Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Nigl, LL.M., und Mag. Müller in der Firmenbuchsache der A* GmbH, FN **, **, wegen Disqualifikation des Geschäftsführers (§ 15 Abs 1a GmbHG iVm § 19a Abs 5 FBG), über den Rekurs der Gesellschaft und des B* C* , geboren am **, **, beide vertreten durch Mag. Wolfgang Friedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 17.3.2025, **-1, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien ist seit 30.4.2015 zu FN ** die A* GmbH ( Gesellschaft ) mit Sitz in ** eingetragen. B* C*, geboren am **, war von der Gründung bis 17.3.2025 als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Gesellschaft im Firmenbuch eingetragen. Seit 17.6.2025 vertritt D* C*, geboren am **, die Gesellschaft selbstständig.
Am 8.1.2025 erhielt das Erstgericht zu ** unter Anschluss der Strafkarte eine Verständigung nach § 19a Abs 4 FBG, dass B* C* mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20.12.2024 zu ** wegen §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden war. Daraufhin forderte das Erstgericht mit Beschluss vom 10.2.2025 die Gesellschaft auf, den Geschäftsführer abzuberufen und für einen anderen Vertreter zu sorgen.
Mit Stellungnahme vom 10.3.2025 äußerte sich B* C* dahingehend, dass keine Disqualifikation seinerseits vorliege, weil § 15 Abs 1a GmbHG gemäß § 127 Abs 28 GmbHG auf Verurteilungen anzuwenden sei, deren Rechtskraft nach dem 31.12.2023 eingetreten sei. Ihm sei keine Verurteilung im Sinne dieser Bestimmung bekannt.
Mit dem angefochtenen Beschluss ordnete das Erstgericht die amtswegige Löschung des B* C* als Geschäftsführer an. Die Eintragung der Löschung erfolgte am 18.3.2025.
Dagegen richtet sich der - rechtzeitige - Rekurs der Gesellschaft und des B* C* wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Antrag, den Beschluss dahingehend abzuändern, dass die Löschung als Geschäftsführer rückgängig gemacht werde.
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1.Die Rekurswerber bekämpfen die Feststellung, dass B* C* laut Strafregister am 20.12.2024, Rechtskraft per 24.12.2024, nach §§ 146 und 147 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden sei. Anstelle dieser Feststellung begehren sie die Ersatzfeststellung, dass B* C* nicht nach diesen Bestimmungen verurteilt worden und sohin nicht im Sinne des § 15 Abs 1a GmbHG als Geschäftsführer disqualifiziert sei.
Das Erstgericht stütze die bekämpfte Feststellung auf das Strafregister. Richtigerweise hätte das Erstgericht aufgrund der Stellungnahme vom 10.3.2025 die begehrte Ersatzfeststellung treffen müssen, weil dem Geschäftsführer keine Verurteilung in diesem Sinne bekannt sei. Bei richtiger Beweiswürdigung hätte das Erstgericht die amtswegige Löschung nicht anordnen dürfen.
2.1. Mit dem Gesellschaftsrechtlichen Digitalisierungsgesetz 2023, BGBl I 178/2023 (GesDigG 2023), wurde Art 13i der RL (EU) 2017/1132 idF (EU) 2019/1151 über disqualifizierte Geschäftsführer in das nationale Recht übernommen. Ziel des Art 13i ist es, betrügerisches oder anderweitig missbräuchliches Verhalten zu verhindern und damit den Schutz aller Personen sicherzustellen, die mit Gesellschaften interagieren, indem die Ernennung einer Person zum Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder zum Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft aus bestimmten Gründen abgelehnt werden kann („ Disqualifikation “). Dazu war von den Mitgliedsstaaten ein System zum grenzüberschreitenden Informationsaustausch über disqualifizierte Geschäftsführer einzurichten und bereits auf Ebene der Gesellschaftsgründungen sicherzustellen, dass Personen, die in der Vergangenheit bestimmte, näher zu konkretisierende, verpönte Handlungen gesetzt haben, nicht als vertretungsbefugte Organe von Kapitalgesellschaften ins Firmenbuch eingetragen werden können. Der österreichische Gesetzgeber erachtete es darüber hinaus als geboten, auch für bereits als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder eingetragene Personen, die später disqualifiziert werden, entsprechende Rechtsfolgen vorzusehen (ErlRV 2228 BlgNR 27. GP 1).
2.2.In Umsetzung der Richtlinie wurden unter anderem in § 15 GmbHG die Absätze 1a und 1b eingefügt, die lauten wie folgt:
„1a) Geschäftsführer darf nicht sein, wer von einem inländischen Gericht rechtskräftig zu einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, sofern die Verurteilung ausschließlich oder auch wegen zumindest einer der folgenden strafbaren Handlungen erfolgt ist (Disqualifikation): Betrug (§ 146 StGB), Untreue (§ 153 StGB), Geschenkannahme durch Machthaber (§ 153a StGB), Förderungsmissbrauch (§ 153b StGB), Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 153c StGB), Betrügerisches Anmelden zur Sozialversicherung oder Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (§ 153d StGB), Organisierte Schwarzarbeit (§ 153e StGB), Betrügerische Krida (§ 156 StGB), Schädigung fremder Gläubiger (§ 157 StGB), Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB), Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB), Unvertretbare Darstellung wesentlicher Informationen über bestimmte Verbände (§ 163a StGB), Geldwäscherei (§ 165 StGB), Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren (§ 168b StGB), Ausgabenseitiger Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union (§ 168f StGB), Missbräuchliche Verwendung von Mitteln und Vermögenswerten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union (§ 168g StGB), Abgabenbetrug (§ 39 FinStrG) oder Grenzüberschreitender Umsatzsteuerbetrug (§ 40 FinStrG). Die Rechtsfolge der Disqualifikation endet drei Jahre nach Rechtskraft der Verurteilung.
(1b) Abs 1a gilt auch für eine derartige Verurteilung wegen einer vergleichbaren strafbaren Handlung durch ein ausländisches Gericht.“
2.3.Dem § 16 GmbHG wurde folgender Abs 3 angefügt: „(3) Ist oder wird ein Geschäftsführer nach § 15 Abs 1a oder 1b disqualifiziert, so hat er unverzüglich seinen Rücktritt zu erklären; dieser wird nach Ablauf von 14 Tagen wirksam.“
2.4.Gemäß § 127 Abs 28 GmbHG sind die §§ 15 Abs 1a und 1b sowie 16a Abs 3 GmbHG auf Verurteilungen anzuwenden, deren Rechtskraft nach dem 31. Dezember 2023 eingetreten ist.
2.5. Korrespondierend dazu wurde auch im Firmenbuchgesetz ein neuer § 19a eingefügt, der unter anderem folgende Regelungen beinhaltet:
„Disqualifizierte Personen
§ 19a
(1) Als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder als Vorstandsmitglied, Verwaltungsratsmitglied oder geschäftsführender Direktor einer Aktiengesellschaft, Europäischen Gesellschaft (SE), Genossenschaft oder Europäischen Genossenschaft (SCE) darf nicht in das Firmenbuch eingetragen werden, wer nach § 15 Abs 1a oder 1b GmbHG, … disqualifiziert ist. Ob eine solche Disqualifikation vorliegt, ist vom Firmenbuchgericht durch eine automationsunterstützte Abfrage aus dem Strafregister (Vorprüfung) und erforderlichenfalls durch die Einholung einer Strafregisterauskunft amtswegig zu ermitteln.
…
(3) Wird eine Person als Organmitglied im Sinn des Abs 1 zum Firmenbuch angemeldet, der die Rechtsfolge der Disqualifikation nach § 44 Abs 2 StGB bedingt nachgesehen wurde, so ist dies anzugeben und nachzuweisen.
(4) Bei jeder die Rechtsfolge der Disqualifikation nach § 15 Abs 1a oder 1b GmbHG, … auslösenden Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist durch einen automationsunterstützten Abgleich der Strafkarte mit dem Firmenbuch zu ermitteln, ob die verurteilte Person bereits als Organmitglied im Sinn des Abs 1 im Firmenbuch eingetragen ist. Ist dies der Fall, so ist das für die Gesellschaft zuständige Firmenbuchgericht automationsunterstützt von der Verurteilung der betreffenden Person zu verständigen.
(5) Aufgrund einer Verständigung nach Abs 4 hat das Firmenbuchgericht nach Abs 1 zweiter Satz vorzugehen. Im Fall einer Disqualifikation hat das Gericht die Gesellschaft aufzufordern, die disqualifizierte Person unverzüglich abzuberufen und erforderlichenfalls für einen anderen gesetzlichen Vertreter zu sorgen. Kommt die Gesellschaft dieser Aufforderung nicht binnen einer Frist von längstens zwei Monaten nach, so ist die disqualifizierte Person von Amts wegen zu löschen. Nach Rechtskraft des Löschungsbeschlusses und Ablauf einer Frist von 15 Tagen nach Eintragung der Löschung gilt die Person als abberufen; auf diese Rechtsfolge ist im Löschungsbeschluss hinzuweisen.
(6) Wurde einer bereits als Organmitglied im Sinn des Abs 1 im Firmenbuch eingetragenen Person die Rechtsfolge der Disqualifikation nach § 44 Abs 2 StGB bedingt nachgesehen, so ist dies dem zuständigen Firmenbuchgericht unverzüglich mitzuteilen und nachzuweisen ….“
2.6. Klarstellend wurde in den Gesetzesmaterialien ausgeführt, dass es sich bei der Disqualifikation um eine Rechtsfolge nach einer qualifizierten Verurteilung handelt, die ex legeeintritt. Ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Verurteilung liegt ein materielles Hindernis für die Bestellung zum Geschäftsführer/Vorstand oder die weitere Ausübung dieser Funktion vor. Ein bereits bestellter Geschäftsführer muss nach § 16a Abs 3 GmbHG seinen Rücktritt erklären (ErlRV 2228 BlgNR 27. GP 2).
3. Die Rekurswerber übersehen, dass der angefochtene Beschluss keine Feststellungen enthält und es sich bei der Disqualifikation um eine Rechtsfolge nach einer qualifizierten Verurteilung handelt, die ex lege eintritt. Das Firmenbuchgericht hatgemäß § 19a Abs 5 iVm Abs 1 FBG die disqualifizierte Person von Amts wegen zu löschen, wenn – wie hier - keine Abberufung durch die Gesellschaft erfolgt.
Aus der Strafkarte ergibt sich, dass der Geschäftsführer am 20.12.2024 vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu ** nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wurde. Die Verurteilung wurde am 24.12.2024 - somit nach dem in § 127 Abs 28 GmbHG genannten Zeitpunkt - rechtskräftig. Damit liegen die Voraussetzungen der Disqualifikation vor. Ob die Verurteilung dem Geschäftsführer bekannt war, spielt für den Eintritt der Rechtsfolge keine Rolle.
4. Dem unberechtigten Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
5.Einer Bewertung des Entscheidungsgegenstandes nach § 59 Abs 2 AußStrG bedarf es nicht, weil nicht über eine rein vermögensrechtliche Angelegenheit zu entscheiden war. Firmenbuchsachen sind im Regelfall keine rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten (vgl RS0110629 [T2]).
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses beruht auf §§ 59 Abs 1 Z 2, 62 Abs 1 AußStrG. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung lag nicht zur Beurteilung vor.
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