JudikaturBvwgW239 2279566-1

W239 2279566-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
23. April 2024

Spruch

W239 2279566-1/5E

W239 2279563-1/6E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX geb. XXXX , beide StA. Syrien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 27.09.2023 und 2.) vom 28.09.2023 zu den Zahlen XXXX und XXXX zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Beim Erstbeschwerdeführer ( XXXX ) und dem Zweitbeschwerdeführer ( XXXX ) handelt es sich um volljährige Brüder; beide gaben an, syrische Staatsangehörige zu sein, und stellten hier am 20.08.2023 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Zu beiden Beschwerdeführern liegen zu Bulgarien je folgende EURODAC-Treffer vor:

- EURODAC-Treffer der Kategorie 1 (Asylantragstellung) vom 03.08.2023

2. Im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag (20.08.2023) gab der Erstbeschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er sei bereits im Jahr 2014 in die Türkei gegangen. Von dort sei er letztlich gemeinsam mit seinen Eltern, zwei Brüdern und drei Schwestern nach Österreich gereist. Ein weiterer Bruder würde in Deutschland leben; dessen Status und näherer Aufenthalt sei ihm nicht bekannt. In Österreich oder in einem anderen EU-Staat habe er keine Familienangehörigen mit Status, sondern nur die bereits erwähnten mitgereisten Angehörigen. Zudem gab er an, an keinen Krankheiten oder Beschwerden zu leiden, die ihn an der Einvernahme oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden.

Den Entschluss zur Ausreise habe der Erstbeschwerdeführer im Jahr 2014 gefasst. Sein Zielland sei Deutschland gewesen, weil er dort Verwandte habe. Der Erstbeschwerdeführer sei aus Syrien in die Türkei gereist, wo er sich ca. neun Jahre aufgehalten habe. Von dort aus sei er nach Bulgarien gelangt, wo er sich ca. einen Monat aufgehalten habe. Anschließend sei er etwa vier Tage in Serbien gewesen, bevor er über Ungarn am 20.08.2023 nach Österreich gelangt sei. In Bulgarien habe er am 03.08.2023 um Asyl angesucht. In welchem Stadium sich sein Verfahren bei seiner Ausreise aus Bulgarien befunden habe, wisse er nicht; er habe auch keine Unterlagen. Anschließend erstattete der Erstbeschwerdeführer ein Vorbringen zu seinen Fluchtgründen.

Der Zweitbeschwerdeführer gab in seiner Erstbefragung am selben Tag (20.08.2023) im Wesentlichen das Gleiche wie der Erstbeschwerdeführer an. Insbesondere machte er übereinstimmende Angaben bezüglich seiner familiären Verhältnisse in Österreich sowie im Ausland, seiner Reiseroute sowie der Asylantragstellung in Bulgarien am 03.08.2023. Anschließend erstattete der Zweitbeschwerdeführer ein Vorbringen zu seinen Fluchtgründen.

3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 29.08.2023 betreffend beide Beschwerdeführer je ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien, bezog sich auf die vorliegenden EURODAC-Treffer und führte die Angaben der Beschwerdeführer zu ihren familiären Verhältnissen ins Treffen

Mit Schreiben vom 01.09.2023 stimmte Bulgarien jeweils der Wiederaufnahme der Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO ausdrücklich zu.

4. Am 26.09.2023 wurde der Erstbeschwerdeführer vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu Beginn an, dass er an keinen schwerwiegenden Krankheiten leide. Es gehe ihm gesundheitlich gut. Die Angaben, die er bei der Erstbefragung gemacht habe, seien alle wahr; er erhalte diese aufrecht und wolle keine Korrekturen anführen. Abgesehen davon, dass er mit seiner gesamten Familie nach Österreich gereist sei, habe er keinen Bezug zu Österreich.

Zur geplanten Vorgehensweise, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und ihn aufgrund der vorliegenden Zustimmung Bulgariens dorthin außer Landes zu bringen, entgegnete der Erstbeschwerdeführer, dass er auf keinen Fall nach Bulgarien zurückwolle. Es seien im zwangsweise die Fingerabdrücke abgenommen worden. Sein Zielland sei immer Österreich gewesen, da ihm dies empfohlen worden sei. Am Weg sei er gemeinsam mit einer Schwester und einem Bruder aufgegriffen und in der Folge inhaftiert worden. Anzeige habe er nicht erstattet. Er sei insgesamt nur ein Monat in Bulgarien gewesen.

Auch der Zweitbeschwerdeführer wurde am 26.09.2023 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Zu seinem Gesundheitszustand, seinen Angaben in der Erstbefragung und seiner familiären Situation machte er die gleichen Angaben wie der Erstbeschwerdeführer. Außer seiner mit ihm gereisten gesamten Familie habe er keinen Bezug zu Österreich. Er sei gemeinsam mit einer Schwester und einem Bruder vorausgereist. Der Rest der Familie sei sodann in Serbien getroffen worden und fortan sei die weitere Reise gemeinsam gemacht worden.

Zur geplanten Vorgehensweise, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und ihn aufgrund der vorliegenden Zustimmung Bulgariens dorthin außer Landes zu bringen, entgegnete der Zweitbeschwerdeführer, dass er in Bulgarien gezwungen worden sei, seine Fingerabdrücke abzugeben.

5. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des BFA vom 27.09.2023 und vom 28.09.2023 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO für die Prüfung ihrer Anträge auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Bulgarien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Bulgarien traf das BFA Feststellungen anhand der Länderinformationen der Staatendokumentation zu Bulgarien aus dem COI-CMS (Stand: 21.08.2023); diese liegen mittlerweile in einer aktualisierten Version vor (Stand: 29.09.2023).

Begründend führte das BFA aus, dass Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO für die inhaltliche Prüfung der gestellten Anträge auf internationalen Schutz zuständig sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 sei nicht erschüttert worden. Dass die Beschwerdeführer an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit leiden würden, sowie, dass sie hier weder familiäre noch sonstige enge soziale Anknüpfungspunkte hätten, die sie in Österreich binden würden, ergebe sich aus ihren Angaben und werde festgestellt. Sie seien alleine illegal nach Österreich eingereist. Berücksichtigungswürdigen privaten oder familiären Bezug in Österreich hätten sie nicht. Die Überstellung der Beschwerdeführer nach Bulgarien verletze weder Art. 3 EMRK noch Art. 8 EMRK.

6. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer durch ihre Vertretung, die BBU GmbH, fristgerecht - inhaltlich gleichlautende - Beschwerden und regten gleichzeitig an, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

Zusammengefasst vorgebracht wurde, dass das Ermittlungsverfahren vor dem BFA mangelhaft gewesen sei. Es sei nicht ausreichend geprüft worden, ob eine Überstellung der Beschwerdeführer nach Bulgarien aufgrund der aktuellen Lage in Bulgarien zumutbar sei.

Als ergänzendes Vorbringen wurde angeführt, dass die hygienischen Bedingungen und die Versorgung in Bulgarien sehr schlecht seien. Die Zimmer seinen überfüllt gewesen und die Beschwerdeführer seien gemeinsam mit Kriminellen untergebracht gewesen. Der Erstbeschwerdeführer würde in Bulgarien auch eineinhalb Jahre in Haft kommen und wolle keinesfalls nach Bulgarien zurück. Zudem würde eine Verbringung der Beschwerdeführer nach Bulgarien eine familiäre Trennung von der Restfamilie bedeuten. Die Beschwerdeführer würden bei ihrer Familie in Österreich bleiben wollen; dass die Familie eine unterschiedliche Fluchtroute genommen habe, bedeute nicht, dass sie nunmehr getrennt werden sollten. Darüber hinaus sei eine Verbringung der Beschwerdeführer nach Bulgarien zwingend mit einer menschenunwürdigen Unterbringung und Versorgung verbunden, wie sich aus den aktuellen Länderberichten ergeben würde. Eine Außerlandesbringung würde die Beschwerdeführer in ihren Rechten nach Art. 2, Art. 3 und Art. 8 EMRK verletzten. Aufgrund systemischer Mängel im bulgarischen Asylverfahren wäre das BFA verpflichtet gewesen, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO Gebrauch zu machen.

7. Die Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht erfolgte am 13.10.2023; die Rechtssachen wurden gemäß der Geschäftsverteilung der Gerichtsabteilung W239 zugewiesen.

Da die gegenständlichen Rechtssachen derselben Gerichtsabteilung zugeteilt wurden, es sich bei den Beschwerdeführern um zwei volljährige Brüder handelt, beide zum selben Zeitpunkt in Österreich illegal einreisten und zahlreiche Verknüpfungen in den zugrundeliegenden Sachverhalten bzw. Vorbringen bestehen, waren die gegenständlichen Beschwerdeverfahren gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.

8. Laut Mitteilung des BFA vom 15.01.2024 (OZ 4), wurde der Erstbeschwerdeführer am 11.01.2024.nach Bulgarien überstellt.

Laut Mitteilung des BFA vom 19.02.2024 (OZ 4), wurde der Zweitbeschwerdeführer am 13.02.2024.nach Bulgarien überstellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer, beide syrische Staatsangehörige, reisten gemeinsam illegal in das Bundesgebiet ein und stellten hier am 20.08.2023 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Zuvor waren sie aus einem Drittstaat (Türkei) kommend in Bulgarien eingereist und hatten dort am 03.08.2023 um internationalen Schutz angesucht. Die Beschwerdeführer haben das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens drei Monate verlassen.

Das BFA richtete am 29.08.2023 betreffend beide Beschwerdeführer je auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO gestützte Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien, welchen Bulgarien mit Schreiben vom 01.09.2023 gemäß dieser Bestimmung ausdrücklich zustimmte.

Der Erstbeschwerdeführer wurde am 11.01.2024 und der Zweitbeschwerdeführer wurde am 13.02.2024 nach Bulgarien überstellt.

Anhand der aktuellsten Version der Länderinformationen der Staatendokumentation zu Bulgarien (Stand: 29.09.2023) werden folgende Feststellungen getroffen (unkorrigiert):

Allgemeines zum Asylverfahren

Zuständig für das erstinstanzliche Asylverfahren (Registrierung und Bearbeitung der Anträge, Unterbringung der Asylwerber, Dublin-Verfahren und COI) ist die Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (State Agency for Refugees with the Council of Ministers, SAREF) (SAREF 2023).

Für fremdenpolizeiliche Belange (u. a. legale Migration, permanente Aufenthaltsgenehmigung, Staatenlose, Staatsbürgerschaftsvergabe, Aufenthalt zur Arbeitsaufnahme, Bekämpfung der illegalen Migration, Kontrolle des legalen Aufenthalts im Inland, Identifizierung, Zwangsmaßnahmen, Rückkehrverfahren) ist die Direktion Migration (MD) des Innenministeriums zuständig. Auch Rückkehrentscheidungen werden nicht durch SAREF getroffen, sondern durch MD, Direktion der nationalen Polizei oder Direktion der Grenzpolizei (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023).

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 3.2023).

(…)

Das reguläre Verfahren beginnt mit dem Asylantrag, entweder bei SAREF direkt (Registrierung des Antrags innerhalb von 3 Tagen) oder vor einer anderen Behörde (Registrierung des Antrags innerhalb von 6 Tagen). Nach der Registrierung wird der Antragsteller eine Befragung unterzogen. Die Entscheidung soll binnen 6 Monaten erfolgen. Die Rechtsmittelfrist beträgt 14 Tage und es gibt 2 Beschwerdeinstanzen. Im beschleunigten Verfahren werden offensichtlich unbegründete Asylanträge behandelt. Eine Entscheidung soll binnen 14 Tagen ab Registrierung erfolgen. Die Rechtsmittelfrist beträgt 7 Tage. Ein Folgeantrag wird zuerst binnen 14 Tagen auf Zulässigkeit geprüft. Die Rechtsmittelfrist beträgt auch hier 7 Tage (SAREF 2023). Die instabile politische Lage und ein Wechsel an der Spitze von SAREF im Jahr 2022 haben bei vielen Verfahren zu monatelangen Verzögerungen geführt, von denen die meisten syrischen Antragsteller betrafen (AIDA 3.2023).

Ablauf des regulären Verfahrens (Kurzdarstellung):

(…)

Ablauf des beschleunigten Verfahrens (Kurzdarstellung):

(…)

Laut bulgarischer Gesetzgebung wird das beschleunigte Verfahren nur durchgeführt, wenn die im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen (Art. 13, Abs. 1 Asyl- und Flüchtlingsgesetz) erfüllt sind (der Antrag ist kein Antrag auf internationalen Schutz; die vorgebrachten Gründe sind nicht ausreichend; es wird versucht, die Behörde betreffend Fluchtgeschichte, Identität oder Schutzbedarf zu täuschen; es wird versucht, durch den Asylantrag z.B. eine Außerlandesbringung zu verhindern; es fehlt der Bedarf für internationalen Schutz wegen der ruhigen Lage im Herkunfts- oder Drittstaat). Das Gesetz erfordert, dass im beschleunigten Verfahren im Voraus festzustellen ist, dass keine Gründe für die Zuerkennung eines Schutztitels vorliegen, bevor er als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden kann. Es ist unzulässig, die Ablehnung des Antrags im beschleunigten Verfahren nur auf einen spezifischen Grund zu stützen. Es ist verpflichtend, dass die Behörde den Antrag, im Kontext der allgemeinen Grundlagen für die Gewährung einer der beiden Formen des internationalen Schutzes, geprüft hat und ihre Notwendigkeit grundsätzlich ablehnt. Im Rahmen des beschleunigten Verfahrens gelten sämtliche Verfahrensgarantien. Dennoch ist es auf unbegleitete Minderjährige nicht anwendbar. Für die Unterbringung gelten laut Auskunft von SAREF auch im beschleunigten Verfahren die üblichen gesetzlichen Bestimmungen (VB 7.8.2023).

Laut Asyl- und Flüchtlingsgesetz (Art. 23 Abs. 2) haben Personen, die in Bulgarien internationalen Schutz suchen, Anspruch auf den Erhalt von Rechtshilfe gemäß geltendem Rechtshilfegesetz, das in Art. 22 Abs. 2 vorsieht, dass Personen, die internationalen Schutz suchen oder diesen bereits erhalten haben oder aber Fremde, die temporären Schutz genießen, Anspruch auf kostenlose Rechtshilfe betreffend Beratung und Vorbereitung vor einem Verfahren, sowie betreffend Vertretung in außergerichtlichen Verfahren (Vertretung im Verwaltungsstrafverfahren, im Verfahren über die Ausstellung eines individuellen Verwaltungsaktes, im Verfahren über die Anfechtung eines individuellen Verwaltungsaktes, im Schiedsgerichtsverfahren und im Mediationsverfahren) haben. In Art. 29 Abs. 1 des Asyl- und Flüchtlingsgesetzes wird festgehalten, dass im Verfahren der Fremde das Recht auf einen Übersetzer oder Dolmetscher hat (VB 16.9.2023).

Gemäß den Bestimmungen des Art. 67 Abs. 1, Asyl- und Flüchtlingsgesetz, werden die administrativen Zwangsmaßnahmen Entziehung des Aufenthaltsrechts, Rückkehr, Ausweisung und Einreiseverbot bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens nicht vollstreckt. Laut Art. 2 werden die administrativen Zwangsmaßnahmen nach Abs. 1 aufgehoben, wenn dem Fremden Asyl oder internationaler Schutz gewährt wurde. Abs. 3 sieht vor, dass Absatz 1 und Absatz 2 nicht angewendet werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass der Schutzsuchende oder Schutzberechtigte eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt oder schon einmal rechtskräftig wegen der Begehung eines schweren Verbrechens verurteilt wurde, welches eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt. Laut Auskunft der bulgarischen Asylbehörde SAREF wird daher, unter Bedachtnahme auf das Obige, bei einem Asylverfahren die bereits verhängte administrative Maßnahme Rückkehr bis zur Beendigung des Verfahrens mit einem rechtskräftigen Bescheid nicht vollstreckt. Das gilt auch für das beschleunigte Verfahren (VB 16.9.2023).

Bulgarien kennt folgende Schutzformen: Asyl (ist ein politisch durch den Präsidenten vergebener Schutztitel), internationaler Schutz (1. Flüchtlingsstatus und 2. subsidiärer Schutz) und temporärer Schutz (wird durch den Ministerrat bei außergewöhnlichen Ereignissen vergeben). 2022 gab es in Bulgarien 20.407 Asylanträge (16% unbegleitete Minderjährige; Syrien: 8.598, Afghanistan: 7.164, Marokko: 1.721, Ukraine: 1.313, Irak: 656) und 4.373 positive Entscheidungen, 444 negative Entscheidungen, 14.474 beendete Verfahren (terminated) (SAREF 2023).

Der Trend, sich dem Verfahren zu entziehen, ist immer noch feststellbar. In diesem Fall ergeht eine Entscheidung in Abwesenheit. Alle anderen erhalten die Entscheidung persönlich. Viele legen ein Rechtsmittel ein. Im letzteren Fall bleiben sie im Zentrum. Erst wenn eine abschließende Entscheidung vorliegt, werden sie der Direktion Migration zur Schubhaft übergeben (BFA/Staatendokumentation 19.4.2023). 2022 haben sich 46% der Antragsteller (14.474 von 31.592) dem Verfahren entzogen. Dies war ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 26% im Jahr 2021 und 39% im Jahr 2020, aber immer noch niedriger als 83% im Jahr 2019 (AIDA 3.2023).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2023): Bulgarian Helsinki Committee (BHC, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Bulgaria; 2022

- Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/03/AIDA-BG_2022update.pdf, Zugriff 16.5.2023

- BFA/Staatendokumentation [Österreich] (18.4.2023): Protokoll Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023

- BMI - Bundesministerium für Inneres [Österreich] (28.4.2023): Bericht zum Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023, per E-Mail

- SAREF - State Agency for Refugees [Bulgarien] (2023): Präsentation: General Overview of the Bulgarian Asylum System (präsentiert im Zuge des Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023 von BMI und BFA), per E-Mail

- VB - Verbindungsbeamter des BMI für Bulgarien [Österreich] (7.8.2023): Auskunft Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (SAREF) [Asylbehörde, Bulgarien]; Arbeitsübersetzung des VB-Büros, sowie vom BFA beauftragte Übersetzung des Gerichtsdolmetschers, per E-Mail

- VB - Verbindungsbeamter des BMI für Bulgarien [Österreich] (16.9.2023): Auskunft Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (SAREF) [Asylbehörde, Bulgarien]; vom BFA beauftragte Übersetzung des Gerichtsdolmetschers, per E-Mail

Dublin-Rückkehrer

Wenn bei einem Dublin-Rückkehrer der Antrag beendet (terminated) oder inhaltlich abgelehnt (rejected) und in Abwesenheit zugestellt wurde, wird er bei Rückkehr nach Bulgarien als irregulärer Migrant betrachtet. Im Falle einer Beendigung kann er eine Wiedereröffnung seines Verfahrens beantragen. Wenn der Antrag des Rückkehrers inhaltlich abgelehnt wurde und eine Zustellung der Entscheidung in Abwesenheit erfolgt ist, wird der Dublin-Rückkehrer jedenfalls festgenommen. Er kann dann einen neuen Asylantrag stellen, welcher als Folgeantrag gilt und dessen Zulässigkeit SAREF entscheiden muss (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023).

Das Asyl- und Flüchtlingsgesetz (Law on Asylum and Refugees; LAR) legt keine Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Staates fest, sondern verweist lediglich auf die Kriterien, die in der Dublin-Verordnung aufgeführt sind (AIDA 2.2022).

Dublin-Rückkehrer aus anderen Mitgliedstaaten werden prinzipiell am Zugang zum bulgarischen Hoheitsgebiet nicht gehindert (AIDA 3.2023). Vor der Ankunft der Dublin-Rückkehrer informiert SAREF die Grenzpolizei über die erwartete Ankunft und gibt an, ob der Überstellte in ein Aufnahmezentrum oder in eine Schubhafteinrichtung überstellt werden soll. Diese Entscheidung hängt davon ab, in welcher Phase sich das Asylverfahren des Dublin-Rückkehrers befindet (AIDA 3.2023; vgl. BFA/Staatendokumentation 18.4.2023). (Siehe dazu auch das Kap. Versorgung/Dublin-Rückkehrer, Anm.)

Die Zahl der Dublin-Anfragen an Bulgarien hat sich 2022 erhöht, der Prozentsatz der tatsächlich durchgeführten Überstellungen ist aber gering:

(…)

Die Staaten vertraten 2021 unterschiedliche Standpunkte zu Überstellungen nach Bulgarien. In einigen Staaten, wie Rumänien und den Niederlanden, sind sowohl die Behörden als auch die Richter, die über Rechtsmittel entscheiden, der Meinung, dass Überstellungen stattfinden können. Im Gegensatz dazu treffen die belgischen Behörden keine Überstellungsentscheidungen nach Bulgarien und führen sie auch nicht aus. Die französischen Behörden haben die Zahl der Überstellungsanträge nach Bulgarien stark erhöht und sogar eine Überstellung von vier afghanischen Staatsangehörigen inmitten eines Berufungsverfahrens vollzogen. Obwohl einige Verwaltungsgerichte argumentieren, dass es in Bulgarien systembedingte Mängel gibt, insbesondere für Afghanen angesichts der sehr niedrigen Asylanerkennungsquote, werden solche Entscheidungen häufig von den Verwaltungsberufungsgerichten gekippt. In Italien haben Richter sowohl in Turin als auch in Rom entschieden, dass in Bulgarien ein reales Risiko unmenschlicher und erniedrigender Behandlung besteht, und zwar aufgrund von Mängeln im nationalen Asylsystem, wie z.B. die zwangsweise Einreiseverweigerung, niedrige Asylanerkennungsquoten und gravierende Mängel bei den Aufnahme- und Unterstützungsdiensten. Die österreichische Rechtsprechung ist uneinheitlicher: Obwohl eine Überstellung für besonders schutzbedürftige Antragsteller insbesondere wegen der Lebensbedingungen in Bulgarien und der realen Gefahr extremer materieller Härten gerichtlich abgelehnt wurde, bestätigte dasselbe Gericht weniger als zwei Monate später die Überstellung eines alleinstehenden erwachsenen Mannes und vertrat die Auffassung, dass das bulgarische Asylsystem zwar verbesserungswürdig sei, aber dem EU-Recht entspreche (ECRE 9.2022).

Im Jahr 2022 haben die Gerichte in Dublin-Staaten sowie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte weiterhin die Aussetzung von Dublin-Überstellungen nach Bulgarien in Bezug auf bestimmte Kategorien von Asylwerbern, aufgrund schlechter materieller Bedingungen und des Mangels an angemessenen Garantien für die Rechte der betroffenen Personen, angeordnet. In Deutschland vertrat das Verwaltungsgericht Ansbach die Auffassung, dass die Bedingungen, die Dublin-Überstellte in Bulgarien erwarten, keine systembedingten Schwächen aufweisen. Das Gericht setzte jedoch die Überstellung aus. Das Verwaltungsgericht Köln stellte fest, dass die Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung sowohl für Asylwerber als auch für Schutzberechtigte bestehe. In Bezug auf Asylwerber wies das Gericht auf systemische Mängel im gesamten Asylsystem hin, die ein reales Risiko für alle Personen darstellen, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt zu sein. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat die Überstellung afghanischer Staatsangehöriger nach Bulgarien aufgrund grundlegender Mängel des Asylverfahrens speziell für afghanische Staatsangehörige (extrem niedrige Anerkennungsquoten, Diskriminierung und Nutzung der Türkei als sicheres Drittland) sowie aufgrund allgemeiner systemischer Mängel aufgehoben. In zwei Fällen aus dem Jahr 2022 stellte das slowenische Verwaltungsgericht fest, dass die Antragsteller angesichts der Aufnahme- und Haftbedingungen im Land, der niedrigen Schutzquoten für Afghanen und Iraker, usw. eine begründete Vermutung für Systemmängel vorgebracht hatten. In der Schweiz wies das Bundesverwaltungsgericht die Fälle von zwei afghanischen Staatsangehörigen, die eine Rückführung von Bulgarien nach Afghanistan befürchteten, an das Staatssekretariat für Migration (SEM) zurück. Obwohl es die Mängel im bulgarischen Asylsystem nicht als systemische Mängel ansah, stellte es fest, dass im Fall der afghanischen Staatsangehörigen nicht absehbar sei, ob die Prüfung des Asylantrags mit ausreichenden Garantien gegen Refoulement geprüft werde. Ähnliches gilt im Fall eines Asylwerbers mit PTSD. Gerichte in allen europäischen Ländern haben jedoch auch 2022 häufig Dublin-Überstellungen nach Bulgarien bestätigt (AIDA 3.2023).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2023): Bulgarian Helsinki Committee (BHC, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Bulgaria; 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/03/AIDA-BG_2022update.pdf, Zugriff 16.5.2023

- BFA/Staatendokumentation [Österreich] (18.4.2023): Protokoll Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023

- ECRE – European Council on Refugees and Exiles (9.2022): The implementation of the Dublin III Regulation in 2021, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/09/AIDA_Dublin-Update-2021.pdf, Zugriff 2.5.2023

Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Das bulgarische Asylgesetz definiert als vulnerable Gruppen: Kinder, unbegleitete Minderjährige (UM), Behinderte, Alte, Schwangere, alleinstehende Elternteile mit minderjährigen Kindern, Opfer von Menschenhandel, Personen mit ernsthaften Gesundheitsproblemen, psychischen Störungen oder Opfer von Vergewaltigung, Folter oder Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt. Ende 2020 wurde durch Gesetzesänderungen eine obligatorische Vulnerabilitätseinschätzung und Bedarfsanalyse eingeführt, die von den Sozialexperten von SAREF durchzuführen ist und auf deren Basis individuelle Unterstützungspläne vorzuschlagen sind. Im Jahr 2022 fehlte eine ordnungsgemäße Vulnerabilitätseinschätzung und Identifizierung bei 33% der Fälle und auch die Bedarfsanalyse für Antragsteller mit festgestellter Vulnerabilität erfolgte eher sporadisch. In keiner Entscheidung wurde die festgestellte Vulnerabilität in der erstinstanzlichen Entscheidung berücksichtigt. Im Falle unbegleiteter Minderjähriger wurden die obligatorischen Sozialberichte von der Agentur für Sozialhilfe zwar verfasst, aber meist nicht an die Entscheider im Asylverfahren weitergegeben. Dennoch führten die Bemühungen um die Identifizierung von Vulnerabilität zu einem deutlichen Anstieg der Zahl der Asylwerber, bei denen besondere Bedürfnisse oder Gefährdungen formell anerkannt wurden. Während dies im Jahr 2019 797 Asylwerber, im Jahr 2020 1.259 und im Jahr 2021 3.928 Asylwerber betraf, stieg die Zahl im Jahr 2022 auf 5.482 als vulnerabel eingestufte Personen (27% aller Neuantragsteller; davon 3.348 unbegleitete Minderjährige) (AIDA 3.2023).

NGOs spielen weiterhin eine Schlüsselrolle bei der frühzeitigen Erkennung und Bewertung von Vulnerabilität bei Antragstellern und ihrer Überweisung und entsprechenden Behandlung. Die NGOs sind auf bestimmte Gruppen und Themen spezialisiert, z.B. Armut (Rotes Kreuz; Rat der Flüchtlingsfrauen, Caritas Sofia); Gesundheit und Behinderungen (Rotes Kreuz); geistige und psychische Probleme (Zentrum Nadya) und unbegleitete Minderjährige (Bulgarisches Helsinki Komitee) (AIDA 3.2023).

SAREF-Sachbearbeiter sind nicht verpflichtet, eine Altersfeststellung anzufordern, es sei denn, es bestehen Zweifel daran, dass die Person minderjährig ist. Das Gesetz gibt nicht vor, welche Methode der Altersfeststellung anzuwenden ist. Standardverfahren ist aber das Handwurzelröntgen, weil man davon ausgeht, dass diese Methode genauer ist als eine psychosoziale Untersuchung. Das Oberste Verwaltungsgericht betrachtet diesen Test jedoch nicht als verbindlich und wendet das Günstigkeitsprinzip an, wie auch vom Asylgesetz vorgesehen. Die Altersbeurteilung kann nicht mit einer separaten Beschwerde angefochten werden. 2022 führte SAREF in 33 Fällen Altersfeststellungen durch, wobei in 5 Fällen (15%) die Antragsteller als volljährig eingestuft wurden, während dies im Jahr 2021 bei 80% der durchgeführten Altersbeurteilungen der Fall war (AIDA 3.2023).

Ende 2020 wurde die Verpflichtung zur Vertretung von unbegleiteten Minderjährigen im Asylverfahren und auch nach der Anerkennung, von den Gemeinden zum nationalen Büro für Rechtshilfe verlagert, um die fehlenden Vormunde zu substituieren und eine geeignete rechtliche Vertretung sicherzustellen. Im Jahr 2022 hat sich der Zeitraum bis zur Bestellung eines Rechtsvertreters für UM auf durchschnittlich 2 Wochen verkürzt, da SAREF nun direkten Zugriff auf das Computersystem des Nationalen Büros für Rechtshilfe hat. Insgesamt wurde 2022 3.382 unbegleiteten Minderjährigen Rechtsbeistand und -vertretung gewährt, wobei aufgrund der hohen Untertauchraten in der Praxis nur 245 von ihnen tatsächlich im Asylverfahren vertreten wurden (AIDA 3.2023).

Das beschleunigte Verfahren ist auf unbegleitete Minderjährige nicht anwendbar, auf Folteropfer hingegen schon (AIDA 3.2023).

Asylwerbende Minderjährige haben laut Gesetz ohne Altersbeschränkung und analog zu bulgarischen Minderjährigen Zugang zu Schul- und Berufsausbildung. In der Praxis gibt es gewisse Hindernisse bei der Einstufung der Minderjährigen. Insgesamt 229 Asylwerberkinder begannen das Schuljahr 2022 in Bulgarien. SAREF organisiert den täglichen Schulweg mithilfe von Organisationen der Zivilgesellschaft, welche die Kinder mit Vorbereitungs- und Nachholunterricht unterstützen. Für asylsuchende Minderjährige mit besonderen Bedürfnissen gelten dieselben Arrangements wie für bulgarische Minderjährige (AIDA 3.2023).

Die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen, die einen Asylantrag stellten, stieg im Jahr 2022 auf 3.348, verglichen mit 3.127 im Jahr 2021, 799 im Jahr 2020, 524 im Jahr 2019, 481 im Jahr 2018, 440 im Jahr 2017 und 2.772 im Jahr 2016. Obwohl unbegleitete Minderjährige besser über ihre Rechte und das Asylverfahren informiert wurden, brach die überwiegende Mehrheit das Asylverfahren ab und reiste irregulär weiter (AIDA 3.2023).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2023): Bulgarian Helsinki Committee (BHC, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Bulgaria; 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/03/AIDA-BG_2022update.pdf, Zugriff 16.5.2023

Non-Refoulement

Die bulgarischen Gesetze definieren ein sicheres Herkunftsland als einen Staat, in dem die etablierte Rechtsstaatlichkeit und deren Einhaltung im Rahmen eines demokratischen Systems der öffentlichen Ordnung keine Verfolgung oder Verfolgungshandlungen zulassen und in dem keine Gefahr von Gewalt in einer Situation eines innerstaatlichen oder internationalen bewaffneten Konflikts besteht. Dieses Konzept ist ein Grund für die Ablehnung eines Antrags als offensichtlich unbegründet im beschleunigten Verfahren. Ein sicherer Drittstaat wird gemäß bulgarischem Gesetz definiert als ein Land, das nicht das Herkunftsland ist, in dem sich der um internationalen Schutz ersuchende Ausländer aufgehalten hat und in dem er keinen Grund hat, aus den Konventionsgründen Verfolgung zu befürchten; wo er gegen die Zurückweisung in das Hoheitsgebiet eines Landes geschützt ist, in dem die Voraussetzungen für Verfolgung und Gefährdung seiner Rechte bestehen (Refoulementschutz); wo ihm keine Verfolgung oder ernsthafter Schaden, wie Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe drohen; wo er die Möglichkeit hat, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu beantragen und in Anspruch zu nehmen; und wo hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, dass dem Ausländer der Zugang zum Hoheitsgebiet des betreffenden Staates gestattet wird. Die nationale Gesetzgebung erlaubt die Verwendung des Konzepts des sicheren Herkunftslandes und des sicheren Drittlandes im Asylverfahren. Bislang wurden jedoch keine nationalen Listen sicherer Herkunfts- bzw. Drittstaaten angenommen und angewendet (AIDA 3.2023).

Das Konzept des sicheren Drittstaates wurde erstmals im Jahr 2020 als Unzulässigkeitsgrund eingeführt und wird im beschleunigten Verfahren als Grund für die Ablehnung des Antrags als offensichtlich unbegründet betrachtet. Das Gesetz verlangt derzeit eine detailliertere Untersuchung, damit ein Land im Einzelfall als sicherer Drittstaat eingestuft werden kann, einschließlich der Feststellung, dass es den Antragsteller aufnimmt. Auch kann das Konzept des sicheren Drittstaates nicht als alleiniger Grund dafür herangezogen werden, den Antrag als offensichtlich unbegründet zu betrachten, es sei denn, es besteht eine Verbindung zwischen dem Antragsteller und dem betreffenden Drittstaat, aufgrund derer es für diese Person zumutbar wäre, in diesen Staat zu reisen. Da das Konzept in früheren Jahren in der Praxis kaum angewandt wurde, sind nur begrenzt Erfahrungen vorhanden. Grundsätzlich beziehen sich Ablehnungen auf der Grundlage des Konzeptes des sicheren Drittstaates auf Länder, in denen der Antragsteller vor seine Ausreise längere Zeit gelebt oder gewohnt hat. Transit oder kurze Aufenthalte in Ländern werden nicht als ausreichend für die Annahme der Drittstaatssicherheit betrachtet (AIDA 3.2023).

Es gibt Berichte, dass Anträge von Staatsangehörigen bestimmter Länder, darunter Afghanistan, Algerien, Bangladesch, Marokko und Tunesien, automatisch abgelehnt werden (AI 27.3.2023).

Betreffend die Frage, ob Asylanträge von Afghanen unter Hinweis auf eine Drittstaatssicherheit der Türkei im beschleunigten Verfahren als offensichtlich unbegründet behandelt werden, beauskunftet die bulgarische Asylbehörde SAREF, dass Bulgarien derzeit keine nationale Liste mit sicheren Herkunfts- und Drittstaaten besitzt. Jeder Antrag für internationalen Schutz wird als individueller Einzelfall im Rahmen eines eingeleiteten Verwaltungsverfahrens behandelt und bei der Entscheidung über einen Asylantrag wird geprüft, ob alle Voraussetzungen für die Drittstaatssicherheit vorliegen. Auch für Dublin-Rückkehrer besteht kein Risiko der Ausweisung und/oder Überstellung in ein Land, in dem die Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK besteht (SAREF 26.4.2023). Dies wurde von SAREF gegenüber dem BMI-Verbindungsbeamten erneut bestätigt: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfügt die Republik Bulgarien über keine nationale Liste sicherer Herkunfts- und Drittstaaten. Jeder Antrag auf internationalen Schutz wird im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens gemäß den Bestimmungen einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft, wobei zunächst die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus geprüft wird. Falls kein Flüchtlingsstatus zuerkannt wird, wird die Notwendigkeit der Zuerkennung des humanitären Statuts behandelt. Ein Ausländer, der in die Republik Bulgarien eingereist ist, um Schutz zu beantragen, oder welcher bereits Schutz erhalten hat, darf nicht in das Hoheitsgebiet eines Landes zurückgeschickt werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bedroht ist oder der Gefahr von Folter oder anderen Formen der Grausamkeit, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ausgesetzt ist (VB 7.8.2023).

Der BMI-Verbindungbeamte (VB) berichtet, dass von der Türkei keine Drittstaatsangehörigen von Bulgarien übernommen werden. Wie das bulgarische Innenministerium zur Frage, ob afghanische Staatsangehörige in die Türkei rückgeführt werden, beauskunftet, wendet die Türkei die Bestimmungen der Artikel 4 und 6 des Rückübernahmeabkommens EU-Türkei über die Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen nicht an. Diese Bestimmungen hätten am 1. Oktober 2017 in Kraft treten müssen oder es hätte eine bilaterale Vereinbarung über die Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen, die direkt aus der Türkei eingereist sind, getroffen werden müssen. Dafür setzt die türkische Seite mehr Anstrengungen und Ressourcen für die Bekämpfung der illegalen Migration und die Sicherung der gemeinsamen Grenze ein. Was die Rückübernahme illegal aufhältiger türkischer Staatsangehöriger betrifft, so erhält das bulgarische Innenministerium die volle Unterstützung der türkischen Botschaft bei der Identifizierung und Ausstellung von befristeten Reisedokumenten (VB 12.7.2023).

Abgesehen von Syrern lagen die Anerkennungsquoten aller anderen Nationalitäten in Bulgarien in früheren Jahren im Durchschnitt unter 8 %, wobei Anträge von Staatsangehörigen aus bestimmten Herkunftsländern wie aus Afghanistan und der Türkei als offensichtlich unbegründet behandelt wurden und extrem niedrige Anerkennungsquoten hatten. Dies änderte sich jedoch mit der Zeit; so lag die Anerkennungsquote für Afghanen 2016 bei 1,5% und 2022 bei 49% (davon 14% Flüchtlingsstatus, 35% subsidiärer Schutz; 51% Ablehnungen). Im Jahr 2022 waren 35% aller Antragsteller Afghanen und die Gesamtanerkennungsquote stieg auf 91% aller inhaltlichen Entscheidungen, davon lauteten 89% auf subsidiären (humanitären) Schutz und 2% auf Flüchtlingsstatus, 9% aller inhaltlichen Entscheidungen waren Ablehnungen. Somit wurden im Jahr 2022 von 69 afghanischen Fällen, 20% im beschleunigten Verfahren als offensichtlich unbegründet behandelt (2021 waren das noch 86% gewesen, 2020: 95%). Von den zum Verfahren zugelassenen Afghanen entzogen sich dennoch 95% durch Untertauchen dem Verfahren, bevor sie eine erstinstanzliche Entscheidung erhielten, sodass nur für 0,7%

der Afghanen inhaltliche Entscheidungen ergingen (AIDA 3.2023).

SAREF beauskunftet betreffend die Frage nach unterschiedlicher Behandlung afghanischer Antragsteller, dass Bulgarien Vertragspartei aller völkerrechtlichen Instrumente ist, die das internationale Flüchtlingsrecht bilden. Alle in Frage kommenden Dokumente sind in die nationale Gesetzgebung implementiert, und die erstinstanzliche Asylbehörde SAREF handelt gemäß dem geltenden Asyl- und Flüchtlingsgesetz. Die Schutzsuchenden werden weder nach Staatsangehörigkeit noch nach anderen Grundsätzen eingeteilt, sondern es wird stets die gleiche Vorgehensweise angewendet und Antragstellern aller Nationalitäten, Ethnien und Religionen werden die gleichen Bedingungen geboten und die Bedürfnisse aller Schutzsuchenden berücksichtigt und jeder Asylantrag im Einzelfall geprüft (VB 7.8.2023).

IOM Bulgarien konnte keine Informationen finden, dass die bulgarischen Behörden bei Entscheidungen über den Schutzstatus afghanischer Staatsangehöriger auf die Türkei als sicheres Drittland verwiesen hätten (IOM 19.5.2023).

Die Zahl der in Bulgarien ankommenden Migranten steigt in den letzten Jahren wieder. Bei der illegalen Einreise betreten wurden 2020: 510, 2021: 1.386, 2022: 2.298 Personen. Bei der illegalen Ausreise betreten wurden 2020: 924, 2021: 1.097, 2022: 2.337 Personen. Illegal aufhältig betreten wurden 2020: 2.053, 2021: 8.316 und 2022: 12.092 Personen. Das waren insgesamt 2020: 3.487, 2021: 10.799, 2022: 16.767 Personen. Die meisten Migranten kommen über die Türkei und Griechenland. Diese Zunahme soll auch zu einem Anstieg von sogenannten Pushback-Praktiken geführt haben, mit 5.268 angeblichen Pushbacks, von denen 87.647 Personen betroffen gewesen sein sollen. Im Jänner 2023 sprach der bulgarische Innenminister von 160.000 verhinderten Grenzübertritten im Jahr 2022 (AIDA 3.2023).

NGOs berichten von mehreren Fällen, wo die Behörden Pushback-Praktiken gegen Migranten und Asylsuchende anwendeten. Auch UNHCR berichtet von vermehrten Fällen von Pushbacks, inklusive Fälle von Gewalt, Raub und erniedrigenden Praktiken gegen Migranten und Asylsuchende entlang der Grenze zur Türkei. Bis zum 12. Dezember 2022 meldete das bulgarische Innenministerium 162.340 Versuche, irregulär über die Grenze in das Land einzureisen, bei denen die Grenzbehörden 4.585 Personen festnahmen. Die NGO Bulgarian Helsinki Committee verzeichnete in der ersten Jahreshälfte 2022 1.681 Fälle von Rechtsverletzungen im Grenzgebiet mit 23.742 betroffenen Personen (USDOS 20.3.2023).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2023): Bulgarian Helsinki Committee (BHC, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Bulgaria; 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/03/AIDA-BG_2022update.pdf, Zugriff 16.5.2023

- AI – Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23. The State of the World’s Human Rights. Bulgaria 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089428.html, Zugriff 2.5.2023

- IOM – International Organisation for Migration (19.5.2023): Auskunft von IOM, per E-Mail

- SAREF - State Agency for Refugees [Bulgarien] (26.4.2023): Auskunft an den Verbindungsbeamten des BM.I in Bulgarien, per E-Mail

- USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices – Bulgaria, https://www.ecoi.net/en/document/2089461.html, Zugriff 19.5.2023

- VB - Verbindungsbeamter des BMI für Bulgarien (7.8.2023): Auskunft Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (SAREF) [Asylbehörde, Bulgarien]; Arbeitsübersetzung des VB-Büros, sowie vom BFA beauftragte Übersetzung des Gerichtsdolmetschers, per E-Mail

- VB - Verbindungsbeamter des BMI für Bulgarien (12.7.2023): Auskunft Bulgarisches Innenministerium [Bulgarien], per E-Mail

Versorgung

Die Asylbehörde SAREF ist für die Versorgung von Asylwerbern zuständig. Seit Ende 2015 erhalten diese während des Verfahrens Unterkunft, Verpflegung und medizinische Grundversorgung (AIDA 3.2023; vgl. SAREF 26.4.2023). Der Zugang zu Versorgung ist gesetzlich garantiert, allerdings nicht ab der Antragstellung, sondern ab dem Zeitpunkt der Registrierung als Asylwerber durch SAREF. Die Registrierungskarte für Asylwerber ist eine unabdingbare Voraussetzung für den Zugang zu den Rechten, die Asylwerbern während des Asylverfahrens zustehen. Das Recht auf Versorgung gilt für Asylwerber in allen Verfahren, außer für Folgeantragsteller (mit Ausnahme von Vulnerablen) (AIDA 3.2023).

Obwohl das Gesetz diesbezüglich keine ausdrücklichen Bestimmungen enthält, werden mittellose Asylwerber im Falle begrenzter Unterbringungskapazitäten vorrangig untergebracht. In jedem Einzelfall werden Umstände wie besondere Bedürfnisse und das Risiko der Mittellosigkeit geprüft. Die Unterbringung außerhalb der Aufnahmezentren in privaten Wohnungen ist zulässig, jedoch nur für Asylwerber, welche die Kosten für Miete und Nebenkosten selbst tragen können, denn sie haben während des Verfahrens auch keinen Anspruch auf sonstige materielle oder soziale Unterstützung (AIDA 3.2023).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist ab einem Zeitpunkt drei Monate nach Registrierung des Asylantrags für die Dauer des Verfahrens garantiert. SAREF bescheinigt hierfür die Dauer des Verfahrens und dass es noch läuft. Sobald die Genehmigung erteilt ist, ermöglicht sie den Zugang zu allen Arten von Beschäftigung und Sozialleistungen, einschließlich der Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Nach dem Gesetz haben Asylwerber auch Zugang zur Berufsausbildung. Im Jahr 2022 erteilte SAREF 302 Arbeitsgenehmigungen an Asylwerber. Von ihnen waren 12 Asylwerber beschäftigt, 10 von ihnen im Rahmen von Beschäftigungsprogrammen, die übrigen auf eigene Initiative. In der Praxis ist es für Asylwerber aufgrund von Sprachbarrieren, Rezession und der hohen Arbeitslosenquoten immer noch schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden (AIDA 3.2023).

Nach 3 Monaten im Asylverfahren dürfen die Antragsteller arbeiten. Laut SAREF kommen oft Arbeitgeber aus den Bereichen Bau- und Landwirtschaft in die SAREF-Zentren um Arbeiter zu rekrutieren. Aber viele Antragsteller verlassen Bulgarien und reisen weiter. Asylwerber, die offiziell arbeiten, erhalten weiterhin finanzielle Unterstützung iHv umgerechnet EUR 10,-/Monat (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023).

IOM Bulgarien betreibt verschiedene Projekte in Bulgarien, darunter ein Projekt zur Stärkung der Kapazitäten von nationalen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen im Bereich Asyl, um die Services für Schutzsuchende zu verbessern. Im Rahmen eines Projekts werden Schulung und Beratung für legal aufhältige Migranten, Asylwerber und Schutzberechtigte im Rahmen von Informationsveranstaltungen und individuellen Beratungsgesprächen und Mentoring angeboten. IOM Bulgarien verfügt über einen Pool von Dolmetschern, um die Kommunikation mit den Institutionen im Hinblick auf den Integrationsprozess der Migranten zu erleichtern. Kostenloser bulgarischer Sprachunterricht wird ebenso angeboten und ist eine der am stärksten nachgefragten Dienstleistungen im Integrationsprozess. Im Rahmen eines eigenen Projekts bietet IOM soziale und psychologische Unterstützung während der ersten Phase der Integration von Schutzsuchenden an. Expertenteams, bestehend aus Psychologen, Sozialarbeitern und Kulturvermittlern arbeiten in den Unterbringungszentren Banya, Harmanli, Pastrogor und Sofia sowie in den Räumlichkeiten der IOM. Um die Koordination und Kommunikation mit den bulgarischen Institutionen zu verbessern, wird das Beratungsteam unterstützt durch Experten, die bei der Kontaktaufnahme mit staatlichen Stellen und den Gesundheits- und Sozialdiensten helfen. Außerdem betreibt IOM Bulgarien die zwei Sicherheitszonen für unbegleitete Minderjährige in den SAREF-Zentren Ovcha Kupel und Voenna Rampa, inklusive Sozialarbeiter und Dolmetscher, welche rund um die Uhr anwesend sind. IOM organisiert regelmäßig Informationsveranstaltungen zum Zugang zum Arbeitsmarkt, Arbeitsbedingungen, Dokumentenanforderungen und sowie über die Arbeitsrechte von Arbeitnehmern für Asylwerber und Schutzberechtigte (IOM 17.8.2022).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2023): Bulgarian Helsinki Committee (BHC, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Bulgaria; 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/03/AIDA-BG_2022update.pdf, Zugriff 16.5.2023

- BFA/Staatendokumentation [Österreich] (18.4.2023): Protokoll Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023

- IOM – Internation Organisation for Migration (17.8.2022): Auskunft von IOM, per E-Mail

- SAREF - State Agency for Refugees [Bulgarien] (26.4.2023): Auskunft an den Verbindungbeamten des BM.I in Bulgarien, per E-Mail

Unterbringung

Bulgarien verfügt derzeit über Unterbringungszentren in Sofia (Ovcha Kupel, Vrazhdebna und Voenna Rampa), Banya und Pastrogor, sowie Harmanli, die von der Asylbehörde (SAREF) verwaltet werden (AIDA 3.2023):

Sofia (bestehend aus):

- Vrazdebna (300)

- Ovcha Kupel (750) (verfügt über eine Schutzzone für UM mit 138 Plätzen)

- Voenna Rampa (650) (verfügt über eine Schutzzone für UM mit 100 Plätzen)

(In den Schutzzonen für unbegleitete Minderjährige sind rund um die Uhr Sicherheitsleute anwesend, es gibt separate Eingänge, Sozialarbeiter, Psychologen und Übersetzer)

Banya (70)

Harmanli (1.676; verfügt für den Notfall auch über Kapazitäten in Form von Containern).

Transitzentrum Pastrogor (320)

in Summe: 3.766 offene Unterbringungsplätze (BFA/Staatendokumentation 19.4.2023; SAREF 2023).

Das offene Unterbringungssystem in Bulgarien verfügt somit derzeit über 3.766 Plätze, von denen momentan ca 50% belegt sind. Diese Kapazitäten reichen laut SAREF üblicherweise aus. Zuletzt wurde das Maximum 2016 erreicht. In Harmanli sind derzeit ca. 700 Plätze nicht nutzbar, weil sie renoviert werden müssen (BFA/Staatendokumentation 19.4.2023).

Im Transitzentrum Pastrogor läuft seit März 2023 ein Pilotprojekt zum beschleunigten Verfahren. Das Interview erfolgt so bald als möglich nach der Registrierung. Es gibt einen Übersetzer, den EUAA bereitstellt, aber ein zweiter wurde beantragt. Die NGO Bulgarian Helsinki Committee (BHC) bietet 1x/Woche Rechtshilfe an. Der Trend, sich dem Verfahren zu entziehen, ist immer noch feststellbar. In diesem Fall ergeht eine Entscheidung in Abwesenheit. Alle anderen erhalten die Entscheidung persönlich. Viele legen ein Rechtsmittel ein. Im letzteren Fall bleiben sie im Zentrum. Erst wenn eine abschließende Entscheidung vorliegt, werden sie der Direktion Migration zur Schubhaft übergeben (BFA/Staatendokumentation 19.4.2023).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2023): Bulgarian Helsinki Committee (BHC, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Bulgaria; 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/03/AIDA-BG_2022update.pdf, Zugriff 16.5.2023

- BFA/Staatendokumentation [Österreich] (18.4.2023): Protokoll Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023

- SAREF - State Agency for Refugees [Bulgarien] (2023): Präsentation: General Overview of the Bulgarian Asylum System (präsentiert im Zuge des Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023 von BMI und BFA), per E-Mail

Medizinische Versorgung

Das bulgarische Gesundheitssystem basiert auf einer obligatorischen sozialen Krankenversicherung (GKV); die freiwillige Krankenversicherung spielt eine eher marginale Rolle. Die Gesundheitsausgaben pro Kopf sind in den letzten Jahren stetig gestiegen, liegen aber unter den EU-Ländern immer noch an letzter Stelle (OECD 13.12.2021). Insgesamt ist das bulgarische Gesundheitswesen durch tiefe strukturelle Probleme gekennzeichnet. Die größten Herausforderungen sind die ungleiche Verteilung der Ressourcen im Gesundheitswesen, die unzureichende Notfallversorgung, der gravierende Mangel an medizinischem Schlüsselpersonal, ein ungleicher

Zugang zur Gesundheitsversorgung und hohe private Zuzahlungen (’out of pocket’-Zahlungen) (BTI 23.2.2022). Diese privaten Zuzahlungen sind mit 38% der gesamten Gesundheitsausgaben die höchsten in der EU und betreffen hauptsächlich die Ausgaben für Arzneimittel. Besonders für die zahlreichen einkommensschwachen Haushalte stellen diese Zuzahlungen eine unverhältnismäßige Belastung dar (OECD 13.12.2021). Zwischen 500.000 bis 600.000 Menschen waren im Jahr 2020 nicht krankenversichert (BTI 23.2.2022). Die OECD geht von bis zu einer Million Unversicherter aus (OECD 13.12.2021).

Asylwerber in Bulgarien haben dasselbe Recht auf medizinische Versorgung wie bulgarische Staatsbürger. Die Asylbehörde SAREF ist verpflichtet, ihre Krankenversicherungsbeiträge aus dem Staatsbudget zu decken. In der Praxis haben Asylwerber beim Zugang zu medizinischer Versorgung die gleichen Schwierigkeiten wie bulgarische Staatsangehörige aufgrund des schlechten Zustands des nationalen Gesundheitssystems, welches materiell und finanziell unterausgestattet ist. Das nationale Gesundheitspaket sieht weder eine maßgeschneiderte medizinische oder psychologische Behandlung oder Unterstützung noch die Behandlung vieler chronischer Krankheiten oder chirurgische Eingriffe, Prothesen, Implantate oder andere notwendige Medikamente oder Hilfsmittel vor. Daher müssen die Patienten diese auf eigene Kosten bezahlen. In dieser Situation sind spezielle Vorkehrungen für Folteropfer und Personen mit psychischen Problemen nicht verfügbar. Alle Unterbringungszentren sind mit Behandlungsräumen ausgestattet und bieten eine medizinische Grundversorgung, deren Umfang von der Verfügbarkeit medizinischer Dienstleister am jeweiligen Standort abhängt. Der grundsätzliche Mangel an Allgemeinmedizinern in Bulgarien ist der Hauptgrund dafür, dass die medizinische Versorgung von Asylwerbern hauptsächlich in den Arztpraxen der Unterbringungszentren in Sofia und Harmanli erfolgt. Die medizinische Grundversorgung in den Unterbringungszentren erfolgt entweder durch eigenes medizinisches Personal oder durch Überweisung an Notaufnahmen örtlicher Krankenhäuser. Im Rahmen eines AMIF-Projekts, das von der Caritas in Zusammenarbeit mit UNICEF unterstützt wird, wurde in Sofia eine neue mobile Ambulanz eingerichtet, mit einer Krankenschwester, die Gesundheitsberatung und medizinische Grundversorgung anbietet, sowie einem Krankenwagen für den Transport von Patienten zu Gesundheitseinrichtungen. Bis Ende 2022 wurden insgesamt 29.071 ambulante Untersuchungen in den Arztpraxen der Aufnahmezentren durchgeführt. Der Zugang von Asylwerbern zu nachfolgender und spezialisierter medizinischer Behandlung ist aber weiterhin erschwert (AIDA 3.2023).

Das nationale Gesundheitspaket ist in der Regel knapp bemessen und sieht weder eine maßgeschneiderte medizinische oder psychologische Behandlung oder Unterstützung noch die Behandlung vieler chronischer Krankheiten oder chirurgische Eingriffe, Prothesen, Implantate oder andere notwendige Medikamente oder Hilfsmittel vor. Daher müssen die Patienten diese auf eigene Kosten bezahlen (AIDA 3.2023).

Wenn Asylwerber offiziell arbeiten, muss ihr Arbeitgeber die Krankenversicherungsbeiträge bezahlen (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2023): Bulgarian Helsinki Committee (BHC, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Bulgaria; 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/03/AIDA-BG_2022update.pdf, Zugriff 16.5.2023

- BFA/Staatendokumentation [Österreich] (18.4.2023): Protokoll Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023

- BTI - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Bulgaria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069794/country_report_2022_BGR.pdf, Zugriff 4.5.2023

- OECD/European Observatory on Health Systems and Policies (13.12.2021), Bulgaria: Country Health Profile 2021, State of Health in the EU, https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/c1a721b0-en.pdf?expires=1683185670 id=id accname=guest checksum=F0BCD3C746354C6D3AE01E

3616A2D6F8, Zugriff 4.5.2023

Dublin-Rückkehrer

Wenn ein Dublin-Rückkehrer am Flughafen ankommt, wird entschieden, in welchem Zentrum er unterzubringen ist. Wenn sein Antrag beendet (terminated) oder inhaltlich abgelehnt (rejected) und in Abwesenheit zugestellt wurde, wird er als irregulärer Migrant betrachtet. Nur wenn er sich im Falle einer Beendigung entscheidet, die Wiedereröffnung seines Verfahrens zu beantragen, kommt er in eine offene Unterbringung der staatlichen Flüchtlingsagentur (SAREF) (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023). Seit 2015 sieht das Asyl- und Flüchtlingsgesetz (LAR) ausdrücklich die obligatorische Wiederaufnahme eines Asylverfahrens für Antragsteller vor, die gemäß der Dublin-Verordnung nach Bulgarien zurückgeführt werden, sofern bis dahin keine inhaltliche Entscheidung in Abwesenheit ergangen ist. Allerdings ist laut Quelle ihr Zugang zu Versorgung insofern nicht gesichert, da diese nur vulnerablen Antragstellern garantiert werde. Für nicht-vulnerable Rückkehrer sei die Bereitstellung von Nahrung und Unterkunft von den begrenzten nationalen Aufnahmekapazitäten und deren Verfügbarkeit abhängig und müssten die Rückkehrer ihre Unterkunft und Verpflegung auf eigene Kosten sicherstellen, wenn in den Aufnahmezentren von SAREF kein Platz zur Verfügung stehe (AIDA 3.2023). Angesprochen auf solche Berichte, beauskunftete SAREF im Zuge eines Study Visits in Bulgarien, dass SAREF der Überstellung von vornherein nicht zustimmen würde, wenn keine Unterbringungskapazitäten vorhanden wären (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023).

Wenn der Dublin-Rückkehrer inhaltlich abgelehnt wurde und eine Zustellung der Entscheidung in Abwesenheit erfolgt ist, wird er jedenfalls festgenommen und in ein geschlossenes Zentrum der Direktion Migration (MD) gebracht, welche für fremdenpolizeiliche Belange zuständig ist. SAREF informiert die MD über die angekündigte Ankunft eines Rückkehrers mit einer in Abwesenheit zugestellten abschließend negativen Entscheidung und bei Ankunft wird der Betreffende in Haft genommen. Der Rückkehrer kann einen neuen Asylantrag stellen, welcher als Folgeantrag gilt. Über einen in der Haft gestellten Folgeantrag wird SAREF informiert und prüft dessen Zulässigkeit. Wird der Antrag nicht zugelassen, bleibt der Rückkehrer in Haft (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023). Das bulgarische Asylgesetz (LAR) sieht grundsätzlich vor, dass auch im Falle einer Zulassung des Folgeantrags der Folgeantragsteller kein Recht auf Versorgung hat, außer er wäre vulnerabel (LAR, Art 29 (7)). Laut hierzu eingeholter Auskunft von SAREF, ist dies zwar generell korrekt, jedoch werden in der Praxis die meisten Asylwerber, deren Folgeantrag zugelassen wurde, in Aufnahmezentren von SAREF untergebracht, da SAREF diese besondere Personengruppe als vulnerabel betrachtet (SAREF 17.5.2023).

Obwohl der Zugang zum nationalen Gesundheitssystem nach der Dublin-Rückkehr automatisch wiederhergestellt wird, ist das nationale Gesundheitspaket in der Regel knapp bemessen und sieht weder eine maßgeschneiderte medizinische oder psychologische Behandlung oder Unterstützung noch die Behandlung vieler chronischer Krankheiten oder chirurgische Eingriffe, Prothesen, Implantate oder andere notwendige Medikamente oder Hilfsmittel vor. Daher müssen die Patienten diese auf eigene Kosten bezahlen (AIDA 3.2023).

Seit 2020 ist das ununterbrochene Recht auf medizinische Versorgung für Asylwerber, deren Verfahren beendet und dann wieder aufgenommen wurden, wie es bei Dublin-Rückkehrern typischerweise der Fall ist, gesetzlich ausdrücklich festgeschrieben. Allerdings gilt diese Regelung nicht für Dublin-Rückkehrer, deren Anträge vor ihrer Rückkehr in Abwesenheit inhaltlich entschieden wurden. Bei diesen kommt es immer wieder zu einigen Monaten Verzögerung, bis sie wieder Zugang zum Gesundheitssystem haben (AIDA 3.2023). Angesprochen auf solche Berichte, berichtet SAREF, dass Rückkehrer in so einer Konstellation versichert sind wie bulgarische Bürger und in einem offenen Unterbringungszentrum von SAREF untergebracht werden und somit Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Die Daten der Untergebrachten werden einmal im Monat an die Krankenkasse geschickt. Das könnte laut SAREF die Ursache der beschriebenen Verzögerungen sein (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2023): Bulgarian Helsinki Committee (BHC, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Bulgaria; 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/03/AIDA-BG_2022update.pdf, Zugriff 16.5.2023

- BFA/Staatendokumentation [Österreich] (18.4.2023): Protokoll Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023

- LAR - Asyl- und Flüchtlingsgesetz [Bulgarien] (1.12.2002; letzte Änderung: 26.4.2022): ЗАКОН ЗА УБЕЖИЩЕТО И БЕЖАНЦИТЕ, https://lex.bg/laws/ldoc/2135453184 (übersetzt mit technischen Hilfen), Zugriff 18.8.2023

- SAREF - State Agency for Refugees [Bulgarien] (17.5.2023): Auskunft von SAREF, per E-Mail

Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Die Entscheidung, wo ein Asylwerber untergebracht wird, basiert auf dem Gesundheitszustand und Familienstand des Asylwerbers, seinem Geschlecht, der Nationalität, Religion und Vulnerabilität (SAREF 2023). Gehört ein Antragsteller zu einer vulnerablen Gruppe, muss dies bei der Unterbringung berücksichtigt werden (AIDA 3.2023).

Unbegleitete Minderjährige (UM)

In den SAREF-Unterbringungszentren Ovcha Kupel und Voenna Rampa gibt es Schutzzonen für unbegleitete Minderjährige (Ovcha Kupel 138 Plätze, Voenna Rampa 100 Plätze) mit Anwesenheit von Sicherheitsleuten rund um die Uhr, separaten Eingängen, Sozialarbeitern, Psychologen und Übersetzern (BFA/Staatendokumentation 19.4.2023; vgl. SAREF 2023).

SAREF und UNICEF einigten sich Ende 2022 auf die Finanzierung einer dritten Schutzzone für unbegleitete Minderjährige im Aufnahmezentrum Harmanli, die voraussichtlich Ende 2023 in Betrieb genommen werden kann (AIDA 3.2023).

Mitte 2022 begann SAREF bei der Betreuung und Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen aktiv nach Möglichkeiten zu suchen, diese in familienähnlichen Kinderheimen unterzubringen. Dort können alle UM untergebracht werden, mit Ausnahme derjenigen, die sich in einem Familienzusammenführungsverfahren befinden und in SAREF-Zentren auf die Zusammenführung warten dürfen. Im Laufe des Jahres 2022 wurden so insgesamt 26 unbegleitete Minderjährige in spezialisierten Kinderbetreuungszentren untergebracht, darunter zwei asylsuchende UM und 24 UM mit internationalem Schutz. Insgesamt haben zehn lizenzierte Kinderbetreuungszentren in Orten im ganzen Land (Sofia, Burgas, Vidin, Ruse, Kardzhali, Novo Selo und Zvanichevo) daran teilgenommen (AIDA 3.2023).

Vulnerable

Alleinerziehende Mütter mit minderjährigen Kindern sollten zusammen mit den in den Zentren befindlichen Familien untergebracht werden, wenn möglich in separaten Räumlichkeiten (SAREF 26.4.2023; vgl. BFA/Staatendokumentation 19.4.2023). Bei der Unterbringung werden Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, Familienstand, Zugehörigkeit zu einer vulnerablen Gruppe, kulturelle Besonderheiten usw. berücksichtigt (SAREF 26.4.2023). Laut AIDA gibt es in der Praxis außer den beiden Schutzzonen für unbegleitete Minderjährige keine weiteren Einrichtungen für vulnerable Antragsteller, Familien, alleinstehende Frauen oder traumatisierte Asylwerber in den Aufnahmezentren (AIDA 3.2023). Die Asylbehörde SAREF hingegen beauskunftet, dass es in den territorialen SAREF- Zweigstellen separate Räumlichkeiten für die Unterbringung von Vulnerablen gibt (SAREF 26.4.2023).

IOM Bulgarien verweist Migranten in vulnerablen Situationen an NGOs oder lokale/staatliche Stellen, die an verschiedenen Orten in Bulgarien Notunterkünfte betreiben. Je nach Vulnerabilität können dies Unterkünfte für Obdachlose, Opfer von Menschenhandel, Opfer häuslicher Gewalt, Menschen mit geistigen Behinderungen, Menschen mit körperlichen Behinderungen und ältere Menschen sein. Migranten sollten sich legal in Bulgarien aufhalten, um Hilfe zu erhalten. Die Verfügbarkeit solcher Dienste und die erfolgreiche Weiterleitung von Migranten an sichere Unterkünfte hängt von den Kapazitäten der NGOs ab und ist daher nicht garantiert (IOM 17.8.2022).

Alle Unterbringungszentren stehen NGOs offen und SAREF fragt deren Unterstützung oft nach, wenn es um psychologische Betreuung der Antragsteller geht, aber die meisten NGOs arbeiten nur in Sofia. EUAA hilft hierbei ebenfalls. Die größte Gruppe der Antragsteller sind alleinstehende Männer (BFA/Staatendokumentation 19.4.2023).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2023): Bulgarian Helsinki Committee (BHC, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Bulgaria; 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/03/AIDA-BG_2022update.pdf, Zugriff 16.5.2023

- IOM – Internation Organisation for Migration (17.8.2022): Auskunft von IOM, per E-Mail

- SAREF - State Agency for Refugees [Bulgarien] (2023): Präsentation: General Overview of the Bulgarian Asylum System (präsentiert im Zuge des Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023 von BMI und BFA), per E-Mail

- SAREF - State Agency for Refugees [Bulgarien] (26.4.2023): Auskunft an den Verbindungbeamten des BM.I in Bulgarien, per E-Mail

Haft

Das Land verfügt über zwei Schubhaftzentren: Busmantsi (400 Plätze) und Lyubimets. Diese unterstehen der Direktion Migration (MD), welche in Bulgarien für fremdenpolizeiliche Belange zuständig ist (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023; vgl. AIDA 3.2023).

Das Haftzentrum Lyubimets wurde 2019 gegründet. Seine Insassen genießen keine Bewegungsfreiheit. Im Lager gibt es rund um die Uhr medizinische Versorgung und auch Psychologen sind anwesend. Bei jedem Neuankömmling wird ein medizinischer Eingangstest vorgenommen. Wenn nötig können Insassen in ein umliegendes Spital gebracht werden. Für Übersetzungsleistungen sorgen Verträge mit Übersetzern sowie Übersetzer von NGOs. Die Insassen dürfen ins Freie und Sport machen. Es gibt eigene Räume, um sich mit Anwälten zu treffen, Andachtsräume usw. Das Lager wird rund um die Uhr videoüberwacht. Es gibt eine Kantine, die 3 Mahlzeiten am Tag bereitstellt. Spezielle Ernährungsgewohnheiten werden berücksichtigt. Außerdem gibt es in der Kantine einen kleinen Shop für zusätzliche Lebensmittel. Das Lager verfügt über 1.320 Plätze (Hauptgebäude: 300 Plätze, Nebengebäude: 360 Plätze, Containerdorf: 660 Plätze in 48 von IOM zur Verfügung gestellten Wohncontainern). Ab einer Belegung von 1.000 Personen wird die Unterbringungssituation im Lager problematisch. Das organisatorisch zugehörige Lager Elhovo wird derzeit nicht genutzt, es besteht aus Containern und dient als Reservelager für Notfälle mit weiteren 340 Plätzen. Mitte März 2023 waren 329 Personen in Lyubimets untergebracht, hauptsächlich Neuankömmlinge (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023).

Jeder illegale Migrant in Bulgarien wird grundsätzlich festgenommen (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023; vgl. AIDA 3.2023, USDOS 20.3.2023) (außer unbegleitete Minderjährige, Vulnerable, Familien usw.). Wenn diese ankommen, werden ihre (auch biometrischen) Daten erfasst, sie über ihre Rechte informiert (Asyl, freiwillige Rückkehr, usw.) und die Rückkehr angeordnet. Erfolgt keine freiwillige Rückkehr, ist Haft bis zu 18 Monaten möglich. Die meisten stellen allerdings einen Asylantrag. In diesem Fall werden die Antragsteller binnen 6 Tagen in das offene Transitzentrum Pastrogor oder ein anderes Zentrum der Asylbehörde SAREF überstellt, wo das Verfahren geführt wird. Während dieser 6 Tage prüft der bulgarische Geheimdienst (SANS) den Hintergrund der Betreffenden. Wenn SANS einen möglichen z. B. extremistischen Hintergrund findet, werden sie nicht in ein offenes Zentrum gelassen, sondern kommen in geschlossene Unterbringung. Mitte März 2023 waren etwa 450 Migranten in ganz Bulgarien in Haft. Bei 30 weiteren stand eine mögliche Minderjährigkeit im Raum und war die weitere Vorgehensweise in Abklärung (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023; vgl. AIDA 3.2023).

Die SAREF-Zentren werden offen geführt und dort Untergebrachte dürfen sich in der jeweiligen Region (Bulgarien besteht aus 28 Regionen) frei bewegen (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023). Diese Gebietsbeschränkung endet mit dem Ende des Asylverfahrens (USDOS 20.3.2023). Wird ein Antragsteller außerhalb der zulässigen Region von der Polizei angetroffen, ergeht eine Meldung an SAREF. Wird er ein weiteres Mal außerhalb der zulässigen Region angetroffen, ergeht an SAREF die Aufforderung, den Betreffenden geschlossen unterzubringen. SAREF muss dieser Aufforderung nachkommen und betreibt für solche Zwecke innerhalb des Haftzentrums (der MD) Busmantsi einen eigenen geschlossenen Bereich mit 16 Plätzen. Aber meist ist bis dahin das Verfahren des Antragstellers ohnehin schon beendet und (wenn negativ) dieser in Haft (der MD) (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023).

2022 wurden 39 Asylwerbergeschlossen untergebracht, bis ihr Antrag entschieden war. Hauptsächlich aufgrund der nationalen Sicherheit. Die durchschnittliche Haftdauer ist weiter gesunken und lag im Jahr 2022 bei durchschnittlich 56 Tagen (AIDA 3.2023).

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2023): Bulgarian Helsinki Committee (BHC, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Bulgaria; 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/03/AIDA-BG_2022update.pdf, Zugriff 16.5.2023

- BFA/Staatendokumentation [Österreich] (18.4.2023): Protokoll Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023

- USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bulgaria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089461.html, Zugriff 2.5.2023

Schutzberechtigte

Nach einer positiven Entscheidung dürfen Schutzberechtigte noch 14 Tage in der Unterbringung für Asylwerber bleiben. Für Vulnerable ist eine Verlängerung möglich (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023).

Sowohl der Flüchtlingsstatus als auch der subsidiäre („humanitäre“) Schutzstatus werden unbefristet gewährt, sie unterscheiden sich jedoch in der Gültigkeitsdauer der den Inhabern ausgestellten Ausweispapiere. Für Inhaber des Flüchtlingsstatus beträgt diese 5 Jahre und für Inhaber des subsidiären Schutzstatus 3 Jahre. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte erhalten ihre Personalausweise automatisch von der Polizei auf der Grundlage des SAREF-Beschlusses über die Zuerkennung des Status ausgestellt. Daher werden Flüchtlingen und Personen mit subsidiärem Schutzstatus keine zusätzlichen Aufenthaltstitel ausgestellt. Anerkannte Flüchtlinge sind den bulgarischen Staatsangehörigen bis auf wenige Ausnahmen rechtlich gleichgestellt, während Personen mit subsidiärem Schutz die gleichen Rechte genießen wie permanent Aufenthaltsberechtigte (AIDA 3.2023).

Es gibt Berichte über Probleme für Schutzberechtigte bei der Registrierung eines Wohnsitzes aufgrund fehlender Ausweispapiere, welche wiederum wegen Fehlens einer Wohnsitzregistrierung nicht ausgestellt werden können (AIDA 3.2023). Angesprochen auf diese Berichte, erklärt SAREF, dass Antragsteller mit einer positiven Entscheidung eine Ausweiskarte erhalten, mit der es möglich sein sollte, eine Wohnsitzregistrierung vornehmen zu lassen. Bezüglich des Zugangs zu Sozialleistungen könnte laut SAREF das Problem sein, dass manche Gemeinden mehrjährige Meldeerfordernisse für gewisse Leistungen verlangen, welche die Schutzberechtigten nicht erfüllen können (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023). Da es schwierig ist, Vermieter zu finden, die bereit sind Schutzberechtigte aufzunehmen und ihnen Möglichkeiten der Adressregistrierung zu bieten, ist es laut IOM unter den Betroffenen üblich, sich eine Meldeadresse zu „kaufen“. Die Preise liegen bei EUR 350 bis 400 pro Person. Die Migranten-„Communities“ helfen üblicherweise den Betroffenen dabei, diese Beträge aufzubieten (IOM 19.5.2023).

Anerkannte Flüchtlinge können die bulgarische Staatsbürgerschaft erhalten, wenn sie über 18 Jahre alt sind und seit mindestens 3 Jahren anerkannt sind. Personen mit subsidiärem Schutz („humanitärer Status“) können die bulgarische Staatsbürgerschaft erhalten, wenn sie über 18 Jahre alt und seit mindestens 5 Jahren anerkannt sind. Von 2014 bis 2022 hat Bulgarien 485 Schutzberechtigten die Staatsbürgerschaft verliehen, nämlich 163 anerkannten Flüchtlingen und 322 subsidiär Schutzberechtigten. Im Jahr 2020 wurde eine neue Bestimmung eingeführt, die es erlaubt, den internationalen Schutz zurückzunehmen, wenn Statusinhaber abgelaufene oder verlorene bulgarische Identitätsdokumente nicht innerhalb von dreißig Tagen erneuern oder ersetzen. Davon waren seit Beginn der Praxis 4.405 Statusinhaber betroffen, zuletzt 41 Personen im Jahr 2022 (AIDA 3.2023). Nach Art. 42 Abs. 5 des bulgarischen Asylgesetzes kann in Bezug auf einen Schutzberechtigten, der keinen Antrag auf Verlängerung seiner Identitätsdokumente einreicht, ein Verfahren zur Aberkennung oder Aufhebung des internationalen Schutzes eingeleitet werden, in dem die Voraussetzungen für die Aufhebung des Schutzes eingehend, unter Beachtung der Verfahrensgarantien, geprüft werden sollen. Nach den Vorschriften des bulgarischen Asylgesetzes kann ein Ausländer, der sich im Hoheitsgebiet der Republik Bulgarien befindet und dessen internationaler Schutz aufgehoben oder aberkannt worden ist, einen Folgeantrag stellen, welcher auf Zulässigkeit geprüft wird (VQ 27.3.2023).

Personen, die internationalen Schutz genießen, können eine Familienzusammenführung beantragen, wenn die familiären Bindungen bereits vor der Einreise in das Hoheitsgebiet der Republik Bulgarien bestanden. Die Familienzusammenführung ist zu verweigern, wenn für einen der Familienangehörigen Grund zu der Annahme besteht, dass er/sie ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit begangen hat; begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass er/sie ein schweres nicht politisches Verbrechen außerhalb des Hoheitsgebiets der Republik Bulgarien begangen hat; oder die begründete Annahme besteht, dass er/sie Handlungen gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen begeht, unterstützt oder sich an ihnen beteiligt. Die Familienzusammenführung kann auch in Fällen von Polygamie verweigert werden, wenn die betreffende Person, die internationalen Schutz genießt, bereits einen Ehepartner in der Republik Bulgarien hat (SAREF 2023).

Seit 2013 gibt es für Personen mit internationalem Schutz im Wesentlichen keinerlei Integrationshilfe mehr. Dies hatte zur Folge, dass Schutzberechtigte nur sehr eingeschränkt in der Lage waren, selbst die grundlegendsten sozialen Arbeits- und Gesundheitsrechte zu genießen, während ihre Bereitschaft, sich dauerhaft in Bulgarien niederzulassen, Berichten zufolge auf ein Minimum gesunken ist (AIDA 3.2023). Es gibt laut SAREF nach wie vor keinen Nachfolger zum Nationalen Integrationsprogramm (NPIR). Versuche, die Gemeinden in die Bereitstellung von Unterkünften und Arbeitsplätzen für Flüchtlinge einzubinden, sind praktisch gescheitert. Derzeit gibt es Pläne, das NPIR wiederzubeleben, aber momentan ist die einzige Möglichkeit für Schutzberechtigte zu einer Wohnung zu kommen der freie Markt, wie für die Bulgaren auch. Es gibt allerdings NGOs, die den Schutzberechtigten hierbei Unterstützung bieten (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023). Grundsätzlich kann ein Integrationsvertrag weiterhin zwischen einem anerkannten Flüchtling (nicht jedoch einem subsidiär Schutzberechtigten) und dem Bürgermeister einer Gemeinde abgeschlossen werden. Dieser legt die zu erhaltenden Leistungen fest (Unterkunft, Bildung, Sprachunterricht, Gesundheitsdienste, berufliche Qualifizierung und Unterstützung bei der Arbeitssuche) (USDOS 20.3.2023). Die beiden Sofioter Bezirke Vitosha und Oborishte sind weiterhin die einzigen, die Integrationsvereinbarungen mit neu anerkannten Flüchtlingen in Bulgarien abgeschlossen haben. Im Jahr 2022 unterzeichneten 6 Familien mit insgesamt 20 Personen 6 Integrationsvereinbarungen. 2021 waren es 17 Integrationsvereinbarungen mit 83 Flüchtlingen gewesen. Auch das Programm zur Integration von Vertriebenen aus der Ukraine unter vorübergehendem Schutz konnte nicht angenommen werden, da die Regierung im Juni 2022 abgesetzt wurde (AIDA 3.2023).

Ende 2020 wurde die für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten ab Statuszuerkennung vorgesehene finanzielle Unterstützung für Unterbringungszwecke abgeschafft. In der Praxis dürfen, außer bei Massenzustrom oder einer großen Zahl von Neuankömmlingen, einige besonders schutzbedürftige Personen mit internationalem Schutzstatus jedoch weiterhin einige Monate in den Aufnahmezentren für Asylwerber verbleiben, da sie keine Unterstützung bei der Integration erhalten. Ende 2022 waren 298 Schutzberechtigte in Asylwerberunterkünften untergebracht (AIDA 3.2023).

Die Unterbringung von Schutzberechtigten in kommunalen Wohnungen erfolgt auf der Grundlage der entsprechenden Verordnungen der jeweiligen Gemeinden. Die Zugangsvoraussetzungen können somit entsprechend variieren. Einige verlangen zumindest 10 Jahre durchgehende Meldung und ständigen Wohnsitz in der Gemeinde (Sofia, Plovdiv), andere zumindest 5 Jahre (Varna, Burgas, Ruse), während Schutzberechtigten in Lom das Recht zukommt, eine Unterkunft in städtischen Mietwohnungen zu beantragen und diese nach Jahren zu kaufen bzw. in Wohnungen aus dem Reservefonds untergebracht zu werden (BCRM o.D a).

Das Sozialhilfegesetz nennt zwei grundlegende Formen der Sozialhilfe - die Gewährung von Sozialleistungen und die Erbringung von Sozialdiensten. Die monatliche finanzielle Unterstützung wird Schutzberechtigten unter denselben Bedingungen wie für bulgarische Staatsangehörige gewährt. Eine wichtige Voraussetzung ist die Registrierung bei den Arbeitsämtern. Schutzberechtigte haben Anspruch auf eine monatliche Mietzinsbeihilfe für kommunale Wohnungen zu den für bulgarische Bürger geltenden Bedingungen. Unter den weiteren Sozialleistungen, zu denen Schutzberechtigte unter bestimmten Bedingungen Zugang haben, sind zu nennen: die Heizbeihilfe; eine einmalige finanzielle Unterstützung zur Deckung von unvorhergesehenen Gesundheits-, Bildungs-, Logistik- und anderen lebenswichtigen Bedürfnissen; eine einmalige finanzielle Unterstützung für die Ausstellung eines Identitätsdokuments; das Recht auf unentgeltliche Nutzung des Eisenbahnverkehrs auf dem nationalen Territorium bei verminderter Erwerbsfähigkeit; Sozialrente, soziale Altersrente, soziale Invaliditätsrente usw. Die Sozialdienste zielen darauf ab, die betreuten Personen bei der Durchführung ihrer alltäglichen Aktivitäten zu unterstützen und ihre soziale Eingliederung zu erreichen (BCRM o.D b).

Anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutz haben Zugang zu allen im Gesetz vorgesehenen Arten von Sozialhilfe zu denselben Bedingungen wie Staatsangehörige. In der Praxis sind die Betroffenen beim Zugang zu staatlichen Unterstützungsleistungen mit diversen Sonderregelungen (z.B. Dolmetscher, soziale Vermittlung) konfrontiert. Weiters bedeuten die umfangreiche Bürokratie und weitere Formalitäten bei Einreichung des Antrags auf Sozialhilfe, die selbst für Staatsangehörige schwer zu überwinden sind, weitere Probleme. Maßgeschneiderte Vermittlung und Hilfestellung können durch zivilgesellschaftliche Organisationen (NGOs) geleistet werden, die aber nicht immer verfügbar sind (AIDA 3.2023).

Bei der Betreuung und Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen mit internationalem Schutz wurden positive Veränderungen erzielt. SAREF begann aktiv nach Möglichkeiten zu suchen, UM in familienähnlichen Kinderheimen unterzubringen. Während des Asylverfahrens stehen diese hauptsächlich UM mit besonderen Bedürfnissen zur Verfügung. Nach der Anerkennung können alle UM dort untergebracht werden, mit Ausnahme derjenigen, die sich in einem Familienzusammenführungsverfahren befinden und in SAREF-Zentren auf die Zusammenführung warten dürfen. Im Laufe des Jahres 2022 wurden so insgesamt 26 UM in spezialisierten Kinderbetreuungszentren untergebracht, darunter zwei asylsuchende UM und 24 UM mit internationalem Schutz. Insgesamt haben zehn lizenzierte Kinderbetreuungszentren in Orten im ganzen Land (Sofia, Burgas, Vidin, Ruse, Kardzhali, Novo Selo und Zvanichevo) daran teilgenommen (AIDA 3.2023).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für Schutzberechtigte automatisch und bedingungslos gegeben. Die Sprachbarriere und ein Mangel an adäquater staatlicher Unterstützung für Berufsausbildung werden als übliche Probleme genannt. Die wirtschaftliche Lage des Landes ist nach wie vor schwierig. Dies erschwert die Beschäftigung und Selbstversorgung von Asylwerbern und Flüchtlingen zusätzlich. Im Jahr 2022 waren nur 12 Asylwerber, 5 Personen mit internationalem Schutzstatus und 2.214 Personen mit vorübergehendem Schutzstatus tatsächlich beschäftigt, davon die meisten im Rahmen verschiedener staatlicher Programme. Der Zugang zu Bildung ist für Schutzberechtigte genauso geregelt wie für Asylwerber (AIDA 3.2023).

Es gibt Berichte, dass bulgarische Banken sich häufig weigerten, Konten für Flüchtlinge zu eröffnen, was deren Möglichkeiten eine legale Arbeit zu finden und Leistungen zu erhalten, beeinträchtige (USDOS 20.3.2023). Nach Auskunft von SAREF berechtigt schon die Asylwerberkarte zur Eröffnung eines Bankkontos (BMI 28.4.2023).

Hinsichtlich der Gesundheitsversorgung müssen Personen mit internationalem Schutz ab Statuszuerkennung die bis dahin von SAREF bezahlten monatlichen Krankenversicherungsbeiträge selbst tragen. Der Mindestbeitrag liegt bei BGN 44,80 (ca. EUR 22,90) monatlich für Arbeitslose (AIDA 3.2023). Insgesamt ist das bulgarische Gesundheitswesen durch tiefe strukturelle Probleme gekennzeichnet. Die größten Herausforderungen sind die ungleiche Verteilung der Ressourcen im Gesundheitswesen, die unzureichende Notfallversorgung, der gravierende Mangel an medizinischem Schlüsselpersonal, ein ungleicher Zugang zur Gesundheitsversorgung und hohe private Zuzahlungen (’out of pocket’-Zahlungen) (BTI 23.2.2022). Diese privaten Zuzahlungen sind mit 38% der gesamten Gesundheitsausgaben die höchsten in der EU und betreffen hauptsächlich die Ausgaben für Arzneimittel. Besonders für die zahlreichen einkommensschwachen Haushalte stellen diese Zuzahlungen eine unverhältnismäßige Belastung dar (OECD 13.12.2021). Zwischen 500.000 bis 600.000 Menschen waren im Jahr 2020 nicht krankenversichert (BTI 23.2.2022). Die OECD geht von bis zu einer Million Unversicherter aus (OECD 13.12.2021).

Das bulgarische Integrationssystem stützt sich stark auf internationale und nichtstaatliche Organisationen. Derzeit gibt es in Bulgarien keine staatlichen Mechanismen zur Unterstützung der Kommunen bei der Integrationsplanung. Die wichtigsten internationalen und nichtstaatlichen Organisationen im Bereich der Integration in Bulgarien sind IOM Bulgarien, UNHCR Bulgarien, Bulgarisches Rotes Kreuz und Caritas Bulgarien (Integrationszentrum für Migranten St. Anna) (IOM 19.5.2023).

Das Bulgarische Rote Kreuz (BRC) betreibt ein Informations- und Integrationszentrum in Sofia. Geboten werden u. a. die Durchführung von Bulgarischkursen, Beratungen zu Fragen im Zusammenhang mit dem Leben und den Rechten von Flüchtlingen in Bulgarien, Unterstützung beim Zugang zu medizinischer Versorgung, Unterstützung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz, soziale und kulturelle Orientierung, Unterstützung der Bildung von Kindern durch zusätzlichen Bulgarisch-Unterricht und Unterrichtsmaterialien, Hilfe für Flüchtlinge mit besonderen Bedürfnissen, wie Behinderte, Alleinerziehende, Erwachsene, unbegleitete Minderjährige (BRC o.D.).

Die Caritas Bulgarien betreibt in Sofia ein Integrationszentrum für Flüchtlinge und Migranten, das psychologische Hilfe, Bildungsservices, soziale Beratung, humanitäre Hilfe und Unterstützung bezüglich Wohnen und Arbeit bietet (Caritas o.D.a). Für anerkannte Flüchtlinge oder humanitär Schutzberechtigte betreibt die Caritas Bulgarien das sogenannte Refugee and Migrant Integration Center St Anna in Sofia, wo soziale Beratung, psychologische Hilfe, Sprachtraining, Hilfe bei Meldeangelegenheiten, Registrierung beim praktischen Arzt, Unterstützung bezüglich Arbeit, ein Mentoringprogramm und weitere Integrationsmaßnahmen angeboten werden (Caritas o.D.b).

Die NGO Bulgarian Council on Refugees and Migrants listet auf ihrer Netzseite einige Organisationen, welche Schutzberechtigte unterstützen: Zu nennen wären die bereits oben erwähnten St. Anna Integrationszentrum der Caritas Sofia und das Informations- und Integrationszentrum des bulgarischen Roten Kreuzes (und des UNHCR), sowie weiters das Centre for Social Rehabilitation and Integration of Refugees in Plovdiv, die UNHCR-Vertretung in Sofia, das Büro von IOM in Sofia, das Bulgarian Council on Refugees and Migrants in Sofia, die Sofioter Ombudsmann-Stelle, das Bulgarische Helsinki Komitee, die Foundation for Access to Rights, das Centre for Legal Aid - Voice in Bulgaria, das Council of Refugee Women in Bulgaria, das Bulgarische Rote Kreuz, die Stiftung Center Nadya für psychologische Beratung, u.a. (BCRM o.D.c).

Für Flüchtlinge und Personen mit humanitärem Status sind außerdem zwei Arten von Notunterkünften zugänglich: Zentren für die vorübergehende Unterbringung und Notunterkünfte für Obdachlose. Zentren für die vorübergehende Unterbringung können bis zu drei Monate in einem Kalenderjahr eine Unterkunft bieten, mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere drei Monate. Um einen Antrag zu stellen, muss man die örtliche Sozialhilfeeinrichtung am Meldeort aufsuchen. Weiters gibt es im Winter Notunterkünfte für eine Nacht für Obdachlose. Die meisten Notunterkünfte verlangen Ausweispapiere, um eine Person unterzubringen, aber Ausnahmen sind möglich. In Ausnahmefällen bieten die Caritas Sofia und das Bulgarische Rote Kreuz Notunterkünfte für bis zu zwei Wochen für vulnerable Personen an, die von Obdachlosigkeit bedroht sind (BCRM o.D. d)

Quellen:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2023): Bulgarian Helsinki Committee (BHC, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Bulgaria; 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/03/AIDA-BG_2022update.pdf, Zugriff 16.5.2023

- BCRM - Bulgarian Council on Refugees and Migrants (ohne Datum a): Housing, https://refugee-integration.bg/en/%d1%81%d0%b5%d0%ba%d1%82%d0%be%d1%80%d0%b8-%d0%bd%d0%b0-%d0%b8%d0%bd%d1%82%d0%b5%d0%b3%d1%80%d0%b0%d1%86%d0%b8%d1%8f/%d0%b6%d0%b8%d0%bb%d0%b8%d1%89%d0%bd%d0%be-%d0%bd%d0%b0%d1%81%d1%82%d0%b0%d0%bd%d1%8f%d0%b2%d0%b0%d0%bd%d0%b5/, Zugriff 5.5.2023

- BCRM - Bulgarian Council on Refugees and Migrants (ohne Datum b): Social Assistance, https: //refugee-integration.bg/en/%d1%81%d0%b5%d0%ba%d1%82%d0%be%d1%80%d0%b8-%d0%bd%d0%b0-%d0%b8%d0%bd%d1%82%d0%b5%d0%b3%d1%80%d0%b0%d1%86%d0%b8%d1%8f/%d1%81%d0%be%d1%86%d0%b8%d0%b0%d0%bb%d0%bd%d0%be-%d0%bf%d0%be%d0%b4%d0%bf%d0%be%d0%bc%d0%b0%d0%b3%d0%b0%d0%bd%d0%b5/, Zugriff 5.5.2023

- BCRM - Bulgarian Council on Refugees and Migrants (ohne Datum c): Non-Govermental Organizations, https://refugee.bg/en/non-governmental-organizations/, Zugriff 5.5.2023

- BCRM - Bulgarian Council on Refugees and Migrants (ohne Datum d): Accommodation, https://refugee.bg/en/accommodation/, Zugriff 5.5.2023

- BFA/Staatendokumentation [Österreich] (18.4.2023): Protokoll Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023

- BMI - Bundesministerium für Inneres [Österreich] (28.4.2023): Bericht zum Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023, per E-Mail

- BRC – Bulgarian Red Cross (ohne Datum): Support Activities, https://en.redcross.bg/activities/activities8/rms2, Zugriff 5.5.2023

- BTI - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Bulgaria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069794/country_report_2022_BGR.pdf, Zugriff 4.5.2023

- Caritas (ohne Datum a): Bulgaria, https://www.caritas.org/where-caritas-work/europe/bulgaria/, Zugriff 4.5.2023

- Caritas (ohne Datum b): Activities Refugees, https://caritas.bg/en/causes/refugees/activities-refugees/, Zugriff 4.5.2023

- IOM – Internation Organisation for Migration (19.5.2023): Auskunft von IOM, per E-Mail

- OECD/European Observatory on Health Systems and Policies (13.12.2021), Bulgaria: Country Health Profile 2021, State of Health in the EU, https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/c1a721b0-en.pdf?expires=1683185670 id=id accname=guest checksum=F0BCD3C746354C6D3AE01E3616A2D6F8, Zugriff 4.5.2023

- SAREF - State Agency for Refugees [Bulgarien] (2023): Präsentation: General Overview of the Bulgarian Asylum System (präsentiert im Zuge des Study Visit Bulgarien 13.-15.3.2023 von BMI und BFA), per E-Mail

- USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bulgaria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089461.html, Zugriff 2.5.2023

- VQ - Vertrauliche Quelle (27.3.2023): Europäische staatliche Quelle, per E-Mail

Konkrete, in den Personen der Beschwerdeführer gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Die Beschwerdeführer sind gesund und benötigen keine Medikamente.

Die Beschwerdeführer verfügen zwar - zusätzlich zum jeweils mitgereisten Bruder gegen den eine gleichlautende Entscheidung erlassen wird - in Österreich über ein familiäres Netzwerk in Form der gesamten restlichen ausgereisten Familie (Eltern, weitere Geschwister), doch hat auch die restliche Familie hier in Österreich keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus; eine berücksichtigungswürdige Abhängigkeit zwischen den beiden Beschwerdeführern und dem Rest der Familie besteht nicht. Es bestehen auch sonst keine besonders ausgeprägten privaten oder beruflichen Bindungen der Beschwerdeführer zu Österreich. Eine Integrationsverfestigung hat nicht stattgefunden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur illegalen Einreise der Beschwerdeführer von der Türkei kommend über Bulgarien und ihrer dortigen Asylantragstellung ergibt sich aus den gleichlautenden Angaben der Beschwerdeführer in Zusammenschau mit den vorliegenden EURODAC-Treffern der Kategorie 1 (Antragstellung) zu Bulgarien vom 03.08.2023. Dass die Beschwerdeführer das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten seit ihrer Einreise über Bulgarien nicht für mindestens drei Monate wieder verlassen haben, lässt sich ebenfalls ihren eigenen Aussagen entnehmen. Sie gaben zur Reiseroute an, nach ihrem Aufenthalt in Bulgarien lediglich vier Tage lang in Serbien gewesen zu sein und anschließend durch Ungarn durchgereist zu sein, um nach Österreich zu gelangen. Auch spricht ihre Antragstellung in Österreich am 20.08.2023 - rein rechnerisch - gegen einen mindestens dreimonatigen Aufenthalt außerhalb des Gebietes der Mitgliedstaaten.

Die Feststellungen bezüglich der Anfrage an Bulgarien und der ausdrücklichen Zustimmung zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführer seitens Bulgariens gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO basieren auf dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der bulgarischen Dublin-Behörde; der Schriftverkehr ist Teil des Verwaltungsaktes. Festzuhalten ist, dass das Konsultationsverfahren mängelfrei durchgeführt wurde, zumal dem ersuchten Mitgliedstaat Bulgarien sämtliche relevanten Umstände mitgeteilt wurden, um die dortigen Behörden in die Lage zu versetzen, eine informierte Prüfung des Gesuchs etwa in Hinblick auf Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO vorzunehmen.

Dass die Beschwerdeführer am 11.01.2024 bzw. am 13.02.2024 nach Bulgarien überstellt wurden, ergibt sich aus Mitteilungen des BFA vom 15.01.2024 und 19.02.2024 (jeweils OZ 4).

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat Bulgarien resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen. Die Länderinformationen gehen auf alle entscheidungsrelevanten Fragen ein: Neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Bulgarien beinhalten die Berichte auch Informationen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg. Die Staatendokumentation, welche sich für die Zusammenstellung der Länderinformationen verantwortlich zeigt, ist zur Objektivität verpflichtet. Die nunmehr herangezogenen Länderberichte sind auch ausreichend aktuell (Stand: 29.09.2023).

Aus den der Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass das bulgarische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Bulgarien den Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, haben die Beschwerdeführer nicht dargetan.

Es wird nicht verkannt, dass die Beschwerdeführer über die Türkei nach Bulgarien eingereist sind, doch zeigen die nunmehr herangezogenen aktuellsten Berichte (Stand: 29.09.2023) diesbezüglich ein differenzierteres Bild als jene Länderberichte (Stand: 13.06.2022), die den Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15.03.2023, E 2944/2022-16, dazu veranlassten, in einem ähnlich gelagerten Fall - allerdings dort betreffend einen afghanischen Staatsbürger - festzustellen, es sei „näher zu überprüfen, ob der Beschwerdeführer in Bulgarien Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren hat, ohne dem Risiko einer Kettenabschiebung in ein Land ausgesetzt zu sein, in dem ihm die Verletzung seiner gemäß Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC gewährleisteten Rechte drohen könnte.“

Diese im Hinblick auf Art. 3 EMRK geforderte nähere Überprüfung hat zwischenzeitlich stattgefunden. So hat sich die Staatendokumentation bei der Aktualisierung der Länderinformationen zu Bulgarien umfassend der aufgeworfenen Fragestellung gewidmet und kommt zu folgendem Ergebnis [Anm: Hervorhebungen durch das BVwG]: Die nationale [bulgarische] Gesetzgebung erlaubt die Verwendung des Konzepts des sicheren Herkunftslandes und des sicheren Drittlandes im Asylverfahren. Bislang wurden jedoch keine nationalen Listen sicherer Herkunfts- bzw. Drittstaaten angenommen und angewendet (AIDA 3.2023). Betreffend die Frage, ob Asylanträge von Afghanen unter Hinweis auf eine Drittstaatssicherheit der Türkei im beschleunigten Verfahren als offensichtlich unbegründet behandelt werden, gibt die bulgarische Asylbehörde SAREF die Auskunft, dass Bulgarien derzeit keine nationale Liste mit sicheren Herkunfts- und Drittstaaten besitzt. Jeder Antrag für internationalen Schutz wird als individueller Einzelfall im Rahmen eines eingeleiteten Verwaltungsverfahrens behandelt und bei der Entscheidung über einen Asylantrag wird geprüft, ob alle Voraussetzungen für die Drittstaatssicherheit vorliegen. Auch für Dublin-Rückkehrer besteht kein Risiko der Ausweisung und/oder Überstellung in ein Land, in dem die Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK besteht (SAREF 26.4.2023). Dies wurde von SAREF gegenüber dem BMI-Verbindungsbeamten erneut bestätigt: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfügt die Republik Bulgarien über keine nationale Liste sicherer Herkunfts- und Drittstaaten. Jeder Antrag auf internationalen Schutz wird im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens gemäß den Bestimmungen einzeln, objektiv und unparteiisch geprüft, wobei zunächst die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus geprüft wird. Falls kein Flüchtlingsstatus zuerkannt wird, wird die Notwendigkeit der Zuerkennung des humanitären Statuts behandelt. Ein Ausländer, der in die Republik Bulgarien eingereist ist, um Schutz zu beantragen, oder welcher bereits Schutz erhalten hat, darf nicht in das Hoheitsgebiet eines Landes zurückgeschickt werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bedroht ist oder der Gefahr von Folter oder anderen Formen der Grausamkeit, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ausgesetzt ist (VB 7.8.2023). Der BMI-Verbindungbeamte (VB) berichtet, dass von der Türkei keine Drittstaatsangehörigen von Bulgarien übernommen werden. Wie das bulgarische Innenministerium zur Frage, ob afghanische Staatsangehörige in die Türkei rückgeführt werden, beauskunftet, wendet die Türkei die Bestimmungen der Artikel 4 und 6 des Rückübernahmeabkommens EU-Türkei über die Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen nicht an. Diese Bestimmungen hätten am 1. Oktober 2017 in Kraft treten müssen oder es hätte eine bilaterale Vereinbarung über die Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen, die direkt aus der Türkei eingereist sind, getroffen werden müssen. Dafür setzt die türkische Seite mehr Anstrengungen und Ressourcen für die Bekämpfung der illegalen Migration und die Sicherung der gemeinsamen Grenze ein (VB 12.7.2023).

Festzuhalten ist zudem, dass die von staatlicher Seite (SAREF) erteilten Auskünfte in Einklang mit den Beobachtungen von IOM stehen, wenn es in den Länderberichten dazu heißt: IOM Bulgarien konnte keine Informationen finden, dass die bulgarischen Behörden bei Entscheidungen über den Schutzstatus afghanischer Staatsangehöriger auf die Türkei als sicheres Drittland verwiesen hätten (IOM 19.5.2023).

Gegenständlich ist somit von einer drohenden Zurückschiebung der Beschwerdeführer in die Türkei nicht auszugehen. Den herangezogenen Länderberichten ist in diesem Zusammenhang auch zu entnehmen, dass die Anerkennungsquote von Syrern auch in früheren Jahren schon deutlich über jener anderer Nationalitäten lag; in den letzten Jahren ist im Übrigen auch die Anerkennungsquote von afghanischen Asylwerbern in Bulgarien massiv gestiegen (AIDA 3.2023). Es ergeben sich aus den neuesten Länderfeststellungen auch keine Hinweise darauf, dass Dublin-Rückkehrer keinen Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren oder Versorgung erhalten würden. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass es in Bulgarien Beschwerdemöglichkeiten nicht nur im ordentlichen Verfahren, sondern auch im beschleunigten Verfahren gibt. Dazu heißt es in den Länderberichten, dass die Rechtsmittelfrist im beschleunigten Verfahren 7 Tage beträgt (AIDA 3.2023).

Die vormaligen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes in seiner Entscheidung vom 15.03.2023, E 2944/2022-16, sind somit aufgrund näherer Ermittlungen seitens des BFA und neuerer Länderfeststellungen ausgeräumt.

Soweit die Beschwerdeführer vorbrachten, man habe sie in Bulgarien dazu gezwungen, ihre Fingerabdrücke abzugeben, ist festzuhalten, dass die Behörden der Mitgliedstaaten grundsätzlich dazu gehalten sind, bei schutzsuchenden Personen auf eine rasche Antragstellung hinzuwirken. Ein derartiges Behördenverhalten ist nicht zu beanstanden und würde den Beschwerdeführern auch in anderen Mitgliedstaaten widerfahren.

Soweit in den Beschwerden Berichte über Pushbacks angeführt wurden, ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer keine Gefahr laufen, in derartige Situationen - nämlich in solche, die in Zusammenhang mit einer erstmaligen illegalen Einreise in Bulgarien stehen - zu kommen, zumal Bulgarien ihrer Wiederaufnahme nunmehr ausdrücklich zugestimmt hat und im Rahmen der Überstellung eine geordnete Übergabe der Beschwerdeführer an die bulgarischen Behörden stattfinden wird. Aufgrund dessen relativieren sich auch die in den Beschwerden aufgezeigten Berichte zur Polizeigewalt in Bulgarien, welche überwiegend in Zusammenhang mit Pushbacks stehen. Aufgrund der geordneten Überstellung besteht für die Beschwerdeführer keine Gefahr, von etwaigen Pushbacks betroffen zu sein.

Dem Vorbringen, wonach das Unterbringungs- und Versorgungssystem in Bulgarien grob mangelhaft sei, sind die Länderberichte entgegenzuhalten. Die Asylbehörde SAREF ist für die Versorgung von Asylwerbern zuständig. Seit Ende 2015 erhalten diese während des Verfahrens Unterkunft, Verpflegung und medizinische Grundversorgung (AIDA 3.2023; vgl. SAREF 26.4.2023). Der Zugang zu Versorgung ist gesetzlich garantiert, allerdings nicht ab der Antragstellung, sondern ab dem Zeitpunkt der Registrierung als Asylwerber durch SAREF. Die Registrierungskarte für Asylwerber ist eine unabdingbare Voraussetzung für den Zugang zu den Rechten, die Asylwerbern während des Asylverfahrens zustehen (AIDA 3.2023). Obwohl das Gesetz diesbezüglich keine ausdrücklichen Bestimmungen enthält, werden mittellose Asylwerber im Falle begrenzter Unterbringungskapazitäten vorrangig untergebracht. In jedem Einzelfall werden Umstände wie besondere Bedürfnisse und das Risiko der Mittellosigkeit geprüft. Die Unterbringung außerhalb der Aufnahmezentren in privaten Wohnungen ist zulässig, jedoch nur für Asylwerber, welche die Kosten für Miete und Nebenkosten selbst tragen können, denn sie haben während des Verfahrens auch keinen Anspruch auf sonstige materielle oder soziale Unterstützung (AIDA 3.2023). Dass der Standard der bulgarischen Unterbringungseinrichtungen möglicherweise nicht immer dem österreichischen entspricht, ist unerheblich, solange grundlegende Versorgungsgarantien und menschenwürdige Bedingungen gewährleistet sind. Dazu gaben die Beschwerdeführer in den Beschwerden selbst an, bei ihrem Voraufenthalt in Bulgarien Unterkunft und Versorgung - wenn auch auf einfachem Niveau - erhalten zu haben. Es wird nicht verkannt, dass die Situation für Asylsuchende in Österreich vergleichsweise besser ist, doch liegen angesichts der Umstände keine Hinweise dafür vor, dass den Beschwerdeführern im Falle ihrer Rückverbringung nach Bulgarien im Hinblick auf ihre Unterbringung und Existenzsicherung in eine ausweglose Lage im Sinne des Art. 3 EMRK kommen würden.

Die Beschwerdeführer haben zudem nur eine kurze Zeit in Bulgarien verbracht, weshalb davon auszugehen ist, dass sie überhaupt kein Interesse daran hatten, ihr dortiges Asylverfahren abzuwarten oder jene Unterstützungsleistungen, die Asylwerbern in Bulgarien zustehen, in Anspruch zu nehmen. In diesem Sinne gaben die Beschwerdeführer auch auf die Frage, ob sie ein bestimmtes Zielland bei ihrer Ausreise aus Syrien gehabt hätten an: „Deutschland zu meinem Bruder; DE, dort haben wir Verwandte“. Es liegt jedoch nicht an den Beschwerdeführern, sich das Zielland ihrer Wahl auszusuchen, sondern ist dieses nach den in der Dublin-III-VO festgesetzten Kriterien der zu bestimmen: Diese Kriterien ergeben klar die Zuständigkeit Bulgariens. Es wird auch nicht übersehen, dass - wie in den Beschwerden ausgeführt - im bulgarischen Asylwesen nach wie vor Verbesserungsbedarf besteht. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführer als Dublin-Rückkehrer keinen Zugang zum Asylverfahren und zu den für Asylwerber vorgesehenen Versorgungsleistungen hätten, sind jedoch nach dem oben Gesagten nicht vorhanden.

Der in den Länderfeststellungen genannte Umstand, dass das Recht auf Versorgung für Asylwerber in allen Verfahren gilt, außer für Folgeantragsteller (mit Ausnahme von Vulnerablen) (AIDA 3.2023), trifft die Beschwerdeführer jedenfalls nicht negativ; sie sind keine Folgeantragsteller, da in ihrem zuvor in Bulgarien geführten Verfahren bisher noch keine inhaltliche Entscheidung ergangen ist.

Ebenso ist medizinische (Grund-)Versorgung gewährleistet, zumal Asylwerber in Bulgarien dasselbe Recht auf medizinische Versorgung haben wie bulgarische Staatsbürger. Die Asylbehörde SAREF ist verpflichtet, ihre Krankenversicherungsbeiträge aus dem Staatsbudget zu decken. Der grundsätzliche Mangel an Allgemeinmedizinern in Bulgarien ist der Hauptgrund dafür, dass die medizinische Versorgung von Asylwerbern hauptsächlich in den Arztpraxen der Unterbringungszentren in Sofia und Harmanli erfolgt. Die medizinische Grundversorgung in den Unterbringungszentren erfolgt entweder durch eigenes medizinisches Personal oder durch Überweisung an Notaufnahmen örtlicher Krankenhäuser. Im Rahmen eines AMIF-Projekts, das von der Caritas in Zusammenarbeit mit UNICEF unterstützt wird, wurde in Sofia eine neue mobile Ambulanz eingerichtet, mit einer Krankenschwester, die Gesundheitsberatung und medizinische Grundversorgung anbietet, sowie einem Krankenwagen für den Transport von Patienten zu Gesundheitseinrichtungen. Bis Ende 2022 wurden insgesamt 29.071 ambulante Untersuchungen in den Arztpraxen der Aufnahmezentren durchgeführt (AIDA 3.2023).

Auch eine etwaige Anspannung der Versorgungssituation in Bulgarien aufgrund der COVID-19-Pandemie zeigt noch keinen systemischen Mangel im bulgarischen Aufnahmesystem auf. Aus den herangezogen Länderberichten ist ersichtlich, dass im Jahr 2022 sowohl Schutzberechtigte als auch Asylwerber uneingeschränkten Zugang zu Impfung gegen COVID-19 hatten (AIDA 3.2023). Auch in dieser Hinsicht ist somit keine Gefährdung der Beschwerdeführer in Bulgarien ersichtlich.

Seitens der Beschwerdeführer wurde somit insgesamt kein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer gründen sich auf ihre eigenen Angaben; sie gaben vor dem BFA an, gesund zu sein und keine Medikamente zu benötigen. Auch in den Beschwerden finden sich keine gegenteiligen Ausführungen.

Dass die Beschwerdeführer zwar - abgesehen von einander - zusätzlich noch über weitere familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich in der Form von ihren Eltern und weiteren Geschwistern verfügen, gaben sie durchgehend gleichlautend an. Der Rest der Familie hat hier ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz gestellt; von einem dauerhaften Aufenthaltsrecht in Österreich kann bei ihnen daher nicht gesprochen werden, sie befinden sich im laufenden Asylverfahren. Dass die Familienmitglieder unterschiedliche Reiserouten wählten, zeigt deutlich, dass nicht alle Angehörigen notwendiger Weise immer gemeinsam unterwegs sein und zusammenleben müssen. Es wird nicht verkannt, dass es für die Beschwerdeführer - so wie in der Beschwerde auch angeführt - wünschenswert wäre, hier im Familienverband weiterhin in Österreich zu bleiben, doch ist zu betonen, dass es sich bei den beiden Beschwerdeführern um völlig gesunde, selbstständige, volljährige, junge Männer handelt. Es besteht für die beiden volljährigen Beschwerdeführer kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer restlichen Familie in Österreich; ein solches wurde von den Beschwerdeführern auch nicht behauptet. Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass die beiden Beschwerdeführer als Brüder nunmehr gemeinsam ihr Asylverfahren in Bulgarien führen werden, sodass sie dort auch nicht gänzlich alleine sind. Anhaltspunkte für eine Integrationsverfestigung der Beschwerdeführer in Österreich sind im Verfahren nicht hervorgekommen und waren angesichts des kurzen Aufenthaltes in Österreich auch nicht zu erwarten; dieser betrug von der Antragstellung am 20.08.2023 bis zur Überstellung nach Bulgarien am 11.01.2024 bzw. am 13.02.2024 gerade einmal knapp sechs Monate (im Falle des Erstbeschwerdeführers) bzw. knapp fünf Monate (im Falle des Zweitbeschwerdeführers).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

§ 5 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:

„§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.“

§ 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:

„§ 9 (2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin-III-VO lauten:

„Artikel 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Artikel 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 [Anm.: gemeint wohl 16] genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Artikel 13

Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Artikel 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 17

Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Artikel 18

Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

Artikel 19

Übertragung der Zuständigkeit

(1) Erteilt ein Mitgliedstaat dem Antragsteller einen Aufenthaltstitel, so obliegen diesem Mitgliedstaat die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1.

(2) Die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1 erlöschen, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d, um dessen/deren Aufnahme oder Wiederaufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels.

Ein nach der Periode der Abwesenheit im Sinne des Unterabsatzes 1 gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.

(3) Die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben c und d erlöschen, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d, um dessen/deren Wiederaufnahme er ersucht wurde, nach Rücknahme oder Ablehnung des Antrags das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines Rückführungsbeschlusses oder einer Abschiebungsanordnung verlassen hat.

Ein nach einer vollzogenen Abschiebung gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.

Artikel 23

Wiederaufnahmegesuch bei erneuter Antragstellung im ersuchenden Mitgliedstaat

(1) Ist ein Mitgliedstaat, in dem eine Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Auffassung, dass nach Artikel 20 Absatz 5 und Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig ist, so kann er den anderen Mitgliedstaat ersuchen, die Person wieder aufzunehmen.

(2) Ein Wiederaufnahmegesuch ist so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 zu stellen.

Stützt sich das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittel als Angaben aus dem Eurodac-System, ist es innerhalb von drei Monaten, nachdem der Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Artikel 20 Absatz 2 gestellt wurde, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten.

(3) Erfolgt das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Absatz 2 festgesetzten Frist, so ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der neue Antrag gestellt wurde.

(4) Für ein Wiederaufnahmegesuch ist ein Standardformblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indizien im Sinne der beiden Verzeichnisse nach Artikel 22 Absatz 3 und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung der betroffenen Person enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat auf Grundlage der in dieser Verordnung festgelegten Kriterien zuständig ist.

Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für die Erstellung und Übermittlung von Wiederaufnahmegesuchen fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 25

Antwort auf ein Wiederaufnahmegesuch

(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Wiederaufnahme der betreffenden Person so rasch wie möglich, in jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.

(2) Wird innerhalb der Frist von einem Monat oder der Frist von zwei Wochen gemäß Absatz 1 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.“

In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit Bulgariens zur Prüfung der in Rede stehenden Anträge auf internationalen Schutz in Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO begründet, da die Beschwerdeführer aus einem Drittstaat (Türkei) kommend die Landesgrenze Bulgariens illegal überschritten haben. Die Verpflichtung Bulgariens zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführer ist in Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO begründet, da die Beschwerdeführer während der Prüfung ihrer Anträge in Bulgarien in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich in Österreich, einen (weiteren) Asylantrag gestellt haben. Bulgarien hat der Wiederaufnahme der Beschwerdeführer ausdrücklich gemäß dieser Bestimmung zugestimmt.

Anhaltspunkte dafür, dass die Zuständigkeit Bulgariens in der Zwischenzeit untergegangen sein könnte, bestehen nicht. Insbesondere ist die Zuständigkeit nicht nach Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO erloschen, da die Beschwerdeführer das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens drei Monate verlassen haben, sondern ihren Aussagen nach zwischenzeitlich nur etwa vier Tage in Serbien aufhältig waren.

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin-III-VO (humanitäre Klausel) ergibt sich mangels ausgeprägter familiärer Anknüpfungspunkte und mangels Vulnerabilität keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrags der Beschwerdeführer.

Nach der Rechtsprechung des VfGH (z.B. 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des VwGH (z.B. 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sofern die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben sollte, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es ist daher zu prüfen, ob von diesem im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen wäre.

Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene, Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung in Bezug auf seine Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). „Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist“ (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei, Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K 13 zu Art. 19).

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich (Rz 60) aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass […] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums […] geltend machen kann.

Damit im Einklang steht das Urteil des EuGH ebenfalls vom 07.06.2016, C-155/15, Karim (Große Kammer), wonach ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung geltend machen kann.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den EGMR zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S. u.a./Vereinigtes Königreich, befasst und - ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung vom 21.01.2011 (GK), 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rz 86). An dieser Stelle ist auch auf das damit in Einklang stehende Urteil des EuGH vom 14.11.2013 in der Rechtssache C-4/11, Kaveh Puid/Bundesrepublik Deutschland, zu verweisen (Rz 36, 37).

Nach der jüngeren Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 16.02.2017 in der Rechtssache C-578/16 PPU, C.K. u.a./Slowenien, ist Art. 4 GRC dahingehend auszulegen, dass die Überstellung eines Asylwerbers im Rahmen der Dublin-III-VO, auch wenn es keine wesentlichen Gründe für die Annahme gibt, dass in dem für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat systemische Schwachstellen bestehen (vgl. Art. 3 Abs. 2 zweiter Unterabsatz Dublin-III-VO), nur unter Bedingungen vorgenommen werden darf, die es ausschließen, dass mit seiner Überstellung eine tatsächliche und erwiesene Gefahr verbunden ist, dass er eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne dieses Artikels erleidet (Tenor wiedergegeben in VwGH 20.06.2017, Ra 2016/01/0153-16 (Rz 28)).

Zuletzt hat sich der EuGH im Urteil vom 19.03.2019 in der Rechtssache C-163/17, Jawo/Bundesrepublik Deutschland, u.a. mit dem Umgang mit potentiellen Verletzungen von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK - dort konkret im Kontext mit Überstellungen nach Italien - befasst und ausgeführt, dass Überstellungen im Rahmen der Dublin-III-VO im Lichte des Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK nur im Falle „extremer materieller Not“ für die zu überstellende Person, die unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen einträte, unzulässig sind; dies sei zu unterscheiden von (bloß) „großer Armut oder einer starken Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betroffenen Person“ (Rz 93). Damit umschreibt der EuGH die diesbezüglichen Prüfungsmaßstäbe wesentlich enger als bei einer regulären Art. 3 EMRK Prüfung in Bezug auf Nicht-Mitgliedstaaten und nimmt gleichzeitig auf bestehende Judikatur Bezug: Bereits im Urteil vom 05.04.2016 in den verbundenen Rechtssachen C-404/15, Aranyosi, und C-659/15 PPU, Căldăraru, hatte der EuGH ein - von den Spezifika der dort zugrundeliegenden Verfahren betreffend die Vollstreckung Europäischer Haftbefehle unabhängiges und auch für Verfahren nach der Dublin-III-VO gültiges - mehrstufiges Prüfungskonzept festgelegt (Rz 90); ausgeführt wurde dort, dass in einem ersten Schritt zu prüfen ist, ob im Aufnahmestaat systemische oder allgemeine Mängel [hier: im Asylverfahren und/oder in der Unterbringungs- und Versorgungssituation] vorliegen (Rz 89), und in einem zweiten Schritt, ob es ernsthafte Gründe für die Annahme gibt, dass der Betroffene einer solchen Gefahr auch subjektiv ausgesetzt wird (Rz 92). Nur im kumulativen Vorliegen dieser objektiven und subjektiven Elemente erkennt der EuGH jene „außergewöhnliche Umstände“, die eine Einschränkung der Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Anerkennung zwischen den Mitgliedstaaten rechtfertigen kann.

Somit ist zum einen unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylwerber (objektiv) vorherrschen, und zum anderen aus unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Erwägungen, ob die Beschwerdeführer im Falle der Zurückweisung ihres Antrags auf internationalen Schutz und der Außerlandesbringung gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG - unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation - (subjektiv) in ihren Rechten gemäß Art. 3 EMRK und/oder Art. 8 EMRK verletzt würden, wobei der Maßstab des „real risk“ anzulegen ist, wie ihn EGMR und VfGH auslegen.

In diesem Zusammenhang führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass mit § 5 Abs. 3 AsylG 2005 eine gesetzliche „Beweisregel“ geschaffen wurde, die es - im Hinblick auf die vom Rat der Europäischen Union vorgenommene normative Vergewisserung - grundsätzlich nicht notwendig macht, die Sicherheit des Asylwerbers vor „Verfolgung“ im nach dem Dublin-System zuständigen Mitgliedstaat von Amts wegen in Zweifel zu ziehen. Die damit aufgestellte Sicherheitsvermutung ist jedoch unter näher bezeichneten Voraussetzungen widerlegbar (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra 2015/17/0113 bis 0120, mwN auf die bisherige Rechtsprechung). Dieser Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 nur durch eine schwerwiegende, die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC übersteigende allgemeine Änderung der Rechts- und Sachlage im zuständigen Mitgliedstaat widerlegt werden kann (vgl. aktuell dazu auch VwGH 20.06.2017, Ra 2016/01/0153-16 (Rz 33, 35); 09.11.2017, Ra 2017/18/0272 bis 0273 (Rz 10); 04.09.2018, Ra 2017/01/0252 mwN; 15.04.2019, Ra 2019/01/0109 (Rz 8) mit Verweis auf EuGH 19.03.2019, C-163/17, Rs Jawo, zum Prinzip des gegenseitigen Vertrauens).

Die angefochtenen Bescheide enthalten umfangreiche und grundsätzlich ausreichend aktuelle Feststellungen zum bulgarischen Asylwesen; diese liegen mittlerweile jedoch in einer noch aktuelleren Version vor und wurde daher dem Verfahren zugrunde gelegt. Die Feststellungen basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA, welches zur Objektivität verpflichtet ist. Zu den einzelnen Passagen sind jeweils detaillierte Quellenangaben angeführt und es wurden dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt.

Den von der Staatendokumentation zusammengestellten Länderberichten lässt sich entnehmen, dass in Bulgarien ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit existiert. Zusammengefasst sind sowohl im regulären Verfahren als auch im beschleunigten Verfahren als auch bei der Zulässigkeitsüberprüfung von Folgeanträgen Rechtsmittel - mit unterschiedlichen Rechtsmittelfristen - vorgesehen (AIDA 3.2023). Dublin-Rückkehrer haben Zugang zum Asylverfahren, wobei folgende Konstellationen möglich sind: Wenn bei einem Dublin-Rückkehrer der Antrag beendet (terminated) oder inhaltlich abgelehnt (rejected) und in Abwesenheit zugestellt wurde, wird er bei Rückkehr nach Bulgarien als irregulärer Migrant betrachtet. Im Falle einer Beendigung kann er eine Wiedereröffnung seines Verfahrens beantragen. Wenn der Antrag des Rückkehrers inhaltlich abgelehnt wurde und eine Zustellung der Entscheidung in Abwesenheit erfolgt ist, wird der Dublin-Rückkehrer jedenfalls festgenommen. Er kann dann einen neuen Asylantrag stellen, welcher als Folgeantrag gilt und dessen Zulässigkeit SAREF entscheiden muss (BFA/Staatendokumentation 18.4.2023).

Im konkreten Fall hat Bulgarien der Wiederaufnahme der Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO zugestimmt, woraus sich schließen lässt, dass in Bulgarien noch keine inhaltliche Entscheidung im Verfahren ergangen ist und das Verfahren fortgesetzt werden wird. Die Beschwerdeführer sind somit auch keine Folgeantragsteller, sodass davon auszugehen ist, dass sie bei einer Rückkehr nach Bulgarien - wenn auch auf einfachem Niveau - versorgt werden würden. Ebenso werden sie - im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger - Zugang zu medizinischer Versorgung haben.

Schon vor diesem Hintergrund kann somit nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin-III-VO nach Bulgarien überstellt werden, aufgrund der dortigen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines „real risk“ für den Einzelnen bestehen würde.

Relevant wären im vorliegenden Fall bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung Dritter, kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel - die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 - sind auf Basis der nunmehr herangezogenen Länderfeststellungen (Stand: 29.09.2023) nicht erkennbar; es ist an dieser Stelle auf die ausführlichen Ausführungen in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2. zu verweisen.

Schwerwiegende Erkrankungen, die einer Überstellung ihrer Person nach Bulgarien entgegenstünden, brachten die Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht vor. Im Gegenteil ergibt sich aus ihren Aussagen, dass sie völlig gesund sind. Vor dem Hintergrund der herangezogenen Länderinformationen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer in Bulgarien medizinische Versorgung erhalten werden, sofern sie akut notwendige Behandlungen benötigen sollten.

Insgesamt gesehen konnten die Beschwerdeführer keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprächen, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Jedenfalls hätten die Beschwerdeführer die Möglichkeit, etwaige ihnen drohende oder eingetretene Verletzungen ihrer Rechte, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Bulgarien und letztlich beim EGMR, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.

Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Wie festgestellt und in der Beweiswürdigung näher ausgeführt, verfügen die Beschwerdeführer - zusätzlich zum jeweils mitgereisten volljährigen Bruder gegen den eine gleichlautende Entscheidung ergeht - über weitere Familienangehörige, die sich im laufenden Asylverfahren befinden, die hier keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben und zu denen keine berücksichtigungswürdige Abhängigkeit besteht. Ein unzulässiger Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistet Recht auf Familienleben kann daher nicht erkannt werden.

Auch sonst verfügen die Beschwerdeführer über keine besonders ausgeprägten privaten oder beruflichen Bindungen im österreichischen Bundesgebiet, sodass die Überstellung nach Bulgarien auch keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistet Recht auf Privatleben darstellt.

Während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet, der von der Antragstellung am 20.08.2023 bis zum Zeitpunkt der Überstellung knapp fünf Monate bzw. knapp sechs Monate betrug, kam den Beschwerdeführern nicht einmal eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu, sondern es bestand - da das Verfahren nicht zugelassen war - lediglich faktischer Abschiebeschutz. Dieser Zeitraum ist - gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes - als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen (dort: vorläufig berechtigten) Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124). Die Beschwerdeführer mussten sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein. Hinweise auf eine fortgeschrittene Integration sind im Verfahren ohnehin nicht hervorgekommen, aber auch allenfalls begonnene erste Integrationsbemühungen relativieren sich vor diesem Hintergrund. Bei einer abwägenden Gesamtbetrachtung ist der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführer zulässig und angesichts der insgesamt vergleichsweise kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet geradezu geboten.

Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegen im gegenständlichen Fall klar die Interessen an der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens sowie am wirtschaftlichen Wohl des Landes. Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Die privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund. Ein durch die Ausweisung der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in ihr Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu ihrem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet jedenfalls gedeckt.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz vorzunehmen.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 61 Abs. 1 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt. Wie bereits ausgeführt, stellt die Anordnung zur Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliegen.

Wird gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben und hält sich der Fremde zum Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet auf, so hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 1 erster Satz BFA-VG festzustellen, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides rechtmäßig war.

Nachdem die Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Entscheidung bereits nach Bulgarien überstellt worden waren, war festzustellen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; die dort genannten Kriterien für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG sind gegenständlich erfüllt). Es ergab sich kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten Sachentscheidung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedstaat, welche sich aus den umfassenden und aktuellen Länderberichten ergibt, weiters im Gesundheitszustand der Beschwerdeführer sowie in der Bewertung der Intensität ihrer privaten und familiären Interessen und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den obigen Erwägungen wiedergegeben.

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