JudikaturVwGH

Ro 2014/08/0002 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
27. November 2014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Revision der A P in L, vertreten durch Mag. Christian Planinc, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Obere Schmiedgasse 7, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 18. Dezember 2013, Zl. LGS600/SfA/0566/2013-He/S, betreffend Zuerkennung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid hat die belangte Behörde der Revisionswerberin Notstandshilfe ab 2. Dezember 2013 zuerkannt, den darüber hinausgehenden Anspruch für den Zeitraum ab 22. November 2013 jedoch abgelehnt.

Die Revisionswerberin habe am 22. November 2013 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg (im Folgenden: AMS) einen Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe gestellt. Das AMS habe für die Rückgabe des der Revisionswerberin ausgefolgten bundeseinheitlichen Antragsformulars eine Frist bis spätestens 29. November 2013 festgesetzt. Die Revisionswerberin habe das Antragsformular (erst) am 2. Dezember 2013 beim AMS abgegeben. Auf dem Antragsformular sei eine Rechtsbelehrung über die Konsequenzen der Nichteinhaltung der Rückgabefrist vermerkt gewesen. Die Revisionswerberin hätte mit dem AMS Kontakt aufnehmen müssen, wenn absehbar gewesen sei, dass sie die vorgegebene Frist aus gesundheitlichen Gründen nicht werde einhalten können. Die Revisionswerberin habe nicht um Verlängerung der Rückgabefrist angesucht. Sie habe die festgesetzte Frist zur Abgabe des Antrags ohne triftigen Grund versäumt. Der Anspruch sei erst ab dem Tag zuzuerkennen, an dem der Antrag beim AMS tatsächlich abgegeben worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Revision. Die - im vorliegenden Fall gemäß § 26 Abs. 3 erster Satz VwGG verlängerte - Frist zur Erhebung der Beschwerde endete nach dem 31. Dezember 2013. Gegen den angefochtenen Bescheid konnte daher gemäß § 4 Abs. 1 erster Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 Revision erhoben werden. Für die Behandlung dieser Revision gelten gemäß § 4 Abs. 5 leg. cit. die Bestimmungen des VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der es die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Revision bringt vor, es sei der Revisionswerberin durch eine Erkrankung unmöglich gewesen, das AMS vor Fristende aufzusuchen. Bei der darauffolgenden Abgabe des Antragsformulars am 2. Dezember 2013 sei der krankheitsbedingte Verhinderungsgrund geltend gemacht worden. Die Revisionswerberin habe auch ihrer Berufung eine ärztliche Bestätigung beigelegt, in der ausgeführt werde, dass sie auf Grund einer Erkrankung am 29. November 2013 nicht habe beim AMS vorsprechen können. Die Revisionswerberin habe den Antrag mit den beizubringenden Unterlagen ohne unnötigen Aufschub unmittelbar nach dem Wegfall des triftigen Hinderungsgrundes abgegeben. Die belangte Behörde habe verabsäumt, Feststellungen über den behaupteten Hinderungsgrund zu treffen.

2. § 46 Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 63/2010 lautet:

"(1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Personen, die über ein sicheres elektronisches Konto beim Arbeitsmarktservice (eAMS-Konto) verfügen, können den Anspruch auf elektronischem Weg über dieses geltend machen, wenn die für die Arbeitsvermittlung erforderlichen Daten dem Arbeitsmarktservice bereits auf Grund einer Arbeitslosmeldung oder Vormerkung zur Arbeitsuche bekannt sind; sie müssen jedoch, soweit vom Arbeitsmarktservice keine längere Frist gesetzt wird, innerhalb von 10 Tagen nach elektronischer Übermittlung des Antrages persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle vorsprechen. Das Arbeitsmarktservice kann die eigenhändige Unterzeichnung eines elektronisch eingebrachten Antrages binnen einer gleichzeitig zu setzenden angemessenen Frist verlangen, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Geltendmachung bestehen. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle zumindest einmal persönlich vorgesprochen hat und das vollständig ausgefüllte Antragsformular übermittelt hat. Das Arbeitsmarktservice kann vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache absehen. Eine persönliche Vorsprache ist insbesondere nicht erforderlich, wenn die arbeitslose Person aus zwingenden Gründen, wie Arbeitsaufnahme oder Krankheit, verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Die Abgabe (das Einlangen) des Antrages ist der arbeitslosen Person zu bestätigen. Können die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund des eingelangten Antrages nicht ohne weitere persönliche Vorsprache beurteilt werden, so ist die betroffene Person verpflichtet, auf Verlangen bei der regionalen Geschäftsstelle vorzusprechen. Hat die regionale Geschäftsstelle zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen, etwa zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen, eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind."

Diese Bestimmung ist gemäß § 58 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

§ 46 AlVG enthält eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder verspäteter Antragstellungen. Zur Beibringung des Antrags und gegebenenfalls der für die Beurteilung des Anspruchs erforderlichen sonstigen Unterlagen ist demnach eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu setzen. Nach § 46 Abs. 1 letzter Satz AlVG gilt der Anspruch, wenn diese Frist ohne triftigen Grund versäumt wurde, erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2013, Zl. 2010/08/0176).

3. Die regionale Geschäftsstelle setzte der Revisionswerberin am 22. November 2013 eine Frist zur Beibringung des Antrags bis spätestens 29. November 2013. In dem im Verwaltungsakt befindlichen Antragsformular, auf dem diese Frist vermerkt worden war, findet sich folgender Hinweis:

"Wichtig: Sollten Sie die Frist nicht einhalten können, vereinbaren Sie rechtzeitig eine Terminverlängerung, ansonsten kann die Leistung erst ab dem Tag gewährt werden, an dem Sie den Antrag einbringen!"

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Anspruchs auf Notstandshilfe für den gegenständlichen Zeitraum damit begründet, dass die (durch einen triftigen Grund an der fristgerechten Beibringung des Antrags gehinderte) Revisionswerberin es - ungeachtet des entsprechenden Hinweises im Antragsformular - unterlassen habe, beim AMS um Verlängerung der Rückgabefrist anzusuchen.

Eine Pflicht, - sofern zumutbar - um Verlängerung einer Frist anzusuchen, hat die Rechtsprechung etwa im Zusammenhang mit einer zur Mängelbehebung von fristgebundenen Eingaben gesetzten Frist angenommen, deren Nichteinhaltung zur Fristversäumung führt (vgl. das zu § 13 Abs. 3 AVG ergangene hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2005/18/0581).

Eine solche Pflicht ist dem § 46 Abs. 1 letzter Satz AlVG aber nicht zu entnehmen. Sie kann - in Ermangelung einer gesetzlichen Deckung - auch nicht durch einen Hinweis im Antragsformular geschaffen werden. § 46 Abs. 1 letzter Satz AlVG räumt den Anspruch auf eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung grundsätzlich auch bei einem nach Ablauf einer gesetzten Frist zur Wiedervorlage beigebrachten (bzw. mit sonstigen Unterlagen ergänzten) Antragformular ein. Nur wenn die Frist ohne triftigen Grund versäumt wurde, gilt der Anspruch als entsprechend später geltend gemacht. Dazu zählt auch der Fall, dass die Beibringung nicht ohne weitere Verzögerung nach Wegfall des triftigen Hinderungsgrundes vorgenommen wird.

Hier lag jedoch in Ansehung der von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen Erkrankung der Revisionswerberin ein triftiger Grund vor. Die belangte Behörde hat auch nicht festgestellt, dass die Revisionswerberin nach Wegfall des triftigen Grundes die Beibringung weiter verzögert hätte. Die Abweisung des Anspruchs auf Notstandshilfe für den gegenständlichen Zeitraum erfolgte daher nicht zu Recht.

4. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

5. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der gemäß §§ 3 und 4 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf "Übergangsfälle" weiter anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 27. November 2014

Rückverweise