JudikaturVwGH

Ra 2022/05/0201 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
08. Oktober 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 23. September 2022, VGW 211/026/7641/2019/A, betreffend einen Bauauftrag (mitbeteiligte Partei: I S, vertreten durch die Siemer Siegl Füreder Partner Rechtsanwälte OG in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1 Mit Bescheid vom 16. April 2019 erteilte der Magistrat der Stadt Wien (in der Folge: Amtsrevisionswerber) dem Mitbeteiligten als Eigentümer der „Wohnung Top 2 und Top 3“ in einem näher bezeichneten Gebäude in 1090 Wien gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien BO für Wien den baupolizeilichen Auftrag, die gewerbliche Nutzung der Aufenthaltsräume der Wohnung für kurzfristige Beherbergungszwecke zu unterlassen.

2 Begründend führte der Amtsrevisionswerber dazu zusammengefasst aus, aufgrund von Erhebungen sei festgestellt worden, dass die in Rede stehende Wohnung im Erdgeschoß des Wohngebäudes, welches gemäß den Bestimmungen des Flächenwidmungs und Bebauungsplanes Plandokument 7950 in einer Wohnzone gelegen sei, für kurzfristige Beherbergungszwecke gewerblich genutzt werde. Die Wohnung werde auf verschiedensten näher genannten Internetplattformen Touristen als Unterkunft angeboten. Gemäß § 7a Abs. 3 BO für Wien, in Kraft getreten am 22. Dezember 2018, sei die gewerbliche Nutzung der Aufenthaltsräume einer Wohnung, die in einer Wohnzone gelegen sei, für kurzfristige Beherbergungszwecke nicht zulässig. Mit Schreiben vom 5. März 2019 sei dieser Sachverhalt dem Mitbeteiligten mitgeteilt und das Parteiengehör gewahrt worden. Am 28. März 2019 habe der Mitbeteiligte das Parteiengehör wahrgenommen und bestätigt, dass die Wohnung bereits seit mehreren Jahren, auf jeden Fall seit dem 22. Dezember 2018, Touristen auf diversen Internetplattformen angeboten und vermietet worden sei und daher für kurzfristige Beherbergungszwecke gewerblich genutzt werde. Die Wohnung werde weiterhin mit dem Hinweis, dass diese meist ausgebucht sei, auf den genannten Internetplattformen angeboten.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG statt und behob den angefochtenen Bescheid ersatzlos (I.). Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig (II.).

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht, soweit hier relevant, zusammengefasst aus, der Mitbeteiligte sei Eigentümer der in Rede stehenden Wohnung; in dieser Eigenschaft habe die belangte Behörde den verfahrensgegenständlichen baupolizeilichen Auftrag an ihn gerichtet. Die Wohnung befinde sich in einer Wohnzone; erstmals im Beschwerdeverfahren habe der Mitbeteiligte eine Vermietung der Wohnung vorgebracht und sich auf eine entsprechende Vereinbarung bezogen. In diesem näher bezeichneten Mietvertrag vom 15. Februar 2014, abgeschlossen zwischen dem Mitbeteiligten und einer näher genannten GmbH, sei die Passage enthalten, dass diese GmbH berechtigt sei, die Wohnung selbst zu verwenden und zur kurz- oder längerfristigen Vermietung unterzuvermieten. Damit sei die GmbH als Mieterin der Wohnung vom Eigentümer von der bewilligten Benützungsart „Wohnen“ im Sinne des § 129 Abs. 1 BO für Wien in Kenntnis gesetzt worden (wird näher ausgeführt). Daraus folge rechtlich, dass die belangte Behörde ihren Leistungsbefehl zu Unrecht an den Mitbeteiligen gerichtet habe, weil die Haftung auf die GmbH als von der bewilligten Benützungsart in Kenntnis gesetzte Mieterin übergegangen sei. Auch wenn die belangte Behörde ihren Bescheid auf § 129 Abs. 10 BO für Wien gegründet habe, „hätte sie die Voraussetzungen des § 129 Abs. 1 BO bei ihrer Ermittlung des wahren Verpflichteten aus diesem Auftrag mitberücksichtigen müssen“. Die „Unterlassung einer widmungswidrigen Nutzung sozusagen deren ‚Beseitigung‘“ könne „ohne weiteres unter den Gesetzesbefehl der Behebung jedes vorschriftswidrigen Zustandes des § 129 Abs. 10 BO subsumiert“ werden. Jedenfalls aber müsse im behördlichen Ermittlungsverfahren jene Person festgestellt werden, an die sich dieser Gesetzesbefehl zutreffend und rechtsrichtig zu wenden habe, was nichts anderes bedeute, als „dass auf § 129 Abs. 1 BO jedenfalls Bedacht zu nehmen ist“. Weil der bekämpfte Bescheid aus diesem Grund jedenfalls ersatzlos zu beheben gewesen sei, sei auf weitere, näher formulierte Fragen sowie auf verfassungsrechtliche Anregungen des Mitbeteiligten nicht mehr einzugehen gewesen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Begehren, das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6 In den Zulässigkeitsgründen der Revision macht der Amtsrevisionswerber eine Abweichung von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend. Das Verwaltungsgericht hätte den Eigentümer der Wohnung als Bescheidadressaten heranziehen müssen. Hilfsweise wird zur Zulässigkeit vorgebracht, es fehle Rechtsprechung zur Frage der Rechtsgrundlage eines Bauauftrages auf Unterlassung gewerblicher Nutzung für kurzfristige Beherbergungszwecke von Aufenthaltsräumen in Wohnungen.

7 Die Revision ist zulässig und im Ergebnis begründet.

8 Der Amtsrevisionswerber gründete den verfahrensgegenständlichen baupolizeilichen Auftrag auf § 129 Abs. 10 BO für Wien; die Heranziehung dieser Rechtsgrundlage für den vorliegenden Fall wurde vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis nicht beanstandet. Allerdings gründete das Verwaltungsgericht die Aufhebung des Bescheides des Amtsrevisionswerbers vom 16. April 2019 auf die Rechtsansicht, bei Erlassung eines Bauauftrages wie des vorliegenden gemäß § 129 Abs. 10 BO für Wien hätten „die Voraussetzungen des § 129 Abs. 1 BO“ bei der „Ermittlung des wahren Verpflichteten“ aus diesem Auftrag mitberücksichtigt werden müssen.

9 Schon damit belastete das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit: Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits vielfach ausgesprochen, dass ein Beseitigungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO für Wien stets an den Eigentümer bzw. die Miteigentümer des betroffenen Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten ist (vgl. für viele etwa VwGH 30.4.2013, 2012/05/0114, oder auch 21.5.2007, 2006/05/0165); für die Rechtsansicht, bei Erlassung eines Bauauftrages nach der genannten Gesetzesbestimmung sei der Adressatenkreis des § 129 Abs. 1 BO für Wien (in der im gegenständlichen Fall noch anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 61/2020) „mitzuberücksichtigen“, findet sich weder im Gesetz noch in der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Grundlage.

10 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 8. Oktober 2025

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