JudikaturJustiz10Bs121/24f

10Bs121/24f – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
24. April 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag a . Haas und Mag a . Tröster in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde der B* mbH gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 2. April 2024, GZ 14 Hv 60/23s-131, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass Punkt 2. des angefochtenen Beschlusses ersatzlos aufgehoben wird.

Aus Anlass der Beschwerde wird die Wortfolge „ nämlich im C* “ aus Punkt 1. des angefochtenen Beschlusses ausgeschaltet.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit dem in der Haftverhandlung am 2. April 2024 verkündeten Beschluss (ON 131) wurde – soweit hier relevant –

1. gemäß § 438 StPO iVm § 516 (zweiter) Abs 11 StPO „die vorläufige Unterbringung des A*, geboren am **, derzeit in Untersuchungshaft in der Justizanstalt Graz-Jakomini, in einem forensisch-therapeutischen Zentrum, nämlich im C*, aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a StPO angeordnet“, und

2. „das C* [...] verpflichtet, den Angeklagten aufzunehmen und für die erforderliche Sicherung der Person Sorge zu tragen.“

Dagegen richtet sich die Beschwerde der B* mbH, die eine Abänderung des Beschlusses in der Form anstrebt, dass im Punkt 1. des angefochtenen Beschlusses die Wortfolge „ nämlich im C*“ und der 2. Beschlusspunkt zur Gänze zu entfallen haben; in eventu soll der Beschluss aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen wird (ON 137.1)

Die Oberstaatsanwaltschaft gab dazu keine Stellungnahme ab.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist im Rahmen ihrer Zulässigkeit im Ergebnis erfolgreich.

Zur Rechtsmittelbefugnis:

Gemäß § 87 Abs 1 StPO steht – soweit hier relevant – neben der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten auch jeder anderen Person, der durch den Beschluss unter anderem unmittelbar Pflichten entstehen, Beschwerde an das Rechtsmittelgericht, soweit das Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt, zu.

Die B* mbH ist unter der ** im Firmenbuch eingetragen. Ihre Tätigkeit umfasst die Errichtung und den Betrieb von Landeskrankenanstalten im Land Steiermark unter anderem des C*, sowie deren Führung.

Insoweit durch den 2. Punkt des angefochtenen Beschlusses eine Einrichtung der B* mbH verpflichtet wird, A* aufzunehmen und für die erforderliche Sicherung seiner Person Sorge zu tragen, entstehen dieser Pflichten, weshalb ihr (nur) in diesem Umfang Rechtsmittelbefugnis zukommt (zum Ganzen siehe Tipold in WK StPO § 87 Rz 12ff).

Zur Beschwerde:

Ist der Betroffene einer strafbaren Handlung dringend verdächtig und liegen hinreichend Gründe für die Annahme, dass die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 oder 2 StGB gegeben seien, sowie einer der im § 173 Abs 2 „und 6“ (entfallen, BGBl I 2023/1 (VfGH]) StPO angeführten Haftgründe vor, so ist gemäß § 431 Abs 1 StPO der Betroffene vorläufig in einem forensisch-therapeutischen Zentrum unterzubringen. Befindet sich der Betroffene – wie hier – bereits in Untersuchungshaft, so hat das Gericht gemäß § 430 Abs 1 Z 4 zweiter Satz StPO von Amts wegen über die vorläufige Unterbringung zu entscheiden.

Der Ort der vorläufigen Unterbringung bestimmt sich nach § 432 StPO. Danach hat diese in einem forensisch-therapeutischen Zentrum zu erfolgen. Sie kann in einer öffentlichen Krankenanstalt für Psychiatrie oder in einer öffentlichen Krankenanstalt mit einer Abteilung für Psychiatrie erfolgen, wenn dies zweckmäßig ist und der Betroffene dort angemessen behandelt und betreut werden kann. Die öffentlichen Krankenanstalten für Psychiatrie und die öffentlichen Krankenanstalten mit einer Abteilung für Psychiatrie sind verpflichtet, den Betroffenen aufzunehmen und für die erforderliche Sicherung seiner Person zu sorgen. Nach Abs 2 leg cit ist der Betroffene in einem dem zuständigen Gericht möglichst naheliegenden, geeigneten forensisch-therapeutischen Zentrum unterzubringen. Näheres bestimmt die Bundesministerin für Justiz durch Verordnung. Sie kann im Einzelfall den Vollzug in einem anderen forensisch-therapeutischen Zentrum oder in einer anderen öffentlichen Krankenanstalt für Psychiatrie oder einer anderen öffentlichen Krankenanstalt mit einer Abteilung für Psychiatrie anordnen, wenn dies im Interesse des Betroffenen oder zur Erreichung des Unterbringungszwecks geboten ist. Beantragt der Betroffene eine Änderung des Unterbringungsortes, so hat die Bundesministerin für Justiz darüber binnen vier Wochen zu entscheiden.

Für das Gericht ergibt sich somit die gesetzliche Anordnung den einer strafbaren Handlung dringend Verdächtigen, bei dem hinreichende Gründe für die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 Abs 2 StGB und eines Haftgrundes nach § 173 Abs 2 StPO vorliegen, in einem forensisch-therapeutischen Zentrum vorläufig unterzubringen. Eine darüberhinausgehende Entscheidungsbefugnis, in welcher Einrichtung die Unterbringung konkret zu vollziehen ist, ergibt sich aus den Bezug habenden gesetzlichen Bestimmungen nicht. Die Determinierung im Hinblick auf die in Frage kommende Einrichtung, deren örtliche Situierung und die Kostentragung wird im § 432 Abs 1 und 2 StPO vorgenommen und die Entscheidung im Allgemeinen aber auch im Einzelfall in diesem Umfang der Bundesministerin für Justiz und damit den Vollzugsbehörden zugewiesen (§ 432 Abs 2 StPO).

Wenn in der Beschwerde auch der im Beschluss zitierte § 438 StPO idF BGBl I 2014/71, der nach der Übergangsbestimmung des § 516 (zweiter) Abs 11 StPO auf Betroffene nach § 21 Abs 2 bis zum 28. Februar 2017 anzuwenden sei, zur Untermauerung des eigenen Standpunkts herangezogen wird, überzeugt diese Argumentation nicht:

Liegen nach § 438 aF StPO „hinreichende Gründe für die Annahme, dass die Voraussetzungen der §§ 21 Abs 2 oder 22 StGB gegeben seien, und Haftgründe (§ 173 Abs 2 und 6 StPO) vor, kann der Beschuldigte aber nicht ohne Schwierigkeiten in der Justizanstalt eines Landesgerichts angehalten werden, so ist mit Beschluss anzuordnen, dass die Untersuchungshaft durch vorläufige Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher oder in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher zu vollziehen ist“ (1.Satz).

Gemäß § 438 StPO aF konnte die Untersuchungshaft in Fällen des § 21 Abs 2 StGB statt in einer Justizanstalt des Landesgerichts (§ 183 Abs 1 StPO) durch vorläufige Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher vollzogen werden. Seit Inkrafttreten des Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetzes 2022 am 1. März 2023 sind Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft allerdings (auch) in den Fällen des § 21 Abs 2 StGB unzulässig (§ 430 Abs 1 Z 4 StPO), erforderlichenfalls sind Betroffene – wie bereits dargestellt – in einem forensisch-therapeutischen Zentrum vorläufig unterzubringen (§ 431 StPO). Damit ist der von § 438 StPO idF BGBl I 2014/71 eröffneten (und in der Beschwerde vertretenen) Option die Grundlage entzogen. Der im Einführungserlass des Bundesministeriums für Justiz vom 28. Februar 2023 zum Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022 (GZ 2023-0.073.577,17) vertretenen Ansicht zuwider erlaubt die Übergangsbestimmung des „Abs 11“ des § 516 StPO eine (weitere) vorläufige Unterbringung von Betroffenen nach § 21 Abs 2 StGB in gerichtlichen Gefangenenhäusern daher nicht (idS auch Ropper in WK StPO § 516 Rz 14).

Damit ist (nur) die vorläufige Unterbringung des Betroffenen durch das Gericht zu beschließen. Da die Auswahl der konkreten Einrichtung, in welcher die vorläufige Unterbringung zu erfolgen hat, in die Entscheidungskompetenz der Bundesministerin für Justiz bzw der Vollzugsbehörden fällt, ist die Beschwerde jedoch im Ergebnis in ihrer Kritik am Beschlusspunkt 2. berechtigt und dieser ersatzlos aufzuheben.

Zur amtswegigen Maßnahme

Inhalt des 1. Punkts des Beschlusses ist die vorläufige Unterbringung des A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum. Insoweit kommt der Beschwerdeführerin kein Anfechtungsrecht zu. Der erfolgten Nennung des C*, kommt – nach den obigen Ausführungen – in diesem Zusammenhang lediglich deklarativer Charakter zu. Insoweit wird weder Vollzugsort determiniert; noch die Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Beschlusspunkt verpflichtet, jedoch sieht sich das Rechtsmittelgericht aus Anlass der Beschwerde veranlasst, dies klarzustellen und die das C*, bezeichnende Wortfolge aus dem 1. Punkt des Beschlusses auszuschalten.

Der Ausschluss eines weiteren Rechtszugs gründet auf § 89 Abs 6 StPO.

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen