JudikaturBvwgW255 2283933-1

W255 2283933-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
22. April 2024

Spruch

W255 2283933-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter KommR Ing. Hermann ESCHBACHER und Mag. Jutta HAIDNER als Beisitzer über die Beschwerde und den Vorlageantrag von XXXX geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas KÖB, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 27.09.2023, SVNR: XXXX in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 13.12.2023, GZ: WF 2023-0566-3-015310, betreffend den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe für den Zeitraum von 01.09.2023 bis 12.10.2023, gemäß § 38 iVm. § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16.04.2024, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) bezieht seit 01.10.2022 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Seit 28.05.2023 steht er im Bezug von Notstandshilfe.

1.2. Am 12.06.2023 wurde zwischen dem BF und dem Arbeitsmarktservice XXXX (in der Folge: AMS) verbindlich ein Betreuungsplan vereinbart. Inhalt dieser Vereinbarung war unter anderem, dass das AMS den BF bei einer Suche nach einer Stelle als Sales-Manager bzw. Außendienstmitarbeiter oder auch als Servicekraft und im Rahmen der Notstandshilfeverordnung unterstützt sowie und der BF sich auf Stellenangebote, die ihm das AMS übermittelt, bewirbt und dem AMS innerhalb von 8 Tagen Rückmeldung über seine Bewerbung gibt.

1.3. Am 27.06.2023 wurde dem BF vom AMS ein Stellenangebot für eine Beschäftigung als Assistent bzw. Sekretär bei der XXXX übermittelt und der BF aufgefordert, sich umgehend auf diese Stelle zu bewerben. Laut Inserat sollte das Gehalt bei 10 Jahren Vordienstzeiten brutto EUR 2.800,- auf Vollzeitbasis betragen. Laut Stelleninserat sollte der BF seine aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen, die ein Bewerbungs- bzw. Motivationsschreiben und einen detaillierten Lebenslauf enthalten sollten, per E-Mail an XXXX übermitteln.

1.4. Am 06.07.2023 übermittelte der BF der XXXX eine E-Mail mit einem Lebenslauf, ohne Motivationsschreiben.

1.5. Am 07.07.2023 forderte die XXXX den BF auf, ein aussagekräftiges Motivationsschreiben nachzureichen.

1.6. Am 31.08.2023 teilte die XXXX dem AMS mit, dass der BF auf die E-Mail der XXXX vom 07.07.2023 nicht reagiert habe.

1.7. Am 01.09.2023 übermittelte das AMS dem BF eine Mitteilung über die vorläufige Einstellung seines Bezuges mit der Begründung, dass kein Dienstverhältnis bei der XXXX zustande gekommen sei. Zudem übermittelte das AMS dem BF am selben Tag eine Ladung für ein persönliches Gespräch am 07.09.2023 zwecks Klärung derselben Angelegenheit.

1.8. Der BF blieb dem Termin vom 07.09.2023 unentschuldigt fern.

1.9. Am 07.09.2023 übermittelte das AMS dem BF eine Ladung für ein persönliches Gespräch am 20.09.2023 zwecks Klärung, warum ein Dienstverhältnis mit der XXXX nicht zustande gekommen ist.

1.10. Am 18.09.2023 übermittelte der BF der XXXX per E-Mail ein Motivationsschreiben.

1.11. Am 20.09.2023 wurde der BF vor dem AMS zum Nichtzustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung bei der XXXX niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er sich im Juli beworben habe. Er habe leider die Antwort-E-Mail nicht gesehen bzw. übersehen. Die Nachricht sei untergegangen. Am Montag [gemeint: 18.09.2023] habe er erneut eine E-Mail an das Unternehmen gesendet, aber noch keine Antwort erhalten.

1.12. Am 04.10.2023 teilte die XXXX dem BF per E-Mail mit, dass sich die Firma für eine andere Person entschieden habe.

1.13. Mit Bescheid des AMS vom 27.09.2023, SVNR: XXXX , wurde festgestellt, dass der BF den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum von 01.09.2023 bis 12.10.2023 gemäß § 38 iVm. § 10 AlVG verloren habe. Begründend führte das AMS aus, dass es Kenntnis davon erlangt habe, dass der BF das Zustandekommen einer ihm vom AMS zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung bei der XXXX vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen lägen nicht vor bzw. hätten nicht berücksichtigt werden können.

1.14. Am 09.10.2023 brachte der BF fristgerecht Beschwerde gegen den unter Punkt 1.13. genannten Bescheid des AMS ein. Der BF brachte vor, die E-Mail der XXXX vom 07.07.2023 übersehen zu haben und deshalb nicht auf diese E-Mail reagiert zu haben. Nachdem er Kenntnis davon erlangt habe, habe er sich bei der XXXX gemeldet, um die Situation zu erklären. Mittlerweile habe er jedoch eine Absage bekommen.

1.15. Mit Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 13.12.2023, GZ: WF 2023-0566-3-015310, wurde die Beschwerde des BF abgewiesen und der Bescheid des AMS vom 27.09.2023, SVNR: XXXX , bestätigt.

1.16. Mit Schreiben vom 27.12.2023 beantragte der BF fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

1.17. Am 09.01.2024 wurde der Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

1.18. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.04.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des BF, seines Rechtsvertreters und einer Vertreterin des AMS durch. Im Zuge der Verhandlung wurde ein Mitarbeiter der XXXX als Zeuge einvernommen.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2.1. Feststellungen

2.1.1. Der BF ist am XXXX geboren und mit Hauptwohnsitz in XXXX , gemeldet.

2.1.2. Der BF seit 01.10.2022 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Seit 28.05.2023 steht er im Bezug von Notstandshilfe.

2.1.3. Am 12.06.2023 wurde zwischen dem BF und dem AMS verbindlich ein Betreuungsplan vereinbart. Inhalt dieser Vereinbarung war unter anderem, dass das AMS den BF bei einer Suche nach einer Stelle als Sales-Manager bzw. Außendienstmitarbeiter oder auch als Servicekraft und im Rahmen der Notstandshilfeverordnung unterstützt sowie und der BF sich auf Stellenangebote, die ihm das AMS übermittelt, bewirbt und dem AMS innerhalb von 8 Tagen Rückmeldung über seine Bewerbung gibt.

2.1.4. Am 27.06.2023 wurde dem BF vom AMS ein Stellenangebot für eine Beschäftigung als Assistent bzw. Sekretär bei der XXXX übermittelt und der BF aufgefordert, sich umgehend auf diese Stelle zu bewerben. Laut Inserat sollte das Gehalt bei 10 Jahren Vordienstzeiten brutto EUR 2.800,- auf Vollzeitbasis betragen. Laut Stelleninserat sollte der BF seine aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen, die ein Bewerbungs- bzw. Motivationsschreiben und einen detaillierten Lebenslauf enthalten sollten, per E-Mail an XXXX übermitteln.

2.1.5. Am 06.07.2023 übermittelte der BF der XXXX eine E-Mail mit folgendem Wortlaut:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich bewerbe mich hiermit für die Position als Assistent (AMS Auftragsnummer: XXXX Kundennummer: XXXX ), wenn möglich auf Teilzeit. Meinen Lebenslauf finden Sie im Anhang.

Mit freundlichen Grüßen,

XXXX “

Der E-Mail wurde ein Lebenslauf des BF beigefügt. Der E-Mail wurde kein Bewerbungs- bzw. Motivationsschreiben beigefügt.

2.1.6. Am 07.07.2023 antwortete die XXXX dem BF per E-Mail auf sein unter Punkt 2.1.5. gesendetes E-Mail mit folgendem Wortlaut:

„Guten Tag,

vielen Dank für Ihr Interesse an einer Mitarbeit in unserem Institut.

Um Ihre Bewerbung weiter bearbeiten zu können, benötigen wir jedoch ein aussagekräftiges Motivationsschreiben, in dem Sie unter anderem erläutern, warum Sie sich für eine Tätigkeit bei uns entschieden haben. Darüber hinaus würden wir gerne von Ihnen wissen, wie viele Wochenstunden Sie arbeiten möchten und welche Gehaltsvorstellung Sie haben. Bitte teilen Sie uns auch mit, ab wann Sie bei uns beginnen könnten.

Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen,

XXXX “

Diese E-Mail der XXXX vom 07.07.2023 langte erfolgreich im E-Mail-Postfach des BF ein. Es handelte sich um denselben E-Mail-Account mit derselben E-Mail-Adresse, die der BF für die Bewerbung an die XXXX benutzt hatte und die auf seinem Lebenslauf angeführt war.

2.1.7. Der BF reagierte bis 18.09.2023 in keiner Weise auf die unter Punkt 2.1.6. genannte E-Mail der XXXX . Der BF nahm auch davon Abstand, von selbst mit der XXXX in Kontakt zu treten, um sich nach dem aktuellen Stand seiner Bewerbung zu erkundigen.

2.1.8. Am 31.08.2023 teilte die XXXX dem AMS mit, dass der BF auf die E-Mail der XXXX vom 07.07.2023 nicht reagiert hat.

2.1.9. Am 01.09.2023 übermittelte das AMS dem BF eine Mitteilung über die vorläufige Einstellung seines Bezuges mit der Begründung, dass kein Dienstverhältnis bei der XXXX zustande gekommen sei. Zudem übermittelte das AMS dem BF am selben Tag eine Ladung für ein persönliches Gespräch am 07.09.2023 zwecks Klärung derselben Angelegenheit. Der BF blieb dem Termin vom 07.09.2023 unentschuldigt fern.

2.1.10. Am 07.09.2023 übermittelte das AMS dem BF eine Ladung für ein persönliches Gespräch am 20.09.2023 zwecks Klärung, warum ein Dienstverhältnis mit der XXXX nicht zustande gekommen ist. Der BF nahm den Termin am 20.09.2023 wahr und gab im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme an, die Antwort-E-Mail der XXXX vom 07.07.2023 übersehen zu haben.

2.1.11. Am 18.09.2023 um 18:05 Uhr rief der BF außerhalb der Öffnungs-/Geschäftszeiten bei der XXXX an. Der Anruf wurde nicht entgegengenommen.

2.1.12. Am 18.09.2023 übermittelte der BF der XXXX eine E-Mail mit folgendem Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr XXXX ,

Entschuldigen Sie bitte vielmals die verspätete Antwort, Ihre Mail ist bei mir anscheinend irgendwie untergegangen.

Mein Motivationsschreiben finden Sie im Anhang. Meine gewünschte Arbeitszeit beträgt 20-25 Stunden und meine Gehaltsvorstellung wäre 3000 brutto auf Vollzeitbasis. Der früheste Eintrittstermin wäre ab Oktober.

Ich freue mich über die Einladung für ein persönliches Gespräch.

Mit freundlichen Grüßen,

XXXX “

Der E-Mail war ein Motivationsschreiben vom 18.09.2023 beigefügt.

2.1.13. Am 20.09.2023 um 14:05 Uhr rief der BF bei der XXXX an und gab bekannt, dass er die E-Mail der XXXX vom 07.07.2023 übersehen und am 18.09.2023 die fehlenden Unterlagen nachgereicht hat.

2.1.14. Am 04.10.2023 teilte die XXXX dem BF per E-Mail mit, dass sich die Firma für eine andere Person entschieden hat. Zwischen dem BF und der XXXX kam kein Dienstverhältnis zustande.

2.1.15. Am 27.06.2023 übermittelte das AMS einer (anderen) Notstandshilfebezieherin das selbe Stellangebot für eine Beschäftigung als Assistent bzw. Sekretär bei der XXXX das es am 27.06.2023 dem BF übermittelte und forderte auch diese Person auf, sich auf die Stelle zu bewerben. Diese andere Kundin des AMS übermittelte der XXXX per E-Mail eine vollständige Bewerbung (inklusive Lebenslauf und Motivationsschreiben). Ihre Bewerbungsunterlagen wurden am 29.06.2023 nach Überprüfung auf deren Vollständigkeit innerhalb der XXXX von einem Mitarbeiter der XXXX der Geschäftsführung vorgelegt. Am 11.07.2023 führte die XXXX ein erstes Bewerbungsgespräch, am 17.07.2023 ein zweites und am 22.08.2023 ein drittes Bewerbungsgespräch mit der Kundin des AMS, ehe ein Arbeitstraining für den Zeitraum 05.09.2023 bis 26.09.2023 vereinbart und in weitere Folge ein Dienstverhältnis zwischen der Kundin des AMS und der XXXX geschlossen wurde. Diese ist seit 02.10.2023 bis dato Angestellte der XXXX .

2.1.16. Der BF verfügt in seinem Leben zusammengezählt über 32 Monate Berufserfahrung als über der Geringfügigkeitsgrenze unselbständig Beschäftigter.

2.1.17. Der BF wurde seitens des AMS während seines Bezuges von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mehrfach über seine Verpflichtungen und Rechtsfolgen gemäß § 10 AlVG belehrt.

2.1.18. Mit Bescheid des AMS vom 27.09.2023, SVNR: XXXX , wurde der Verlust des Anspruches auf NH für den Zeitraum vom 01.09.2023 bis 12.10.2023 gemäß § 38 iVm. § 10 AlVG ausgesprochen. Dies wurde damit begründet, dass der BF das Zustandekommen einer ihm zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung als Assistent der Geschäftsführung bei der XXXX ohne triftigen Grund vereitelt habe.

2.1.19. Gegen den unter Punkt 2.1.18. genannten Bescheid des AMS erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

2.1.20. Der unter Punkt 2.1.18. genannte Bescheid wurde mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 13.12.2023, GZ: WF 2023-0566-3-015310, bestätigt.

2.1.21. Gegen die unter Punkt 2.1.20. genannte Beschwerdevorentscheidung brachte der BF am 27.12.2023 fristgerecht einen Antrag zur Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht ein.

2.2. Beweiswürdigung

2.2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

2.2.2. Das Geburtsdatum und die Wohnsitzverhältnisse des BF (Punkt 2.1.1.) ergeben sich aus dem vorliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.2.3. Die Feststellungen zum Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sowie den Dienstverhältnissen bzw. der Berufserfahrung des BF (Punkt 2.1.2. und 2.1.16.) basieren auf dem vorliegenden Bezugsverlauf des AMS und der Einsichtnahme in die Daten des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger.

2.2.4. Die Feststellungen hinsichtlich der Betreuungsvereinbarung (Punkt 2.1.3.) stützen sich auf die im Akt einliegende Betreuungsvereinbarung.

2.2.5. Die Feststellungen zum Vermittlungsvorschlag bei der XXXX (Punkt 2.1.4.) ergeben sich aus dem vorliegenden Vermittlungsvorschlag. Dass der BF diesen Vermittlungsvorschlag erhalten hat, ist unstrittig.

2.2.6. Die Feststellungen zur erfolgten Bewerbung des BF vom 06.07.2023 per E-Mail (Punkt 2.1.5.) stützen sich auf die vom BF in Kopie vorgelegte, an die XXXX versendete E-Mail vom 06.07.2023 sowie die vom BF in Kopie vorgelegte Antwortmail der XXXX vom 07.07.23. Der BF bestätigte in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 16.04.2023 seiner E-Mail vom 06.07.2023 kein Bewerbungs- bzw. Motivationsschreiben beigefügt zu haben.

2.2.7. Die Feststellungen zur Antwortmail der XXXX (Punkt 2.1.6.) stützen sich auf die vom BF dem Bundesverwaltungsgericht übermittelte Antwortmail vom 07.07.2023. Vom BF wurde nie bestritten, dass die BF erfolgreich in seinem E-Mail-Postfach eingelangt ist, er habe sie nur bis 18.09.2023 übersehen, ehe er sie im Postfach entdeckt habe.

2.2.8. Es ist unstrittig, dass der BF bis 18.09.2023 in keiner Weise auf die Antwortmail der XXXX vom 07.07.2023 reagiert und auch von selbst nie nach dem aktuellen Stand seiner Bewerbung nachgefragt hat (Punkt 2.1.7.). Am 18.09.2023 nahm der BF erstmals seit seiner Bewerbung vom 06.07.2023 mit der XXXX Kontakt auf, indem er dieser eine E-Mail samt Motivationsschreiben übermittelte.

2.2.9. Es ist unstrittig, dass das AMS dem BF am 01.09.2023 eine Mitteilung über die vorläufige Einstellung seines Bezuges in Zusammenhang mit dem Bewerbungsprozess bei der

XXXX übermittelt hat (Punkt 2.1.9.). Der BF gab hierzu in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, sein eAMS-Konto im Sommer nur einmal wöchentlich und eventuell eine Woche einmal gar nicht geöffnet und die dortigen Nachrichten gelesen zu haben. Es ist auch unstrittig, dass der BF dem Termin vom 07.09.2023 unentschuldigt ferngeblieben ist (Punkt 2.1.9.).

2.2.10. Es ist unstrittig, dass das AMS dem BF am 07.09.2023 eine Ladung für eine niederschriftliche Einvernahme am 20.09.2023 übermittelt hat. Der BF nahm den Termin am 20.09.2023 wahr und gab im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme an, die Antwort-E-Mail der XXXX vom 07.07.2023 übersehen zu haben (Punkt 2.1.10.). Das vom BF unterfertigte Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme vom 20.09.2023 liegt im Verwaltungsakt auf.

2.2.11. Die Feststellung, dass der BF am 18.09.2023 außerhalb der Öffnungs-/Geschäftszeiten bei der XXXX anrief (Punkt 2.1.11.), stützt sich auf den vom BF vorgelegten Screenshot seiner Anrufliste und seiner damit übereinstimmenden Angabe in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, derzufolge er dort angerufen, aufgrund der Uhrzeit aber ohnehin nicht mehr damit gerechnet habe, dass jemand den Anruf entgegen nehmen würde und auch niemand den Anruf entgegen genommen habe.

2.2.12. Die Übermittlung der E-Mail des BF vom 18.09.2023 an die XXXX und deren Inhalt sind unstrittig (Punkt 2.1.12.). Der BF hat eine Kopie der E-Mail im Verfahren vor dem BVwG vorgelegt und ein Mitarbeiter der XXXX hat als Zeuge in der Verhandlung vor dem BVwG bestätigt, diese E-Mail vom BF erhalten zu haben.

2.2.13. Die Feststellungen zum Telefonat zwischen dem BF und der XXXX vom 20.09.2023 (Punkt 2.1.13.) stützen sich auf den vom BF vorgelegten Screenshot seiner Anrufliste, auf der ein Anruf bei der XXXX ersichtlich ist. Der in der Verhandlung vor dem BVwG befragte Zeuge, ein Mitarbeiter der XXXX , gab an, dass es sein könne, dass er am 20.09.2023 mit dem BF telefoniert habe, jedoch täglich mehrere Gespräche mit Bewerbern führen würde. Der Zeuge bestätigte nicht, dass er dem BF im Zuge dieses Telefonats die Auskunft erteilt hätte, dass die verfahrensgegenständliche Stelle zum damaligen Zeitpunkt noch nicht besetzt worden wäre.

2.2.14. Die Feststellung zur Absage-E-Mail vom 04.10.2023 (Punkt 2.1.14.) stützt sich auf die vor dem BVwG in Kopie vorgelegte Absage-E-Mail der XXXX sowie den damit übereinstimmenden Angaben des Zeugen, denen zufolge dem BF am 04.10.2023 von der XXXX per E-Mail eine Absage im Hinblick auf seine Bewerbung erteilt worden sei. Es ist unstrittig, dass kein Dienstverhältnis zwischen dem BF und der XXXX zustande kam (Punkt 2.1.14.).

2.2.15. Die Feststellungen zur erfolgreichen Bewerbung einer anderen Notstandshilfebezieherin und Kundin des AMS, der am selben Tag wie dem BF der selbe Vermittlungsvorschlag bei der XXXX übermittelt wurde (Punkt 2.1.15.) stützen sich auf das vom AMS in der Verhandlung vor dem BVwG vorgelegte Unterlagenkonvolut, bestehend aus dem der BF übermittelten Vermittlungsvorschlag vom 27.06.2023, E-Mails der Kundin und Aktenvermerke des AMS über die regelmäßige Rückmeldung der Kundin betreffend den aktuellen Stand ihres Bewerbungsprozesses bei der XXXX , ein von der Kundin und der XXXX unterfertigtes Dokument mit dem Titel „Rahmenbedingungsgespräch“, dem eine Anstellung ab 02.10.2023 zu entnehmen ist sowie eine Einsicht in die Daten des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger, denen zu entnehmen ist, dass die betreffende Kundin seit 02.10.2023 bis laufend bei der XXXX angestellt ist.

2.2.16. Die Feststellung hinsichtlich der erfolgten Belehrung des BF gemäß § 10 AlVG (Punkt 2.1.17.) stützt sich auf den Verwaltungsakt und ist unstrittig. Eine derartige Belehrung ist beispielsweise, aber nicht nur, in dem dem BF übermittelten Stellenangebot für die XXXX enthalten gewesen.

2.2.17. Die Feststellungen hinsichtlich der ergangenen Bescheide bzw. der Beschwerdevorentscheidung (Punkt 2.1.18. und Punkt 2.1.20.) sowie der Beschwerde des BF (Punkt 2.1.19.) ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

2.2.18. Dass der BF fristgerecht einen Vorlageantrag (Punkt 2.1.21.) einbrachte, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und ist unstrittig.

2.3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

Zu A)

2.3.1. Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) lauten:

„Arbeitslosengeld

Voraussetzungen des Anspruches

§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2. die Anwartschaft erfüllt und

3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist. […]

Arbeitswilligkeit

§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

[…]

§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder

[…]

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.

[…]

Allgemeine Bestimmungen

§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.“

2.3.2. Abweisung der Beschwerde

2.3.3. Die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 AlVG (auf die Notstandshilfe sinngemäß anwendbar gemäß § 38 AlVG) sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszwecks, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst rasch wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten.

2.3.4. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert die arbeitslose Person ihren Anspruch auf Notstandshilfe, wenn sie sich weigert, eine ihr zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen.

Weigerung ist die ausdrückliche oder schlüssige Erklärung der arbeitslosen Person, einen ihr zugewiesene zumutbare Beschäftigung nicht anzunehmen.

Vereitelung ist ein für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung bzw des Erfolges einer Nach(Um)schulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme ursächliches und auf den Eintritt dieser Wirkung gerichtetes (oder sie zumindest in Kauf nehmendes) Verhalten des Arbeitslosen (dolus eventualis) (Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz, 21. Lfg. (Mai 2023), § 10 AlVG, Rz 258).

Um sich in Bezug auf eine zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es somit einerseits eines auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits der Unterlassung jedes Verhaltens, das objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern (VwGH 20. 9. 2000, 2000/08/0056). Dabei ist es irrelevant, ob ein derartiges Verhalten vor, während oder nach dem Vorstellungsgespräch gesetzt wurde (VwGH 25. 5. 2005, 2005/08/0052 (Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz, 21. Lfg. (Mai 2023), § 10 AlVG, Rz 259).

2.3.4.1. Der BF hat sich zwar per E-Mail vom 06.07.2023 auf die vermittelte Stelle bei der potentiellen Dienstgeberin beworben, aber nicht auf die im Vermittlungsvorschlag geforderte Weise. Der Vermittlungsvorschlag verlangte ausdrücklich „aussagekräftige Bewerbungsunterlagen“, die ein „Bewerbungs- bzw. Motivationsschreiben“ und einen „detaillierten Lebenslauf“ enthalten sollten. Der BF übermittelte der XXXX am 07.07.2023 eine E-Mail mit Lebenslauf, jedoch ohne Bewerbungs- bzw. Motivationsschreiben. Dazu befragt, gab der BF in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, er habe „diesmal anscheinend vergessen“ ein Motivationsschreiben anzufügen (S. 4 des VH-Protokolls).

Da die Bewerbungsunterlagen des BF unvollständig waren, wurden diese – laut glaubhafter und nachvollziehbarer Schilderung des als Zeugen befragten Mitarbeiters der XXXX sowie aus der E-Mail vom 07.07.2023 ersichtlich – vorerst nicht an die Geschäftsführung weitergeleitet, sondern der BF per E-Mail der XXXX vom 07.07.2023 aufgefordert, ein „aussagekräftiges Motivationsschreiben“ nachzureichen.

Der BF hat bis 18.09.2023 in keiner Weise auf diese E-Mail der XXXX reagiert. Er hat auch davon Abstand genommen, von selbst mit der XXXX in Kontakt zu treten, um sich nach dem aktuellen Stand seiner Bewerbung zu erkundigen.

Der BF begründete sein Verhalten damit, dass er die E-Mail der XXXX in seinem E-Mail-Postfach übersehen hätte. Aus den Angaben des BF im Verfahren vor dem AMS und dem Bundesverwaltungsgericht ergibt sich, dass dieser seine E-Mails nicht mit der nötigen Sorgfalt und Regelmäßigkeit überprüft hat. So verstrickte sich der BF in Widersprüche zu Frage, ob/wie oft er seine E-Mails in welcher Form kontrolliert hat und worauf das Übersehen der E-Mail der XXXX zurückzuführen sei.

So behauptete der BF in seinem Vorlageantrag, seinen E-Mail-Verkehr „mehrmals täglich genau“ zu „überprüfen“. Als er in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem Übersehen dieser E-Mail und seinen „Überprüfungen“ befragt wurde, führte er wie folgt aus:

„VR: Die XXXX hat Ihnen am 07.07.2023 auf Ihre E-Mailbewerbung vom 06.07.2023 geantwortet und Sie haben erst am 18.09.2023, somit 2,5 Monate später, auf diese E-Mail reagiert. Warum haben Sie nicht früher reagiert?

BF: Wie ich schon in meinem Beschwerdevorbringen erwähnt habe, ist diese E-Mail einfach untergegangen. Ich dürfte sie übersehen haben. Danach ist aber wie es sonst normalerweise üblich wäre, keine weitere E-Mail an mich gesendet worden und man hat auch nicht versucht, mich telefonisch zu erreichen. Als ich vom AMS über die Sperre informiert wurde, habe ich dann erfahren, dass mir die XXXX eine E-Mail geschickt hat.

VR: Wie ist es möglich, für einen Zeitraum von 2,5 Monaten eine E-Mail im eigenen E-Mail-Postfach zu übersehen?

BF: Wie genau das passiert ist, weiß ich nicht. Ich habe in diesem Zeitraum hunderte Bewerbungen geschickt. Das kann jedem einmal passieren, dass man eine E-Mail übersieht. Ich hatte diese Bewerbung auch nicht mehr am Schirm. Es kann auch sein, dass ich am Handy mein E-Mail Postfach öffne und auch unabsichtlich auf eine E-Mail klicke und diese dann als gelesen markiert ist obwohl ich sie gar nicht wirklich gelesen habe. Dann schaue ich mir diese Mail nicht noch einmal an.

VR: Sie behaupten in Ihrem Vorlageantrag sogar, dass Sie „mehrmals täglich genau“ ihren Email-Verkehr „überprüfen“ würden. Wie ist es möglich, für einen Zeitraum von 2,5 Monaten eine E-Mail im eigenen E-Mail-Postfach zu übersehen, wenn man – so wie Sie behaupten – mehrmals täglich genau seinen E-Mailverkehr überprüft?

BF: Ich überprüfe da die ungelesenen E-Mails. Bei Bewerbungen schaue ich mir normalerweise schon auch die gelesenen E-Mails noch einmal an, aber in diesem Zeitraum habe ich 20 E-Mails am Tag bekommen.

VR: Sie haben sich am 06.07.2023 beworben, weshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen war, dass die XXXX in irgendeiner Weise auf Ihre Bewerbungsmail reagieren würde. Warum haben Sie dennoch Ihr E-Mail-Postfach so unaufmerksam im Blick gehabt, dass Sie diese E-Mail der XXXX übersehen haben?

BF: Bei fast 100 Bewerbungen war das für mich unmöglich, das alles im Kopf zu haben.

VR: Bei welchen Firmen haben Sie sich im Juni und Juli 2023 beworben?

BF: Das müsste ich nachschauen.

VR: Können Sie aus dem Kopf ein paar nennen?

BF: Nein. Aber ich kann Ihnen Firmen nennen, wo ich mich im letzten Jahr beworben habe, wo ich jetzt nicht sicher bin, ob das auch im Juni oder Juli war.

VR: Nennen Sie mir bitte ein paar?

BF: XXXX Die weiteren müsste ich nachschauen. XXXX war auch noch dabei.

VR: Wieviele E-Mails haben Sie im Juni und Juli 2023 durchschnittlich täglich erhalten?

BF: Ca. 20 pro Tag. Ich schätze davon 2 bis 3 betreffend Bewerbungen.

VR: Von wem haben Sie diese 20 E-Mails erhalten?

BF: Alles mögliche. XXXX , von meinem Vater, von der XXXX , von Vereinen, wo ich angemeldet bin, vom Fitnesscenter, quer durch die Bank.

VR: Darf ich auf Ihrem Handy einen Blick in Ihr E-Mail-Postfach machen, ohne eine einzige Ihrer dort aufscheinenden E-Mails zu öffnen und zu lesen?

BF zeigt VR auf seinem Handy den aktuellen E-Mail Eingang. Darin sind vom heutigen Tag ca. 30 E-Mails ersichtlich. Der Großteil davon Bestellungen wie z.B. bei XXXX und bei XXXX und Benachrichtigung über deren Versandstatus. [...]“ (S. 4 und 5 des VH-Protokolls).

Die Behauptung des BF, er hätte im Juni/Juli 2023 hunderte Bewerbungen im Kopf gehabt ist, ist nicht glaubhaft. So war der BF nicht in der Lage, eine einzige konkrete Bewerbung zu nennen, die er mit Sicherheit dem Zeitraum Juni/Juli 2023 zuordnen konnte. Für das gesamte Jahr 2023 wurden von ihm insgesamt nur zehn Adressaten seiner Bewerbungen genannt. Eine Einsicht in das E-Mail-Postfach des BF im Zuge der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte zwar, dass der BF täglich eine Vielzahl an E-Mails erhält, diese aber mit sehr wenigen Ausnahmen nicht von potentiellen Dienstgebern, sondern von Versandunternehmen wie XXXX udgl. stammen.

Der BF konnte – wie sich aus seinen Angaben ergibt – nicht ansatzweise glaubhaft machen, seine E-Mails im verfahrensgegenständlichen Zeitraum sorgfältig gelesen zu haben. Dies kommt unter anderem in der Aussage des BF zur Geltung, derzufolge ihm bewusst ist, dass er in Vergangenheit teilweise eingehende E-Mails „unbeabsichtigt“ mit seinem Handy auf „gelesen“ markiert und diese sodann als „gelesene E-Mails“ markierten E-Mail kein weiteres Mal mehr gelesen/überprüft habe.

Generell kann ein zu langes Zuwarten oder eine fehlender bzw. zweifelhafte Art der Kontaktnahme bereits für sich genommen zur Annahme einer Vereitelungshandlung führen. Das war etwa der Fall, wenn die leistungsbeziehende Person einen Zeitraum von 17 Tagen zwischen Zuweisung und Vorstellungsgespräch hatte verstreichen lassen, ohne eine konkrete oder schlüssige Erklärung dafür zu erstatten oder wenn nach offenem Vorstellungsgespräch ein Anruf unterlassen wurde, obwohl ein solcher vereinbart worden war (VwGH 26.05.2000, 2000/02/0013 und 07.08.2002, 2002/08/0129) (Julcher in Pfeil (Hrsg), AlV-Komm, 58. Lfg., § 10 AlVG, Rz 22).

2.3.4.2. Folgt man den Angaben des BF wäre diesem die E-Mail der XXXX vom 07.07.2023 bis September 2023 unbekannt gewesen. Trotzdem unterließ es der BF, der damals davon ausgegangen sei, sich korrekt beworben, jedoch keine Rückmeldung der XXXX erhalten zu haben und sogar behauptet, sich besonders für diese Stelle interessiert zu haben, jegliche weitere Kontaktanbahnung mit der XXXX . In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vertrat er – sinngemäß – die Ansicht, dass er sehr wohl erwarten dürfe, dass potentielle Dienstgeber, bei denen er sich bewirbt und auf deren weitere Kontaktversuche er nicht reagiert, mehrfach bei ihm nachfragen, während er umgekehrt nicht die zeitlichen Ressourcen aufbringen habe können/wollen, selbst bei der XXXX nachzufragen.

2.3.4.3. Der BF wurde vom AMS erstmals mit Schreiben vom 01.09.2023 mit einer vorläufigen Bezugssperre in Zusammenhang mit seiner Bewerbung bei der XXXX konfrontiert und der BF zu einem Gespräch am 07.09.2023 geladen. Diesem Termin blieb der BF fern, da er nach eigenen Angaben sein eAMS-Konto damals nur einmal pro Woche oder vielleicht auch einmal eine Woche gar nicht, geöffnet und daher die Ladung zu spät gesehen habe. Auch darin kommt seine mangelnde Sorgfalt klar zum Ausdruck.

2.3.4.4. Am 18.09.2023 übermittelte der BF der XXXX eine E-Mail mit folgendem Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr XXXX ,

Entschuldigen Sie bitte vielmals die verspätete Antwort, Ihre Mail ist bei mir anscheinend irgendwie untergegangen.

Mein Motivationsschreiben finden Sie im Anhang. Meine gewünschte Arbeitszeit beträgt 20-25 Stunden und meine Gehaltsvorstellung wäre 3000 brutto auf Vollzeitbasis. Der früheste Eintrittstermin wäre ab Oktober.

Ich freue mich über die Einladung für ein persönliches Gespräch.

Mit freundlichen Grüßen,

XXXX “

Der E-Mail war ein Motivationsschreiben vom 18.09.2023 beigefügt.

Zu dieser E-Mail ist festzuhalten, dass bereits die einleitende wörtliche Formulierung „Ihre Mail ist bei mir anscheinend irgendwie untergegangen.“ geeignet ist, bei einem potentiellen Dienstgeber Zweifel an der Seriosität und Verlässlichkeit des BF aufkommen zu lassen.

Dazu kommt, dass das Gehalt laut Stellenangebot bei 10 Jahren Vordienstzeiten brutto EUR 2.800,- auf Vollzeitbasis betragen hätte sollen. Der BF verfügt – wie auch aus seinem Lebenslauf ersichtlich ist – in seinem Leben zusammengezählt über 32 Monate Berufserfahrung als über der Geringfügigkeitsgrenze unselbständig Beschäftigter. Er verfügt somit über weniger als ein Drittel der „10 Jahre Vordienstzeit“, bei deren Vorliegen die XXXX ein Gehalt von brutto EUR 2.800,- auf Vollzeitbasis als passend empfunden und angeboten hätte. Dennoch gab der BF in seiner E-Mail vom 18.09.2023 bekannt, brutto EUR 3.000,- auf Vollzeitbasis verdienen zu wollen.

Diesbezüglich ist rechtlich zu würdigen, dass auch ein bloßer Gehaltswunsch als Vereitelung zu werten sein kann, der über ein bereits vorliegendes, objektiv zumutbares Gehaltsanbot allzuweit hinausgeht (VwGH 05.09.1995, 95/08/0178, 23.02.2000, 95/08/0329) (Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz, 19. Lfg. (Mai 2022), § 10 AlVG, Rz 275).

2.3.4.5. Zum Zeitpunkt der Übermittlung seiner E-Mail vom 18.09.2023 wusste der BF, dass die XXXX seit 27.06.2023 einen neuen Mitarbeiter gesucht hatte und zwischenzeitlich fast drei Monate vergangen waren. Er wusste, dass er eine E-Mail der XXXX vom 07.07.2023 für 2,5 Monate unbeantwortet gelassen hatte. Der BF war im September 2023 arbeitslos. Dennoch gab der BF in seiner E-Mail vom 18.09.2023 an: „Der früheste Eintrittstermin wäre ab Oktober“ statt beispielsweise sofort für die Arbeitsaufnahme zur Verfügung zu stehen. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde vom BF kein objektiv nachvollziehbarer und legitimer Grund für seine Angabe, erst frühestens im Oktober zur Verfügung zu stehen, genannt. Er behauptete stattdessen, in seinen Bewerbungen generell anzugeben, erst am jeweiligen nächsten Monatsbeginn für die Arbeit zur Verfügung zu stehen, völlig unabhängig davon, ob es triftige Gründe hierfür gibt oder er in Wahrheit viel früher zur Verfügung stehen würde.

2.3.4.6. Der BF hat sich somit in Bezug auf die konkret vermittelte Beschäftigung in wiederholte Art und Weise nicht arbeitswillig gezeigt und Vereitelungshandlungen an den Tag gelegt, indem er sich zunächst unvollständig beworben, sodann 2,5 Monate weder auf die E-Mail der potentiellen Dienstgeberin reagiert, noch von selbst mit dieser Kontakt aufgenommen hat und sich bei der „nachträglichen Bewerbung“ vom 18.09.2023 einer – wie oben dargestellt – unpassenden Formulierung bedient, zu hohe Gehaltsforderungen angeführt und eine mögliche Beschäftigungsaufnahme grundlos auf „frühestens den nächsten Monat“ verschoben hat, wissend, dass die potentielle Dienstgeberin zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei Monaten auf der Suche nach einem neuen Mitarbeiter für die verfahrensgegenständliche Stelle gewesen ist.

In einer Gesamtschau ist daher davon auszugehen, dass der BF im Hinblick auf die angebotene Stelle nicht arbeitswillig war. Wenn das AMS daher bei einer Würdigung des Gesamtverhaltens des BF von einer Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ausgegangen ist, ist dem nicht entgegenzutreten.

Die Verhängung der Sperrfrist erfolgt aus dem Grund, dass der BF kein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln entfaltete. Durch sein Verhalten setzte sie er eine Vereitelungshandlung im Sinne des § 10 AlVG.

2.3.5. Zur Kausalität ist anzuführen, dass hierbei nicht Voraussetzung ist, dass das Beschäftigungsverhältnis ohne die Vereitelungshandlung in jedem Fall zustande gekommen wäre (vgl. VwGH 20.09.2006, Zl. 2005/08/0106). Vielmehr ist Kausalität dann gegeben, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund der Vereitelungshandlung jedenfalls verringert wurden (vgl. VwGH 15.10.2014, Zl. Ro 2014/08/0042), was im gegenständlichen Fall als gegeben anzusehen ist. Bereits dadurch, dass er eine unvollständige Bewerbung eingereicht hat und für die potentielle Dienstgeberin erst wieder 2,5 Monate später erreichbar war, hat er seine Chancen verringert. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, konnte eine andere Bewerberin für denselben Job, die ihre Bewerbungsunterlagen sofort übermittelt hat, bereits im Juli zwei Bewerbungsgespräche bei der betroffenen Dienstgeberin absolvieren, nach dem dritten Bewerbungsgespräch eine Probearbeitszeit vereinbaren, dabei einen guten Eindruck bei der Dienstgeberin hinterlassen und sodann mit 02.10.2023 ein Dienstverhältnis abschließen. Zum Zeitpunkt der Übermittlung der vollständigen Unterlagen seitens des BF hatte die andere Bewerberin bereits zwei Wochen ihrer Probearbeitszeit absolviert. Unbeschadet dessen zeigte der BF der potentiellen Dienstgeberin, dass er nicht willens war, eine vollständige Bewerbung entsprechend einem Stellenangebot zu übermitteln, ohne von der potentiellen Dienstgeberin aufgefordert zu werden, fehlende Unterlagen nachzureichen. Er veranschaulichte auch seinen unsorgfältigen Umgang mit seinen E-Mails und Bewerbungen.

Schließlich verringerte er zusätzlich noch die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses durch überhöhte Gehaltsforderungen und der mangelnden Bereitschaft zur (theoretischen) sofortigen Arbeitsaufnahme.

2.3.6. Es ist auch bedingter Vorsatz gegeben, zumal es dem BF bewusst gewesen sein muss, dass sein Verhalten zu einem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses führt; jedenfalls hat der BF durch sein Verhalten das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zumindest in Kauf genommen.

Der BF hat daher den Tatbestand der Arbeitsunwilligkeit im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG erfüllt.

2.3.7. Gemäß § 9 Abs 2 AlVG ist eine Beschäftigung zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können.

Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektivvertraglichen Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung (Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz, 15. Lfg. (März 2018), § 9 AlVG, Rz 242).

Der BF hat im gesamten Verfahren vor dem AMS und dem BVwG keine Einwendungen hinsichtlich der angebotenen beruflichen Verwendung, der Arbeitszeit, der körperlichen Fähigkeiten, Gesundheit und Sittlichkeit, der täglichen Wegzeit, der Betreuungspflichten und hinsichtlich sonstiger Gründe zu erheben, erhoben. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise für eine Unzumutbarkeit der Stelle vor.

Die zugewiesene Beschäftigung entsprach den Zumutbarkeitsbestimmungen des § 9 AlVG.

2.3.8. Nach § 10 Abs. 3 AlVG ist der Verlust des Anspruches in berücksichtigungswürdigen Fällen wie z.B. bei der Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.

Berücksichtigungswürdig im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Gründe, die dazu führen, dass der Ausschluss vom Bezug der Leistung den Arbeitslosen aus bestimmten Gründen unverhältnismäßig härter träfe, als dies sonst allgemein der Fall ist (vgl. VwGH 26.01.2010, 2008/08/0018; 15.05.2013, 2010/08/0257; 25.06.2013, 2012/08/0236).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 02.04.2008, 2007/08/0234, mwN) kann ein berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG nur kann vorliegen, wenn der Arbeitslose in der Folge entweder selbst ein Verhalten gesetzt hat, welches den potenztiellen Schaden ganz oder teilweise wieder beseitigt (also insbesondere durch alsbaldige tatsächliche Aufnahme einer anderen Beschäftigung), oder wenn ihm sein Verhalten ausnahmsweise aus besonderen (jedenfalls nicht auf Dauer vorliegenden und auch die Verfügbarkeit oder die Arbeitsfähigkeit nicht ausschließenden) Gründen im Einzelfall nicht vorgeworfen werden kann. Es kommt dabei aber nicht auf persönliche finanzielle Umstände an (wie etwa Sorgfaltspflichten, vgl. VwGH 16.05.1995, 94/08/0150; 04.09.2013, 2011/08/0201; 20.10.2010, 2007/08/0231; 12.09.2012, 2009/08/0247).

Obwohl die amtswegige Prüfung des Sachverhalts zumindest eine Auseinandersetzung mit möglichen Nachsichtsgründen im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG gebietet, muss die Behörde nur solche Gründe prüfen, die der Arbeitslose vorbringt oder für die es sonstige Hinweise in den Akten gibt (vgl. VwGH 07.05.2008, 2007/07/0237; 19.01.2011, 2008/08/0020; 10.04.2013, 2012/08/0135; 25.06.2013, 2011/08/0082; 19.07.2013, 2012/08/0176; 04.09.2013, 2011/08/0201).

Im vorliegenden Fall sind keine Nachsichtsgründe hervorgekommen.

Die Beschwerde gegen den Bescheid (idF der Beschwerdevorentscheidung) des AMS war daher abzuweisen und die Beschwerdevorentscheidung zu bestätigen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. In der rechtlichen Beurteilung zu Punkt A) wurde ausführlich auf die Judikatur des VwGH eingegangen und diese zitiert.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen