JudikaturVfGH

G23/10 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
26. April 2010

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung:

1. Der in der Justizanstalt Stein im Strafvollzug angehaltene Einschreiter beantragt durch seinen Rechtsvertreter die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Individualantrages auf Aufhebung der Wortfolge "unter Verwendung einer Waffe" in §143 Strafgesetzbuch (StGB).

Seinem Vorbringen zufolge wurde der Einschreiter im Verfahren AZ "427 Hv 1/08s" des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (rechtskräftig) wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§142, 143 (offenbar: erster Satz 2. Fall) StGB verurteilt. Nach Auskunft des Landesgerichtes für Strafsachen Wien hat der Einschreiter die gegen das Urteil zunächst erhobenen Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung in der Folge zurückgezogen.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).

Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann eröffnet, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist oder anhängig war, das dem Betroffenen Gelegenheit bietet bzw. bot, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (zB VfSlg. 13.871/1994, 17.110/2004, 17.276/2004; VfGH 28.2.2008, G13/08). Ein Individualantrag gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG wäre in solchen Fällen nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände zulässig (zB VfSlg. 13.659/1993, 14.672/1996, 15.786/2000).

3. Dem Einschreiter stand im vorliegenden Fall ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung seiner Bedenken offen:

Denn es war bereits ein gerichtliches Strafverfahren anhängig, in dem er die Möglichkeit hatte, seine Bedenken gegen die genannte Wortfolge in §143 StGB beim anrufbaren (antragslegitimierten - Art140 Abs1 iVm Art89 Abs2 B-VG) Gericht zweiter Instanz vorzutragen, das im Fall von Bedenken seinerseits verpflichtet gewesen wäre, einen Antrag auf Gesetzesprüfung beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes stellt eine solche Möglichkeit der Rechtsverfolgung vor Gerichten einen zumutbaren Weg im Sinne der Rechtsprechung zu Art140 Abs1 B-VG dar (vgl. zB VfSlg. 14.738/1997, 15.263/1998; VfGH 27.4.2009, G22/09; 22.2.2010, G283/09).

Außergewöhnliche Umstände, welche die Einbringung eines Individualantrages zufolge Unzumutbarkeit eines anderen Weges ausnahmsweise zulässig machen können, liegen hier nicht vor.

Da der Einschreiter somit die Zurückweisung des intendierten Individualantrages zu gewärtigen hätte, erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof von vornherein als offenbar aussichtslos.

Der - nicht auf das Vorliegen sämtlicher Formalerfordernisse hin geprüfte - Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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