JudikaturJustiz10ObS118/12v

10ObS118/12v – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. September 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Sommer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Mag. Stephan Podiwinsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Kostenerstattung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Mai 2012, GZ 10 Rs 172/11d 14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. September 2011, GZ 8 Cgs 165/11x 10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters die mit 185,76 EUR (darin enthalten 30,96 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 25. 9. 2009 geborene Sohn der Klägerin K***** leidet an einer angeborenen polyzystischen Nierendegeneration, Kavernom rechts, Parieto re occipital und St.p. Pyelonephrititis mit Urosepsis. Diese Erkrankung erfordert eine laufende Überwachung und Messung des Blutdrucks, um die Verabreichung von Medikamenten dosieren zu können. Bei einem Kleinkind wie dem Sohn der Klägerin ist die Verwendung von herkömmlichen Blutdruckmessgeräten nicht möglich. Der den Sohn der Klägerin behandelnde Arzt verschrieb daher am 3. 3. 2010 ein Blutdruckmessgerät „Dinamap RR“, mit dem auch beim Kleinkind der Blutdruck gemessen werden kann. Dieses Blutdruckmessgerät war zur Behandlung des Sohnes der Klägerin zweckmäßig bzw ausreichend und überstieg nicht das Maß des Notwendigen. Das Erfordernis der Verwendung dieses Blutdruckmessgeräts ist auch derzeit noch aufrecht und wird auch in der Zukunft solange weiter bestehen, bis aufgrund des Wachstums des Sohnes der Klägerin ein herkömmliches Blutdruckmessgerät eingesetzt werden kann.

Nach der ärztlichen Verordnung des Blutdruckmessgeräts für ihren Sohn im März 2010 entschied sich die Klägerin, das Gerät im Hinblick auf die Höhe der Anschaffungskosten von ca 3.200 EUR nicht zu kaufen, sondern zu mieten. Dafür fielen für den Zeitraum vom 11. 3. 2010 bis 31. 3. 2011 Mietkosten in Höhe von 2.173,32 EUR (inklusive 20 % USt) an. Aufgrund eines Ansuchens der Klägerin leistete die beklagte Partei im Jahr 2010 einen Zuschuss in Höhe von 411 EUR, sodass von der Klägerin letztlich Kosten in Höhe von 1.762,32 EUR selbst zu zahlen waren. Aufgrund der dringenden Empfehlung des behandelnden Arztes mietete die Klägerin aufgrund einer Verordnung dieses Arztes ab 12. 8. 2011 neuerlich ein solches Blutdruckmessgerät, wofür wiederum Kosten anfallen werden, welche von der Klägerin jedoch bisher noch nicht zu bezahlen waren.

Die beklagte Gebietskrankenkasse sprach mit Bescheid vom 16. 6. 2011 aus, dass der Klägerin für das für ihren Sohn am 3. 3. 2010 ärztlich verordnete Blutdruckmessgerät der satzungsmäßige Höchstzuschuss von 411 EUR bewilligt worden sei und ein darüber hinausgehender Kostenzuschuss abgelehnt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage mit dem Begehren auf Feststellung, dass die beklagte Partei der Klägerin die bisher entstandenen und die für die Dauer der ärztlichen Verordnung noch entstehenden Mietkosten für das verordnete Blutdruckmessgerät zu ersetzen habe. Hilfsweise wurde ein Zahlungsbegehren über 1.762,32 EUR für die bisher entstandenen Mietkosten des Blutdruckmessgeräts und ein weiteres Feststellungsbegehren hinsichtlich der ab 31. 3. 2011 noch entstehenden (weiteren) Mietkosten gestellt. Die Klägerin begründete ihr Begehren im Wesentlichen damit, dass die Ermittlung des Blutdruckwerts bei ihrem Sohn erforderlich sei, um die zur Blutdruckstabilisierung verordneten Medikamente richtig dosieren zu können. Das Blutdruckmessgerät diene somit als Grundlage zur Bestimmung der Medikamentendosierung der Sicherung des Heilerfolgs. Es sei daher kein Heilbehelf, sondern ein Heilmittel, wofür es keine Höchstbetragsgrenze gebe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens im Wesentlichen mit der Begründung, beim Blutdruckmessgerät handle es sich nicht um ein Heilmittel, sondern um einen Heilbehelf. Nach § 137 Abs 5 ASVG dürfe das Ausmaß der vom Versicherungsträger zu übernehmenden Kosten eines Heilbehelfs den durch die Satzung der beklagten Partei festgelegten Höchstbetrag von 411 EUR nicht überschreiten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht im Ergebnis dahin, dass das Blutdruckmessgerät einen Heilbehelf darstelle, weshalb der sich aus § 137 Abs 5 ASVG iVm § 28 Abs 1 Z 1 der Satzung der beklagten Partei ergebende Höchstbetrag von 411 EUR nicht überschritten werden dürfe. Da sich das Klagebegehren nur auf einen darüber hinausgehenden Betrag richte, sei es nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass es sich beim Blutdruckmessgerät um einen Heilbehelf iSd § 137 ASVG und nicht um ein Heilmittel iSd § 136 ASVG handle. Durch dieses Gerät werde keine Heilung im Sinne einer Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder Sicherung des Heilerfolgs herbeigeführt, sondern es werde damit die eigentliche Heilbehandlung (durch die Feststellung des Blutdrucks zur exakten Dosierung der erforderlichen Medikation) nur vorbereitet. Das Blutdruckmessgerät erfülle daher nur eine Hilfsfunktion des Heilerfolgs, sodass es als Heilbehelf iSd § 137 ASVG zu qualifizieren sei. Da von der beklagten Partei der nach ihrer Satzung der Höhe nach unstrittige Höchstbetrag (§ 137 Abs 5 ASVG iVm § 28 Abs 1 Z 1 der Satzung) ohnedies bereits ausbezahlt worden sei, erweise sich das Klagebegehren insgesamt als nicht berechtigt. Es müsse daher auch nicht näher darauf eingegangen werden, ob und in welchem Ausmaß ein rechtliches Interesse der Klägerin am primär gestellten Feststellungsbegehren bestehe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu der über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage, ob ein spezielles Blutdruckmessgerät für Kleinkinder zur Feststellung der Dosierung einer erforderlichen Medikation als Heilmittel iSd § 136 ASVG oder als Heilbehelf iSd § 137 ASVG zu beurteilen sei, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Stattgebung des Hauptbegehrens, in eventu des Eventualbegehrens.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht in ihrem Rechtsmittel im Wesentlichen geltend, das Blutdruckmessgerät sei ein sonstiges Heilmittel iSd § 136 Abs 1 lit b ASVG, weil es zur Dosierung der Medikamente unabdingbar notwendig sei. Die korrekte Messung des Blutdrucks sei notwendiger Bestandteil der heilenden Wirkung und diene somit der Sicherung des Heilerfolgs. Nach der Rechtsprechung sei das Vorliegen eines „sonstigen“ Heilmittels nicht ausgeschlossen, wenn es nicht unmittelbar am Körper appliziert werde. Nach dem maßgebenden Zweck der gesetzlichen Regelung umfasse die abstrakte Definition der sonstigen Heilmittel in § 136 Abs 1 lit b ASVG auch ein für die richtige Dosierung eines Medikaments unabdingbar notwendiges Blutdruckmessgerät. Als Alternative käme nur eine wesentlich teurere Heilbehandlung in einem Krankenhaus, welches über die notwendigen Messgeräte verfüge, in Betracht. Das ASVG wäre lückenhaft, wenn der Krankenversicherungsträger nicht verpflichtet wäre, zur Krankenbehandlung aus medizinischer Sicht unverzichtbare Geräte zur Verfügung zu stellen bzw diese Kosten zu ersetzen. In diesem Fall müsste geprüft werden, ob das ASVG den Grundrechten und der Verfassung genüge.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 133 Abs 1 ASVG ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe. Voraussetzung für das Gebühren von Leistungen der Krankenbehandlung ist das Vorliegen einer Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn. Krankheit ist ein regelwidriger Körper oder Geisteszustand, der eine Krankenbehandlung notwendig macht (§ 120 Abs 1 Z 1 ASVG). Die Heilmittel umfassen nach § 136 ASVG die notwendigen Arzneien (lit a) und die sonstigen Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolgs dienen (lit b). § 137 ASVG regelt die Versorgung mit Heilbehelfen, ohne diesen Begriff jedoch näher zu definieren. Das Gesetz nennt nur beispielsweise Brillen, orthopädische Schuheinlagen und Bruchbänder. § 154 ASVG regelt die Versorgung mit Hilfsmitteln bei körperlichen Gebrechen. Hilfsmittel sind Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Verstümmelung, Verunstaltung oder einem Gebrechen verbundene körperliche oder psychische Beeinträchtigung zu mildern oder zu beseitigen.

2. Das ASVG unterscheidet somit deutlich zwischen Leistungen, die im Krankheitsfall erbracht werden (ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe) und Leistungen bei körperlichen Gebrechen (Hilfsmittel). In diesem Sinne ist daher die Unterscheidung zwischen Heilbehelfen (§ 137 ASVG) und Hilfsmitteln (§ 154 ASVG) nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre danach zu treffen, ob der Behelf (im konkreten Anwendungsfall) dem Heilungszweck dient (Heilbehelf) oder ob er erst nach Abschluss des Heilungsprozesses (als Hilfsmittel) zum Einsatz kommt (vgl Binder in Tomandl , SV System, 21. Erg Lfg 244; RIS Justiz RS0109537 ua).

3. Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien nicht strittig, dass das Blutdruckmessgerät aufgrund bestehender Krankheit (und nicht eines Gebrechens) des Sohnes der Klägerin verordnet wurde und daher Zwecken der Krankenbehandlung dient. Strittig ist lediglich die Frage, ob das Blutdruckmessgerät als Heilmittel (§ 136 ASVG) oder als Heilbehelf (§ 137 ASVG) zu qualifizieren ist.

3.1 Heilmittel sind nach der Rechtsprechung (vgl RIS Justiz RS0083917) die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolgs dienenden Mittel einschließlich gewisser außerhalb der ärztlichen Tätigkeit liegender äußerlicher Einwirkungen auf den (menschlichen) Körper. Das Kernstück der Heilmittel bilden Arzneien. Das sind Mittel, die im Wesentlichen auf den inneren Organismus wirken, indem sie diesem in geeigneter Weise zugeführt werden oder örtliche Erkrankungen der Haut oder Schleimhäute beeinflussen (RIS Justiz RS0083921). Die „sonstigen Heilmittel“ iSd § 136 Abs 1 lit b ASVG umfassen die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder der Sicherung des Heilerfolgs dienenden anderweitigen Mittel einschließlich Verbandmittel und Verbandstoffe sowie äußerliche Einwirkungen auf den Körper wie Einreiben, Massieren, Elektrotherapie, Diathermie, Elektroschock, alle balneologischen und hydrotherapeutischen Maßnahmen, die nicht den Besuch eines eigenen Kurortes bedingen. Es sind also jene Heilmittel, die keine notwendigen Arzneien sind, aber wie diese zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolgs dienen (10 ObS 52/96, SSV NF 10/30 = ZAS 1998/3, 42 [ Offenberger ] = DRdA 1997/3, 22 [ Mazal ] ua; RIS Justiz RS0083917; Teschner/Pöltner , MGA ASVG 116. Erg Lfg Anm 2 zu § 136 ua).

3.2 Von den Heilmitteln sind die Heilbehelfe (§ 137 ASVG) zu unterscheiden. Die Bestimmung des § 137 ASVG bietet keine Definition der „Heilbehelfe“, sondern begnügt sich mit einer beispielsweisen Aufzählung (Brillen, orthopädische Schuheinlagen und Bruchbänder). Es ist daher nach der Rechtsprechung jeweils zu prüfen, ob ein bestimmtes, dem Versicherten verordnetes Mittel dem Sprachgebrauch nach einen „Behelf“ darstellt und den gesetzlichen Beispielen zwanglos zugeordnet werden kann. Auch hier sind aber nur solche Behelfe gemeint, die der Heilung, Linderung oder Verhütung von Verschlimmerungen der Krankheit dienen (vgl Schober in Sonntag , ASVG 3 § 137 Rz 1 mwN; RIS Justiz RS0109536).

4. Wie bereits zu Punkt 3.1 dargelegt wurde, erfordern auch die sonstigen Heilmittel iSd § 136 Abs 1 lit b ASVG eine Einwirkung auf den Körper. Das Blutdruckmessgerät wirkt nach den zutreffenden Ausführungen der beklagten Partei in ihrer Revisionsbeantwortung jedoch nicht auf den Körper des Sohnes der Klägerin ein, sondern dient lediglich dazu, dessen Blutdruck zu messen, um in der Folge die notwendigen Medikamente richtig dosieren zu können. Es ist somit Sinn und Zweck des Gerätes, die eigentliche Medikation zu fördern und vorzubereiten. Das Blutdruckmessgerät stellt daher im gegenständlichen Fall schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch lediglich einen „Behelf“ dar, welcher der eigentlichen Medikation unterstützend dient. Das Blutdruckmessgerät des Sohnes der Klägerin wurde daher von den Vorinstanzen zutreffend als Heilbehelf iSd § 137 ASVG und nicht als sonstiges Heilmittel iSd § 136 Abs 1 lit b ASVG qualifiziert.

5. Soweit die Revisionswerberin gegen diese Beurteilung ins Treffen führt, dass die korrekte Messung des Blutdrucks notwendiger Bestandteil der heilenden Wirkung der Medikamente sei und somit eindeutig der Sicherung des Heilerfolgs diene, ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob das Blutdruckmessgerät dem Heilungszweck dient, für die hier ohnedies nicht strittige Frage der Abgrenzung zwischen Heilmittel und Heilbehelfen einerseits und Hilfsmittel bei körperlichen Gebrechen andererseits relevant ist. Während die Gewährung von Heilmitteln und Heilbehelfen im Rahmen der Krankenbehandlung dem Heilungszweck dient, kommt die Gewährung eines Hilfsmittels bei körperlichen Gebrechen nach der bereits zitierten ständigen Rechtsprechung erst nach Abschluss des Heilungsprozesses in Betracht.

5.1 Die von der Revisionswerberin für ihren Rechtsstandpunkt zitierte Entscheidung 10 ObS 311/00h (= SSV NF 14/145) hatte, wie auch die Revisionswerberin selbst einräumt, die Frage der Eignung eines Thermalbades als sonstiges Heilmittel und die Abgrenzung von Sachmitteln, die dem Bereich der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen sind, zum Gegenstand. Die Revisionswerberin kann sich aber auch nicht mit Erfolg auf die weiters von ihr zitierte Entscheidung 10 ObS 52/96 (= SSV NF 10/30) berufen, da in dieser Entscheidung lediglich ausgesprochen wurde, dass es sich bei dem damals ärztlich verschriebenen und injizierten Medikament Ukrain jedenfalls der Art nach um eine Arznei und nicht um ein sonstiges Heilmittel gehandelt habe. Soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang inhaltlich ganz offensichtlich auf die Entscheidung 10 ObS 62/89 (= SSV NF 3/68), in der bei einer an Hausstaubmilbenallergie leidenden Klägerin ein Desinfektionsmittel für Einrichtungsgegenstände als sonstiges Heilmittel anerkannt wurde, Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass dieses Desinfektionsmittel zwar nicht am oder im menschlichen Körper angewendet wird, es jedoch die krankheitsverursachenden Hausstaubmilben abtötet und insofern eine Einwirkung auf den Körper erfolgt.

5.2 Die von der Revisionswerberin weiters relevierte Frage, ob ihr Sohn alternativ zur Verwendung des Blutdruckmessgeräts im Krankenhaus behandelt werden müsste, ist für die hier allein strittige Frage der Abgrenzung von Heilmittel und Heilbehelf nicht entscheidend.

6. In der Lehre wird zur Frage der Abgrenzung zwischen Heilmitteln und Heilbehelfen auch teilweise die Auffassung vertreten, dass als Heilmittel jene Sachmittel anzusehen seien, deren Gebrauch gleichzeitig ihr Verbrauch sei, als Heilbehelfe hingegen jene durch den Heilzweck geprägten Sachmittel, deren bestimmungsgemäßer Gebrauch nicht im Verbrauch liegt (vgl Naderhirn in der Entscheidungsbesprechung in DRdA 2004/22, 263 mwN). Auch nach dieser Auffassung wäre das gegenständliche Blutdruckmessgerät als Heilbehelf iSd § 137 ASVG zu qualifizieren.

7. Die beklagte Partei, die nach § 137 Abs 1 ASVG dem Versicherten für sich und seine Angehörigen sonstige notwendige Heilbehelfe in einfacher und zweckentsprechender Ausführung nach Maßgabe der weiteren Absätze dieser Gesetzesstelle zu gewähren hat, hat der Klägerin den ihr nach der Satzung der beklagten Partei zustehenden Höchstbetrag in der unstrittigen Höhe von 411 EUR (§ 137 Abs 5 ASVG iVm § 28 Abs 1 Z 1 der Satzung) bereits ausbezahlt, weshalb die Klägerin nach § 137 ASVG keinen Anspruch auf Übernahme höherer Kosten durch den beklagten Versicherungsträger hat.

8. Wenn die Revisionswerberin gegen dieses Ergebnis schließlich noch ins Treffen führt, das ASVG sei lückenhaft, wenn der Krankenversicherungsträger nicht verpflichtet sei, zur Krankenbehandlung aus medizinischer Sicht unverzichtbare Geräte zur Verfügung zu stellen bzw diese Kosten zu ersetzen, und es müsse daher in diesem Fall geprüft werden, ob das ASVG den Grundrechten und der Verfassung genüge, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Krankenversicherung nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet ist, dem Versicherten alle denkbaren und medizinisch möglichen Leistungen als Sachleistungen ohne Zuzahlungen zu erbringen (vgl 10 ObS 231/03y, SSV NF 17/116 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs).

Der Revision musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Klägerin auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt, entspricht es der Billigkeit, der in angespannten Einkommens und Vermögensverhältnissen lebenden Klägerin die Hälfte ihrer Kosten im Revisionsverfahren zuzusprechen. Diese Kosten waren der Klägerin auf der Basis der von ihr verzeichneten Bemessungsgrundlage von 3.600 EUR zuzusprechen, da nach § 77 Abs 2 ASGG bei der Festsetzung des Kostenersatzanspruchs des Versicherten in Rechtsstreitigkeiten, die wie im vorliegenden Fall (unter anderem) eine Feststellung zum Gegenstand haben, von einem Betrag von 3.600 EUR auszugehen ist. Die beklagte Partei hat als Versicherungsträger iSd § 77 Abs 1 Z 1 ASGG die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens selbst zu tragen.

Rechtssätze
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