JudikaturJustiz11R140/98d

11R140/98d – LG Linz Entscheidung

Entscheidung
16. April 1998

Kopf

Das Landesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Dr. Walter Engelberger als Vorsitzenden sowie Mag. Gerhard Hasibeder und Mag. Jutta Dorfner-Zohner als Beisitzer in der Rechtssache der kündigenden Partei P***** AG, ********** vertreten durch Dr. Georg Vetter, Rechtsanwalt in 1080 Wien, gegen die gekündigte Partei L*****gesmbH, ***** vertreten durch Hasch, Spohn, Richter Partner, Anwaltskanzlei KEG in 4020 Linz, wegen Aufkündigung, über den Kostenrekurs der gekündigten Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 12.3.1998, 11 C 214/98a-2, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der im übrigen als unbekämpft unberührt bleibt, wird in seinem Kostenpunkt dahingehend abgeändert, daß dieser zu lauten hat:

"Die kündigende Partei hat die Kosten ihrer Aufkündigung selbst zu tragen."

Die kündigende Partei ist schuldig, der gekündigten Partei binnen 14 Tagen die mit S 1.626,24 (darin enthalten S 271,04 USt) bestimmten Rekurskosten zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit der vorliegenden Aufkündigung begehrte die kündigende Partei als Mieterin, der gekündigten Partei aufzutragen, die im Haus *****, befindlichen Räume im ersten Obergeschoß samt Hofflächen zwecks Abstellung von KFZ unter Einhaltung der sechsmonatigen Kündigungsfrist binnen 14 Tagen nach dem 31.12.1998 geräumt zu übernehmen oder längstens binnen vier Wochen nach Zustellung des Beschlusses gegen die Aufkündigung Einwendungen zu erheben. Weiters verzeichnete die kündigende Partei Kosten nach TP 2 RAT in Höhe von insgesamt S 6.000,80.

Mit dem in seinem Kostenpunkt angefochtenen Beschluß bewilligte das Erstgericht die Aufkündigung und sprach der kündigenden Partei antragsgemäß Kosten von S 6.000,80 zu.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der rechtzeitige Rekurs - Einwendungen gegen die Aufkündigung wurden nicht erhoben - der gekündigten Partei mit dem Abänderungsantrag, den geltend gemachten Kostenersatzanspruch der kündigenden Partei als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise als unbegründet abzuweisen. Nach ständiger Rechtsprechung und Lehre würden die Grundsätze des § 41 ZPO nicht gelten, wenn die gerichtliche Aufkündigung ohne weiteres mangels Einwendungen rechtskräftig geworden sei; vielmehr habe der Aufkündigende seine Kosten selbst zu tragen.

Der Kostenrekurs ist im Sinne des Eventualantrages berechtigt.

Nach überwiegender älterer Rechtsprechung (MietSlg 9.260, 26.563, 29.597, 31.653f, 33.609) und Lehre (Petschek, Anmerkung zu ZBl 1928/46; ZBl 1928,142; Schuster-Bonnott, Österreichisches Zivilprozeßrecht, 4. Auflage, 488ff; Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, 562) besteht im Kündigungsverfahren, wenn der Kündigungsgegner keine Einwendungen erhebt, kein Kostenersatzanspruch seitens der kündigenden Partei; der Aufkündigende hat demnach seine Kosten des Kündigungsverfahrens selbst zu tragen.

Begründet wurde dieser Rechtsstandpunkt damit, daß das Kündigungsverfahren bis zur Erhebung von Einwendungen als außerstreitiges Verfahren anzusehen sei. Erst durch die Erhebung von Einwendungen werde das außerstreitige in ein streitiges Verfahren übergeführt. Bis zur Erhebung von Einwendungen sei das Kündigungsverfahren ein Ausdruck der vorbeugenden Rechtspflege, durch das spätere Streitigkeiten hintangehalten werden sollen, demnach ein außerstreitiges Verfahren (RdW 1987, 400ff). Schließlich deute auch die Tatsache, daß im Kündigungsverfahren in den §§ 560ff ZPO eine Kostenersatznorm - im Gegensatz zum Mahnverfahren - fehle, auf einen außerstreitigen Charakter hin, denn eine Kostenersatzpflicht sei dem Außerstreitverfahren grundsätzlich fremd.

Die Argumente gegen diese Rechtsansicht sind reichhaltig und wie das Rekursgericht schon in seiner Entscheidung vom 13.5.1996, 15 R 87/96m, ausgeführt hat, auch im wesentlichen zutreffend (vgl. auch MietSlg 47.597 = WR 725):

Vorweg ist festzuhalten, daß nach § 1 AußStrG nur dann im Außerstreitverfahren vorzugehen ist, wenn dies gesetzlich angeordnet wurde. Eine Norm, die den ersten Teil des Kündigungsverfahrens in das Außerstreitrecht verweist, existiert jedoch nicht. Weitere Argumente gegen die genannte Ansicht sind etwa auch in verschiedenen Besonderheiten des Außerstreitverfahrens zu sehen, die nach dem angeführten Rechtsstandpunkt auch im Kündigungsverfahren zur Anwendung kommen müßten. So müßte etwa gemäß § 44 JN iVm § 2 Abs. 2 Z 1 AußStrG die Unzuständigkeit von Amts wegen wahrgenommen werden und die beim unzuständigen Gericht eingebrachte Aufkündigung von Amts wegen an das zuständige Gericht weitergeleitet werden (vgl Petschek in ZBl 1928, 142ff mwB). Der Ansicht, das Bestandverfahren nach den §§ 560ff ZPO sei bis zur Erhebung von Einwendungen ein außerstreitiges Verfahren, kann daher nicht beigepflichtet werden. Auch mit dem Argument, daß die Tatsache des Fehlens einer Kostenersatznorm im Kündigungsverfahren in den §§ 560ff ZPO für einen außerstreitigen Charakter spricht, ist insofern nichts gewonnen, als § 40 Abs 2 ZPO anordnet, daß die allgemeinen Kostenersatzregeln der §§ 40ff ZPO zur Anwendung kommen, soweit keine besonderen Regelungen eine Ausnahme normieren (so auch WoBl 1988/84).

Die gerichtliche Kündigung ist daher richtigerweise ebenso wie die Mahn- bzw Mandatsklage ein Akt des streitigen Verfahrens, in dessen Rahmen die Vorschriften über den Kostenersatz (§§ 40ff ZPO) zur Anwendung kommen (Fasching, Lehrbuch, 2. Auflage, Rz 2140) und der Gesetzgeber schlicht davon ausgegangen ist, daß eine spezielle Kostenersatznorm nicht erforderlich ist (M. Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozeß, 188).

In Konsequenz dieser Rechtsmeinung vertritt daher ein Teil der Lehre (Simotta in RdW 1987, 404) den Standpunkt, daß der das Kündigungsverfahren Einleitende, wenn die Gegenpartei keine Einwendungen erhebe, einem voll obsiegenden Kläger gleichzusetzen sei und daher gemäß § 41 ZPO den vollen Ersatz seiner Prozeßkosten geltend machen könne (vgl. auch WoBl 1988/84; AnwBl 1995/5069, 518). Relativiert wird dieser Standpunkt von deren Vertretern nur durch Zugrundelegen des Grundgedankens des § 45 ZPO. So soll nach Simotta der Kündigungsgegner, der mit der Aufkündigung des Bestandverhältnisses ja einverstanden ist und daher zur kostspieligen gerichtlichen Aufkündigung keine Veranlassung gegeben hat, der Kostenersatzpflicht dadurch entgehen, daß er die Kündigung durch Nichterheben von Einwendungen in Rechtskraft erwachsen läßt, eine mit Beschluß aufgetragene Kostenersatzpflicht hingegen mit Rekurs anficht (RdW 1987, 404).

M. Bydlinski, aaO, 189, weist in Fortführung dieses Gedankens darauf hin, daß im Falle eines Kostenrekurses allerdings durch das Neuerungsverbot kaum ein Erfolg beschieden sein wird, und schlägt daher vor, eine ungünstige Kostenentscheidung so zu bekämpfen, daß formell Einwendungen erhoben werden, darin die Kündigung als Hauptbegehren anerkannt wird und gleichzeitig Tatsachen und Beweismittel dafür vorgebracht werden, daß man zur Erhebung der (kostspieligen) gerichtlichen Aufkündigung keine Veranlassung gegeben hat, weil man etwa vorher nie zur Vertragsaufhebung aufgefordert wurde, sehr wohl dazu aber bereit gewesen wäre.

Um die Frage des Kostenersatzes im Bestandverfahren vor Erhebung von Einwendungen - insbesondere wenn solche wie im vorliegenden Fall nicht erwartet werden können - einer billigen Lösung zuzuführen, sind daher zusätzliche Kriterien ins Treffen zu führen:

Die §§ 41ff ZPO stellen auf die im "Rechtsstreit" unterliegende Partei ab. Eine Kündigung ist, auch wenn sie gerichtlich erfolgt, eine Gestaltungserklärung und keine Klage. Obgleich die formellen Regeln des streitigen Verfahrens (Regelung innerhalb der ZPO) auf die Kündigung anzuwenden sind, liegt mit der Einbringung der Kündigung noch kein "Rechtsstreit" vor, sodaß vor Erhebung von Einwendungen die Kostenregelung der §§ 41ff ZPO grundsätzlich nicht anzuwenden ist (aM WoBl 1988/84; LG St. Pölten R 509/88; AnwBl 1995/5069, 518).

Allerdings sind nach den §§ 1117, 1118 ABGB Mieter bzw Vermieter bei bestimmten gravierenden Vertragsverletzungen berechtigt, vorzeitig das Vertragsverhältnis zu beenden und auf Übernahme bzw. Räumung des Bestandgegenstandes zu klagen. Eine solche Klage unterliegt unzweifelhaft den Regeln der §§ 41ff ZPO. Auch im Falle eines Versäumungsurteiles wird der Gegner kostenersatzpflichtig. Wäre somit ein Vertragspartner berechtigt, eine solche (kostenpflichtige) Klage einzubringen, so sind auf eine Kündigung, die auf einen der Gründe der §§ 1117f ABGB materiell gestützt wird, die Kostenregelungen der §§ 41ff ZPO anzuwenden, weil dem Kündigenden daraus, daß er das gelindere Mittel der Kündigung wählt, kostenrechtlich kein Nachteil erwachsen soll.

Das von Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 4 zu § 561 vorgeschlagene Kriterium eines Verstoßes gegen den Bestandvertrag als Grundlage der Kostenersatzpflicht wird dadurch konkretisiert und trägt den Bedenken Rechbergers Rechnung.

Da die Kostenersatzpflicht somit von der Behauptung von Umständen nach den §§ 1117f ABGB abhängig ist, ist sie jedenfalls dort ausgeschlossen, wo die Kündigung überhaupt nicht darauf beruht, daß ein Vertragspartner einen Kündigungsgrund gesetzt hat, wie dies in der Regel bei der Aufkündigung durch den Bestandnehmer - wie auch im vorliegenden Verfahren - der Fall ist.

Da eine Kostenersatzpflicht der gekündigten Partei aus all diesen Gründen nicht besteht, war in Stattgebung des Kostenrekurses auszusprechen, daß die kündigende Partei die Kosten ihrer Aufkündigung selbst zu tragen hat.

Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO, 11 RATG.

Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist ein Revisionsrekurs im Kostenpunkt jedenfalls unzulässig.

Rechtssätze
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