JudikaturOLG Wien

31Bs58/25v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen §§ 15, 84 Abs 4 StGB über die Berufung des Genannten wegen Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. Jänner 2025, GZ **-15.1, nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Dr. Schwab, im Beisein des Richters Mag. Weber LL.M. und der Richterin Mag. Marchart als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Strnad sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seines Verteidigers Mag. Johannes Helm sowie der Schriftführerin RiAA Mag. Weiß durchgeführten Berufungsverhandlung am 28. August 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene russische Staatsangehörige A* wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt und nach § 84 Abs 4 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Weiters wurde der Angeklagte gemäß § 369 Abs 1 StPO schuldig erkannt, dem Privatbeteiligten B* 1.000 Euro binnen 14 Tagen zu zahlen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat A* am 24. August 2024 in ** B* am Körper verletzt und an der Gesundheit geschädigt, und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine an sich schwere Körperverletzung mit Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit von mehr als 24-tägiger Dauer des B* herbeizuführen versucht, indem er dem am Boden liegenden B* einen wuchtigen Fußtritt gegen den Kopf versetzte, wodurch B* diverse oberflächliche Verletzungen des Kopfes, nämlich Hämatome im Gesichtsbereich, eine Rissquetschwunde an der Oberlippe sowie eine Nasen- und Ohrenprellung erlitt.

Bei der Strafbemessung wertete die Erstrichterin als erschwerend keinen Umstand, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, dass es bei den schweren Verletzungsfolgen beim Versuch blieb.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Angeklagten unmittelbar nach der Urteilsverkündung angemeldete „volle Berufung“ (ON 15, 17), die zu ON 16.2 - unter Zurückziehung der Berufung wegen Nichtigkeit - wegen Schuld und Strafe ausgeführt wurde, mit der er eine Urteilsaufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht, in eventu eine Beweiswiederholung und einen Freispruch, in eventu eine Herabsetzung der Strafe anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung wegen Schuld ist nicht berechtigt. Die Erstrichterin unterzog die wesentlichen Verfahrensergebnisse einer denkrichtigen und lebensnahen Würdigung und legte nach erschöpfender Beweisaufnahme und unter Einbeziehung des von den Beteiligten in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks überzeugend dar, wie sie zu den für den Schuldspruch maßgeblichen Feststellungen in objektiver wie auch subjektiver Hinsicht gelangte und warum der Einlassung des Angeklagten sowie den Aussagen der Zeugen C* und D* zum für den Schuldspruch wesentlichen Tatgeschehen nicht gefolgt wurde (US 5 ff). Zum vom Angeklagten gegen den Kopf von B* ausgeführten Fußtritt konnte sich die Erstrichterin auf die widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Angaben der Zeugen Insp E* (ON 15, 12 ff) und Insp F* (ON 15, 14 ff) stützen, wobei sie sich auch mit den Diskrepanzen der Aussagen betreffend die genaue Position des Zeugen D* auseinandersetzte.

Die Feststellungen zu den Verletzungen konnte die Erstrichterin zudem auf die von der Polizei angefertigten Lichtbilder (ON 2.17) sowie den polizeiärztlichen Befund (ON 12.3), der sich wiederum auf die Befunde der Klinik ** bezog (vgl ON 2.12), stützen und zog logisch nachvollziehbar den Schluss, dass die im Kopfbereich erlittenen Verletzungen auf den Fußtritt zurückzuführen waren.

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite leitete die Erstrichterin zulässigerweise und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht anders möglich (RIS-Justiz RS0116882 und RS0098671) aus den objektiven Tatumständen ab.

All diesen Erwägungen kann die Berufung nur eigene, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen entgegensetzen, die die oben dargestellten Erwägungen aber nicht einmal im Ansatz erschüttern. Der Einwand, die Erstrichterin habe sich mit vermeintlichen Widersprüchen zwischen dem Amtsvermerk (ON 4.4) und der Aussage der Zeugin Insp F* (ON 15, 14 f) zur jeweiligen Position der Beteiligten - als sie von der Zeugin erstmals wahrgenommen wurden - nicht (ausreichend) auseinandergesetzt greift schon deshalb nicht, weil zwischen Amtsvermerk und Aussage kein Widerspruch erkennbar ist. Beide Male beschrieb die Zeugin eine der Personen (jeweils D*) als weiter abseits stehend.

Die Behauptung, die Zeugin habe in der Hauptverhandlung ausgeführt, die Beteiligten „auch aufgrund der verwendeten Sprache“ unterschieden zu haben, ist anhand des Akteninhalts nicht nachvollziehbar. Schließlich gab die Zeugin auch in der Hauptverhandlung an, die (weiß gekleideten) Personen anhand der Statur unterschieden zu haben. Zusätzlich führte sie in der Hauptverhandlung nur aus, sie habe sich von D* einen Ausweis zeigen lassen und mit ihm gesprochen (ON 15, 14 f), nicht aber, dass das ein Unterscheidungsmerkmal für sie gewesen sei.

Vor dem Hintergrund, dass die relativ zu D* „stärkere Statur“ des Angeklagten bei der Identifizierung relevant war (vgl ON 4.4, 2 und ON 15, 14) und die zum Fußtritt leugnende Einlassung des Angeklagten nachvollziehbar als Schutzbehauptung beurteilt wurde, ist nicht plausibel, warum sich das Erstgericht im Detail mit der Aussage des Angeklagten, er wirke auf dem Lichtbild (gemeint Bild Nr 3 in ON 18) dünner und habe seit dem Vorfall zugenommen (ON 15, 4), hätte auseinandersetzen müssen.

Sämtliche Ausführungen am Schuh des Zeugen D* zu den „Blutanhaftungen“ sind rein spekulativer Natur und bedürfen schon deswegen keiner weiteren Erörterung, weil im Ermittlungsverfahren tatsächlich nie geklärt wurde, ob es sich dabei um Blut handelte, und weil auch nicht anzunehmen ist, dass bei einem Tritt gegen das Gesicht sofort Blut austritt und am Schuh anhaftet. Insofern kann es auch dahingestellt bleiben, wie die roten Flecken auf die Schnürsenkel kamen.

Da somit auch das Rechtsmittelgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage hegt, hat der Schuldspruch Bestand.

Zur in der Berufung wegen Strafegeltend gemachten Alkoholisierung des Täters ist auszuführen, dass ein Handeln in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand gemäß § 35 StGB nur insoweit mildernd ist, als die dadurch bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit nicht durch den Vorwurf aufgewogen wird, den der Genuss oder Gebrauch des berauschenden Mittels den Umständen nach begründet. Der Angeklagte, der nach eigenen Angaben vier bis fünf „kleine Spritzer“ getrunken hatte (ON 15, 4), war ausgehend von den mit diesen Angaben in Einklang stehenden Urteilsfeststellungen zwar alkoholisiert, aber nicht relevant beeinträchtigt (US 4).

Für die Frage, ob der Gebrauch des berauschenden Mittels vorgeworfen werden kann, kommt es auf die subjektive Vorhersehbarkeit deliktischen Verhaltens als Folge des übermäßigen Konsums an. Dafür ist die persönliche Erfahrung des Täters ausschlaggebend; sie wird immer dann zu bejahen sein, wenn der Täter zumindest schon einmal in einem solchen Zustand straffällig geworden ist. Auch ohne eine entsprechende Verurteilung kann das Wissen um eine durch übermäßigen Alkoholgenuss gesteigerte Aggressions- und Gewaltbereitschaft den Vorwurf begründen, sowie etwa auch ein bewusst exzessiver Alkoholkonsum (siehe Riffel in Höpfel/Ratz, WK 2StGB § 35 Rz 4 und RIS-Justiz RS0091098 und RS0091046). Im konkreten Fall gibt es keinen Hinweis auf eine dem Angeklagten bekannte Aggressionsneigung unter Alkoholeinfluss oder auf einen bewusst exzessiven Alkoholkonsum des Genannten, der mit Freunden den G* besuchte und dort in einem nicht bekannten Zeitraum bis zum Vorfallszeitpunkt maximal fünf Spritzer trank. Daher kommt der Berauschung auf Grund des relativ geringgradigen Rauschzustandes nur eine eingeschränkte mildernde Wirkung zu.

Im Übrigen hat das Erstgericht die besonderen Strafzumessungsgründe vollständig und richtig angeführt. Weitere mildernde Umstände konnte der Angeklagte nicht für sich ins Treffen führen.

Zwar änderte sich die Strafzumessungslage ausschließlich zum Vorteil des Angeklagten, doch ist beim gegebenen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe die vom Erstgericht ausgemessene Sanktion tat- und schuldangemessen und einer Reduktion nicht zugänglich. Mit dieser Sanktion wurde auch den – bei einer auf einem Bezirksfest aus nichtigem Anlass gesetzten Tätlichkeit infolge eines zunächst vom Angeklagten ausgehenden Wortwechsels (vgl ON 15, 3) - gewichtigen generalpräventiven Aspekten (RIS-Justiz RS0090600) entsprechend Rechnung getragen.