JudikaturBvwgL506 2208307-1

L506 2208307-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
15. April 2024

Spruch

L506 2208307-1/43E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Iran, vertreten durch RA Mag. LORENZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein iranischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Perser zugehörig, stellte am XXXX nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung am XXXX gab der BF als Grund für seine Ausreise an, er habe den Iran aufgrund von religiösen Problemen verlassen müssen. Er habe eine Hauskirche besuchen wollen, doch sei ihm der Zutritt verwehrt worden. Einige Tage später habe er einen Anruf mit unbekannter Nummer erhalten, und sei ihm mitgeteilt worden, dass er als Moslem nicht die Kirche besuchen dürfe. Vor der Ausreise hätten Zivilbeamte das Haus durchsucht, woraufhin ihm seine Mutter zur Flucht geraten habe. Im Rückkehrfall habe er Angst vor der Todesstrafe.

3. Am XXXX erfolgte die Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA).

Der BF legte eine Geburtsurkunde, eine nationale Identitätskarte, 2 Empfehlungsschreiben, eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs, eine Deutschkursbestätigung, zwei Bestätigungen über die Teilnahme an einem Glaubenskurs und eine Bestätigung über den Taufunterricht sowie einen Taufschein, ausgestellt am XXXX von der evangelischen Pfarrgemeinde XXXX , vor.

Der BF gab an, im Februar XXXX den Iran verlassen zu haben, da er mit Etelaat Sepah Probleme gehabt habe.

Er sei in einer religiösen Familie aufgewachsen und habe gänzlich den Glauben an den Islam verloren. Auf der Uni habe er im Februar XXXX einen Studenten namens XXXX kennengelernt und dessen Verhalten habe ihn fasziniert. Er habe diesen gefragt, woran er glaube und dieser habe gesagt, dass er Christ sei. Er habe ihm eine Bibel geborgt und dem BF angeboten, Fragen zu beantworten. Nachdem er die Bibel gelesen habe, sei er zu einer Hauskirche eingeladen worden und habe diese ein paar Mal besucht. Es habe dort keine Atmosphäre wie in einer Kirche, die er im Internet gesehen habe, existiert, woraufhin der BF beschlossen habe, eine öffentliche Kirche aufzusuchen. Er sei aber dort nicht hineingelassen worden und es sei eine Bestätigung oder ein Mitgliedsausweis verlangt worden.

Am nächsten Tag habe der BF einen anonymen Anruf erhalten und sei ihm gesagt worden, es sei bekannt, wer er sei und was er mache.

Ein paar Tage darauf hätte er um 11 Uhr zur Hauskirche kommen sollen, doch habe er sich verspätet. Er habe einige Autos und das Abführen mehrerer Teilnehmer gesehen, woraufhin er sein Handy abgeschaltet habe. Er sei daraufhin zu seinem Cousin gefahren. Seine Mutter habe ein paar Stunden danach dort angerufen und habe seiner Tante berichtet, dass die Wohnung des BF durchsucht worden sei und ein Buch und der Reisepass des BF mitgenommen worden wären.

Sein Cousin habe ihm daraufhin zur Flucht geraten und der BF sei mit Hilfe eines Schleppers ausgereist. Seine Mutter lebe noch in dem Haus, wo sich die Wohnung des BF befunden habe.

Der BF gab an, im Jahr XXXX konvertiert zu sein. Die Hauskirche habe sich in XXXX in der XXXX befunden; sie hätten sich an den Händen gehalten, gebetet, aus der Bibel vorgelesen und über das Christentum gesprochen.

Im Weiteren wurden dem BF Fragen zum christlichen Glauben gestellt.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 – 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft betrage (Spruchpunkt VI.).

Das BFA stellte zu den geltend gemachten Ausreisegründen des BF zusammengefasst fest, dass diese nicht glaubhaft und schlüssig seien; ferner habe die behauptete Konversion zum Christentum nicht festgestellt werden können.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt IV. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom XXXX innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Nach Darlegung des Sachverhalts monierte der BF mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelhafte Beweiswürdigung und falsche rechtliche Beurteilung.

Es wurden die Anträge gestellt, die Rechtsmittelbehörde möge

-) allfällige Rechtswidrigkeiten von Amts wegen aufgreifen;

-) den angefochtenen Bescheid beheben und dem BF den Status eines Asylberechtigten zuerkennen;

-) in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen;

-) in eventu dem BF den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen;

-) die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklären und dem BF einen Aufenthaltstitel gem. § 55 AsylG erteilen;

-) feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gem. § 57 vorliegen und dem BF diese Aufenthaltsberechtigung von Amts wegen erteilen;

-) eine mündliche Verhandlung durchführen;

6. Gegenständliche Beschwerde langte samt bezug habendem Verwaltungsakt am XXXX in der hg. Gerichtsabteilung ein.

7. Am 21.12.2020 wurde nach Vollmachtsbekanntgabe um ehestmögliche Durchführung einer mündlichen Verhandlung ersucht.

8. Am 28.01.2021 bzw. 02.02.2021 langte hg. das ÖSD Zertifikat A1 des BF ein.

9. Am 27.04.2022 wurde dem BVwG bekannt gegeben, dass der BF ausdrücklich auf die Teilnahme seines Rechtsvertreters an der mündlichen Verhandlung verzichtet und noch am gleichen Tag, dass das Vertretungsverhältnis aufgelöst worden sei.

10. Am 28.04.2022 wurde dem BVwG die Rechtsvertretung des BF mitgeteilt.

11. Am XXXX fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der der BF und das BFA geladen wurden.

12. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX wurde die Beschwerde nach Durchführung der genannten mündlichen Verhandlung gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Die Revision wurde gem. Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

13. Am XXXX langte hg. die ao. Revision des BF an den VwGH ein, welche mit hg. Schreiben am XXXX samt dem bezug habenden Verwaltungsakt und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichts an den Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde.

14. Am XXXX langte hg. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.02.2024, Ra 2022/18/0262-12 ein, mit welchem das oa. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, dass das BVwG Erwartungshaltungen an das Verhalten und das Wissen des neu konvertierten Gläubigen definiert habe, ohne darzulegen, woher es diese Erfahrungssätze nehme. Es seien überzogene Erwartungshaltungen an das theologische Wissen zugrunde gelegt worden.

15. Mit hg. Schreiben vom XXXX wurden dem BF bzw. seiner rechtsfreundlichen Vertretung aktuelle länderkundliche Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat übermittelt und dieser aufgefordert, binnen einer Frist von 2 Wochen bekanntzugeben, ob hinsichtlich seiner Glaubensbetätigung seit der hg. Verhandlung eine Veränderung eingetreten sei und er eine aktuelle Bestätigung seiner Glaubensgemeinschaft vorlegen solle.

16. Mit Schrieben vom XXXX , hg. eingelangt am XXXX , wurden folgende Bestätigungen seitens der rechtsfreundlichen Vertretung in Vorlage gebracht: Bestätigung (Ergänzung) der Pfarrerin XXXX , Evangelisches Pfarramt A.B. XXXX vom XXXX , Zeugnis über die aktive Mitgliedschaft des BF in der evangelischen Kirchengemeinschaft XXXX von Mitgliedern der evangelischen Diaspora vom XXXX , Bestätigung von XXXX über die regelmäßige Teilnahme des BF an Unterrichtskursen vom XXXX .

17. Die unter Pkt. 16 genannte Stellungnahme sowie die betreffenden Bestätigungen wurde dem BFA zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt. Eine solche langte am XXXX hg. ein und wurde mitgeteilt, dass den aktuellen länderkundlichen Feststellungen nicht entgegengetreten und von der Abgabe einer weiteren Stellungnahme Abstand genommen werde.

18. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

19. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde, der Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX sowie unter zentraler Berücksichtigung des unter Pkt. 14. zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes und der dortigen Ausführungen sowie den aktuell vorgelegten Bestätigungen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

2.1.1. Die Identität des Beschwerdeführers, welcher Staatsangehöriger des Iran ist, steht fest. Er gehört der Volksgruppe der Perser an.

Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Ausreise in XXXX . Er hat dort 12 Jahre die Schule besucht und ein vierjähriges Universitätsstudium (Steuerberater) mit Magister abgeschlossen. Er war in seinem Herkunftsland erwerbstätig; er führte gemeinsam mit einem Freund ein Fastfood-Geschäft und betrieb eine Internetseite, in der er Berichte über Kinoprogramme schrieb. Seine Familienangehörigen (Mutter und Schwester) sind nach wie vor im Iran aufhältig und er steht mit ihnen in Kontakt.

Der Beschwerdeführer ist ledig, gesund und arbeitsfähig.

2.1.2. Der Beschwerdeführer reiste aus dem Iran aus und illegal in Österreich ein. Er stellte am XXXX den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer wurde nach Absolvierung eines Taufvorbereitungskurses am XXXX in der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. XXXX getauft und gehört nunmehr der evangelischen (A.B.) Religionsgemeinschaft an. Er besucht regelmäßig Gottesdienste.

Dass es sich bei der Konversion des Beschwerdeführers um eine Scheinkonversion handelt, kann im Lichte des im Verfahren ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes und der dortigen Ausführungen nicht festgestellt werden, weshalb in weiterer Folge von der Glaubwürdigkeit einer identitätsstiftenden Konversion des Beschwerdeführers auszugehen ist.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

Zum Iran wird verfahrensbezogen Folgendes festgestellt (Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation, Datum der Veröffentlichung: 2024-01-26):

Politische Lage Letzte Änderung 2024-01-26

Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (FAZ 24.3.2023). Sie kombiniert republikanisch-demokratische Elemente mit einem theokratischen System (BS 23.2.2022; vgl. BPB 10.1.2020). Das Kernkonzept der Verfassung ist die "Rechtsgelehrtenherrschaft" (velayat-e faqih). Nach schiitischem Glauben gibt es einen verborgenen Zwölften Imam, den als Erlöser am Jüngsten Gericht von Gott gesandten Muhammad al-Mahdi (BPB 10.1.2020). Gemäß diesem Prinzip soll ein schiitischer Theologe praktisch in Stellvertretung des seit dem Jahr 874 in Verborgenheit weilenden Mahdi agieren und die Geschicke des Gemeinwesens lenken (BAMF 5.2022). Darauf aufbauend schuf Ajatollah Ruhollah Khomeini 1979 ein auf ihn zugeschnittenes Amt, das über allen gewählten Organen steht, und somit die republikanischen Verfassungselemente des Präsidenten und des Parlaments neutralisiert: das Amt des "Herrschenden Rechtsgelehrten" (vali-ye faqih), dessen Inhaber auch "Revolutionsführer" (rahbar) genannt wird. Der Revolutionsführer übt quasi stellvertretend für den Zwölften Imam bis zu dessen Rückkehr die Macht aus (BPB 10.1.2020).

Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter, religiöser Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei (ÖB Teheran 11.2021; vgl. USDOS 20.3.2023). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt (AA 14.9.2021), ist höchste Autorität des Landes, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und ernennt den Leiter des Justizwesens sowie des staatlichen Rundfunks und die Mitglieder des Schlichtungsrats (FH 10.3.2023). Ihm unterstehen auch die Islamischen Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inkl. der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. In der Hand religiöser Stiftungen und der "Garden" liegen mächtige Wirtschaftsunternehmen, die von der infolge der US-Sanktionen wachsenden Schattenwirtschaft profitieren (ÖB Teheran 11.2021). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Die Revolutionsgarden, die direkt Revolutionsführer Khamenei unterstehen, bleiben ein militärischer, politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor (AA 30.11.2022).

Entscheidende Gremien sind der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern. Davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte (klerikale) Juristen, die vom Parlament bestätigt werden müssen (ÖB Teheran 11.2021). Des Weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der "Gesamtinteressen des Systems" zu achten (AA 14.9.2021). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen (ÖB Teheran 11.2021; vgl. USDOS 20.3.2023), er sollte die Arbeit des Revolutionsführers kontrollieren. In der Praxis scheint er die Entscheidungen des Revolutionsführers jedoch nicht herauszufordern (FH 10.3.2023). Auch wenn der Expertenrat nominell direkt von der Bevölkerung gewählt wird, hat der Revolutionsführer indirekt Einfluss auf dessen Zusammensetzung, da der Wächterrat, der zur Hälfte vom Revolutionsführer und zur Hälfte vom (durch den Revolutionsführer eingesetzten) Leiter des Justizwesens besetzt wird, die Kandidatenauswahl dafür vornimmt und den Wahlvorgang kontrolliert (USDOS 20.3.2023). Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt unter anderem auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 11.2021). Da der Wächterrat die Kandidaten für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen (Majles oder Islamische Beratende Versammlung) überprüft und regelmäßig eine bedeutsame Anzahl an Kandidaten von der Wahl ausschließt und den Wahlvorgang kontrolliert, übt der Revolutionsführer somit indirekt Einfluss auf die legislativen und exekutiven Institutionen des Landes aus (USDOS 20.3.2023). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2020).

Der Präsident ist nach dem Revolutionsführer der zweithöchste Amtsträger im Staat. Er bildet ein Regierungskabinett, das vom Parlament bestätigt werden muss (FH 10.3.2023). Das iranische Regierungssystem ist damit ein semipräsidiales und an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (ÖB Teheran 11.2021). Der Präsident ist für das tagespolitische Geschäft zuständig und hat einen bedeutsamen Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik des Landes (BBC 8.10.2022). Seine Macht ist allerdings vergleichsweise beschränkt (BBC 8.10.2022; vgl. BPB 10.1.2020). Der religiöse Führer hat das letzte Wort in allen staatlichen Angelegenheiten (DW 16.6.2021). Die Macht des Präsidenten wird auch durch das Parlament eingeschränkt und der Wächterrat muss neuen Gesetzen zustimmen oder kann ein Veto einlegen (BBC 8.10.2022). BPB 10.1.2020

Am 18.6.2021 fanden in Iran Präsidentschaftswahlen statt (AA 14.9.2021). Gewonnen hat die Wahl der konservative Hardliner und vormalige Justizchef Ebrahim Raisi mit mehr als 62 % der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei unter 50 % und war somit niedriger als jemals zuvor bei einer Präsidentschaftswahl in der Geschichte der Islamischen Republik. In der Hauptstadt Teheran lag die Wahlbeteiligung bei nur 26 %. Zudem wurden mehr als 3,7 Millionen Stimmzettel für ungültig erklärt (Standard 19.6.2021). Der Wettbewerb um die Wählerstimmen war stark manipuliert. Der Wächterrat hatte im Vorfeld die meisten der 600 Präsidentschaftskandidaten - darunter auch 40 Frauen - abgelehnt. Drei der genehmigten Kandidaten zogen ihre Kandidatur wenige Tage vor der Wahl zurück. Die Behörden übten auf die Medien Druck aus, um kritische Berichterstattung über Raisi oder den Wahlvorgang zu verhindern (FH 10.3.2023). In Folge der Präsidentschaftswahlen vom Juni 2021 befindet sich die gesamte Befehlskette in konservativer bzw. erzkonservativer Hand (Oberster Führer, Präsident/Regierungschef, Leiter der religiösen Judikative, Regierung, Parlament, Wächterrat, Expertenrat) (ÖB Teheran 11.2021).

Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 11.2021). Die Bewerber um einen Parlamentssitz erhalten ihre Unterstützung nicht von Parteien, sondern von klerikalen und wirtschaftlichen Interessengruppen. Das Parlament ist die gesetzgebende Institution Irans. Allerdings muss bei Gesetzesvorhaben ihre Vereinbarkeit mit der islamischen Rechtstradition beachtet werden. Gesetzesvorschläge kommen von den Ministern oder den Abgeordneten. Ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz kann vom Wächterrat so lange an das Parlament zurückverwiesen werden, bis es seinen Vorstellungen entspricht (DW 16.6.2021). Bei den Parlamentswahlen vom 21.2.2020 haben (ultra-)konservative Kandidaten knapp 80 % der Sitze im Parlament gewonnen (AA 30.11.2022). Vor der Abstimmung disqualifizierte der Wächterrat mehr als 9.000 der 16.000 Personen, die sich für eine Kandidatur angemeldet hatten, darunter eine große Anzahl reformistischer und gemäßigter Kandidaten (FH 10.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 42,6 %, was als die niedrigste Wahlbeteiligung bei einer Parlamentswahl in die Geschichte der Islamischen Republik einging (FH 10.3.2023; vgl. AA 30.11.2022).

Präsident, Parlament und Expertenrat werden also in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Den OECD-Standards entspricht das Wahlsystem jedoch schon aus dem Grund nicht, dass sämtliche Kandidaten im Vorfeld durch den vom Revolutionsführer und Justizchef ernannten Wächterrat zugelassen werden müssen (AA 30.11.2022; vgl. FH 10.3.2023, BPB 31.1.2020a). Dennoch kommt es in kaum einem anderen Land des Nahen Ostens zu derart umkämpften Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Die bestehenden programmatischen Differenzen zwischen prinzipientreuem Klerus und neokonservativen Technokraten, wirtschaftsliberalen Pragmatikern und klerikalen oder gar säkularen Reformern spiegeln einen Pluralismus in Iran wider, der allerdings phasenweise aufs Schärfste bedroht ist (BPB 31.1.2020a).

Das Regime reagierte auch unter der moderaten Regierung von Ex-Präsident Rohani in den letzten Jahren auf die wirtschaftliche Krise und immer wieder hochkommenden Unmut und Demonstrationen mit einem harten Vorgehen gegen Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtsaktivisten, religiöse und ethnische Minderheiten und Umweltaktivisten. Die Regierung Raisi ist noch dabei, ihre Machtstruktur auf allen Ebenen zu festigen. Sie hat jedoch bereits stärkere Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Sinne der "islamischen Gesellschaftsordnung" (Rolle der Frauen fokussiert auf Gebärfunktion), der Ablehnung "westlicher" Kultur, der Unterdrückung von Kritik (Internetzensur) und eine stärkere Ausrichtung auf Russland und China und deren politische Modelle angekündigt (ÖB Teheran 11.2021).

Frauen haben das aktive Wahlrecht, werden bei der politischen Teilhabe allerdings mit bedeutsamen rechtlichen, religiösen und kulturellen Hindernissen konfrontiert. Nach Interpretation des Wächterrats verwehrt die iranische Verfassung es Frauen, die Ämter des Revolutionsführers oder Präsidenten, Funktionen im Experten-, Wächter- und Schlichtungsrat sowie mancher Richterposten anzutreten (USDOS 20.3.2023). Unter 40-Jährige, die etwa drei Viertel der iranischen Bevölkerung ausmachen, waren bislang größtenteils von jeglicher politischen Partizipation ausgeschlossen. Politische Ämter werden überwiegend von Männern der ersten Generation der Elite der Islamischen Republik - den heute über 70-jährigen Gründungsvätern - und der zweiten Generation - den heute über 60-jährigen Veteranen des Iran -Irak-Kriegs sowie Vertretern der Revolutionsgarden - regiert (BPB 31.1.2020a).

Proteste 2022/2023

Nach dem Tod der 22-Jährigen Mahsa Jîna (ihr kurdischer Vorname) Amini am 16.9.2022 (USDOS 20.3.2023) in Gewahrsam der sogenannten Sittenpolizei (gasht-e ershâd) in Teheran (BPB 16.2.2023) aufgrund eines angeblich unkorrekt getragenen Hijabs kam es in Iran zu den größten Protesten seit Jahren (EN 1.2.2023). Während in den letzten Jahren in Iran häufig Demonstrationen stattfanden, waren die Proteste hinsichtlich ihrer geographischen Verbreitung und Dauer beispiellos (ACLED 12.4.2023). Als Frau sunnitischer Konfession und als Kurdin verkörperte Mahsa Jina Amini alle drei Dimensionen der systematischen Diskriminierung durch die Islamische Republik: Geschlecht, Konfession und ethnische Zugehörigkeit (Posch/Chatham 5.5.2023). Die Proteste in Iran richteten sich gegen Diskriminierung und fokussierten auf Menschenrechte. Die Wut der Tausenden von Demonstranten, die auf die Straße gingen, konzentrierte sich auf die Tatsache, dass weder das Geschlecht noch die ethnische Zugehörigkeit die Ursache für den Tod eines iranischen Bürgers in Gewahrsam sein sollte, was eine eindeutige Menschenrechtsfrage darstellt (Posch 2023). Der von den Demonstranten verwendete Spruch "Frau, Leben, Freiheit" (auf Farsi: "zan, zendegi, âzâdi") stammt dabei ursprünglich von der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) (auf Kurdisch "jin, jîyan, azadî"). Er war zunächst unter iranischen Demonstranten im Westen zu hören. Dann begannen auch in Iran die säkularen und linken Teile der Gesellschaft, ihn zu verwenden, bevor er sich landesweit über Klassen- und ethnische Grenzen hinweg verbreitete (Posch/Chatham 5.5.2023). Die Proteste wurden insbesondere von den folgenden Gruppen getragen: Frauen, Jugendliche, Studentinnen und Studenten sowie von marginalisierten Ethnien - insbesondere Kurden und Belutschen (BPB 16.2.2023). Die auf Menschen- und Bürgerrechten basierende Agenda der Proteste konnte jedoch sowohl säkulare Teheraner aus der Mittelschicht als auch sunnitische Fundamentalisten aus den marginalisierten Grenzprovinzen Irans mobilisieren. Unter anderem kritisierten auch prominente Stimmen wie Kak Hasan Amini, einer der profiliertesten sunnitischen Geistlichen Irans, oder Moulana Abdulhamid aus Belutschistan, Führer der sunnitischen Gemeinschaft im Osten des Irans, das Regime (Posch 2023).

Dieses reagierte mit massiver Repression auf die Proteste. Zeitweise wurden rund 20.000 Personen inhaftiert (BPB 16.2.2023). Bis Mitte Februar 2023 zählte die NGO Human Rights Activists News Agency (HRANA) 530 Todesopfer unter den Protestteilnehmern (DIS 3.2023; vgl. BPB 16.2.2023). Auch wurden im Rahmen der Proteste zwischen September 2022 und April 2023 rund 50 Angehörige der Basij, Revolutionsgarden und Polizei getötet (ACLED 12.4.2023), laut HRANA waren es beinahe 70 Regimekräfte (BPB 16.2.2023). Eine unbekannte Zahl von Personen, wie z.B. Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Studenten, Künstler, Akademiker, Rechtsanwälte, medizinisches Personal, das sich um Protestteilnehmer gekümmert hat, Minderjährige und Personen, die sich online an anti-Regierungsaktivitäten beteiligt haben, wurde wegen "Verbreitung von Propaganda", "Absprachen zur Begehung von Straftaten und Handlungen gegen die nationale Sicherheit" oder "Kriegsführung gegen Gott" sowie "Korruption auf Erden" verurteilt, wobei diese Tatbestände vor den iranischen Revolutionsgerichten mit hohen Strafen geahndet werden (DIS 3.2023).

Die Proteste zeichneten sich durch ihre Dezentralität, die Bedeutung von zivilem Ungehorsam und Flashmobs als Protestform - insbesondere durch Frauen, die ihr Kopftuch ablegen - und, wie vor allem in europäischen Debatten oft bemängelt wird, durch fehlende Organisations- und Führungsstrukturen aus (BPB 16.2.2023). Die fehlenden Führungsstrukturen waren sowohl Stärke als auch Schwäche der Proteste, bei denen das Internet und soziale Medien eine große Rolle zur Mobilisierung und Verbreitung der Protestbotschaften spielten: Einerseits machen die fehlenden Führungsstrukturen staatliche Repression schwieriger, andererseits erschweren sie auch die Herausbildung einer Bewegung, welche eine politische Alternative zum derzeitigen System darstellen könnte (FR24 16.12.2022).

Bis zum Sommer 2023 sind die Straßenproteste schließlich abgeflaut und die Regierung hat beispielsweise versucht, die Strafen für Verstöße gegen die Hijab-Regeln zu verschärfen (USIP 6.9.2023). Die Islamische Republik blieb weiterhin funktionsfähig und im Zuge der Proteste konnte nicht beobachtet werden, dass eine Einheit des hochkompetitiven iranischen Sicherheitsapparats geschwächelt hätte oder sich illoyal verhalten habe (Posch/Chatham 5.5.2023). Die Regierung ist darauf bedacht, ihre Anhängerschaft zu halten, versucht aber auch, Menschen am Rande der Gesellschaft zu Anhängern der Islamischen Republik zu machen. So haben die staatlichen Medien jüngst beispielsweise neue Fernsehsendungen produziert und eine größere Anzahl von Gästen eingeladen, um heikle politische Themen zu diskutieren. Die Regierung möchte aufgeschlossen und sympathisch erscheinen, um ein gewisses Maß an Legitimität aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen. Die Regierungsvertreter sind sich allerdings darüber im Klaren, dass die Legitimität des Regimes erodiert ist, insbesondere seit der gewaltsamen Niederschlagung der landesweiten Demonstrationen, die durch den Tod von Mahsa Amini in Polizeigewahrsam im Jahr 2022 ausgelöst worden sind (USIP 17.11.2023). Die Proteste scheinen im Jahr 2023 abgeklungen zu sein, aber die dort artikulierten Missstände bleiben weiterhin bestehen (CRS 29.9.2023).

Anm.: Informationen zur Protestwelle ab September 2022 können insb. auch den Kapiteln "Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition" und "Ethnische Minderheiten" sowie den dazugehörigen Unterkapiteln entnommen werden.

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30/11/2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 18. 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Religionsfreiheit

Letzte Änderung 2024-01-26 13:39

In Iran leben schätzungsweise rund 87,6 Millionen Menschen (CIA 7.3.2023), von denen nach offiziellen Angaben ungefähr 99 % dem Islam angehören. Etwa 90 % der Bevölkerung sind demnach Schiiten, ca. 9 % sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq (Yaresan) und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (STDOK 3.5.2018; vgl. USDOS 15.5.2023). Im Rahmen einer vielbeachteten und breit diskutierten (NYMAG 21.10.2022) Onlinebefragung der Organisation Gamaan aus dem Jahr 2020, an der sich 40.000 innerhalb Irans lebende Iraner sowie rund 10.000 im Ausland lebende Iraner beteiligt haben, wurden folgende Einstellungen bzw. religiösen Ausrichtungen angegeben: nur rund 32 % der Bevölkerung bekennen sich zum Schiitentum, 5 % zum Sunnitentum und rund 8 % zum Zoroastrismus. 9 % identifizierten sich dagegen als Atheisten, 7 % als "spirituell" und 6 % als Agnostiker. Andere gaben an, dem Sufismus, Humanismus, Christentum, dem Baha'i-Glauben oder dem Judentum zu folgen (Anteile zwischen rd. 0,1 und 3 %) und rund 22 % der Befragten wollten sich mit keiner der genannten Gruppierungen identifizieren (GAMAAN 25.8.2020). Auch wenn nicht genau gesagt werden kann, inwiefern die von Gamaan vorgelegten Zahlen auf die Gesamtbevölkerung Irans umlegbar sind, zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zum nationalen Zensus. Aus der Studie lässt sich eine erosionsartige Fragmentierung des religiösen Feldes zumindest bei den befragten Iranerinnen und Iranern ablesen. Interessant ist unter anderem die Vielfalt an verschiedenen Glaubensbekenntnissen von Konfessionslosigkeit und Atheismus, beides eigentlich Tabus in einer offiziell islamischen Gesellschaft wie der iranischen, über Zoroastrismus und Trends zu spirituellen und esoterischen Sekten, bis hin zum Agnostizismus, zu sufischen Bewegungen, den Bahai und zum Christentum. Letztere stellen laut der Studie lediglich eine relativ kleine Gruppe dar (BAMF 5.2022).

Nachstehender Karte können die Hauptsiedlungsgebiete der größten Glaubensgruppen in Iran entnommen werden. Demnach leben Sunniten mehrheitlich in den Grenzregionen im äußersten Nordwesten Irans, im Norden in einem Gebiet an der Grenze zu Turkmenistan [Provinz Golistan] sowie im Süden bei Bandar-e Abbas [Provinz Hormuzgan] und an der Grenze zu Pakistan sowie dem Südwesten Afghanistans [in Iran : Provinz Sistan und Belutschistan]. Der größte Teil des Landes wird mehrheitlich von Schiiten bewohnt. Minderheitengruppen wie Zoroastrier, Bahai, Juden und Sikhs werden auf der Karte nicht dargestellt; insbesondere in urbanen Zentren ist die Bevölkerung sehr heterogen und kann auf dieser Karte nicht dargestellt werden (BMI/BMLVS 2017).

Laut Verfassung ist Iran eine islamische Republik und der schiitische Zwölfer- oder Ja'afari-Islam ist die offizielle Staatsreligion. Die Verfassung schreibt vor, dass alle Gesetze und Vorschriften auf "islamischen Kriterien" und einer offiziellen Auslegung der Scharia beruhen müssen. In der Verfassung heißt es, dass die Bürger alle menschlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte "in Übereinstimmung mit islamischen Kriterien" genießen sollen (USDOS 15.5.2023). Für Frauen bedeutet dies beispielsweise unter anderem eine allgemeine Kopftuchpflicht in der Öffentlichkeit, die zuletzt im Zuge der Proteste anlässlich des Todes von Mahsa Amini von vielen Protestierenden abgelehnt wurde und in den Fokus der Auseinandersetzung zwischen dem Regime und seinen Gegnern geriet (Tagesschau 6.10.2022). Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten 'Buchreligionen' Christentum, Judentum und Zoroastrismus ihren Glauben in ihren Gemeinden relativ frei ausüben (AA 30.11.2022; vgl. ÖB Teheran 11.2021). In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie (AA 30.11.2022).

Die Lehrpläne aller öffentlichen und privaten Schulen müssen einen Kurs über die schiitischen Lehren enthalten. Sunnitische Schüler und Schülerinnen, sowie jene, die einer anerkannten religiösen Minderheit angehören, müssen die Kurse über den schiitischen Islam belegen und bestehen, obwohl sie auch separate Kurse über ihre eigenen religiösen Überzeugungen belegen können. Anerkannte religiöse Minderheitengruppen, mit Ausnahme der sunnitischen Muslime, dürfen Privatschulen betreiben (USDOS 15.5.2023).

Anhänger religiöser Minderheiten unterliegen Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Lediglich schiitische Muslime dürfen in vollem Umfang am politischen Leben teilnehmen (AA 30.11.2022; vgl. MRG 24.11.2022). Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 30.11.2022). Auch anerkannte religiöse Minderheiten (Zoroastrier, Juden, Christen) werden diskriminiert. Sie sind in ihrer Religionsausübung jedoch nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Sie haben gewisse rechtlich garantierte Minderheitenrechte (ÖB Teheran 11.2021). Im Parlament sind beispielsweise fünf der insgesamt 290 Sitze für ihre Vertreterinnen und Vertreter reserviert: zwei für armenische Christen, einer für Juden, einer für Zoroastrier und einer für assyrische Christen (Zeit online 19.1.2023; vgl. FH 10.3.2023). Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (USDOS 15.5.2023) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 10.3.2023). Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen (ÖB Teheran 11.2021; vgl. OpD 18.1.2023). Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert (ÖB Teheran 11.2021). Für nicht anerkannte religiöse Gruppen gibt es keine rechtlichen Schutzgarantien. Diese Gruppierungen - z.B. Baha'i, Sabäer-Mandäer, Yaresani [Anm.: auch Ahl-e Haqq] (MRG 24.11.2022; vgl. BAMF 5.2022), Anhänger fernöstlicher oder esoterischer Philosophien und Kulte (IRINTL 25.1.2022), konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt (ÖB Teheran 11.2021; vgl. OpD 18.1.2023).

Das Ministerium für Kultur und islamische Führung und das Ministerium für Nachrichtenwesen und Sicherheit (MOIS) überwachen religiöse Aktivitäten. Die Revolutionsgarden überwachen auch Kirchen (USDOS 15.5.2023; vgl. OpD 18.1.2023). Die iranische Regierung verfolgt Angehörige religiöser Minderheiten bisweilen unter dem Vorwand, diese seien eine Gefahr für die nationale Sicherheit, und nicht, weil sie beispielsweise Christen sind (CNEN 4.2.2023). Führende Vertreter von Minderheitengruppen und Aktivisten werden oftmals unter dem allgemeinen Vorwurf der Bedrohung der "öffentlichen Moral" oder der nationalen Sicherheit zu langen Haftstrafen oder zum Tod verurteilt (MRG 24.11.2022; vgl.OpD 18.1.2023). Auch oppositionelle schiitische Geistliche und muslimische Sekten sind der Verfolgung ausgesetzt (ÖB Teheran 11.2021). Zur Sanktionierung von Vergehen wie "Irrlehre", "Abweichung" und "Propaganda" durch Geistliche besteht ein Sondergericht, das über eine eigene Polizei, Strafprozessordnung, Gefängnisse und einen eigenen Strafkatalog verfügt, zu dessen Strafen etwa Verbote, Seminare abzuhalten oder die Kleriker-Robe in der Öffentlichkeit zu tragen ebenso gehören wie Verbannung, Haftstrafen und Todesurteile (Qantara 16.5.2023). Das Sondergericht für Geistliche untersteht direkt dem Revolutionsführer und ist, wie auch die Revolutionsgerichte, in der Verfassung nicht vorgesehen (USDOS 15.5.2023).

Ethnische und religiöse Minderheiten, die jahrzehntelang unter systemischer und systematischer Diskriminierung und Verfolgung gelitten haben, waren von der Welle der Repression seit Beginn der Proteste im September 2022 unverhältnismäßig stark betroffen (UNHRC 7.2.2023). Im Zuge der Proteste übten auch prominente sunnitische Stimmen wie Kak Hasan Amini, einer der profiliertesten sunnitischen Geistlichen Irans, oder Moulana Abdulhamid aus Belutschistan, Führer der sunnitischen Gemeinschaft im Osten des Irans, Kritik am Regime (Posch 2023). Zum tödlichsten Zwischenfall im Rahmen der Proteste kam es nach einem Freitagsgebet Moulana Abdulhamids in Zahedan, als Sicherheitskräfte das Feuer auf Protestierende eröffneten [Anm.: s. Unterkap. "Sunniten" für weitere Informationen] (UNHRC 7.2.2023; vgl. USIP 9.3.2023). Im Jänner 2023 wurde ein sunnitischer Geistlicher aus dem Umfeld von Moulana Abdulhamid verhaftet, dem die Behörden "Manipulation der öffentlichen Meinung" sowie "Kommunikation mit ausländischen Personen und Medien" vorwarfen (USIP 9.3.2023). Unter anderem verwehrten die iranischen Behörden Angehörigen von getöteten Protestteilnehmerinnen und Protestteilnehmern, Begräbnisse nach ihren religiösen Riten zu vollziehen (UNHRC 7.2.2023). Obwohl diese Vorkommnisse nicht völlig neu waren, kam es im Zuge der Proteste auch vermehrt zu Übergriffen auf schiitische Geistliche, die aufgrund der umfassenden Politisierung von Religion mit dem iranischen Regime gleichgesetzt werden und als Vollstrecker von dessen politischen Zielen fungieren (INSS 18.5.2023; vgl. Qantara 16.5.2023).

Religiöse Minderheiten und Nichtgläubige berichteten auch von eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten, der Verweigerung oder Schwierigkeiten, Genehmigungen für die Gründung eigener Unternehmen zu erhalten, sowie eingeschränkten Bildungsmöglichkeiten und verhetzenden Äußerungen (IrWire 27.2.2023). Muslimische Geistliche rufen manchmal zu Gewalt gegen religiöse Minderheiten auf (OpD 18.1.2023). Dabei ist die iranische Gesellschaft weniger fanatisch als ihre Führung (OpD 18.1.2023; vgl. NLM 23.2.2023). Dies ist zum Teil auf den weitverbreiteten Einfluss des gemäßigteren Sufi-Islams zurückzuführen sowie auf den Stolz des iranischen Volkes auf seine vorislamische persische Kultur (OpD 18.1.2023). Dennoch wird mitunter von bedrohlicher Diskriminierung von Nicht-Schiiten seitens des familiären oder gesellschaftlichen Umfelds berichtet (ÖB Teheran 11.2021; vgl. OpD 18.1.2023).

Nach Einschätzung des australischen Außenministeriums sind nicht praktizierende iranische Muslime einem geringen Risiko behördlicher oder gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt, insbesondere in den Großstädten (DFAT 24.7.2023). Der Besuch von Moscheen ist in Iran beispielsweise nicht weit verbreitet, verglichen mit anderen muslimischen Ländern (Moaddel/FTJ 2022; vgl. MRAI 19.6.2023), und Personen werden nicht per se als Atheisten betrachtet, weil sie keine Moscheen aufsuchen. Dies gilt auch im ländlichen Bereich. Auch halten sich viele Iraner im Privaten nicht strikt an die Fastenregeln des Ramadan. Solange die Fastenregeln nicht in der Öffentlichkeit gebrochen werden, führte dies bislang üblicherweise zu keinen Problemen (MRAI 19.6.2023). Der Konsum von Speisen und Getränken sowie Rauchen in der Öffentlichkeit während des Ramadan kann nach dem iranischen Strafgesetzbuch (IStGB) jedoch mit Strafen wie Peitschenhieben sowie Haft geahndet werden. Während des Ramadan 2023 wurden Dutzende Geschäfte in Teheran wegen Verstößen gegen die Fastenregeln von der Polizei geschlossen und die Behörden riefen die Bevölkerung dazu auf, Verstöße gegen das Fasten in der Öffentlichkeit zu melden (IRINTL 27.3.2023).

Nach dem Gesetz dürfen Nicht-Muslime nicht missionieren oder versuchen, einen Muslim zu einem anderen Glauben zu bekehren. Das Gesetz betrachtet diese Aktivitäten als Bekehrungsversuche, die mit dem Tod bestraft werden können (USDOS 15.5.2023). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS 23.2.2018). Das Parlament höhlte das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit im Jänner 2021 weiter aus, indem es zwei neue Paragrafen in das IStGB aufnahm, wonach die "Diffamierung staatlich anerkannter Religionen, iranischer Bevölkerungsgruppen und islamischer Glaubensrichtungen" sowie "abweichende erzieherische oder missionarische Aktivitäten, die dem Islam widersprechen" mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren und/oder einer Geldstrafe geahndet werden können. Im Juli 2021 wurden drei Männer, die zum Christentum konvertiert waren, auf dieser Grundlage zu langjährigen Haftstrafen verurteilt (AI 29.3.2022b). Das Regime betrachtet auch fernöstliche oder esoterische Philosophien und Kulte kritisch (IRINTL 25.1.2022). Unter anderem wurde auch ein Yogalehrer wegen "Propaganda gegen die Heiligtümer des Islam" vor einem Revolutionsgericht angeklagt, wobei seine Rechtsanwältin angab, die Behörden hätten seine Tätigkeit als Meditations- und Yogalehrer fälschlicherweise als islamfeindlich interpretiert (RFE/RL 7.11.2023).

Menschen, deren Eltern von den Behörden als Muslime eingestuft wurden, laufen Gefahr, willkürlich inhaftiert, gefoltert oder wegen "Apostasie" mit der Todesstrafe belegt zu werden, wenn sie andere Religionen oder atheistische Überzeugungen annehmen (AI 29.3.2022b; vgl. ÖB Teheran 11.2021), auch wenn Fälle von Hinrichtungen aus diesem Grund in den letzten Jahren nicht bekannt wurden. In der Praxis werden kaum mehr Verurteilungen wegen Apostasie registriert. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund gewesen ist (ÖB Teheran 11.2021).

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Christen

Letzte Änderung 2024-01-26 13:41

Nach Angaben des staatlichen iranischen Statistikzentrums aus dem Jahr 2016 gibt es 117.700 Christen in Iran. Einige Schätzungen deuten jedoch darauf hin, dass es deutlich mehr sind, als tatsächlich angegeben (USDOS 15.5.2023). Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran. Den größten Anteil [unter den anerkannten christlichen Gemeinschaften] stellen dabei armenische Christen (STDOK 3.5.2018), wobei Vertreter dieser Religionsgemeinschaft ihre Gesamtanzahl auf 40.000-50.000 schätzen. Die Anzahl der Assyrer und Chaldäer wird auf insgesamt rund 7.000 geschätzt (USDOS 15.5.2023). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben (ÖB Teheran 11.2021), wobei erstere auf rund 21.000 Personen geschätzt werden, während es zu letzteren keine belastbaren Daten gibt. Viele Protestanten praktizieren ihren Glauben im Geheimen (USDOS 15.5.2023). Schätzungen zufolge stellen Konvertiten aus dem Islam mit mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 30.11.2022). Armenische Christen leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan (STDOK 3.5.2018).

Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt, dies gilt allerdings nicht für evangelikale Freikirchen. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt (ÖB Teheran 11.2021): Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur diese historisch ansässigen Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als solche bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen. Mit der Registrierung sind bestimmte Rechte verbunden, darunter die Verwendung von Alkohol zu religiösen Zwecken. Die Behörden können eine Kirche schließen und ihre Leiter verhaften, wenn die Kirchenbesucher sich nicht registrieren lassen oder wenn nicht registrierte Personen an den Gottesdiensten teilnehmen (USDOS 15.5.2023).

Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt (ÖB Teheran 11.2021); christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 11.2021), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Soweit ethnische Christen die Ausübung ihres Glaubens ausschließlich auf die Angehörigen der eigenen Gemeinden beschränken, werden sie kaum behindert oder verfolgt. Dies trifft insbesondere auf armenische und assyrische Christen zu. Konvertiten vom Islam zum Christentum und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind demgegenüber willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt (AA 30.11.2022). Die iranischen Behörden gestatten Konvertiten nicht, die Kirchen der armenischen und assyrischen Gemeinschaften zu besuchen (ARTICLE18 o.D.). Einerseits wird immer wieder von Razzien und Verhaftungen von Christinnen und Christen berichtet, was ein hartes staatliches Vorgehen signalisiert. Die Gemeinden sollen durch diese Unvorhersehbarkeit in Angst und Unsicherheit gehalten werden. Andererseits belegen Einzelbeispiele, dass es immer darauf ankommt, welche Person dem Beschuldigten gegenübersitzt. Auch persönliche Einstellungen und Charakteristika von Amtsträgern spielen eine Rolle. Dabei kann es fallweise erhebliche Unterschiede geben. Die Aussage, dass Pastoren, Missionare oder Organisatoren von Hauskirchen besonders im Fokus der Sicherheitsdienste stehen, bedeutet nicht, dass sich das Risiko für normale, nicht in entsprechende Aktivitäten involvierte Gemeindemitglieder automatisch auf null reduzieren würde (BAMF 5.2022).

Historisch ansässige Christen genießen Kultusfreiheit innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen (ÖB Teheran 11.2021) und sind in familienrechtlichen Angelegenheiten weitgehend autonom (BAMF 5.2022). Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung von Andersgläubigen ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden, wobei im November 2021 berichtet wurde, dass es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam (ÖB Teheran 11.2021). Im September 2022 wurde jedoch bekannt, dass zwei Aktivistinnen für die Rechte von Angehörigen sexueller Minderheiten, denen die Behörden neben anderen Anklagepunkten auch "Missionierung für das Christentum" vorwarfen, zum Tod verurteilt worden sind (BAMF 1.1.2023; vgl. OMCT 22.9.2022).

Für das iranische Regime besonders bedrohlich erscheinen Religionen wie das evangelikale Christentum, welches die aktive Ausübung des christlichen Glaubens etwa im Rahmen von Hauskirchen und missionarischen Aktivitäten einfordert. Die möglichen Verbindungen zu evangelikalen Gruppierungen und Organisationen in Ländern wie Großbritannien und den USA, die seit 1979 als Feinde des Landes und seines politischen Systems gelten, verstärken den Eindruck einer Bedrohung. Diese Gemengelage führt die iranischen Machthaber und Behörden zur Einschätzung, dass man es hier mit einer Bedrohung der nationalen Sicherheit zu tun hat (BAMF 5.2022). Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ('Hauskirchen') oft hart vorgegangen (u. a. Verhaftungen und Beschlagnahmungen). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen (ÖB Teheran 11.2021).

Es gibt auch Einschränkungen, mit denen anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht (STDOK 3.5.2018). Im Weltverfolgungsindex von Christen für das Jahr 2023, den die NGO Open Doors jährlich veröffentlicht, befindet sich Iran auf dem achten Platz (2022: Platz neun). Der Weltverfolgungsindex ist eine Rangliste der 50 Länder, in denen Christen der stärksten Verfolgung und Diskriminierung wegen ihres Glaubens ausgesetzt sind. Je niedriger die Zahl, desto höher die Verfolgung. Der durchschnittliche Druck in Iran ist weiterhin extrem hoch. Die Zahl dokumentierter gewaltsamer Übergriffe, einschließlich Entführungen, ist laut Open Doors in Iran zuletzt gestiegen (OpD 18.1.2023).

Ausländische christliche Gemeinden können ihre Religion weitgehend ungehindert ausüben, werden jedoch von staatlicher Seite dabei genau beobachtet. Eine nachhaltige Gemeindearbeit wird durch staatliche Schikanen verhindert (z. B. Verweigerung der Visaverlängerung für in Iran praktizierende, ausländische Priester oder Visaverweigerung). Dadurch könnten die Gemeinden langfristig "aussterben". Insbesondere Iraner, die sich aktiv für nicht-muslimische Glaubens- und Gemeindearbeit einsetzen, laufen Gefahr, ins Visier der Sicherheitsbehörden zu geraten (AA 30.11.2022). Ausländischen Christen ist es streng verboten, mit iranischen christlichen Konvertiten aus dem Islam in Kontakt zu treten, geschweige denn sie in ihre Gemeinden aufzunehmen (OpD 20.2.2023).

Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind (STDOK 3.5.2018; vgl. Qantara o.D.). Anerkannte christliche Religionsgemeinschaften haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden (STDOK 3.5.2018), wobei Schüler und Schülerinnen, die einer anerkannten religiösen Minderheit angehören, auch Kurse in schiitischem Islam belegen und bestehen müssen (USDOS 15.5.2023).

Es gehört zum Erscheinungsbild in den Großstädten, dass christliche Symbole im Modebereich als Accessoires Verwendung finden und auch in den entsprechenden Geschäften angeboten werden. Auch Dekorationen mit christlichen Motiven sind nicht ungewöhnlich. Eine solche kommerzielle Präsentation führte bisher nach Darstellung der in Teheran vertretenen westlichen Botschaften zu keinen Strafverfahren (BAMF 3.2019). Weihnachtsdekoration ist in vielen Städten Irans beliebt, man kann sie ohne Probleme finden (MRAI 19.6.2023; vgl. BAMF 3.2019). Vor einigen Kirchen in Teheran stehen anlässlich der Weihnachtsfeiertage, zu denen von staatlicher Seite immer wieder Glückwünsche übermittelt werden, Weihnachtsbäume (BAMF 3.2019). Die gestiegene Beliebtheit von christlichen Weihnachtsfeiern und Christbäumen (unter Nicht-Christen) wurde von konservativer Seite allerdings auch kritisiert (IRJ 30.12.2019). Der Staat kann zwar Bedenken äußern oder Beschränkungen für Geschäfte, die diese Dekorationen verkaufen, auferlegen, aber er erhebt normalerweise keine Anklage wegen Besitzes oder Verwendung dieser Dekorationen (MRAI 19.6.2023). Unter anderem versucht er auch, das in Iran verbreitete Feiern des Valentinstages zu unterbinden, der zeitlich mit dem Jahrestag der Islamischen Revolution zusammenfällt. Seit über zwei Jahrzehnten ist die Herstellung von Postern, Broschüren, Schachteln und Karten mit Liebesherzsymbolen und roten Rosen, wie sie zum Valentinstag verschenkt werden, offiziell verboten. Dennoch werden derartige Waren von Ladenbesitzern angeboten und von Kunden gekauft, wobei Ladenbesitzer Sanktionen wie temporäre Geschäftsschließungen riskieren (NLM 14.2.2022). Das Tragen von christlichen Symbolen [wie z. B. Kreuzanhängern] kann nach Angaben einer iranischen Rechtsanwältin für Personen allerdings je nach Interpretation der Sittenpolizei zu Problemen führen. Die Behördenvertreter können dies beispielsweise als allgemeines und zweideutiges Vergehen im Zusammenhang mit Straftaten gegen die Keuschheit und die öffentliche Moral einstufen. Letztendlich ist es Sache des Richters oder der Polizei zu entscheiden, ob die Verwendung christlicher Symbole unter diese Straftatbestände fällt. Ein weiterer möglicher Ansatz besteht darin, Personen der "Störung der öffentlichen Werte" zu beschuldigen. Es gibt Fälle, in denen die Sittenpolizei Menschen wegen des Tragens christlicher Symbole verhaftet hat (MRAI 19.6.2023). Einer Quelle des niederländischen Außenministeriums zufolge kann ein Richter sichtbare christliche Tätowierungen oder im Rahmen einer Verhaftung eines Konvertiten beschlagnahmten Schmuck oder Bilder mit christlicher Symbolik in die Beweislast im Zusammenhang mit einer Konversion einbeziehen. Dies kann jedoch von Fall zu Fall variieren (MBZ 9.2023).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30/11/2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 18. November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083021/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_18.11.2022%29%2C_30.11.2022.pdf, Zugriff 2.2.2023 [Login erforderlich];ARTICLE18 - ARTICLE18 (n.d): Persian-speaking Iranian Christians have no place where they can worship collectively, https://articleeighteen.com/place2worship/#, Zugriff 17.3.2023; BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1/1/2023): Briefing Notes Zusammenfassung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2087097/Deutschland._Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes_Zusammenfassung_-_Iran%2C_Juli_bis_Dezember_2022._01.01.2023.pdf, Zugriff 14.3.2023; BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2022): Länderreport 52 Iran: Konversion und Evangelikalismus aus der Sicht der staatlichen Verfolger, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079128/Deutschland._Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Iran_-_Konversion_und_Evangelikalismus_aus_der_Sicht_der_staatlichen_Verfolger%2C_01.05.2022._%28L%C3%A4nderreport___52%29.pdf, Zugriff 16.3.2023; BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport 10 Iran: Situation der Christen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Laenderreporte/2019/laenderreport-10-iran.pdf?__blob=publicationFile v=5, Zugriff 16.3.2023; IRJ – Iran Journal (30/12/2019): Christmas in der Islamischen Republik: beliebt wie noch nie , https://iranjournal.org/gesellschaft/weihnachten-iran, Zugriff 16.3.2023; MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (9.2023): Algemeen ambtsbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098089/Algemeen+ambtsbericht+Iran +van+september+2023.pdf, Zugriff 30.11.2023; MRAI - Menschenrechtsanwältin aus Iran(19/6/2023): Interview, via Videotelefonie; NLM - New Lines Magazine (14/2/2022): Iran´s Failure to Suppress Valentine’s Day, https://newlinesmag.com/argument/with-love-from-tehran-the-repression-of-valentines-day/, Zugriff 4.1.2024;OMCT - World Organisation Against Torture (22/9/2022):Iran: Death sentence against two women for speaking out in support of LGBTQI+ rights , https://www.omct.org/en/resources/statements/iran -death-sentence-against-two-women-for-speaking-out-in-support-of-lgbtqi-rights, Zugriff 16.3.2023; OpD - Open Doors (20/2/2023): Religionsfreiheit: Iran unter internationalem Druck, https://www.opendoors.at/news/religionsfreiheit-iran -unter-internationalem-druck/, Zugriff 17.3.2023;OpD - Open Doors (18/1/2023): Weltverfolgungsindex 2023, https://www.opendoors.de/sites/default/files/copyright_open_doors_2023_wvi_bericht.pdf, Zugriff 16.3.2023; Qantara - Qantara.de (n.d): Tehran's Hasan Abad, where four religions co-exist side by side, https://en.qantara.de/content/tehrans-hasan-abad-where-four-religions-co-exist-side-by-side, Zugriff 17.3.2023; STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (3/5/2018): Iran: Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/de/dokument/1431384.html, Zugriff 16.3.2023 [Login erforderlich];USDOS - United States Department of State [USA] (15/5/2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091857.html, Zugriff 4.1.2024;

ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islamische Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_%C3%96B-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich];

Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

Letzte Änderung 2024-01-26 13:44

Abfall vom Islam, Apostasie (Farsi: ertedad) fällt in den Bereich der sog. Hadd-Strafen der Sharia, die allgemein mit der Todesstrafe geahndet werden, obwohl die islamischen autoritativen Rechtsquellen wie der Koran und Hadithe (Aussagen des Propheten) nicht immer eindeutig und zuweilen auch widersprüchlich sind. Das Strafgesetzbuch der Islamischen Republik Iran (IStGB) ist nicht mit der Sharia identisch und Apostasie wird nicht als Straftatbestand im IStGB aufgeführt. In Fällen wie diesen erlaubt Art. 167 der Verfassung Richtern den Rückgriff auf traditionelle islamische Rechtsquellen (Koran, Hadith und Fatwas, sog. Rechtsgutachten). Damit besteht rechtlich zumindest in der Theorie die Möglichkeit, bei Apostasie eine Bestrafung gemäß den islamischen Rechtsquellen und Fatwas vorzunehmen. Obwohl die iranischen Behörden zuweilen mit Apostasie-Anklagen drohen, sind solche jedoch sehr selten (BAMF 5.2022; vgl. ARTICLE 19 6.7.2022). Gerichte können somit immer noch Todesurteile wegen Apostasie verhängen, indem sie sich in Art. 167 des Strafgesetzbuches auf die Scharia berufen. Zwischen 1990 und 2020 haben sie das - vermutlich auf internationalen Druck - nur dreimal getan. Die einzige Hinrichtung aufgrund von Apostasie fand 1990 statt (OpD 20.2.2023; vgl. IRB 9.3.2021). Ein Teilnehmer an den Protesten vom September 2022 wurde im Dezember 2022 von einem Revolutionsgericht unter anderem wegen Apostasie zum Tod verurteilt. Ihm war die Verbrennung eines Korans vorgeworfen worden, wobei er laut Amnesty International durch Folter zu einem Geständnis gezwungen worden war. Das Urteil wurde im Mai 2023 aufgehoben, der Protestteilnehmer verstarb jedoch in Haft, bevor es zu einer Neuverhandlung kommen konnte (AI 7.9.2023; vgl. BBC 31.8.2023).

Zum Christentum Konvertierte können auch auf Grundlage anderer Straftatbestände angeklagt werden, wobei diese Anklagepunkte zu den sogenannten Taʿzir-Strafen (Ermessensstrafen) zählen, bei denen die Urteilsfindung und das Strafmaß im Ermessen des vorsitzenden Richters liegen. Mögliche Anklagepunkte, die lt. IStGB mit unterschiedlich langen Haftstrafen geahndet werden, sind z.B.: Aktionen gegen die nationale Sicherheit (IStGB 5. Buch/Art. 498-99), Propaganda gegen das System (IStGB 5. Buch/Art. 500), Beleidigung heiliger islamischer Werte und Prinzipien (IStGB 5. Buch/Art. 513), Versammlung und Verschwörung zur Unterminierung der Landessicherheit (IStGB/Art. 610) oder Alkoholgenuss [im Zuge der Heiligen Kommunion] (IStGB/Art. 701) (BAMF 5.2022), wobei der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist (ÖB Teheran 11.2021). Andere politisch motivierte Anklagen wie Feindschaft gegen Gott (moharebeh) und Verderbtheit auf Erden (efsad-e fi’l-arz) wurden ebenfalls verschiedentlich dokumentiert, sind im Zusammenhang mit Bekenntnissen zu religiösen Alternativen allerdings eher selten (BAMF 5.2022).

Christen, insbesondere Evangelikale und andere Konvertiten aus dem Islam, sind nach Angaben christlicher Nichtregierungsorganisationen weiterhin unverhältnismäßig vielen Verhaftungen und Inhaftierungen sowie einem hohen Maß an Schikanen und Überwachung ausgesetzt. Menschenrechtsorganisationen und christliche NGOs berichten weiterhin, dass die Behörden Christen, einschließlich Mitglieder nicht anerkannter Kirchen, aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit oder ihrer Aktivitäten verhaften und sie beschuldigen, illegal in Privathäusern zu operieren oder "feindliche" Länder zu unterstützen und deren Hilfe anzunehmen. Das katholische Medienunternehmen AsiaNews hat berichtet, dass die Behörden zwischen Jänner und Juni 2022 58 christliche Konvertiten verhaftet haben, verglichen mit 72 im gesamten Jahr 2021. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen setzt die Regierung auch das Verbot der Missionierung weiter durch (USDOS 15.5.2023). Trotz des Verbots des "Abfalls vom Islam" ist in Iran ein anhaltender Trend von Konversion zum Christentum festzustellen. Unter den Christinnen und Christen des Landes stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen. Viele vor allem jüngere Iranerinnen und Iraner haben sich von der Religion auch gänzlich abgewendet, weil sie mit den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen seit der Islamischen Revolution nicht einverstanden sind (AA 30.11.2022). Das Regime ist bestrebt, die Werte der Islamischen Revolution von 1979 zu schützen, von denen es seine Legitimität ableitet. Der christliche Glaube gilt als gefährlicher westlicher Einfluss und als Bedrohung der islamischen Identität der Republik (OpD 20.2.2023). Konversion und Bekenntnis zum Christentum sind damit Akte des Protests, der Fundamentalopposition und des Bruches mit der Islamischen Republik (BAMF 5.2022). Dies erklärt, warum insbesondere Konvertiten, die sich vom Islam ab- und dem christlichen Glauben zugewandt haben, wegen "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" verurteilt werden (OpD 20.2.2023). Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft auch Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z. B. Zionisten) (ÖB Teheran 11.2021). Freikirchliche Protestanten werden des "evangelikalen und zionistischen" Christen- bzw. Sektentums bezichtigt (BAMF 5.2022).

Missionarische Tätigkeit – d. h. jegliches nicht-islamisches religiöses Agieren in der Öffentlichkeit - ist verboten und wird geahndet (ÖB Teheran 11.2021; vgl. USDOS 15.5.2023). Das Strafgesetz sieht für Proselytismus formell die Todesstrafe vor, wobei es laut Auskunft der österreichischen Botschaft in Teheran vom November 2021 in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil gekommen ist (ÖB Teheran 11.2021). Im September 2022 wurde jedoch bekannt, dass zwei Aktivistinnen für die Rechte von Angehörigen sexueller Minderheiten, denen die Behörden neben anderen Anklagepunkten auch "Missionierung für das Christentum" vorwarfen, zum Tod verurteilt worden sind (BAMF 1.1.2023; vgl. OMCT 22.9.2022).

Die Aktivitäten anerkannter christlicher Gemeinschaften sind streng geregelt, um Missionstätigkeit zu verhindern. Anerkannte christliche Gruppen lehnen Missionierungsarbeit daher ab, was von den Behörden regelmäßig auch überprüft wird (DFAT 24.7.2023). Alle Christen und christlichen Kirchen müssen bei den Behörden registriert sein, und nur anerkannte Christen dürfen die Kirche besuchen. Die Sicherheitsbehörden überwachen die registrierten Kirchen genau, um sicherzustellen, dass die Gottesdienste nicht auf Farsi abgehalten werden (sie müssen in der traditionellen Sprache der Kirche und nicht in der Volkssprache abgehalten werden), und führen regelmäßige Identitätskontrollen der Gläubigen durch, um zu überprüfen, dass keine Nichtchristen oder Konvertiten an den Gottesdiensten teilnehmen. Kirchen, die sich nicht daran halten, müssen mit der Schließung rechnen (DFAT 24.7.2023; vgl. ARTICLE18 o.D.).

Einige Konvertiten haben sich daher den "Assemblies of God"-Kirchen angeschlossen, andere gehören verschiedenen evangelikalen Hauskirchen-Netzwerken an (RFE/RL 5.5.2022). Die Schließungen von "Assembly of God"-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Einer vom Danish Immigration Service (DIS) befragten Quelle zufolge zeigt die steigende Zahl von Hauskirchen, dass sie Spielraum für ihre Tätigkeit haben, obwohl sie illegal sind (DIS 23.2.2018). Die Größe der Hauskirchen, ihre Art und Struktur variieren. Die meisten sind klein und informell, sie bestehen aus engen Verwandten und Freunden, die sich regelmäßig zum Beten und Bibellesen oder zum Ansehen von christlichen Fernsehprogrammen auf Farsi treffen (DFAT 24.7.2023).

Die hauskirchlichen Vereinigungen stehen unter besonderer Beobachtung, ihre Versammlungen werden regelmäßig aufgelöst und ihre Angehörigen gelegentlich festgenommen (AA 30.11.2022). Die Behörden fürchten die Ausbreitung der Hauskirchen und beobachten sie. Allerdings ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die ungewöhnliche Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Weiters setzen die Behörden Informanten ein. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit, eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Erfolgreiche Hauskirchen sind einem größeren Risiko ausgesetzt: Ob Behörden eingreifen, hängt auch von der Größe der Gemeinde ab. Eine andere Quelle gab dagegen an, dass Hauskirchen systematisch durchsucht werden. Eine Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet, wenn ein Christ das Interesse der Behörden geweckt hat. So können zum Beispiel Stichwörter wie "Kirche", "Christ", "Jesus" oder "Taufe" als Grundlage für eine elektronische Überwachung dienen (DIS 23.2.2018).

Einige derjenigen Christen, die die schwersten Strafen erhalten haben (2-10 Jahre Gefängnis), wurden wegen der Leitung/Organisation von Hauskirchen verurteilt (Landinfo 20.6.2022). Typischerweise werden die Leiter von Hauskirchen verhaftet und wieder freigelassen, da die Behörden die Hauskirche schwächen wollen (DIS 23.2.2018). Gewöhnliche Mitglieder von Hauskirchen riskieren ebenfalls, in einer Hauskirche verhaftet zu werden (DIS 23.2.2018; vgl. OpD 20.2.2023, BAMF 5.2022). Manche der Festgenommenen werden später nicht verurteilt und inhaftiert (Landinfo 20.6.2022). Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden steht, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen meist nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten folgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden in der Regel nicht über ihn Bescheid wissen (DIS 23.2.2018). Die Aussage, dass Pastoren, Missionare oder Organisatoren von Hauskirchen besonders im Fokus der Sicherheitsdienste befinden, bedeutet allerdings nicht, dass sich das Risiko für normale, nicht in entsprechende Aktivitäten involvierte Gemeindemitglieder automatisch auf null reduzieren würde. So berichtete Landinfo über die Verhaftung eines Mannes im Jahr 2016, der kein auffälliges Profil aufwies, das Rückschluss auf eine wie auch immer geartete Exponiertheit erlauben würde (BAMF 5.2022).

Im November 2021 entschied der Oberste Gerichtshof, dass neun christliche Konvertiten, die wegen ihrer Beteiligung an Hauskirchen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden waren, nicht wegen "Handelns gegen die nationale Sicherheit" angeklagt werden sollten. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs heißt es: "Die bloße Verkündigung des Christentums und die Förderung der 'evangelikalen zionistischen Sekte', wobei beides offensichtlich die Propagierung das Christentum durch Familientreffen [Hauskirchen] bedeutet, ist kein Ausdruck der Zusammenkunft und der geheimen Absprache, um die Sicherheit des Landes zu stören, weder im Inneren noch nach außen" (ARTICLE18 25.11.2021; vgl. RFE/RL 5.5.2022). Anders als die Berufungsgerichte kann der Oberste Gerichtshof keine neuen Urteile erlassen, sondern entscheidet lediglich über die Wiederaufnahme von Gerichtsverfahren. Der Fall wurde nun an eine Zweigstelle des Berufungsgerichtshofes innerhalb des Revolutionsgerichts überstellt, das nun unabhängig von den bislang ergangenen Gerichtsurteilen - aber auch unabhängig vom Obersten Gerichtshof - zu einem Urteil in der Sache gelangen konnte. Die Konvertiten wurden daraufhin im Februar 2022 freigesprochen und bis auf eine Person, die wegen ihrer christlichen Aktivitäten noch eine andere Haftstrafe verbüßt, freigelassen. Gegen zwei der Freigelassenen wurden umgehend neue Anklagen erhoben (BAMF 5.2022). In einem ähnlich gelagerten Fall wurde ein zum Christentum konvertiertes Ehepaar, das 2020 aufgrund der Teilnahme an hauskirchlichen Treffen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden ist, im Mai 2023 freigesprochen und aus der Haft entlassen. Auch hier hatte ein Berufungsgericht geurteilt, dass die Organisation, Mitgliedschaft und Teilnahme an christlichen Gruppen keine Handlungen gegen die Sicherheit des Landes darstellen würden (BAMF 15.5.2023). Menschenrechtsorganisationen betonen einerseits eine mögliche Signalwirkung der Urteile (BAMF 15.5.2023; vgl. ARTICLE18 25.11.2021), andererseits wurde beispielsweise im September 2022 bekannt, dass mehrere Christen aufgrund ihrer Beteiligung an Hauskirchen unter dem Anklagepunkt "Bildung und Betrieb illegaler Organisationen, mit dem Ziel die Sicherheit des Landes zu stören", von einem Berufungsgericht teilweise zu langen Haftstrafen verurteilt worden sind (ET 24.9.2022; vgl. OpD 22.9.2022).

Inhaftierten Christen, besonders christlichen Konvertiten, wird oft eine Entlassung gegen Kaution angeboten. Dabei geht es meist um hohe Geldbeträge, die Berichten zufolge zwischen 2.000 und 150.000 US-Dollar liegen. Die betroffenen Christen oder deren Familien werden dadurch gezwungen, ihre Häuser oder Geschäfte mit Hypotheken zu belasten. Personen, die gegen Kaution freigelassen werden, schweigen oft, da sie den Verlust ihres Familienbesitzes fürchten müssen. Das iranische Regime drängt sie, das Land zu verlassen und damit ihre Kaution zu verlieren. Es wird angenommen, dass Regierungsbeamte das Kautionssystem nutzen, um sich zu bereichern und Christen finanziell in den Ruin zu treiben (OpD 20.2.2023). Die von der Regierung ausgeübte Kontrolle ist in städtischen Gegenden am höchsten. Ländliche Gebiete werden weniger stark überwacht. In der Anonymität der Städte haben Christen jedoch mehr Freiheiten, Treffen und Aktivitäten zu organisieren als in ländlichen Gebieten, in denen die soziale Kontrolle stärker ist (OpD 20.2.2023).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z. B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 11.2021). Informanten in westlichen Ländern berichten dem iranischen Geheimdienst über Aktivitäten iranischer Christen im Ausland (OpD 20.2.2023).

Die Rückkehr von Konvertiten nach Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung (BAMF 3.2019). Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein 'high-profile'-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber dies kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber zu Problemen führen (DIS 23.2.2018). Eine befragte Rechtsanwältin schilderte in diesem Zusammenhang auch, dass es Fälle gibt, bei denen Personen aufgrund von Beiträgen in den sozialen Netzwerken mit nur geringer Reichweite oder Beiträgen von lediglich "privat" einsehbaren Profilen inhaftiert wurden, da sie von Personen aus ihrem Umfeld gemeldet wurden. Der Staat ist rechtlich dazu in der Lage, Personen in derartigen Fällen aufgrund von "Vergehen gegen die nationale Sicherheit" oder "Vergehen gegen den Islam" zu verfolgen (MRAI 19.6.2023). Die iranischen Behörden fokussieren bei der Überwachung von Konvertiten zuletzt zunehmend auf Online-Aktivitäten (Landinfo 20.6.2022). Dies fällt unter den Kompetenzbereich des Cyber Defense Commands der Revolutionsgarden sowie des Centre to Investigate Organized Crimes (CIOC), da dies als Angelegenheit der nationalen Sicherheit wahrgenommen wird (Landinfo/et al. 12.2021).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein kann (DIS 23.2.2018). Open Doors gibt im Weltverfolgungsindex 2023 an, dass die Taufe als öffentliches Zeichen der Abwendung vom Islam gesehen wird und deshalb verboten ist (OpD 20.2.2023).

Christlichen NGOs zufolge werden die staatlichen Beschränkungen für die Veröffentlichung von religiösem Material fortgesetzt, obwohl staatlich genehmigte Bibelübersetzungen Berichten zufolge weiterhin erhältlich sind. Regierungsbeamte beschlagnahmen häufig Bibeln und ähnliche nicht schiitische religiöse Literatur und üben Druck auf Verlage aus, die nicht genehmigtes nicht-muslimisches religiöses Material drucken, um ihre Tätigkeit einzustellen (USDOS 15.5.2023). Der Besitz christlicher Literatur in Farsi, besonders in größeren Stückzahlen, legt den Verdacht nahe, dass sie zur Weitergabe an muslimische Iraner gedacht ist (OpD 20.2.2023). Gleichzeitig ist bekannt, dass ein Projekt seitens des Erschad-Ministeriums zur Übersetzung der 'Katholischen Jerusalem Bibel' ins Farsi genehmigt und durchgeführt wurde. Auch die Universität für Religion und Bekenntnis in Qom, die Religionsstudien betreibt, übersetzte noch im Jahr 2015 den 'Katechismus der Katholischen Kirche' ins Farsi. Beide Produkte waren mit Stand 2019 ohne Probleme in Büchergeschäften erhältlich (BAMF 3.2019).

In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Die Probleme, die durch Konversion auftreten können, sind breit gefächert. Sie beginnen in der Schule, wo Kinder aus konvertierten Familien einen Verweis oder die Verwehrung des Hochschuleintritts riskieren, sollten sie den Fächern Religionsunterricht, Islamische Lehre und Koranstunde fernbleiben (ÖB Teheran 11.2021).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30/11/2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 18. November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083021/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_18.11.2022%29%2C_30.11.2022.pdf, Zugriff 2.2.2023 [Login erforderlich]; AI - Amnesty International (7/9/2023):Iran : Javad Rouhi in Haft verstorben, https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/iran -javad-rouhi-tod-gefangenschaft-haft-folter, Zugriff 4.1.2024; AJ - Al Jazeera (8/5/2023): Iran executes two ‘Quran burners’ for blasphemy, https://www.aljazeera.com/news/2023/5/8/iran -executes-two-quran-burners-for-blasphemy, Zugriff 4.1.2024; ARTICLE18 - ARTICLE18 (n.d): Persian-speaking Iranian Christians have no place where they can worship collectively, https://articleeighteen.com/place2worship/#, Zugriff 17.3.2023; ARTICLE18 - ARTICLE18 (25/11/2021): Iran´s Supreme Court rules converts did not act against national security, https://articleeighteen.com/news/9836/, Zugriff 17.3.2023; ARTICLE19 - ARTICLE19 (6/7/2022):Iran: New Penal Code provisions as tools for further attacks on the rights to freedom of expression, religion, and belief, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075355/Iran -Legal-analysis-Iran -New-Penal-Code-provisions-as-tools-for-further-attacks-on-the-rights-to-freedom-of-expression-religion-and-belief-06.07.22-1.pdf, Zugriff 17.3.2023; ARTICLE19 - ARTICLE19 (27/2/2018):Iran: Increased support for UN human rights scrutiny needed amid crackdown on dissent, https://www.article19.org/resources/iran -increased-support-un-human-rights-scrutiny-needed-amid-crackdown-dissent/, Zugriff 4.1.2024; BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (15/5/2023): Briefing Notes KW 20, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw20-2023.pdf?__blob=publicationFile v=2, Zugriff 4.1.2024; BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1/1/2023): Briefing NotesZusammenfassung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2087097/Deutschland._Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes_Zusammenfassung_-_Iran%2C_Juli_bis_Dezember_2022._01.01.2023.pdf, Zugriff 14.3.2023; BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2022): Länderreport 52Iran: Konversion und Evangelikalismus aus der Sicht der staatlichen Verfolger, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079128/Deutschland._Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Iran_-_Konversion_und_Evangelikalismus_aus_der_Sicht_der_staatlichen_Verfolger%2C_01.05.2022._%28L%C3%A4nderreport___52%29.pdf, Zugriff 16.3.2023; BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport 10 Iran: Situation der Christen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Laenderreporte/2019/laenderreport-10-iran.pdf?__blob=publicationFile v=5, Zugriff 16.3.2023; BBC - British Broadcasting Corporation (31/8/2023): Javad Rouhi: Iranian protester dies in jail after avoiding death sentence, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-66677352?at_medium=RSS at_campaign=KARANGA, Zugriff 4.1.2024; DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (24/7/2023): DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAN, https://www.ecoi.net/en/file/local/2095685/country-information-report-iran.pdf, Zugriff 4.1.2024; DIS - Danish Immigration Service [Denmark] (23/2/2018): IRAN House Churches and Converts, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 16.3.2023; ET - Evangelical Times (24/9/2022):Iran: Christians jailed after losing ‘house church’ appeal, https://www.evangelical-times.org/iran -christians-jailed-after-losing-house-church-appeal/, Zugriff 17.3.2023; IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (9/3/2021):Iran: Situation and treatment of Christians by society and the authorities (2017–February 2021) [IRN200458.E], https://www.ecoi.net/de/dokument/20489, Zugriff 17.3.2023; IrWire – Iran Wire (27/2/2023): Iran´s Religious Freedom Worsened Last Year: An IranWire Special Report , https://iranwire.com/en/religious-minorities/114246-irans-religious-freedom-worsened-last-year-an-iranwire-special-report/, Zugriff 16.3.2023; Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (20/6/2022): Iran Arrestasjon og straffeforfølgelse av kristne konvertitter – en oppdatering, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075761/Temantoat-Iran -Arrestasjon-og-straffeforfolgelse-av-kristne-konvertitter-en-oppdatering-20062022-utenENDNOTE.pdf, Zugriff 17.3.2023; Landinfo/et al. - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen], et al. 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(24/8/2020): Atheismus im Iran, https://atheist-refugees.com/gastbeitrag/atheismus-im-iran /, Zugriff 4.1.2024; USDOS - United States Department of State [USA] (15/5/2023): 2022 Report on International Religious Freedom:Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091857.html, Zugriff 4.1.2024; ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islamische RepublikIran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_%C3%96B-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich]

3. Beweiswürdigung

3.1. Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit resultiert aus seinen in diesem Punkt stringenten Angaben sowie den Sprach- und Ortskenntnissen des BF. Bereits das BFA konnte die Identität des BF aufgrund der Vorlage geeigneter Dokumente feststellen und die erkennende Richterin hat keinen Grund, daran zu zweifeln.

Die Feststellungen zu seiner Ausbildung und Erwerbstätigkeit im Herkunftsstaat ergeben sich aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des BF.

Die Ausreise aus dem Iran und illegale Einreise des BF in das österreichische Bundesgebiet und das Datum seiner Asylantragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt und den Angaben des BF.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus der hg. Einsichtnahme in einen aktuellen Strafregisterauszug.

Die festgestellte Taufe ergibt sich aus dem vorgelegten Taufschein vom XXXX , aus dem ersichtlich ist, dass der BF am XXXX evangelisch (A.B.) getauft wurde (AS 121), die zuvor besuchten Glaubenskurse aus den diesbezüglichen Bestätigungen (Beilage zur VHS; AS 129 – 131); der festgestellte Gottesdienstbesuch ergibt sich aus den Angaben des BF, welche in Einklang mit den Angaben der in der hg. Verhandlung einvernommenen Pastorin als Zeugin und deren schriftlicher Bestätigung stehen sowie aus den aktuell vorgelegten Bestätigungsschreiben der als Zeugin einvernommenen Pastorin vom XXXX , von XXXX sowie weiterer Pfarrmitglieder vom XXXX und von XXXX vom XXXX .

3.2. Dass es sich bei der Konversion des Beschwerdeführers um eine Scheinkonversion handelt, kann im Lichte des im Verfahren ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes und der dortigen Ausführungen nicht festgestellt werden, weshalb in weiterer Folge von der Glaubwürdigkeit der Konversion des BF auszugehen ist.

Aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer eine ernsthafte, identitätsstiftende Konversion zum Christentum glaubhaft machen konnte, war eine weitere Erörterung des ursprünglichen Fluchtvorbringens im Detail obsolet und erübrigt sich daher eine weitere Auseinandersetzung mit diesem.

3.3. Die hg. getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen.

Die allgemeinen länderkundlichen Feststellungen resultieren aus den zitierten Länderdokumenten, welche auf verschiedenartigen, objektiven Quellen, die inhaltlich miteinander in Einklang stehen, basieren.

Es ist allgemein zu den Feststellungen auszuführen, dass es sich bei den herangezogenen Quellen zum Teil um staatliche bzw. staatsnahe Institutionen handelt, die zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet sind.

Zur Auswahl der Quellen wird angeführt, dass sich das Bundesverwaltungsgericht einer ausgewogenen Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges bediente, um sich so ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat der BF machen zu können. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates über den berichtet wird zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

4.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH E vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH E vom 26.2.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH E vom 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH E 18.4.1996, 95/20/0239; VwGH E vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH E vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH E vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

4.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 30.06.2005, Zahl: 2003/20/0544) ist zur Frage der Verfolgungsgefahr bei Iranern, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grunde mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (so schon im Erkenntnis des VwGH vom 24.10.2001, Z1. 99/20/0550, ebenfalls VwGH vom 17.10.2002, Zahl: 2000/20/0102). In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31.05.2001, Zl. 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse.

Nach islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und ist nicht auszuschließen, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt ist.

Nachdem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83/eg, kann einem Flüchtling nicht mehr angesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das sogenannte „forum internum" zu beschränken.

Asylbegehren, die auf Verfolgung mit religiösem Hintergrund gestützt werden, müssen so hin unter Berücksichtigung der unmittelbar anwendbaren Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2004/83/eg geprüft werden. Gemäß dieser Richtlinie muss so hin die öffentliche Ausübung (forum externum) des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein.

Wie beweiswürdigend ausgeführt, ist der christliche Glaube bereits derart tief im BF verwurzelt ist, dass dieser Bestandteil seiner Identität geworden ist.

Der Beschwerdeführer könnte im Falle seiner nunmehrigen Rückkehr in den Iran keine wie im Verfahren dargelegte Glaubensbetätigung vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von im Rahmen des Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu werden. Im Falle seiner Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten oder der Vornahme von Gebeten in Gemeinschaft mit anderen oder gar im Falle des Versuches, andere vom Christentum überzeugen zu wollen, würde sich der Beschwerdeführer der beachtlichen Gefahr staatlicher Willkürmaßnahmen aussetzen.

Angesichts dessen ist eine Erörterung, inwiefern der BF im Rückkehrfall asylrelevanten Problemen in Verbindung mit weiteren geltend gemachten Gründen für seine Antragstellung ausgesetzt wäre, obsolet.

4.3. Im vorliegenden Fall ergibt sich daher bei Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers und obiger Sachverhaltsdarstellung, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Nach den getroffenen Feststellungen ist von Verfolgung in asylrelevanter Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, und zwar aus Gründen der Religion und/oder einer unterstellten politischen Gesinnung auszugehen.

Da sich die iranische Staatsgewalt über das gesamte Territorium erstreckt und die von ihr ausgehenden Verfolgungsmaßnahmen landesweit unterschiedslos praktiziert werden, stellt sich die Frage einer inländischen Flucht- respektive Schutzalternative nicht.

Zusammenfassend wird somit festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht asylrelevant verfolgt zu werden, außerhalb des Iran befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Da auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, war Asyl zu gewähren.

Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass sich aus dem Akteninhalt auch keine Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit eines Ausschlussgrundes nach § 6 AsylG 2005 ergeben.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

4.4. § 75 Abs. 24 AsylG 2005 idgF lautet: Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015, nämlich am XXXX gestellt wurde, wodurch § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung findet.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit auf eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder ein Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

4.5. Da mit Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die rechtliche Voraussetzung der Spruchpunkte II.-VI. des angefochtenen Bescheides wegfällt, waren diese ersatzlos zu beheben.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen im gegenständlichen Erkenntnis zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insbesonders zur Thematik Glaubhaftmachung, wohlbegründete Furcht und Verfolgung im Sinne der GFK, Konversion) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auf die in der rechtlichen Würdigung des gegenständlichen Erkenntnisses zitierte Judikatur wird verwiesen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Rechtssätze
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