Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin Mag. Fisher als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Janschitz und den Richter Mag. Resetarits in der Rechtssache der klagenden Partei A* , selbstständige Werbefachfrau, **, vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Univ. Prof. Dr. B*, MBA, Arzt, **, vertreten durch Schlösser Partner Rechtsanwälte OG in Wien und Graz, wegen EUR 43.248 sA und Feststellung (EUR 5.000; Gesamtstreitwert: EUR 48.248) über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30.12.2024, **-48, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.707,22 (darin enthalten EUR 617,87 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klägerin litt ab etwa Mitte 2020 an höllischen Gesichtsschmerzen und wandte sich aufgrund der Empfehlung ihrer Kinesiologin an den Beklagten. Der Leidensdruck der Klägerin war zu diesem Zeitpunkt bereits enorm. Sie googelte ihr Schmerzgeschehen und erhielt dadurch die Diagnose Trigeminusneuralgie, mit der sie auch beim Beklagten vorstellig wurde. Der Beklagte ließ die Klägerin wissen, dass es sich dabei nicht um eine valide Diagnose handle. Es war für den Beklagten klar und er teilte dies auch der Klägerin mit, dass es sich nicht um eine klassische Trigeminusneuralgie handeln konnte.
Regionale Schmerzen im Gesicht werden in medizinischer Hinsicht primär unter dem Begriff Gesichtsschmerz zusammengefasst. Sie umfassen Schmerzursachen unterschiedlicher akuter und chronischer Genese. Wegen der im vorliegenden Fall unklaren Diagnose war die Durchführung von spezifischer Bildgebung vor einem Eingriff zwingend erforderlich. Der Beklagte holte entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst vorab alle erforderlichen Befunde ein und ordnete alle erforderlichen Untersuchungen an, wie ein MRT, ein CT und eine Blutuntersuchung. Der Beklagte teilte der Klägerin mit, dass die Ursache für ihr Schmerzgeschehen wohl im Halswirbelbereich gelegen sei.
Bei jeder Schmerztherapie ist zunächst zu versuchen, mit nicht invasiven, physikalischen oder medikamentösen Behandlungen eine Besserung zu erzielen. Der Beklagte versuchte daher zunächst, die Beschwerden der Klägerin mit konservativen, nicht invasiven Eingriffen zu behandeln. Er schöpfte alle nicht invasiven Behandlungsmethoden aus, es konnte allerdings damit kein Auslangen gefunden werden. Der Beklagte empfahl der Klägerin daher, eine Katheter-Lyse vorzunehmen. Die interventionelle Behandlung mit der Katheter-Lyse war im vorliegenden Fall indiziert und geeignet, die Schmerzproblematik der Klägerin zu behandeln.
Der Beklagte durfte sich ausgehend von den vorliegenden Befunden und Untersuchungsergebnissen sicher sein, dass seine Diagnose und die gewählte Behandlungsmethode zutreffend sind. Die Beiziehung eines Neurologen war nicht erforderlich.
Epidurale Katheterverfahren und damit auch die Katheter-Lyse sind ein integraler Bestandteil des anästhesiologischen Armamentariums, sodass eine Überschreitung des Fachgebiets des Beklagten nicht vorlag. Der Beklagte verfügt über die durchschnittlich erwartbare Erfahrung eines Facharztes für Anästhesie und über spezielle Kenntnisse rückenmarksnaher Therapien.
Die wesentlichen, mit schwerwiegenden Folgen behafteten Komplikationen einer Katheter Lyse sind das Durchstoßen der Rückenmarkshaut mit Verletzung des Rückenmarks, eine Blutung und eine Infektion. Weitere mögliche unerwünschte Begleiterscheinungen sind Irritationen nervaler Strukturen. Diese Nachwirkungen hängen von anatomischen Verhältnissen sowie Abbaugeschwindigkeit und Dosis der applizierten Medikamente ab und können individuell sehr unterschiedlich lang anhalten. Es können dadurch neurologische Defizite, partieller Ausfall der Blasen- und Mastdarmfunktion, Schmerzen im Punktionsbereich sowie Schmerzen in den Armen auftreten. Diese Komplikationen sind typisch für jede Form der rückenmarksnahen Anästhesie und nicht hochselektiv für die Katheter-Lyse. Es ist daher zulässig, einen allgemeinen Anästhesie-Aufklärungsbogen zu verwenden.
Die Klägerin begehrt Schadenersatz von insgesamt EUR 43.248 sA (Schmerzengeld von EUR 30.000, Verunstaltungsentschädigung von EUR 5.000, Ersatz von Pflege-, Hilfs- und Betreuungsaufwand von EUR 900, Kosten für weitere Behandlungen, Therapien und Medikamente von EUR 7.059,96 und Fahrtkosten von EUR 288,04) sowie die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden. Der Beklagte hafte aus einem Behandlungsfehler und er habe die gebotene Aufklärungspflicht verletzt.
Die Klägerin leide seit Jahren unter einer Trigeminusneuralgie. Der Beklagte sei Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin und biete Schmerztherapien an. Bei der Klägerin bestehe schon seit vielen Jahren die Verdachtsdiagnose einer Multiplen Sklerose. Der Beklagte habe der Klägerin eine zervikale Katheter-Lyse empfohlen und diese am 4.11.2020 durchgeführt. Diese Behandlung sei zum einen bei einer Trigeminusneuralgie nicht indiziert und zum anderen habe der Beklagte den Eingriff nicht lege artis durchgeführt, weil er dabei eine Verletzung des Rückenmarks der Klägerin verursacht habe. Er habe außerdem sein Fachgebiet überschritten, weil die zervikale Katheter-Lyse in das Fachgebiet eines Neurochirurgen falle.
Der Beklagte habe auch eine Verletzung der Aufklärungspflicht zu vertreten. Es habe keine Risikoaufklärung gegeben. Der Beklagte habe die Risiken des Eingriffs völlig verharmlost und ihn als ungefährlichen Routineeingriff dargestellt. Der Beklagte habe der Klägerin nicht mitgeteilt, dass die Katheter-Lyse geeignet sei, Stress hervorzurufen, sodass es zu einem MS-Schub oder einer Verschlechterung der neurologischen Situation der Klägerin kommen könne. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die Risiken hätte die Klägerin ihre Zustimmung zu dem Eingriff nicht erteilt.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte die Klage abzuweisen, und brachte vor, dass er weder eine Aufklärungspflicht verletzt, noch einen Behandlungsfehler begangen habe. Der untypische Defekt im Bereich des Rückenmarks sei nicht nachvollziehbar und nicht mit der Behandlung durch den Beklagten in Zusammenhang zu bringen. Die Klägerin sei bereits beim Erstgespräch umfassend unter Zuhilfenahme eines anatomischen Modells aufgeklärt worden. Die MS-Grunderkrankung sei latent jedenfalls vorhanden gewesen und es sei bekannt, dass es bei Stresssituationen zu einer Aktivierung der MS-Grunderkrankung kommen könne. Bei der Behandlung selbst sei es zu keinem direkten Kontakt mit dem Rückenmark gekommen. Vielmehr sei das aufflammende Krankheitsbild der Multiplen Sklerose als wahrscheinliches Beschwerdebild der Klägerin anzusehen. Schließlich habe die Kortisonapplikation prompt zu einer Besserung des klinischen Zustandsbilds geführt. Im Falle einer direkten Verletzung des Rückenmarks wäre jedenfalls keine Besserung eingetreten.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Zahlungs- und Feststellungsbegehren ab und verpflichtete die Klägerin zum Kostenersatz.
Es stellte den auf den Urteilsseiten 3 bis 6 ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den verwiesen wird. Neben den eingangs teilweise zusammengefasst wiedergegebenen sind im Berufungsverfahren folgende Feststellungen hervorzuheben [bekämpfte Feststellungen durch Unterstreichung markiert]:
Das Aufklärungsgespräch fand am 29.10.2020 statt. Der Klägerin wurde spätestens zu diesem Zeitpunkt der schriftliche Aufklärungsbogen samt Einwilligungserklärung mit dem Ersuchen ausgehändigt, diesen am Behandlungstag unterschrieben mitzubringen. [F2] Der Beklagte erläuterte der Klägerin auch mündlich ausführlich sowohl den Eingriff als solchen, dies auch anhand eines anatomischen Modells, als auch alle wesentlichen Komplikationen und Nebenwirkungen der Behandlung. [F1] Er teilte ihr mit, dass bei der von ihm empfohlenen Katheter-Lyse-Technik mit einem Katheter zu den Rückenmarkshäuten hingegangen und dieser Bereich ausgespült und eine lokale Entzündungshemmung durchgeführt wird. Es werde eine kleine Menge Kortison und ein chemisches Kontrastmittel eingebracht. Er wies die Klägerin darauf hin, dass es sich bei der Halswirbelsäule um eine äußerst sensible Gegend des Körpers handelt und daher bei diesem Eingriff die lebenswichtigste Steuerungsstruktur des Körpers betroffen sein kann. Er informierte sie darüber, dass Blutungen, Infektionen und auch weitaus gravierendere Folgen, wie Nervenlähmungen mögliche Komplikationen des Eingriffs sein können. [F1] Er teilte der Klägerin weiters mit, dass nach dem Eingriff Schmerzen in den Händen auftreten können, die ein bis zwei Tage andauern würden und mit Schmerzinfusionen in den Griff zu kriegen wären. Der Beklagte führt diese Art der Behandlung etwa wöchentlich durch, sodass es sich für ihn um einen Routineeingriff handelte. Auch dies teilte er der Klägerin mit. Er teilte ihr auch mit, dass als Alternative eine offene Operation in Betracht kommt. Bei diesem chirurgischen Eingriff werden künstliche Bandscheiben eingesetzt. Er fügte allerdings hinzu, dass er von diesem Eingriff abrät. [F1]
Bei der Klägerin wurde bereits im Jahr 2000 Multiple Sklerose diagnostiziert. Sie war allerdings die letzten 15 Jahre vor der Behandlung durch den Beklagten schubfrei. Der Beklagte hatte von ihrer MS-Erkrankung Kenntnis. Die Multiple Sklerose spielt in der Beurteilung von chronischen Schmerzen eine Rolle, weshalb sie regelmäßig in diese einzubeziehen ist. Eine MS-Erkrankung ist keine Kontraindikation und bedeutet kein erhöhtes Risiko für die ausgeführte Behandlung. Jede und insbesondere eine interventionelle Behandlung kann allerdings für den Patienten Stress bedeuten und Stress kann ein Auslöser eines MS-Schubes sein. Darauf ist in der Aufklärung Bedacht zu nehmen. Es ist allerdings nicht prognostizierbar, welche Ausprägung stressbedingter Begleiterscheinungen eine Intervention haben können. Diese Begleiterscheinungen sind nicht vom Behandler oder der Methode abhängig, sondern vom Patienten. Sie sind daher keine Komplikation der Behandlung, sondern eine Begleiterscheinung der Grundkrankheit. Wie bei jeder anderen chronischen Erkrankung (etwa Diabetes) besteht auch bei Multipler Sklerose die Möglichkeit, dass sich diese im Rahmen des durch die Katheter-Lyse verursachten Stresses verschlechtert. Der Beklagte teilte der Klägerin mit, dass sie mit Multipler Sklerose eine große Last zu tragen hat und dass diese Erkrankung eine eigene Dynamik hat, immer wieder aufflammen und die Ursache für die Auslösung von Begleiterscheinungen sein kann. [F3]
Die Klägerin hätte in den Eingriff auch dann eingewilligt, wenn ihr der Beklagte noch ausdrücklicher mitgeteilt hätte, dass der durch den interventionellen Eingriff verursachte Stress ein Auslöser für einen MS-Schub sein kann. [F4 – auch als überschießend gerügt]
Da die Klägerin am Tag des Eingriffs den ihr bereits vorab ausgehändigten Aufklärungsbogen samt Einwilligungserklärung nicht mit hatte, erteilte sie unmittelbar vor dem Eingriff schriftlich auf einem Standardeinwilligungsblatt ihre Einwilligung in den Eingriff. [F2]
Die Behandlung am 4.11.2020 erfolgte lege artis. Eine Verletzung des Rückenmarks ist mit Sicherheit auszuschließen. Das primäre Ziel des vorgenommenen Eingriffes ist die Punktion des Periduralraums, der den Rückenmarksraum als schützende Pufferzone umgibt. Selbst wenn eine Punktion des Rückenmarks erfolgt sein sollte, wäre diese bei einem derartigen Eingriff schicksalshaft. [F5]
Bei der Klägerin traten eingriffsrelevante Begleiterscheinungen, jedoch keine schweren Komplikationen auf. Es kam nach der Behandlung zu sensiblen und motorischen Ausfällen, der Unmöglichkeit zu urinieren und Schmerzen und es wurde ein Blasenkatheter gesetzt. [F6]
Rechtlich führte das Erstgericht zusammengefasst aus, das Verfahren habe auf Tatsachenebene ergeben, dass die Klägerin die Einwilligung in den Eingriff nach umfassender Aufklärung rechtswirksam erteilt habe und der Eingriff sowohl medizinisch indiziert gewesen, als auch lege artis erfolgt sei. Der etwaige Eintritt einer Komplikation (Verletzung des Rückenmarks) wäre schicksalshaft und daher nicht haftungsbegründend.
Die Erörterung der Besonderheiten der Grunderkrankung der Klägerin (Multiple Sklerose) habe den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung genügt, zumal der Eintritt eines stressbedingten MS-Schubs keine Komplikation oder Nebenwirkung des Eingriffs, sondern eine Begleiterscheinung der Grunderkrankung sei.
Ein Aufklärungsfehler liege nicht vor. Selbst wenn ein solcher zu erkennen wäre, wäre dem Beklagten der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens gelungen.
Eine Behandlung, die nach wirksamer Einwilligung des Patienten lege artis erfolge, sei nicht rechtswidrig und begründe auch dann, wenn sie Nachteile verursache, kein Verschulden und rechtfertige daher auch keinen Schadenersatzanspruch.
Von der Einholung weiterer Gutachten aus den Fachgebieten der Neurologie und der Radiologie sei abzusehen gewesen, weil die Ursachen für die von der Klägerin beschriebenen Beschwerden, insbesondere ob diese auf die MS-Erkrankung zurückzuführen seien, für die rechtliche Beurteilung nicht erforderlich und diese daher auf Tatsachenebene nicht zu klären gewesen seien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil in stattgebendem Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Zu den Mängelrügen:
1.1.1. Die Berufungswerberin releviert zunächst, dass das Verfahren durch die Nichteinholung eines neurologischen und neuroradiologischen Gutachtens mangelhaft geblieben sei.
Die dazu erstatteten Ausführungen überzeugen nicht:
Richtig ist zwar, dass der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige Dr. C* mehrfach darauf verwiesen hat, dass die Beurteilung der MS-Erkrankung der Klägerin und von deren Auswirkungen nicht in sein Fachgebiet falle und diesbezüglich die Begutachtung durch einen Sachverständigen für Neurologie erforderlich wäre, der Sachverständige Dr. C* hat aber auch ausgeführt, dass zur Beurteilung der Frage, ob die Behandlung durch den Beklagten lege artis erfolgt sei, nicht die Einholung eines neurologischen Gutachtens erforderlich gewesen sei. Dies wäre ausschließlich dazu erforderlich, um herauszufinden, ob die derzeitigen Beschwerden der Klägerin auf ihre MS-Erkrankung zurückzuführen sind. Der Sachverständige gab weiters an, dass er dazu in der Lage sei, zum einen zu beurteilen, ob die Behandlung durch den Beklagten medizinisch indiziert und zum anderen, ob die Behandlung lege artis war (vgl ON 41).
Die Frage, ob die Behandlung des Klägers lege artis erfolgte, ist eine medizinische Fachfrage. Erachtet das Gericht ein Gutachten für zutreffend und abschließend, so ist es dann, wenn keine entsprechenden Anhaltspunkte für die Notwendigkeit vorliegen, nicht gehalten, weitere Gutachten aus anderen Fachgebieten oder aus einem Fachbereich weitere Spezialgutachten einzuholen. Vielmehr kann es sich dem bereits vorliegenden Gutachten anschließen, wenn es dieses für vollständig und schlüssig erachtet. Das Erstgericht darf sich grundsätzlich darauf verlassen, dass ein (medizinischer oder sonstiger) Sachverständiger selbst zu beurteilen vermag, ob im Einzelfall die Einholung weiterer Gutachten, insbesondere durch noch weiter spezialisierte Sachverständige, geboten ist oder nicht, sofern sich nicht Zweifel an der Vollständigkeit oder abschließenden Beurteilung aus einem Fachgebiet ergeben (SV Slg 39.532; 44.354; 54.822 ua).
Hier lagen keinerlei Hinweise auf eine Unrichtigkeit oder Ergänzungsbedürftigkeit des eingeholten Gutachtens vor. Dass das Erstgericht von weiteren (Kontroll-)Gutachten zu einem bereits geklärten Beweisthema Abstand genommen hat, stellt keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar (vgl RS0043163 [insb T6; T15]).
Den Sachverständigen trifft entsprechend des von ihm abgelegten Eides die Verpflichtung, sein Gutachten nach dem letzten Stand der Wissenschaft abzugeben. Das Gericht kann sich daher darauf verlassen, dass keine notwendige oder zweckdienliche Erweiterung der Untersuchung unterbleibt, wenn sie vom Sachverständigen nicht angeregt oder vorgenommen wird. Das Gericht ist nicht verpflichtet, so lange Gutachten zu erörtern und neue Beweise aufzunehmen, bis ein für den Kläger akzeptables Ergebnis erreicht wird. Der Umstand, dass das Ergebnis des Sachverständigengutachtens letztlich nicht das von der Klägerin gewünschte Ergebnis brachte, vermag die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen nicht zu rechtfertigen.
1.1.2. Die Beurteilung der Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens fällt - ebenso wie die allfällige Notwendigkeit einer Ergänzung oder eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO - grundsätzlich in den Bereich der Beweiswürdigung (RS0113643). Auch die Beurteilung, ob ein Sachverständigengutachten getroffene Feststellungen stützt, dieses Gutachten erschöpfend ist oder an den Sachverständigen weitere Fragen zu richten gewesen wären, fällt in den Bereich der Beweiswürdigung (3 Ob 230/11m mwN; RS0043320, RS0113643, RS0040586, RS0043163, RS0043414; Lovrek in Fasching/Konecny ³ § 503 ZPO Rz 52).
Die Unvollständigkeit eines Gutachtens kann allerdings auch auf Verfahrensfehlern beruhen, was als Mangelhaftigkeit zu rügen wäre (RS0113643, Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka ZPO 5 §§ 360 bis 362 Rz 6). Derartiges wird hier aber nicht geltend gemacht.
Warum das Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen Dr. C* „unverständlich“ sein soll, legt die Berufung nicht näher und schlüssig dar; ebenso wenig warum die „Kausalität nicht ausreichend geklärt“ sei.
1.1.3. Darüber hinaus ist auszuführen, dass ein primärer Verfahrensmangel im Sinne des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden kann, wenn der Mangel abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu verhindern. Im Rechtsmittel ist die Erheblichkeit des Mangels darzulegen. Der Rechtsmittelwerber hat dabei nachvollziehbar auszuführen, zu welchen für ihn günstigen Tatsachenfeststellungen das Erstgericht gelangt wäre, wenn es das Verfahren unter Beachtung der angeblich verletzten Verfahrensvorschriften durchgeführt hätte (RS0043039; Pimmer in Fasching / Konecny 3 § 496 Rz 34ff).
Zur Frage welche günstigen Verfahrensergebnisse erzielt hätten werden können, trägt die Klägerin vor, dass es durchaus möglich sei, dass durch die Einholung eines neurologischen oder (neuro-)radiologischen Gutachtens ein anderes Ergebnis hervorkomme. Die Sachverständigen hätten zu dem Ergebnis kommen können, dass
- der Beklagte von einer unrichtigen neurologischen Diagnose vor Behandlungsbeginn ausgegangen sei;
- der Beklagte im Zuge der zervikalen Katheter-Lyse die Klägerin verletzt habe;
- die Behandlung des Beklagten ursächlich für den unmittelbar nach der Katheter-Lyse aufgetretenen schlechten Gesundheitszustand (insbesondere neurologischer Ausfälle) der Klägerin sei und
- ex ante in Anbetracht der MS-Erkrankung der Klägerin eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes („Schub“) ein Risiko des Eingriffes darstelle (worüber der Beklagte die Klägerin nicht aufgeklärt habe);
- der Beklagte die Klägerin im Zuge der zervikalen Katheter-Lyse am Rückenmark verletzt habe und dadurch die massiven neurologischen Ausfälle entstanden seien.
Dies bedeute eine fehlerhafte Behandlung und somit eine Haftung des Beklagten. Ob der Beklagte alle Möglichkeiten in Betracht gezogen habe, ob er die Klägerin entsprechend über alle Möglichkeiten - auch jene, die außerhalb seines Fachgebietes lägen - ausreichend aufgeklärt habe, ob er sie aufgefordert habe, noch weitere Erkundigungen einzuholen, ob ein Behandlungsfehler vorliege, sei sowohl hinsichtlich des Verhaltens des Beklagten als auch hinsichtlich der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. C* durch die Einholung weiterer Gutachten zu beantworten.
Diese Ausführungen laufen allesamt letztendlich auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus. Es ist aber ausgeschlossen, Beweisaufnahmen zu beantragen, um erst aufgrund der dadurch erzielten Ergebnisse rechtlich erhebliche Tatsachen vorbringen zu können (RS0039881).
1.2. Das Verbot überschießender Feststellungen beginnt erst jenseits der Streitgegenstandsgrenze, während innerhalb des jeweiligen Klagsgrunds auch Feststellungen zulässig sind, denen keine entsprechende oder gar wortwörtlich identische Parteibehauptung zugrunde liegt (vgl 5 Ob 24/20w, ÖJZ 2021, 209 [Trenker] mwN). Die Gerichte sind berechtigt, auch über das Parteivorbringen hinausgehende Beweisergebnisse zu beachten (RS0036933). In Zweifelsfällen ist zu fragen, ob eine überschießende Feststellung der einen Partei etwas „aufdrängen“ würde, was sie so gar nicht zum Gegenstand des Verfahrens machen wollte und worüber sie gar keine Entscheidung erwarten durfte. Vor allem aber ist entscheidend, ob die überschießende Feststellung dem Begehren eine Grundlage gibt, mit deren Relevanz die andere Partei redlicherweise nicht rechnen musste ( Trenker , aaO).
Es braucht an dieser Stelle nicht detailliert untersucht zu werden ob, bzw unter welchen konkreten Voraussetzungen die Bestreitung der mangelnden Aufklärung der Patientin eine ausreichende Grundlage dafür bietet, eine Aufklärungspflichtverletzung des Arztes als nicht kausal für den bei der Patientin eingetretenen Schaden zu sehen (rechtmäßiges Alternativverhalten), wenn sich die Patientin der Operation auch bei ausreichender Aufklärung unterzogen hätte, weil sich die Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens (vgl RS0038485; RS0108185; RS0111528) hier nämlich nicht stellt, weil – wie die Ausführungen unten zeigen - keine Verletzung der Aufklärungspflicht vorliegt. Bei der Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens geht es (nur) darum, ob ein rechtswidrig handelnder Täter selbst dann für den verursachten Schaden zu haften hat, wenn er denselben Nachteil sonst durch ein rechtmäßiges Verhalten herbeigeführt hätte (vgl RS0111706 [T6]; 3 Ob 206/23z). Die gerügte Feststellung ist daher nicht entscheidungserheblich.
1.3.1. Das Gericht hat die Umstände und Erwägungen, die für seine Überzeugung maßgebend waren, in der Begründung der Entscheidung anzugeben. Das Fehlen einer Begründung kann eine Verletzung der Begründungspflicht und damit einen wesentlichen Verfahrensmangel begründen (vgl Rechberger in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 272 ZPO Rz 3). Es muss jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung nicht jeder mögliche Umstand erwähnt und auch nicht jede mögliche Erwägung angestellt werden (RS0040180; RS0040165). So liegt auch keine Mangelhaftigkeit vor, wenn bei der vorzunehmenden Begründung ein Umstand nicht erwähnt wurde, der noch erwähnt hätte werden können oder eine Erwägung nicht angestellt wurde, die noch angestellt hätte werden können, oder wenn die Begründung – wie die Berufung moniert - auf ein bestimmtes Beweisergebnis bzw Beweismittel nicht Bezug nimmt.
1.3.2. Die Berufungswerberin rügt, dass es im Ersturteil für die Feststellung, wonach „ bei der Klägerin eingriffsrelevante Begleiterscheinungen, jedoch keine schweren Komplikationen auftraten. Es kam nach der Behandlung zu sensiblen und motorischen Ausfällen, der Unmöglichkeit zu urinieren und Schmerzen und es wurde ein Blasenkatheter gesetzt“ , keine Begründung gebe . Die Feststellungen wichen sowohl vom Vorbringen der Klägerin als auch von deren Aussage diametral ab, umso mehr als sie den Eindruck einer nur vorübergehenden Begleiterscheinung entstehen ließen.
Gemäß § 417 Abs 2 ZPO ist die Beweiswürdigung im Rahmen der Entscheidungsgründe in gedrängter Darstellung auszuführen. Gemäß § 272 Abs 3 ZPO sind die Umstände und Erwägungen, welche für die Überzeugung des Gerichtes maßgebend waren, in der Begründung der Entscheidung anzugeben. Das Gericht muss in knapper, überprüfbarer und logisch einwandfreier Form darlegen, warum es aufgrund bestimmter Beweis- oder Verhandlungsergebnisse bestimmte Tatsachen feststellt, damit sowohl die Parteien, als auch das Rechtsmittelgericht die Schlüssigkeit seines Werturteils überprüfen können (RS0040122). Diesen Anforderungen genügt das bekämpfte Urteil. Das Erstgericht hat in seiner Beweiswürdigung nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, aufgrund welcher Beweisergebnisse und welcher Erwägungen dazu es den zugrunde liegenden Sachverhalt feststellen konnte.
Das Erstgericht stützt die Feststellungen auf das eingeholte Sachverständigengutachten. Der Sachverständige führte aus, dass es nach der Behandlung zu sensiblen und motorischen Ausfällen sowie der Unmöglichkeit zu urinieren und zu Schmerzen gekommen sei. Das am 5.11.2020 durchgeführte Kontroll-MRT habe entzündliche Plaquebildungen (analog zu denen im Gehirn) in Höhe C3 und C7 sowie eine Bandscheibenbedrängung des Rückenmarks mit fraglicher Myelopathie, gezeigt (vgl ON 28, Seite 3). Dass die Klägerin einen Blasenkatheter erhielt, gibt sie in ihrer Einvernahme selbst an.
2. Zu den Tatsachenrügen:
2.1. Anstelle der bekämpften Feststellungen, begehrt die Berufungswerberin folgende Ersatzfeststellungen:
[F1]: „Der Beklagte erläuterte der Klägerin auch mündlich ausführlich den Eingriff als solchen, dies auch anhand eines anatomischen Modells. Als Begleiterscheinungen, Nebenwirkungen und Komplikationen der Behandlung nannte der Beklagte bloß, dass die Klägerin danach kurzfristig ein bamstiges Gefühl sowie Schmerzen in den Armen und in den Händen haben kann. Diese könnten ein bis zwei Tage andauern und wären mit Schmerzinfusionen in den Griff zu kriegen. Über weitere Komplikationen, die mit diesem Eingriff einhergehen können, wurde die Klägerin nicht aufgeklärt. Insbesondere wurde nicht besprochen, dass es nach dem Eingriff auch zu Problemen beim Wasserlassen oder zu weiteren Schmerzen in den Extremitäten kommen könnte.“
[F2]: „Der Klägerin wurde ein schriftlicher Aufklärungsbogen weder gezeigt noch ausgehändigt. Sie erteilte unmittelbar vor dem Eingriff schriftlich auf einem Standardeinwilligungsblatt ihre Einwilligung in den Eingriff.“
eventualiter: „Es kann nicht festgestellt werden, ob der Klägerin ein schriftlicher Aufklärungsbogen gezeigt oder ausgehändigt wurde.“
„Sie erteilte unmittelbar vor dem Eingriff schriftlich auf einem Standardeinwilligungsblatt ihre Einwilligung in den Eingriff.“
[F3]: „Diese Begleiterscheinungen stellen eine Komplikation der Behandlung und nicht eine bloße Begleiterscheinung der Grundkrankheit dar. Wie bei jeder anderen chronischen Erkrankung (etwa Diabetes) besteht auch bei Multipler Sklerose die Möglichkeit, dass sich diese im Rahmen des durch die Katheter-Lyse verursachten Stresses verschlechtert. Bei der Aufklärung der Klägerin durch den Beklagten war die MS-Krankheit der Klägerin kein Thema.“
[F4]: „Die Klägerin hätte in den Eingriff nicht eingewilligt, wenn ihr der Beklagte noch ausdrücklicher mitgeteilt hätte, dass der durch den interventionellen Eingriff verursachte Stress ein Auslöser für einen MS-Schub sein kann.“
Eventualiter wird nachstehende Negativfeststellung als Ersatzfeststellungen begehrt:
„Es kann nicht festgestellt werden, ob die Klägerin in den Eingriff auch dann eingewilligt hätte, wenn ihr der Beklagte noch ausdrücklicher mitgeteilt hätte, dass der durch den interventionellen Eingriff verursachte Stress ein Auslöser für einen MS-Schub sein kann.“
[F5]: „Die Behandlung am 4.11.2020 erfolgte nicht lege artis. Eine Verletzung des Rückenmarks ist nicht auszuschließen. Das primäre Ziel des vorgenommenen Eingriffes ist die Punktion des Periduralraums, der den Rückenmarksraum als schützende Pufferzone umgibt. Eine Punktion des Rückenmarks kann erfolgt sein und wäre bei einem derartigen Eingriff nicht schicksalshaft.“
[F6]: „Bei der Klägerin traten schwere Komplikationen als eingriffsrelevante Begleit erscheinungen auf. Unmittelbar nach der Operation konnte die Klägerin nicht gehen. Es kam nach der Behandlung zu sensiblen und motorischen Ausfällen, der Unmöglichkeit zu urinieren und Schmerzen und es wurde ein Blasenkatheter gesetzt. Die Klägerin leidet nach wie vor an Gefühlsstörungen an den Fußsohlen und im rechten Bein. Im rechten Bein hat sie einen Spannungszustand und Taubheit. Wenn sie länger als eine halbe Stunde geht, verspürt sie Einschnürungen des rechten Oberschenkels und ihre Wade beginnt zu krampfen. Ihr Popo fühlt sich dann bamstig an und die Klägerin verspürt einen Druck im Oberkörper. Nach wie vor ist sie sehr unsicher beim Gehen. Das Gerade-Gehen fällt ihr schwer, sie kann es zwar, sie bedarf allerdings einer hohen Konzentration. Beim Stiegensteigen muss sie sich stets anhalten. Nach der Behandlung war es ihr eine längere Zeit nicht möglich, mit dem Auto zu fahren, weil sie kein Gefühl bei den Pedalen verspürte. Diese Zeit dauerte etwa 2 bis 3 Monate an. Mittlerweile kann sie schon wieder Autofahren, es geht allerdings nur für maximal eine Stunde.“
2.2. Zuvorderst ist auszuführen, dass das Erstgericht die bekämpften Feststellungen ausgehend von den Beweisergebnissen hinreichend ausführlich und schlüssig begründet und sich dabei insbesondere mit dem Beweiswert und der Glaubwürdigkeit der Angaben der vernommenen Personen auseinandergesetzt hat (vgl zu den Anforderungen schon oben Punkt 1.3.).
Es stellt ein wesentliches Gestaltungselement des modernen Zivilprozesses dar, dass das Gesetz dem Richter die Wertung der Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht vorschreibt, sondern seiner persönlichen Überzeugung überlässt. Somit ist der Richter bei der Bildung der Überzeugung, ob die für die Feststellung einer Tatsache notwendige (hohe) Wahrscheinlichkeit vorliegt, frei. Es gehört weiters zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass die (primäre) Tatsacheninstanz, die sich nicht zuletzt insbesondere auch einen persönlichen Eindruck von den vernommenen Personen verschaffen und diesen verwerten kann, sich für eine von mehreren unterschiedlichen Darstellungen entscheidet (RS0043175; Klauser/Kodek , JN ZPO 18 § 272 ZPO E 24/1). Gerade dem persönlichen Eindruck des erkennenden Richters kommt bei einer Tatsachenfeststellung, die in erster Linie auf Grund der Aussagen der beteiligten Personen zu treffen ist, eminente Bedeutung zu.
Werden Feststellungen im Berufungsverfahren bekämpft, hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung aller vorliegenden Beweisergebnisse und im Rahmen einer Gesamtschau zu beurteilen, ob gegen die vom Erstgericht vorgenommene Beweiswürdigung Bedenken bestehen (RS0040123). Maßgeblich ist alleine, ob für die richterliche Einschätzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ausreichende Gründe bestanden ( Klauser/Kodek aaO § 467 ZPO E 39/1). Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für den Prozessstandpunkt der Berufungswerberin sprechen, reicht noch nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung aufzuzeigen. Die Berufungswerberin müsste vielmehr die Überschreitung des dem Verhandlungsrichter durch § 272 ZPO eingeräumten Bewertungsspielraums aufzeigen, was ihr jedoch nicht gelingt.
Die vom Erstgericht aufgrund seiner Überzeugung oder des persönlichen Eindrucks von den beteiligten Personen vorgenommene Beweiswürdigung kann nur dadurch erfolgreich angefochten werden, dass dargelegt wird, dass bedeutend überzeugendere Ergebnisse für andere Feststellungen vorliegen. Es müssen somit stichhaltige Gründe ins Treffen geführt werden, die erhebliche Zweifel an der vom Erstgericht vorgenommenen Beweiswürdigung rechtfertigen ( Pimmer in F asching/Konecny 3 § 467 ZPO Rz 40/2; Klauser / Kodek , aaO § 467 ZPO E 40/1, E 40/3 bis 40/5). Das Gericht ist bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Aussage nicht nur auf den Wortlaut dieser Aussage beschränkt, sondern es steht ihm frei, in diesem Zusammenhang auch aus anderen Verfahrensergebnissen und auch aus dem Vorbringen und Handeln der im Prozess auftretenden Personen Rückschlüsse zu ziehen (RS0040127 uva).
Davon ausgehend wird im einzelnen ausgeführt:
2.3.1. Zu [F1]:
Das Erstgericht stützt die bekämpften Feststellungen in erster Linie auf die Aussage des Beklagten.
Die Klägerin meint, dass Erstgericht hätte ihren Angaben folgen müssen. Die Ausführungen der Klägerin in der Berufung erweisen sich aber über weite Strecken als Mutmaßungen, ohne dazu auf konkrete Beweisergebnisse einzugehen. Wenn das Erstgericht auch die langjährige Erfahrung des Beklagten berücksichtigt, ist das nicht zu beanstanden. Dass „gerade die Routine und Standardabläufe durch die Automatisierung eher zu Fehlern führen“ ist kein gültiger Erfahrungssatz und bleibt letztlich unbelegt. Warum dies „hier noch umso mehr“ gelten soll „als die MS-Krankheit der Klägerin hinzukommt“ bleibt völlig offen. Dass eine Zeugin bei Routineabläufen sich nicht mehr an Einzelereignisse erinnern kann, mindert zudem nicht ihre Glaubwürdigkeit.
Das Berufungsvorbringen, dass der Beklagte „eher mit der Routine als mit der Vorsicht bei der Klägerin punkten wollte“ bzw „der Eindruck“ entstehe, dass „er es sich nach dem Verhandlungsverlauf gerichtet hat“ enthält keine fundierten Argumente. Gleiches gilt für das Argument der Klägerin, der Beklagte hätte „seine Aufklärung abgespult“.
Ob die Aufklärung im Zusammenhang mit den Auswirkungen der MS-Erkrankung der Klägerin und ihrem Schmerzgeschehen ausreichend war, ist im übrigen eine Rechtsfrage (vgl dazu unten Punkt 3.).
Die Berufung zeigt hier nicht auf, dass die insoweit getroffene beweiswürdigende Entscheidung des Erstgerichts unrichtig wäre oder wesentlich überzeugendere Argumente für die angestrebte Ersatzfeststellung sprechen.
2.3.2. Zu [F2]:
Die begehrte Ersatzfeststellung führt zu keinem anderem Ergebnis wie die bekämpfte Feststellung, weshalb eine weitere Auseinandersetzung mit der Beweisrüge unterbleiben konnte (vgl RS0042386) . Ob die Klägerin einen schriftlichen Aufklärungsbogen ausgehändigt bekommen und mit nach Hause genommen hat, ist ohne Relevanz, weil zwar Informationsblätter und Merkbögen (Aufklärungsbögen) zur Vorinformation des Patienten ebenso wie zur (unter-)schriftlichen Dokumentation der erfolgten Aufklärung verwendet werden können, wesentlich ist aber stets das persönliche ärztliche Aufklärungsgespräch, das durch nichts, insbesondere nicht durch eine im bürokratischen Weg eingeholte Zustimmungserklärung ersetzt werden kann (RS0102906; 1 Ob 71/20b; 8 Ob 140/06f, 7 Ob 233/00s ua). Auch wenn ein Aufklärungsbogen detaillierte Informationen, insbesondere einen Hinweis auf eine Komplikation des Eingriffs, die sich in der Folge verwirklicht hat, enthält, kann dies dennoch ein unmittelbares persönliches ärztliches Aufklärungsgespräch nicht ersetzen (RS0102906; RS0026499 [T3]; 5 Ob 75/18t).
Selbst wenn nur ein Standardaufklärungsdokument bzw allgemein ein Anästhesieaufklärungsbogen verwendet worden wäre, weist dies also nicht auf eine fehlerhafte oder unvollständige Aufklärung hin.
2.3.3. Zu [F3] :
Die Frage, ob Begleiterscheinungen auf die Behandlung oder eine Grundkrankheit wie Multiple Sklerose zurückzuführen sind, ist keine „Wertungs- und somit Rechtsfrage“, sondern eine (medizinische) Tatsachenfrage.
Dass diese „vom Patienten abhängen“ bezieht sich auf dessen gesundheitliche Prädisposition und nicht dessen Wollen. Das übersieht die Klägerin, wenn sie ausführt, dass „selbst denklogisch ein stressbedingter MS-Schub nicht vom Patienten abhängig ist, weil es nicht in seiner Willkür liegt, ob er die Behandlung als Stresssituation empfindet oder nicht“. Die „Verantwortung für einen MS-Schub“ wird vorliegend weder „auf den Patienten noch auf ein anderes Fachgebiet überführt“. Ob die Aufklärung in diesem Zusammenhang ausreichend war ist – wie ausgeführt – eine Rechtsfrage.
2.3.4. Zu [F4]:
Im Rahmen der Beweiswürdigung hat der Richter nach bestem Wissen und Gewissen aufgrund seiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis zu prüfen, ob jener Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht ist, der es rechtfertigt, die fragliche Tatsache für wahr zu halten ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 272 ZPO Rz 1). Es liegt in der Natur der Sache, dass es zu hypothetischen inneren Vorgängen wie der Frage, wie sich die Klägerin bei einer inhaltlich anderen Aufklärung entschieden hätte, keine anderen Beweismittel gibt als deren Befragung. Selbstverständlich kann und soll der Richter aber auch ein solches – einziges – Beweisergebnis auf seine Plausibilität und Glaubwürdigkeit prüfen. Es ist keineswegs so, dass der Richter zwingend den Angaben einer Partei folgen muss, nur weil es keine objektivierbaren Beweisergebnisse dagegen gibt.
Das Erstgericht hat seine Erwägungen zur Feststellung, dass die Klägerin auch bei einer konkreten Aufklärung über die allfälligen Auswirkungen des Eingriffs auf ihre MS-Erkrankung ihre Einwilligung in die Katheter-Lyse erteilt hätte, schlüssig und nachvollziehbar begründet. Dass „die ‚Erwägungen‘ des Erstgericht nicht einmal irgendwelche Erfahrungssätze darstellen, sondern Überlegungen ohne Beweisgrundlage sind“ ist unzutreffend. Auch der ins Treffen geführte Zirkelschluss liegt nicht vor.
Davon, dass es sich bei einem MS-Schub um eine harmlosere Folge handle, ist das Erstgericht nicht ausgegangen.
2.3.5. Zu [F5]:
Der Sachverständige Dr. C* hat nicht ausgeführt, dass zur Beurteilung der Frage, ob die Behandlung durch den Beklagten lege artis erfolgte, die Einholung eines neurologischen Gutachtens erforderlich sei. Dies wäre ausschließlich dazu erforderlich, um herauszufinden, ob die derzeitigen Beschwerden der Klägerin auf ihre MS-Erkrankung zurückzuführen sind. Der Sachverständige gab konkret an, dass er in der Lage sei, zu beurteilen, ob die Behandlung durch den Beklagten medizinisch indiziert und lege artis war (ON 41). Daraus folgt, dass das Erstgericht dem Gutachten folgen konnte.
Soweit die Berufung noch ausführt, dass „gerade die massiven Beeinträchtigungen und Einschränkungen der Klägerin als Folgen der Behandlung eine Nicht-lege-artis-Behandlung durch den Beklagten indizieren“ ist auszuführen, dass zwar ein festgestellter schuldhafter Behandlungsfehler auf einen nachteiligen Kausalverlauf hinweist, ihn also indiziert (RS0026768; RS0038222; vgl auch RS0106890), umgekehrt aber eine nachteilige Gesundheitsfolge, die zeitlich übereinstimmend mit einer medizinischen Behandlung auftritt, für sich allein noch nicht auf einen Behandlungsfehler (und dessen Kausalität) schließen lässt.
2.3.6. Zu [F6]:
Hier stehen über weite Strecken die bekämpften Feststellungen nicht im Widerspruch zu den Ersatzfeststellungen (zB dass die Klägerin nach dem Eingriff nicht urinieren konnte und einen Katheder erhielt). Um die Feststellungsrüge gesetzmäßig auszuführen, muss aber die angestrebte Ersatzfeststellung im Widerspruch zur bekämpften Feststellung stehen (RS0043150 [T9]). Letztlich begehrt die Kläger hier detailliertere Feststellungen ihrer Beschwerden nach dem Eingriff und daraus folgend eine Umwürdigung, dass nach dem Eingriff schwere Komplikationen aufgetreten seien.
Soweit die Klägerin Ergänzungen des Sachverhalts begehrt, macht sie sekundäre Feststellungsmängel geltend, die der Rechtsrüge zuzuordnen sind. Die Beschwerden und Beeinträchtigungen der Klägerin nach dem Eingriff waren aber schon deshalb nicht näher festzustellen, weil es ihnen an Relevanz fehlt, da sowohl ein Behandlungsfehler als auch eine Aufklärungspflichtverletzung zu verneinen sind (vgl Pkt 3.).
3. Rechtsrüge:
3.1.1. Die ärztliche Aufklärung soll den Patienten in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Erklärung, in die Behandlung einzuwilligen, zu überschauen. Um eine Rechtfertigungswirkung entfalten zu können, muss die ärztliche Selbstbestimmungsaufklärung im Ergebnis sowohl ausreichend umfangreich, als auch rechtzeitig erfolgt sein ( Nigl , Arzthaftung 5 Rz 257 mwN). Eine Aufklärung über Behandlungsalternativen ist nur dann erforderlich, wenn für den konkreten Behandlungsfall mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen (RS0026426 [T11]).
3.1.2. Nach der Rechtsprechung darf die Aufklärungs pflicht weder überspannt werden, noch ein für den Patienten verwirrendes Ausmaß erreichen (vgl RS0026362). Wurde eine umfassende, alle Risiken aufzeigende Selbstbestimmungsaufklärung durch den behandelnden Arzt durchgeführt, so wäre es etwa eine Überspannung der Aufklärungspflicht, dem Arzt auch noch eine solche über mögliche schicksalhafte Krankheitsfolgen aufzubürden (2 Ob 313/01w).
Wollte man nicht nur die Aufklärung über typische Operationsrisiken verlangen, sondern jeweils auch Hinweise auf typische Komplikationen bei Verwirklichung solcher Risiken fordern, würde dies die Aufklärungspflicht in unvertretbarer Weise ausdehnen. Den Patienten müsste oftmals eine derartige Fülle von Informationen gegeben werden, dass ihnen eine Einschätzung der Lage erschwert oder verunmöglicht würde (7 Ob 228/11x; 3 Ob 82/15b; 4 Ob 184/17p; 6 Ob 144/19y; 5 Ob 28/21k). Wäre der Patient etwa darüber aufzuklären, welche überhaupt denkbaren (unterschiedlichsten) Krankheitsbilder bezogen auf die konkret untersuchte Stelle im Körper bei der konkret vorgenommenen Untersuchung jeweils mit welcher Wahrscheinlichkeit (soweit darüber aussagekräftige Statistiken bestehen) falsch beurteilt werden und daher unentdeckt bleiben, müsste ihm eine derartige Fülle von Informationen gegeben werden, dass ihm eine Einschätzung der Lage nicht ermöglicht, sondern erschwert würde. Dies würde die Aufklärungspflicht in unvertretbarer Weise ausdehnen (6 Ob 155/23x; RS0026313 [T32]).
Ähnliches fordert die Berufung aber, wenn sie eine detaillierte Aufklärung über die Häufigkeit oder Wahrscheinlichkeit bzw die Schwere des Risikos jeglicher Komplikationen und Nebenwirkungen verlangt. Die vermisste Darstellung der Schwere des Risikos ist gleichbedeutend mit einer Darstellung der Art der Gesundheitsbeeinträchtigung, die aus dem verwirklichten Risiko resultieren kann (RS0026499 [T9]). Darüber hat der Beklagte die Klägerin ausreichend informiert.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die rechtliche Beurteilung, dass die vom Beklagten vorgenommen Aufklärung der Beklagten ausreichend war, als nicht korrekturbedürftig.
3.2. Hat eine ohne Einwilligung oder ohne ausreichende Aufklärung des Patienten vorgenommene und damit eigenmächtige Behandlung des Patienten nachteilige Folgen, so kann eine schadenersatzrechtliche Haftung des Arztes bzw des Rechtsträgers der Krankenanstalt für diese Folgen eintreten, wenn sich beim Patienten ein Risiko verwirklicht hat. Liegt schon diese Voraussetzung nicht vor, so kommt eine zivilrechtliche Haftung nicht in Betracht (RS0114848).
Nach den Feststellungen traten bei der Klägerin zwar eingriffsrelevante (gemeint dadurch verursachte) Begleiterscheinungen, jedoch keine schweren Komplikationen auf. Über diese Nebenwirkungen der Behandlung wurde die Klägerin aber hinreichend aufgeklärt. Es fehlt damit schon an der schadenskausalen Aufklärungspflichtverletzung. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die Klägerin darüber aufgeklärt, dass Multiple Sklerose eine eigene Dynamik habe, immer wieder aufflammen könne (somit immer mit Schüben zu rechnen sei) und sie die Ursache für das Auslösen von Begleiterscheinungen im Zuge der Behandlung sein könne. Der Beklagte klärte die Klägerin auf, dass es sich bei der Halswirbelsäule um eine äußerst sensible Stelle des Körpers handle und daher bei diesem Eingriff die lebenswichtigste Steuerungsstruktur des Körpers betroffen sein könne. Er informierte sie auch darüber, dass Blutungen, Infektionen und auch weitaus gravierendere Folgen, wie Nervenlähmungen, mögliche Komplikationen des Eingriffs sein können.
Soweit der Berufung zugrunde gelegt wird, dass eine offene Operation bei der künstliche Bandscheiben eingesetzt werden eine gleichwertige, gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethode gewesen wäre, fehlt dem die Grundlage im festgestellten Sachverhalt.
3.3. Soweit die Berufung im Zusammenhang mit der Rechtsrüge zum Behandlungsfehler erneut vorbringt, dass „eine erwiesene kausale Folge eine fehlerhafte Behandlung
indiziere“ ist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen zu diesem Thema zu verweisen.
Der Eintritt von (schweren) Komplikationen steht gerade nicht fest. Auch der Eintritt einer Komplikation lässt aber für sich alleine keinen Rückschluss auf das Vorliegen eines Behandlungsfehlers zu. Aus den zugrunde liegenden Feststellungen ist keineswegs abzuleiten, dass „alle anderen nicht das Rückenmark treffenden Folgen nicht schicksalshaft, sondern dem Eingriff zuzurechnen sind“.
Soweit den Berufungsausführungen zugrunde liegt, dass „ein kausaler Zusammenhang der folgenden Komplikationen festgestellt“ wurde, fehlt dem wiederum die Grundlage im festgestellten Sachverhalt.
3.4. Die Feststellungsgrundlage ist nur dann sekundär mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Partei und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RS0053317). Wenn zu einem bestimmten Thema (positive oder negative) Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können diesbezüglich keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden; es ist nämlich ein Akt der Beweiswürdigung, wenn die vom Rechtsmittelwerber gewünschten (abweichenden) Feststellungen nicht getroffen werden (vgl RS0053317 [T1, T3]).
Soweit vorgebracht wird, dass „ allenfalls noch weitere Feststellungen, insbesondere über die nähere Ursache der festgestellten Komplikationen, zur abschließenden Beurteilung fehlen “ ist völlig unklar, welche Feststellungen die Berufungswerberin vermisst.
Auch soweit vorgebracht wird: „Ob daher der Beklagte alle Möglichkeiten in Betracht gezogen hat, ob er die Klägerin entsprechend über alle Möglichkeiten - auch jene, die außerhalb seines Fachgebietes liegen - ausreichend aufgeklärt hat, ob er zumindest sie aufgefordert hat, noch weitere Erkundigungen einzuholen, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, ist sowohl hinsichtlich des Verhaltens des Beklagten als auch hinsichtlich der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. C* erst durch die Einholung weiterer Gutachten zu beantworten. Es liegt sohin allenfalls auch ein sekundärer Feststellungs- oder Verfahrensmangel vor. Ob der Beklagte die Klägerin lege artis behandelt hat und auch seinen Aufklärungspflichtigen nachgekommen ist, ist erst anhand dieser Gutachten abschließend beurteilbar.“ ist völlig unklar, worin hier eine sekundäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens gegründet sein soll.
3.5. Soweit in der Rechtsrüge erneut die Nichteinholung eines neurologischen und neuroradiologischen Gutachtens gerügt wird, kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Die Berufung vermengt hier Fragen der fachübergreifenden Gesundheitsbehandlung mit jener der Reichweite der Sachkenntnis eines medizinischen Gutachters.
3.6. Damit gelingt es der Berufung auch nicht, eine unrichtige rechtliche Beurteilung aufzuzeigen.
Der unberechtigten Berufung war daher der Erfolg zu versagen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
5. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu klären war. Der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht ist eine Frage des Einzelfalls (RS0026529).
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