JudikaturJustiz10Bs127/13t

10Bs127/13t – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
07. Juni 2013

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Wiesinger als Vorsitzenden, Mag. Koller und Mag a Hemetsberger in der Strafsache gegen Dr. S***** H***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung als Beteiligte nach §§ 33 Abs 1 und 11 dritte Alternative FinStrG über die Beschwerde des Ing. Mag. M***** V***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 16. April 2013, 47 Hv 102/11t-47, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss ersatzlos aufgehoben.

Text

Begründung:

Mit in der Hauptverhandlung vom 16. April 2013 eingeschränkter Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 15. April 2011 (ON 6) wird Dr. S***** H***** vorgeworfen, in Salzburg als Bauherrin im Zusammenhang mit Bauarbeiten an ihrem Einfamilienhaus vorsätzlich durch Unterzeichnen von fingierten Eigenleistungsbestätigungen unter gleichzeitiger Barzahlung des auf den Bestätigungen ausgewiesenen Betrages und Bezahlung eines weiteren Betrages von EUR 5.000,00 ohne Bestätigung sowie dadurch, dass sie die Rechtsanwaltskosten des Scheidungsverfahrens von Ing. Mag. M***** V***** mit seinen Forderungen ohne Erstellung von Ausgangsrechnungen und Erfassung dieser Umsätze in der Buchhaltung verrechnete, dazu beigetragen, dass Ing. V***** betriebliche Leistungserlöse verschleierte und dadurch als Einzelunternehmer im Bereich des Finanz amtes S***** vorsätzlich unter Verletzung der abgaben rechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Umsatz- und Einkommenssteuererklärungen für die Jahre 2002 und 2003 bescheidmäßig festzusetzende Abgaben, und zwar Umsatzsteuer in Höhe von EUR 9.750,00 und Einkommenssteuer in Höhe von EUR 17.239,00, insgesamt sohin EUR 26.989,00 verkürzt und dadurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung als Beteiligte nach §§ 33 Abs 1 und 11 3. Alternative FinStrG begangen zu haben.

In der Hauptverhandlung vom 16. April 2013 verweigerte der als Zeuge vernommene Ing. Mag. M***** V***** mit Blick auf das beim Landesgericht Salzburg zu 47 Hv 97/11g gegen ihn behängende, sich derzeit im Stadium des Hauptverfahrens befindende und unter anderem den gegenständlich gegen Dr. S***** H***** inkriminierten Sachverhalt ihm als unmittelbaren Täter anlastende Finanzstrafverfahren seine Aussage.

Mit dem angefochtenen Beschluss verhängte der Erstrichter nach Belehrung über die Pflichten eines Zeugen und die Möglichkeiten der Durchsetzung dieser Pflichten mittels Beugemittel über Ing. Mag. M***** V***** gemäß §§ 154 Abs 2 und 93 StPO eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,00. In Ansehung seiner im Ermittlungsverfahren zu 47 Hv 97/11g des Landesgerichtes Salzburg im Umfang des Dr. S***** H***** betreffen den Sachverhaltskomplexes geständigen Verantwortung (vgl Aussagen vom 18. März, 6. Mai und 2. Juni 2009 jeweils vor der Finanzstrafbehörde erster Instanz [AS 54, 74 und 79 in ON 2]) stünde nach Ansicht des Erstgerichtes das Aussageverweigerungsrecht nach § 157 Abs 1 Z 1 StPO trotz Widerrufes dieser Angaben im dortigen Hauptverfahren mangels über dieses Geständnis hinausgehender Selbstbelastungsgefahr nicht zu.

Die dagegen (fristgerecht) erhobene Beschwerde Ing. Mag. M***** V*****, welcher auch die Oberstaatsanwaltschaft Linz beitrat, ist im Recht.

Rechtliche Beurteilung

§ 157 Abs 1 Z 1 StPO billigt unter anderem jenen Zeugen ein Entschlagungsrecht zu, die sich im Zusammenhang mit einem gegen sie geführten Strafverfahren der Gefahr aussetzen würden, sich über ihre bisherige Aussage hinaus selbst zu belasten, ohne dass insoweit zwischen gerichtlicher und kriminalpolizeilicher Vernehmung unterschieden würde. Einem Zeugen, der bei seiner vorangegangenen kriminalpolizeilichen Vernehmung als Beschuldigter ein Geständnis abgelegt hat, steht daher in diesem Umfang kein Entschlagungsrecht nach § 157 Abs 1 Z 1 StPO zu. Dasselbe gilt für Vernehmungen durch die Finanzstrafbehörden im Dienste der Strafrechtspflege, weil diese insoweit der Kriminalpolizei gleichgestellt sind und in diesem Fall nach der StPO tätig werden (§§ 195 Abs 1, 196 Abs 1 FinStrG). Angesichts der im Rahmen kriminalpolizeilicher Vernehmungen geltenden Garantien der §§ 50, 164 StPO kann die bisherige differenzierende Judikatur (RIS-Justiz RS0114130, RS0113809) zu § 152 Abs 1 Z 1 StPO aF nicht aufrecht erhalten werden (15 Os 105/10w; Fabrizy, StPO 11 § 157 Rz 5; Seiler, Strafprozessrecht 12 Rz 375; Nimmervoll, RZ 2009, 51; aA Kirchbacher in WK-StPO § 157 Rz 7).

Die bisherige Rechtsprechung zu § 152 Abs 1 Z 1 StPO schloss ein Aussage verweigerungsrecht nur für den Fall einer nicht widerrufenen selbstbelastenden Aussage aus (14 Os 50/02; Ratz JBl 2000, 291, Punkt VIII.3.). Daran ändert der nach den Gesetzesmaterialien (EBRV Strafprozessreformgesetz XXII GP 25 d.B. S 203) grundsätzlich am bisherigen Verständnis des § 152 Abs 1 Z 1 StPO festhaltende § 157 Abs 1 Z 1 StPO nichts (Nimmervoll aaO; EBRV Strafprozessreformgesetz aaO; Bertel/Venier, Einführung in die neue StPO², Rz 351, welche selbst die keine Zeugenvernehmung darstellende, sondern "formlos" iSd § 159 Abs 2 StPO abgegebene Erklärung des Zeugen, die früher gemachten selbstbelastenden Angaben nun widerrufen zu wollen, zur Aussageverweigerung berechti gend ansehen).

Damit billigte das Erstgericht dem sich im gegen ihn geführten Finanzstrafverfahren zu 47 Hv 97/11g des Landesgerichtes Salzburg anlässlich der Beschuldigtenvernehmungen vor der Finanzstrafbehörde erster Instanz am 18. März, 6. Mai und 2. Juni 2009 (AS 54, 74 und 79 in ON 2) zu dem hier inkriminierten Sachverhalt zunächst geständig verantwortenden, diese Angaben jedoch in der Folge widerrufenden Beschwerdeführer das Aussagever weigerungsrecht nach § 157 Abs 1 Z 1 StPO irrig nicht zu und belastet diesen demnach eine Nichterfüllung seiner ihm durch die StPO grundsätzlich auferlegten – durch Beugemittel iSd § 93 Abs 2 und 4 StPO durchsetzbaren - (aktiven) Handlungs- und Mitwirkungspflicht iSd § 154 Abs 2 StPO gerade nicht.

Es war sohin der angefochtene Beschluss ersatzlos aufzuheben.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.

Rechtssätze
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