JudikaturOLG Wien

31Bs240/25h – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
22. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Richter Mag. Weber LL.M. als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Spreitzer LL.M. und die Richterin Mag. Marchart als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache der A*wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach § 133a StVG über die Beschwerde der Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. August 2025, GZ **-7, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die am ** geborene ungarische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Wien-Josefstadt eine wegen §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Z 2, Abs 2 Z 1, 130 Abs 1 und 2, 15 StGB verhängte Freiheitsstrafe von 22 Monaten. Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 30. September 2026. Die zeitlichen Voraussetzungen (ebenso zu berechnen wie jene für eine Anwendung des § 133a StVG; siehe Pieber in Höpfel/Ratz , WK 2StVG § 133a Rz 16) nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG werden am 30. Oktober 2025 gegeben sein, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG werden am 19. Feber 2026 erfüllt sein (ON 6.3, 2).

Dem Schuldspruch liegt zugrunde, dass A* in einem Zeitraum von rund vier Wochen in elf Angriffen im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei Mittätern arbeitsteilig und in wechselnder Beteiligung mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, anderen gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem nicht mehr feststellbaren, jedenfalls 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert durch Einbruch in Gebäude sowie zusätzlich teilweises Aufbrechen von Behältnissen sowie einmalig in eine Wohnstätte unter Verwendung eines widerrechtlich erlangten Schlüssels und ebenso einmalig in einen sonst umschlossenen Raum wegnahm bzw wegzunehmen versuchte (ON 5).

Seit 15. Juli 2025 besteht hinsichtlich der Strafgefangenen ein am 23. Juli 2025 in Rechtskraft erwachsenes und auf vier Jahre befristetes Aufenthaltsverbot (ON 6.6; 6.7).

Mit Eingabe vom 30. Juli 2025 beantragte A* sinngemäß das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbotes gemäß § 133a StVG und erklärte sich (ebenso sinngemäß) bereit, ihrer Ausreiseverpflichtung umgehend nachzukommen (ON 6.4; samt handschriftlicher Ergänzung ON 6.5).

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 7) wies das Landesgericht für Strafsachen Wien als zuständiges Vollzugsgericht den Antrag der Strafgefangenen aus generalpräventiven Gründen ab.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde der Strafgefangenen (ON 8), die (trotz Ankündigung) nicht ausgeführt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Hat ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist nach § 133a Abs 1 StVG vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn 1. gegen ihn ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot besteht, 2. er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (§ 2 Abs 1 Z 17 AsylG) unverzüglich nachzukommen, und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird, und 3. der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegen stehen.

Gemäß § 133a Abs 2 StVG ist vor Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 leg cit solange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potenziellen Tätern, sondern (im Sinne positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein ( Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 46 Rz 16).

Schon das derzeitige Fehlen eines gültigen Reisedokumentes (ON 6.2) stellt ein der Ausreise derzeit unüberwindlich entgegenstehendes tatsächliches Hindernis dar, müssen doch sämtliche der von § 133a Abs 1 StVG normierten (allgemeinen) Voraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Vollzugsgerichts oder des Beschwerdegerichts tatsächlich vorliegen. Auf die Dauer eines tatsächlichen Hindernisses kommt es nicht an ( Pieber in Höpfel/Ratz , WK 2StVG § 133a Rz 14 mwN), weswegen die Angabe der Strafgefangenen, ihr Reisepass werde „rechtzeitig vor der Ausreise“ zu ihr gebracht (ON 6.5), ohne Relevanz ist. Der Beschwerde der Strafgefangenen kann schon aus diesem Gesichtspunkt kein Erfolg beschieden sein.

Darüberhinaus stehen einem vorläufigen Absehen vom Strafvollzug – wie das Erstgericht zutreffend aufzeigt – massive generalpräventive Bedenken entgegen: Im konkreten Fall hat die Strafgefangene das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch, teilweise in Wohnstätten, nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Z 2, Abs 2 Z 1, 130 Abs 1 und 2, 15 StGB zu verantworten. Dabei darf die Vielzahl an dem Urteil zugrunde liegenden Diebstahlsfakten ebensowenig außer Acht gelassen werden wie der Umstand, dass teilweise auch in eine (als besonders schützenswert zu erachtende) Wohnstätte eingebrochen wurde. Dabei erfolgte der Einbruch in die Wohnstätte der B* während diese stationär im Krankenhaus behandelt wurde und nachdem C* ihren Wohnungsschlüssel ebendort einverständnislos an sich genommen hatte (ON 5, 7). Insgesamt ist aufgrund des sich konkret darbietenden großen Gesinnungsunrechts sowie der mehrfachen Deliktsqualifikation ein auffallend hoher Tatunwert abzuleiten. Mit Blick auf die Untolerierbarkeit derartiger strafbarer Handlungen bedarf es ausnahmsweise des weiteren Vollzugs auch über die Hälfte der zu verbüßenden Strafzeit hinaus, um potenzielle weitere Straftäter von der Begehung gleichartiger strafbarer Handlungen mit massivem sozialen Störwert abzuhalten. Nur so kann letztlich auch der besonders schädlichen Kriminalitätsform des (hier zutage gelegten) Kriminaltourismus angemessen entgegengetreten werden.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.