JudikaturJustiz11Os26/24v

11Os26/24v – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. April 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Novak als Schriftführer in der Strafsache gegen * O* wegen der Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen und im Verfahren zu dessen strafrechtlicher Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Dezember 2023, GZ 84 Hv 25/23w 143.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * O* zweier Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall StGB (I/A/ und I/B/), des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (I/C/), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 erster und zweiter Fall StGB (II/A/), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB (II/B/), der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (III/), der Vergehen pornographischer Darstellungen Minderjähriger nach §§ 15, 207a Abs 1 Z 1 StGB idF BGBl I 2017/117 (IV/), der Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (V/A/) und des Vergehens der Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 1 StGB (V/B) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (VI/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W*

I/ gegen eine andere Person eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar

A/ ab April 2016 bis 26. Juni 2022 gegen die am * 2006 geborene W*, somit gegen eine im genannten Zeitraum teilweise unmündige Person länger als ein Jahr hindurch, indem er ihr anfangs etwa monatlich, in weiterer Folge jedoch mehrmals monatlich mit der flachen Hand in das Gesicht und teils auch mit der Faust gegen die Oberarme oder in den Bauch schlug oder sie an den Oberarmen packte und schüttelte, wodurch es teilweise zu Verletzungen in Form von blauen Flecken am Körper und einer aufgesprungenen Lippe kam;

B/ ab September 2014 bis 26. Juni 2022, gegen die am * 2008 geborene K*, somit gegen eine unmündige Person länger als ein Jahr hindurch, indem er ihr in oftmaligen, zumindest einmal monatlichen, ab Mai 2021 mehrmals monatlichen Angriffen mit der flachen Hand in das Gesicht oder mit der Faust gegen den Bauch bzw Brustkorb oder sie mit einem Gürtel schlug bzw an den Oberarmen packte und schüttelte oder gegen die Wand drückte, wobei sich die Häufigkeit der Gewalt mit der Zeit steigerte und wodurch es teilweise zu Verletzungen in Form von Kratzern und Rötungen im Gesicht und blauen Flecken am Körper kam und ihr einmal auch mit dem Umbringen drohte, indem er nämlich äußerte, sie aus dem Fenster zu werfen, alle zu töten oder alle kaputt zu machen;

C/ ab Anfang 2020 bis April 2021 gegen Ki * , indem er ihr in oftmaligen, zumindest zweimal monatlichen Angriffen Haare ausriss, die Genannte mit der flachen Hand oder mit der Faust ins Gesicht oder gegen den Körper schlug, sie gegen den Kasten oder das Bett stieß, oder mit einem Regalbrett auf sie einschlug, wodurch es teilweise zu Verletzungen in Form von blauen Flecken kam und sie zumindest zweimal mit einem Messer mit dem Zufügen einer Verletzung am Körper bedrohte;

II/ nachgenannte Personen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs bzw einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei die Taten jeweils eine schwere Körperverletzung der Genannten zur Folge hatte, und zwar

A/ im Sommer 2016 oder 2017 P*, indem er sich auf sie legte, sie an den Händen festhielt und ihr die Hose hinunterzog, sie an Schultern und Armen festhielt, ihre Beine auseinander drückte und sie mit seinem Penis vaginal penetrierte, wobei die Tat eine Schwangerschaft der Genannten, eine Störung der Persönlichkeitsentwicklung (F 60.8) und eine posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1) verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung zur Folge hatte;

B/ im Oktober oder November 2020 W*, indem er ihr die Kleidung vom Körper riss, sie an den Armen packte und ins Schlafzimmer zog und ihr mehrfach mit der Faust ins Gesicht schlug und zumindest einen Finger in ihre Scheide einführte und mit seinem Penis dazu ansetzte, in ihre Vagina einzudringen, wobei die Tathandlung eine schwere Störung der seelischen und emotionalen Entwicklung (F 60.8) und eine posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1) verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung zur Folge hatte;

III/ mit einer unmündigen Person den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen und zwar

A/ mit der am * 2004 geborenen P*, durch die zu Punkt II/A/ genannte Tathandlung;

B/ mit der am * 2006 geborenen W* zwischen 2019 und 22. April 2020, indem er ihr in einer Vielzahl an Angriffen auf die bereits entwickelte nackte Brust, das Gesäß bzw die nackte Scheide griff und jeweils zumindest dazu ansetzte, einen Finger in ihre Scheide einzuführen;

IV/ in einer nicht mehr näher feststellbaren Mehrzahl von Angriffen zwischen 2018 und 2022 pornographische Darstellungen minderjähriger Personen (§ 207a Abs 4 StGB) herzustellen versucht, indem er seine minderjährigen Töchter P * und W * heimlich mit seinem im Badezimmer versteckten Mobiltelefon beim Duschen aufnahm, um sie beim Masturbieren zu filmen;

V/ mit einer mit ihm in gerader Linie verwandten Person, nämlich jeweils seiner leiblichen Tochter, den Beischlaf

A/ vollzogen, und zwar mit der am * 2004 geborenen P*

1/ durch die in Punkt II/A/ genannte Tathandlung;

2/ zu nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkten im Jahr 2021 in vier Angriffen, indem er vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr durchführte;

B/ zu vollziehen versucht, und zwar mit der am * 2006 geborenen W* durch die in Punkt II/B/ genannte Tathandlung;

VI/ mit seiner leiblichen minderjährigen Tochter, sohin einer mit ihm in absteigender Linie verwandten Person, eine geschlechtliche Handlung vorgenommen und zwar

A/ mit P*

1/ durch die in Punkt II/A/ genannte Tathandlung;

2/ durch die in Punkt V/A/2/ genannten Tathandlungen;

B/ mit W*

1/ durch die in Punkt II/B/ genannten Tathandlungen;

2/ durch die in Punkt III/B/ genannten Tathandlungen;

3/ von 23. April 2020 bis Frühsommer 2022, indem er ihr in mehreren Angriffen auf die bereits entwickelte nackte Brust, das Gesäß bzw die nackte Scheide griff und einen Finger in ihre Scheide einführte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die vom Angeklagten auf § 281 Abs 1 Z 3, 4 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 3 iVm § 228 Abs 1 StPO) liegt ein nichtigkeitsbegründender Ausschluss der Öffentlichkeit schon deshalb nicht vor, weil die Urteilsverkündung laut dem unbeanstandet gebliebenen Protokoll (und nach dem Beschwerdevorbringen selbst) noch (12 Minuten) vor dem – behaupteten – Versperren des Gerichtsgebäudes um 15:30 Uhr begonnen hatte (ON 143.1 S 24) und es nicht erforderlich ist, allen potentiellen Zuhörern während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung oder Urteilsverkündung ein uneingeschränktes Betreten (und Verlassen) des Verhandlungssaals zu ermöglichen. Vielmehr kann schon zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Gerichtssaal (§ 233 Abs 1 StPO) der Zutritt auf Zeitpunkte wie den Aufruf der Hauptverhandlung, Aufrufe von Zeugen und Sachverständigen sowie Unterbrechungen der Hauptverhandlung beschränkt werden (RIS-Justiz RS0128996; Danek/Mann , WK-StPO § 228 Rz 5). Im Übrigen bestand mit Blick auf die Ausschreibung der Hauptverhandlung (nur) „voraussichtlich bis 15:00 Uhr“ (ON 138.1) kein plausibler Grund, warum Zuhörer erst nach 15:30 Uhr Zugang zur Hauptverhandlung suchen sollten (vgl 15 Os 7/16t).

[5] Die Behauptung, die Öffentlichkeit sei nach Erörterung des Gutachtens der psychiatrischen Sachverständigen nicht wiederhergestellt worden, ist akten fremd (ON 143.1 S 20), weswegen darauf (Z 3) nicht einzugehen ist (vgl dazu im Übrigen RS0098132, RS0098176).

[6] Der Antrag (Z 4) auf ergänzende Vernehmung der Zeugin G* C* und Vernehmung der D* M* „zum Beweis der Tatsache, dass die Töchter des Angeklagten hier eine Absprache getroffen haben, um den Angeklagten aus der Familie zu drängen, dies zum Beweis der Tatsache, dass er unschuldig ist“, wobei die beiden Zeuginnen „Wahrnehmungen“ hätten, „dass dies so sei“ (ON 143.1 S 22), war sinnfällig auf eine im Hauptverfahrensstadium unzulässige Erkundungsbeweisführung (RIS Justiz RS0118123, RS0099353) gerichtet und verfiel daher zu Recht der Abweisung.

[7] Aus welchem Grund die Feststellungen zur vorsätzlichen Verwirklichung des Grundtatbestands der Vergewaltigung (US 10, 12) sowie zur Kausalität der Tatfolgen (Schwangerschaft, schwere Körperverletzung [US 10 f, 12 f]; siehe auch US 37) die rechtliche Unterstellung unter § 201 Abs 1, Abs 2 erster und zweiter Fall (II/A/) bzw § 201 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB (II/B/) nicht zulassen sollten (vgl auch RIS Justiz RS0089253, RS0089151), legt die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht dar.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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