierend auf der Einschätzung der Sachverständigen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger Unterstützung bei der Handhabung der Hörgeräte braucht, ist somit nicht zu beanstanden.

Rechtliche Beurteilung

3.1 Die beklagte Partei anerkennt für das tägliche Anbringen der Atemmaske einen Pflegebedarf von 2,5 Stunden. In der Rechtsrüge kommt sie aber erneut auf den Umstand zurück, dass die Reinigung der Atemmaske durch Fachpersonal zu erfolgen habe und daher nicht pflegegeldrelevant sei. Die Kinder-EinstV und der dort für die Wartung zugrunde gelegte Richtwert von 3 Stunden sei nicht relevant, da der Kläger im 74. Lebensjahr stehe und damit kein Kind mehr sei.

Zur Wartung durch Fachpersonal genügt ein Verweis auf Punkt 1. Aus der Kinder-EinstV folgt eindeutig, dass diese Verrichtung beim Pflegebedarf zu berücksichtigen ist.

Richtig ist, dass die Kinder-EinstV auf den Kläger nicht anzuwenden ist, allerdings folgt daraus nicht, dass der Pflegebedarf für die Handhabung und Wartung des Beatmungsgerätes bei einem erwachsenen Pflegebedürftigen unberücksichtigt zu lassen ist. Die Aufzählung von Betreuungsleistungen in § 1 EinstV ist nicht erschöpfend, sondern eine bloß demonstrative Auflistung der gängigsten und häufigsten Fälle des Betreuungsaufwandes, sodass in einzelnen Fällen, in denen ein spezifischer Betreuungsaufwand anfällt, der tatsächlich notwendige Zeitaufwand zu ermitteln und in Anschlag zu bringen ist. Dies stellt einen Teil der rechtlichen Beurteilung dar, für die jedoch als Beurteilungsbasis jeweils entsprechende Tatsachenfeststellungen - im Regelfall auf Basis eines Sachverständigengutachtens - getroffen werden müssen ( Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld 4 Rz 5.228, 5.230, 5.20).

Wenn das Erstgericht in Anlehnung an den in der Kinder-EinstV zugrunde gelegten, altersunabhängigen Zeitwert zu 3 Stunden monatlich für die Wartung und Reinigung des Beatmungsgerätes bei Maskenbeatmung (dreimal pro Woche à 15 Minuten) gelangt, ist das ein durchaus nachvollziehbarer Pflegeaufwand. Ein zeitlicher Unterschied zwischen der Reinigung und Wartung der Atemmaske eines Erwachsenen und eines Kindes ist nicht erkennbar. Deswegen bekämpft die beklagte Partei auch nicht die 3 Stunden monatlich der Höhe nach, sondern deren Berücksichtigung dem Grunde nach.

Rechnet man die 3 Stunden hinzu, ergibt sich einschließlich der von der beklagten Partei selbst zugestandenen 113 Stunden als Zwischenergebnis ein Pflegebedarf von 116 Monatsstunden.

3.2 Auch mit den vom Erstgericht berücksichtigten 10 Monatsstunden für die Handhabung der Hörgeräte ist die beklagte Partei nicht einverstanden und meint, es handle sich wie bei einer Brille um einen Gebrauchsgegenstand, dessen Reinigung vom Fixwert von 10 Stunden monatlich umfasst sei.

Dies wurde tatsächlich ursprünglich so vertreten ( Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld 3 Rz 515), ist aber im Hinblick auf die Kinder-EinstV überholt. Dadurch, dass § 5 Kinder-EinstV altersunabhängig einen Richtwert von 20 Minuten pro Tag für die Handhabung von Hörgeräten vorsieht, ist klargestellt, dass diese Tätigkeit auch bei Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr nicht unter die Hilfsverrichtung der Reinigung der persönlichen Gebrauchsgegenstände zu subsumieren und daher nicht von diesem Fixwert umfasst ist. Diese Tätigkeit ist vielmehr als Betreuungsbedarf mit dem tatsächlichen Aufwand zu berücksichtigen ( Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld 4 Rz 5.264).

Wie unter Punkt 3.1 bereits dargelegt, ist die Kinder-EinstV nicht analog anzuwenden, als Orientierungshilfe für die in der EinstV nicht aufgezählten Betreuungsleistungen aber durchaus geeignet. Bei Kindern steht zwar als Ursache für den Pflegebedarf das Erlernen eines umsichtigen und sorgsamen Umganges mit den empfindlichen Hörgeräten im Vordergrund (EB Kinder-EinstV 10), während beim Kläger der Hilfsbedarf daraus resultiert, dass es ihm aufgrund seiner Sensibilitätsstörungen in den Fingern und seiner Schulterprobleme an den „handwerklichen Fähigkeiten“ für das Hinein- und Herausgeben sowie das Reinigen vom Ohrenschmalz mangelt, allerdings ändert diese unterschiedliche Ursache nichts an der Pflegegeldrelevanz. Er kann die Hörgeräte nicht selbständig verwenden und ist daher auf fremde Hilfe angewiesen.

Durchaus etwas abzugewinnen ist der Ansicht der beklagten Partei, dass die Wartung beim Hörgeräte-Fachmann alle ein bis zwei Wochen von der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn abgedeckt wird, allerdings braucht dies im vorliegenden Fall nicht endgültig beantwortet zu werden. Jedenfalls besteht nämlich für die Handhabung und Reinigung der Hörgeräte ein Pflegebedarf von mehr als 4 Stunden monatlich. Rund 10 Minuten täglich sind auch unabhängig von einer normalen oder vermehrten Ohrenschmalzproduktion plausibel, sodass das Argument der beklagten Partei, dem Kläger sei eine Behandlung beim HNO-Facharzt zumutbar, ebenfalls auf sich beruhen kann.

Insgesamt liegt jedenfalls ein Pflegebedarf von mehr als 120 Stunden monatlich vor und daraus folgt ein Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 3. Somit ist das Ersturteil zu bestätigen.

4. Die ordentliche Revision ist nicht zuzulassen, da keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zur Lösung anstehen. Die sich aus der Kinder-EinstV ergebenden Wertungen zur Pflegegeldrelevanz der Handhabung und Wartung von Hörgeräten bzw. Beatmungsgeräten trifft auch auf Erwachsene zu. Welcher tatsächliche Pflegeaufwand monatlich anfällt, ist hingegen eine Frage des Einzelfalles.

Rechtssätze
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