JudikaturOLG Wien

31Bs216/25d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
22. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Richter Mag. Weber LL.M. als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Spreitzer LL.M. und die Richterin Mag. Marchart als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 24. Juli 2025, GZ **-13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene syrische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Hirtenberg eine wegen § 114 Abs 1, Abs 2, Abs 3 Z 2 und Z 3, Abs 4 erster Fall FPG; § 223 Abs 2 StGB verhängte Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren.

Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 26. Oktober 2026. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG lagen am 26. März 2025 vor, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG werden am 6. Oktober 2025 gegeben sein (ON 3).

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 13), berichtigt durch Beschluss vom 30. Juli 2025 (ON 14.1), lehnte das Landesgericht Wiener Neustadt als zuständiges Vollzugsgericht den Antrag des Strafgefangenen auf bedingte Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG aus spezialpräventiven Gründen ab.

Rechtliche Beurteilung

Der berichtigte Beschluss wurde dem Strafgefangenen am 25. August 2025 zugestellt. Seine noch vor Erhalt des berichtigten Beschlusses gegen ebendiesen erhobene Beschwerde (ON 15) behält ihre Wirksamkeit ( Danek/Mann in Fuchs/Ratz, WK StPO § 270 Rz 52). Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird.

Diese Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere der Art der Taten, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit (vgl Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 46 Rz 15/1). Dabei ist gemäß § 46 Abs 4 StGB auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eintrat, oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann. Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung – allenfalls unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB – nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, so ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen.

Zwar trifft es zu, dass die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe der Regelfall sein soll. Der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe hat auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallrisikos des Rechtsbre-chers beschränkt zu bleiben ( Jerabek/Ropper aaO § 46 Rz 17). Dem Erstgericht ist darin zuzustimmen, dass im vorliegenden Fall gravierende spezialpräventive Bedenken eine bedingte Entlassung ausschließen. Zutreffend verweist es auf ein nach wie vor erhebliches Rückfallsrisiko des Strafgefangenen:

Die eingeholte ECRIS-Auskunft zu Deutschland (ON 12.2) weist zwei einschlägige Vorstrafen aus den Jahren 2019 und 2021 auf. Dabei wurde dem Strafgefangenen bereits die Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht zuteil, was ihn jedoch nicht davon abhielt, in Steigerung der seinen Taten zugrunde liegenden kriminellen Energie erneut straffällig zu werden.

Die ungarische ECRIS-Auskunft (ON 11.2) weist eine massiv einschlägige Vorstrafe des Strafgefangenen aus dem Jahr 2023 auf. Am 14. Juni 2023 wurde er unter der Bedingung entlassen, das Staatsgebiet Ungarns binnen 72 Stunden verlassen zu müssen (ON 10, 3). Nach weniger als einem Monat delinquierte er erneut im engsten Sinne einschlägig (ON 10, 1).

In Anbetracht der Vorstrafenbelastung des Strafgefangenen in Zusammenschau mit seiner bisherigen Unbeeindrucktheit gegenüber sämtlichen staatlichen Sanktionen und dem akut raschen Rückfall kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass er durch eine bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Freiheitsstrafen von einer künftigen neuerlichen Straffälligkeit abgehalten werden könnte.

Auch im geschützten Bereich des Strafvollzuges konnte sich A* nicht regelkonform verhalten: Vom 12. August 2024 bis 18. September 2024 befand er sich nach Nichtrückkehr von einem Ausgang auf der Flucht (ON 3, 2); zudem musste er auch wegen einer Ordnungswidrigkeit bestraft werden (ON 8).

Darüber hinaus stellt der Strafgefangene eine Arbeitsmöglichkeit nach der Haftentlassung bloß unbescheinigt in den Raum (ON 5,3); eine Wohnmöglichkeit müsste er nach eigenen Angaben erst finden (ON 5, 1).

Zusammengefasst steht sämtlichen obigen Erwägungen bloß die Beteuerung einer Persönlichkeitsveränderung durch den Strafgefangenen entgegen (ON 5, 2 f), damit werden die aufgezeigten massiven Bedenken aber keineswegs zerstreut.

Auch unter Berücksichtigung allfälliger unterstüt-zender Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB kommt eine bedingte Entlassung selbst nach Vollzug von zwei Dritteln der Freiheitsstrafen daher nicht in Betracht.

Es bleibt festzuhalten, dass nach § 152a Abs 1 zweiter Satz StVG eine (ansonsten nicht zwingende) persönliche Anhörung dann durchgeführt werden muss, wenn der Strafgefangene zum ersten Mal zum Zecke einer bedingten Entlassung selbst seine Anhörung beantragt. Da der Beschwerdeführer bereits im Verfahren AZ ** des Landesgerichtes Wiener Neustadt über seinen Antrag (nur darauf kommt es an) angehört worden war (ON 5 und 15 im genannten Akt), musste eine Anhörung nicht zwingend durchgeführt werden. Inhaltlich konnte sie zu Recht unterbleiben, zumal aufgrund der Aktenlage nicht anzunehmen war, dass eine Anhörung die Entscheidungsgrundlagen wesentlich verändert hätte (siehe Pieber in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 152a Rz 1).

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.