JudikaturOLG Wien

21Bs329/25y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
08. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Frigo als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Bahr und Mag. Seidenschwann, LL.B. als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. August 2025, GZ **-11, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** in ** in ** geborene österreichische Staatsbürger A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Wien-Simmering folgende Freiheitsstrafen, und zwar

1. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren, die über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ ** vom (richtig:) 13. Mai 2015 wegen §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 erster und vierter Fall, 15 StGB verhängt wurde;

2. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren, die über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ ** vom 11. März 2013 wegen §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB verhängt wurde;

3. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten, die über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ ** vom 2. März 2020 wegen §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 StGB verhängt wurde;

4. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren und sechs Monaten, die über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu AZ ** vom 5. Juli 2023, rechtskräftig seit 25. Oktober 2023, wegen §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 und 2, 15; 229 Abs 1 StGB; § 50 Abs 1 Z 3 WaffG verhängt wurde.

Das errechnete Strafende fällt auf den 12. Jänner 2028. Die zeitliche Voraussetzung für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG ist seit 12. September 2023 erfüllt.

Zuletzt wurde mit Beschlüssen des Oberlandesgerichts Wien zu AZ 21 Bs 143/20p und AZ 21 Bs 412/20x, somit zeitlich vor seiner letzten Verurteilung, die bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG abgelehnt.

Nunmehr beantragte der Strafgefangene mit Schreiben vom 14. Juli 2025, eingelangt am 16. Juli 2025 (ON 2), erneut seine bedingte Entlassung.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. August 2025 (ON 11) lehnte das Landesgericht für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht den neuerlichen Antrag des A* auf bedingte Entlassung – ohne Anhörung des Strafgefangenen - in Übereinstimmung mit den Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft (ON 1.3) und der Anstaltsleitung (ON 10.1, 7 f) aus spezialpräventiven Erwägungen, insbesondere wegen der Begehung der Taten, für welche der Beschwerdeführer nunmehr (unter anderem) die Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, während der Nicht-Rückkehr von seinem Ausgang im Rahmen des Strafvollzugs und der daraus ableitbaren deliktischen Beharrlichkeit, ab.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig ausgeführte Beschwerde des Strafgefangenen (ON 12). Darin führt er aus, dass der bekämpfte Beschluss hauptsächlich auf seine gerichtlichen Verurteilungen und sein getrübtes Vorleben abziele, jedoch seine zwischenzeitig veränderte Lebenseinstellung und seinen unumstößlichen Drang, drogen- und suchtfrei in seine Zukunft gehen zu wollen, nicht berücksichtige. Er bestrebe nicht nur, sich einer stationären Drogentherapie zu unterziehen, sondern auch endgültig ein rechtstreues Leben zu führen. Es sei zwar richtig, dass er vom 21. Jänner 2023 bis zum 30. März 2023 von einem Ausgang nicht zurückgekehrt sei, dies sei jedoch aufgrund einer Notlage heraus geschehen. Aus diesem, bereits zweieinhalb Jahre zurückliegenden Verhalten, könne nicht auf ein hohes Rückfallrisiko geschlossen werden. Die ihm zur Last gelegten Ordnungswidrigkeiten seien kein Zeichen eines verwerflichen oder verpönten Verhaltens und seiner Arbeitspflicht komme er ordnungsgemäß nach.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

A* weist neben den in Vollzug stehenden Verurteilungen weitere sieben einschlägige Vorstrafen überwiegend wegen Vermögens- und Suchtmitteldelinquenz auf. Dabei wurde er bereits mehrfach mit dem Haftübel konfrontiert und kam auch schon in den Genuss eines Strafaufschubs gemäß § 39 SMG zur Absolvierung einer stationären Therapie, die er jedoch abbrach und stattdessen wiederum einschlägig rückfällig wurde (vgl ON 6, 12 und 20), weshalb der Strafaufschub widerrufen werden musste. Zudem wurde er bereits mehrfach während ihm bewilligter Ausgänge einschlägig straffällig (ON 7, 3; ON 8, 2 ff).

A* wird in der Justizanstalt Wien-Simmering im Normalvollzug angehalten und ist in der Schlosserei beschäftigt. Der Stellungnahme des Anstaltsleiters lässt sich entnehmen, dass seine Führung und Arbeitsleistung nicht hausordnungsgemäß seien und bereits zahlreiche Ordnungsstrafen verhängt werden haben müssen. Im Falle seiner Entlassung verfüge A* über eine Wohnmöglichkeit sowie die Möglichkeit eine stationäre Therapie zu absolvieren und erklärte sich bereit, eine Psychotherapie zu absolvieren (Bestätigungen siehe ON 2, 4 f).

Seit er von einem seiner bis dahin 67 Ausgängen am 21. Jänner 2023 nicht zurückkehrte und erst am 30. März 2023 nach Festnahme durch die Polizei zum weiteren Strafvollzug wieder in die Justizanstalt Wien-Simmering eingeliefert wurde, wurden ihm keine weiteren Vollzugslockerungen gewährt, zumal er mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen vom 5. Juli 2023 zu AZ ** für die während dieses „Ausgangs“ begangenen Straftaten zu der nunmehr in Vollzug gesetzten Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde (ON 4, Punkt 12).

Aus dem Vollzugsverlauf ergeben sich allein innerhalb der letzten drei Jahre aufgrund diverser Ordnungswidrigkeiten insgesamt zumindest 15 gegen ihn verhängte Ordnungsstrafen, zuletzt am 16. Juni 2025 wegen des unerlaubten Besitzes eines CD-Players, eines Schraubenziehers und eines manipulierten Kabels (ON 10.1, S 5 ff).

Die Anstaltsleitung sprach sich aufgrund des getrübten Vorlebens und der zahlreichen disziplinären Auffälligkeiten während der Haft gegen die nunmehr beantragte bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug aus (ON 10.1, 8).

Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist ein Strafgefangener spätestens nach zwei Dritteln des Vollzuges der Strafzeit bedingt zu entlassen, wenn anzunehmen ist, dass diese, allenfalls in Verbindung mit Maßnahmen entsprechend den §§ 50 bis 52 StGB, zumindest gleich wirksam wie der weitere Strafvollzug ist. Dabei ist gemäß Abs 4 leg cit. auch auf Umstände Bedacht zu nehmen, durch die sich die Verhältnisse, unter denen die Tat(en) begangen wurden, durch die bisherige Haft, insbesondere durch während der Haft begonnene Maßnahmen, die der Strafgefangene in Freiheit fortzusetzen bereit ist, geändert haben. Die Anwendung der Zwei-Drittel-Entlassung soll nach erkennbarer Intention des StRÄG 2008 der Regelfall sein und der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallrisikos beschränkt bleiben ( Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 46 Rz 17).

Gerade ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, wie insbesondere der Art der Tat, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit.

Aus den vielen in jüngster Vergangenheit begangenen und bereits erörterten Ordnungswidrigkeiten ergibt sich, dass für die Behauptungen des Strafgefangenen, dass er aus seinem Verhalten, insbesondere im Zusammenhang mit seiner Nicht-Rückkehr vom Ausgang am 21. Jänner 2023 eine Lehre gezogenen habe, keinerlei objektivierbarer Anhaltspunkt besteht.

Wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, ist entgegen der Behauptungen des Strafgefangenen bei der anzustellenden Prognose von einer hohen Rückfallwahrscheinlichkeit auszugehen, sodass spezialpräventive Aspekte gegen eine bedingte Entlassung sprechen.

Dem Strafgefangenen wurde bereits die Rechtswohltat der teilbedingten Strafnachsicht samt Anordnung von Bewährungshilfe gewährt, welche ihre Wirkung für ein normgetreues Verhalten verfehlte. Vielmehr wurde er innerhalb offener Probezeit, während eines gemäß § 39 SMG gewährten Strafaufschubs sowie mehrfach während ihm bewilligter Ausgänge erneut einschlägig straffällig. Auch die mehrfache Konfrontation mit dem Haftübel konnte den Verurteilten nicht von neuerlichen Straftaten abhalten.

Unter Berücksichtigung seines bisherigen, von beharrlicher Delinquenz geprägten Vorlebens, seiner nicht der Hausordnung entsprechenden Führung und den damit in Zusammenhang stehenden Ordnungswidrigkeiten ist nicht von der im Gesetz geforderten günstigen Zukunftsprognose in dem Sinne, dass erwartet werden kann, dass der Strafgefangene nunmehr durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Haft von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten werden könnte, auszugehen.

Vielmehr ist weiterhin von einem evidenten Rückfallrisiko auszugehen, woran weder die zugesagte stationäre Therapiemöglichkeit noch die absolvierte Psychotherapie, zu deren Fortsetzung sich der Strafgefangene bereit erklärte, etwas zu ändern vermögen.

Das Erstgericht hat zu Recht unter Hinweis auf das beträchtlich einschlägig getrübte Vorleben des Strafgefangenen im Zusammenhalt mit der bisherigen Wirkungslosigkeit von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB von einer bedingten Entlassung Abstand genommen.

Da der angefochtene Beschluss der Sach und Rechtslage entspricht, war der dagegen erhobenen Beschwerde ein Erfolg zu versagen.