21Bs293/25d – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Maruna als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Gruber und die Richterin Dr. Koller als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft St. Pölten gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 28. Juli 2025, GZ ** 7, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der am ** geborene marokkanische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt St. Pölten die über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. September 2023, rechtskräftig seit diesem Tag wegen §§ 27 Abs 1 Z 1 achter Fall; 27 Abs 2a; 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die zunächst gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, jedoch mit der nächstfolgenden Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 26. November 2024, AZ ** (ON 3.2) widerrufen wurde, sowie die mit diesem Urteil über A* wegen §§ 28a Abs 1 fünfter Fall; 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG, §§ 224a fünfter Fall; 15, 269 Abs 1 dritter Fall StGB verhängte Freiheitsstrafe von 15 Monaten.
Die von A* insgesamt zu verbüßende Strafzeit beträgt somit insgesamt 21 Monate.
Das unter Berücksichtigung von § 148a StVG errechnete Strafende fällt auf den 13. Mai 2026, die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit waren am 28. Juni 2025 erfüllt, jene nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit werden am 13. Oktober 2025 vorliegen.
Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Landesgericht St. Pölten als zuständiges Vollzugsgericht – entgegen der ablehnenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.5), jedoch in Übereinstimmung mit der eine bedingte Entlassung befürwortenden Äußerung des Leiters der Justizanstalt St. Pölten (ON 2.2, 2) - die bedingte Entlassung des A* gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit am 13. Oktober 2025 aus und bestimmte die Probezeit mit drei Jahren.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der diese zusammengefasst unter Verweis auf die aus dem raschen Rückfall des A* unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft am 12. September 2023 ableitbaren spezialpräventiv negativen Prognose die Ablehnung der bedingten Entlassung des A* begehrt wird.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Nach § 46 Abs 1 StGB ist nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird.
Diese Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere der Art der Taten, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit ( Jerabekin WK² StGB § 46 Rz 15a). Die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe soll nach nach erkennbarer Intention des Strafrechtsänderungsgesetzes 2008 den Regelfall darstellen und der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallrisikos des Rechtsbrechers beschränkt bleiben ( Jerabek , aaO Rz 17).
Wenngleich die Staatsanwaltschaft zutreffend darauf hinweist, dass A* unmittelbar nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft zum Verfahren des Landesgerichts für Strafsachen Wien, AZ **, spezifisch einschlägig rückfällig wurde, so ist dem Erstgericht zuzustimmen, dass er nunmehr das Haftübel das erste Mal für längere Zeit verspürt hat, zumal er sich am 13. Oktober 2025 über ein Jahr in Strafhaft befunden haben wird und dem Strafgefangenen damit mit dem notwendigen Maß das Unrecht seiner Taten deutlich vor Augen geführt wurde.
Die von der Staatsanwaltschaft gegen eine bedingte Entlassung ins Treffen geführten Ordnungswidrigkeiten stammen entweder aus der Zeit der Untersuchungshaft (vom 22. August 2023 [ON 6.1], oder wurden am 30. September 2024 und [ON 6.2], am 16. Dezember 2024 [ON 6.3]) gesetzt und liegen damit bereits einige Zeit zurück bzw haben – wie zuletzt am 19. Juni 2025 - die Befüllung eines Wäschenetzes mit gefüllten Wasserflaschen zum Inhalt (ON 6.4). Auch in Verbindung mit den vorgenannten Umständen sind diese daher nicht ausreichend, den Ausnahmefall des vom Gesetzgeber geforderten und die Notwendigkeit des gänzlichen Vollzugs indizierenden evidenten Rückfallrisikos in Übereinstimmung mit dem Vollzugsgericht zu begründen.
Stützende Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB kommen mit Blick auf den aus der IVV ersichtlichen Festnahmeauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht in Betracht.
Der Beschwerde gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beschluss war somit ein Erfolg zu versagen.