20Bs244/25s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Jilke als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Wolfrum, LL.M. und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 4. August 2025, GZ **-12, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der am ** geborene russische Staatsangehörige A* verbüßt in der Justizanstalt Stein aufgrund des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 6. Oktober 2015, rechtskräftig am 10. Oktober 2015, AZ **, wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und dritter Fall StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren (ON 9) und aufgrund des Urteils des Landesgerichts für Strafaschen Wien vom 21. Februar 2025, rechtskräftig am selben Tag, AZ **, wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Absatz 1 Ziffer 1 neunter Fall SMG, 12 StGB und des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 15, 84 Absatz 4 StGB eine Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten (ON 10). Die Verbüßung weiterer zwanzig Tage, zweiundzwanzig Stunden und neunundfünfzig Minuten ergibt sich aus dem Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 30. Oktober 2024, rechtskräftig am 20. November 2024, AZ **, wonach die im Anschluss an die Festnahme des A* nach mehrjähriger Flucht im Hausarrest zugebrachte Zeit vom 27. September 2024 bis zum 18. Oktober 2024 nicht in die Strafzeit eingerechnet wurde.
Das errechnete Strafende fällt auf den 29. April 2028. Die zeitlichen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG liegen seit 29. Juni 2024 vor, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG werden am 9. Oktober 2025 erfüllt sein (ON 5).
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Anstaltsleitung (ON 3, 3) und jener der Staatsanwaltschaft (ON 1.3) die bedingte Entlassung des Strafgefangenen nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG aus spezialpräventiven Erwägungen ab (ON 12).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Verkündung des Beschlusses angemeldete, in der Folge unausgeführt gebliebene Beschwerde des A* (ON 13, 3), der keine Berechtigung zukommt.
Nach § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten nach Verbüßung der Hälfte der verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Besonderes Augenmerk ist nach Abs 4 leg cit darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können. Auch in diesem Fall setzt die bedingte Entlassung aber die Annahme der im Vergleich zur weiteren Verbüßung nicht geringeren Wirkung im Bezug auf künftige Straffreiheit voraus ( Jerabek/Ropper , WK² StGB § 46 Rz 15/1). Bei der zu erstellenden Verhaltensprognose sind insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit in die Erwägungen einzubeziehen.
Wenngleich die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe nach erkennbarer Intention des StRÄG 2008 der Regelfall sein soll, steht dieser jedoch beim Beschwerdeführer nach wie vor ein die Ausnahme dazu darstellendes evidentes Rückfallrisiko ( Jerabek/Ropper , aaO Rz 17) unüberwindbar entgegen.
Der ersten Anlassverurteilung liegt ein bewaffneter Raubüberfall zugrunde, der unter Verwendung einer Gaspistole gemeinsam mit zwei Mittätern begangen wurde und bei dem das Opfer eine schwere Verletzung mit Gesundheitsschädigung von mehr als 24-tägiger Dauer erlitt (ON 9). Die zweite Verurteilung erfolgte, weil A* zum Suchtgifthandel eines anderen beitrug und im Anschluss dem Suchtmittelkäufer Ohrfeigen und einen Kopfstoß versetzte, wodurch dieser blutende Wunden im Gesicht und am Ellbogen erlitt (ON 10). Davon abgesehen weist die Strafregisterauskunft des Strafgefangenen zwei weitere einschlägige Einträge auf, die im Verhältnis der §§ 31 und 40 StGB stehen (ON 4). Wie die Justizanstalt zutreffend ausführt, ist die Führung des Strafgefangenen in der „Voranstalt“ durch zahlreiche Ordnungswidrigkeiten, darunter die oben erwähnte Flucht vom Juli 2019 bis August 2024, getrübt (ON 3 und 6).
Vor dem Hintergrund der dem gegenständlichen Vollzug zugrundeliegenden, teilweise der Schwerstkriminalität zuzurechnenden Straftaten und der offensichtlichen bisherigen Wirkungslosigkeit sämtlicher staatlicher Rechtswohltaten und Sanktionen zeigt sich eine beträchtliche Negativeinstellung des Strafgefangenen gegenüber den rechtlich geschützten Werten der Gesellschaft, was gegen die Annahme spricht, dass der Beschwerdeführer nunmehr durch eine bedingte Entlassung (auch) iVm Weisungen und Anordnung von Bewährungshilfe nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird.
Dieser negativen Einschätzung vermag der Strafgefangene nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen.
Im Hinblick auf das Ziel des Strafvollzugs, Verurteilte durch die Bekämpfung von Charakterdefiziten zukünftig zur Unterlassung von Straftaten zu veranlassen, ist eine persönlichkeitsverändernde Wirkung beim Beschwerdeführer noch nicht erkennbar und nur durch den weiteren Vollzug der Strafe zu erreichen, sodass der Beschwerde ein Erfolg zu versagen ist.