JudikaturBvwgL506 2290475-1

L506 2290475-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
23. April 2024

Spruch

L506 2290475-1/12Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Libanon, vertreten durch RA DDr. Rainer LUKITS, LL.M., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom XXXX , Zl. XXXX :

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Über den Beschwerdeführer (nachfolgend BF) wurde mit Beschluss des LG XXXX vom XXXX , GZ XXXX wegen des dringenden Verdachts des Verbrechens des Suchtgifthandels und des Verbrechens der kriminellen Organisation die Untersuchungshaft verhängt.

2. Am 01.04.2021 wurde der BF seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend BFA) darüber informiert, dass beabsichtigt sei, gegen ihn im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG iVm einem Einreiseverbot gem. § 53 FPG zu erlassen und ev. die Schubhaft zu verhängen. Dem BF wurde in einem eine 22 Punkte umfassende Liste zu Fragen zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich übermittelt. Dem BF wurde eine zehntägige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

3. Am 06.04.2021 langte beim BFA eine handschriftliche Stellungnahme des BF mit Angaben zu seinem Privat- und Familienleben ein.

4.1. Am XXXX wurde der BF mit Urteil des LG XXXX GZ XXXX wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z2 und Z3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

4.2. Mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX , XXXX vom XXXX wurde der Berufung des BF nicht folge gegeben. Der Berufung der Staatsanwaltschaft wurde hingegen Folge gegeben und das Urteil dahingehend abgeändert, dass über den BF eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verhängt wurde.

4.3. Am XXXX langte bei der Behörde eine Verständigung des LG XXXX ein, wonach gegen den BF wegen §§ 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z2 und Z3 SMG ein rechtskräftiges Urteil ergangen sei.

5. Mit Protokolls- und Urteilsvermerk des BG XXXX vom XXXX wurde der BF wegen des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach § 15 Abs. 1, 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu € 4, für den Uneinbringlichkeitsfall zu einer 45tägigen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil erwuchs mit XXXX in Rechtskraft.

6. Am XXXX wurde die geschiedene Frau des BF als Zeugin zu dessen Privat- und Familienleben in Österreich einvernommen. Der Beschluss des BG XXXX vom 19.04.2023 zur einvernehmlichen Scheidung, der Reisepass der Exfrau, ein Auszug aus dem Heiratseintrag des Standesamtes XXXX und die Geburtsurkunden der beiden minderjährigen Kinder des BF wurden in Vorlage gebracht.

7. Mit Schreiben vom XXXX erfolgte erneut eine Verständigung des BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme durch das BFA. Dem BF wurde die beabsichtigte Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem FPG, in eventu die Verhängung der Schubhaft mitgeteilt. Dem BF wurde zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eine 10tägite Frist eingeräumt. Dem BF wurde zur Kenntnis gebracht, dass aufgrund der nunmehr rechtskräftigen Verurteilung wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten und des vom BF gezeigten Verhaltens feststehe, dass er sich nicht an die österreichische Rechts- und Werteordnung halte und von ihm eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgehe.

Der BF wurde aufgefordert, anzugeben, ob sich seit dem am XXXX zugestellten Parteiengehör der Sachverhalt geändert habe. Dem BF wurden in einem Länderfeststellungen zur Situation im Herkunftsstaat übermittelt. Ein AJ-WEB Auskunftsverfahren wurde mit 26.02.2024 durchgeführt und eine Besucherliste der Justizanstalt eingeholt.

8. Am XXXX langte beim BFA eine Stellungnahme des BF ein, in der dieser Ausführungen zu seinem aktuellen Privat- und Familienleben in Österreich machte.

9. Mit dem nunmehr angefochten Bescheid des BFA vom XXXX wurde gem. § 52 Abs. 5 FPG iVm§ 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gem. § 46 nach Libanon zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. (Spruchpunkt III.) Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt. (Spruchpunkt IV.) und wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.)

Es wurden Feststellungen zum Privat- und Familienleben des BF in Österreich, zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes sowie länderkundliche Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen.

10. Gegen den oa. Bescheid des BFA erhob der BF durch seine nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht mit Schriftsatz vom XXXX Beschwerde. In der Beschwerde wurden Ausführungen zum Privat- und Familienleben des BF in Österreich, zum Kindeswohl und zur Situation im Herkunftsstaat gemacht.

Es wurde beantragt, alle Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids aufzuheben oder hilfsweise zugunsten des BF abzuändern und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Der Beschwerde wurde ein B1 Deutschzertifikat vom XXXX sowie ein vom Vertreter angefertigter Aktenvermerk vom XXXX über ein mit der geschiedenen Frau geführtes Gespräch zum Kontakt zu seinen minderjährigen Kindern beigelegt.

11. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den gegenständlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

§ 18 BFA-VG lautet:

(1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1.

der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2.

schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3.

der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,

4.

der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5.

das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6.

gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7.

der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1.

die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2.

der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3.

Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich hierbei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben des Beschwerdeführers als ‚vertretbare Behauptungen‘ zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Mit dem angefochtenen Bescheid erließ das BFA gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und ein befristetes Einreiseverbot ohne sich vom BF in einer behördlichen Einvernahme einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, ihn zu befragen oder ihm die Angaben seiner geschiedenen Frau zur Kenntnis zu bringen.

Der Verwaltungsgerichtshof betont dazu in seiner Rechtsprechung, dass es grundsätzlich immer Aufgabe des Verwaltungsgerichtes ist, sich vor Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Rahmen einer mündlichen Verhandlung selbst einen persönlichen Eindruck vom Fremden zu verschaffen, sofern nicht ausnahmsweise ein eindeutiger Fall gegeben ist (VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0007 mwN). Bei der Verhängung eines Einreiseverbotes, das fallbezogen befristet ausgesprochen wurde, kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der zur Prüfung eines Einreiseverbotes anzustellende Gefährdungsprognose besondere Bedeutung zu (VwGH 25.06.2019, Ra 2019/19/0130). Auch ist auf die rezente höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach im Falle eines wegen Schlepperei verurteilten Fremden das Höchstgericht auf die besondere Bedeutung des persönlichen Eindrucks bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verwies und das BVwG nicht von einem geklärten Sachverhalt hätte ausgehen dürfen (VwGH 23.05.2023, Ra 2021/22/0008).

Der angefochtene Bescheid enthält trotz festgestellter Zulässigkeit der Abschiebung des BF keine Feststellungen zur aktuellen Sicherheitslage im Libanon, welche aber - unter Wahrung des Parteiengehörs - in das Verfahren zu integrieren sind (VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240).

Im vorliegenden Fall kann aufgrund der derzeitigen Aktenlage ohne nähere Prüfung des Sachverhaltes innerhalb der relativ kurzen Frist des § 18 Abs 5 BFA-VG nicht mit der erforderlichen Sicherheit prognostiziert werden, dass die Effektuierung der Rückkehrentscheidung in den in Aussicht genommenen Zielstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA - VG entfallen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Rechtssätze
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