Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Guggenbichler und die Richterin Mag. a Müller in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geb. **, **, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B* Limited., **, MALTA, vertreten durch die Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen EUR 34.453 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für ZRS Wien vom 3.2.2025, GZ **-12, in nichtöffentlicher Sitzung I. beschlossen und II. zu Recht erkannt:
I.1 Der Antrag der beklagten Partei, das Berufungsverfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-683/24 zu unterbrechen, wird abgewiesen .
I.2 Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen.
II. Der Berufung wird im Übrigen nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.531,42 bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung (darin EUR 588,57 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe :
Die Beklagtemit Sitz in Malta betreibt die Website **. Diese ist auch in Österreich abrufbar und auf Deutsch zugänglich. Die Beklagte bietet auf dieser Website Internet-Glücksspiel an. Dafür verfügt sie über eine Lizenz der maltesischen Glücksspielbehörde, der Malta Gaming Authority. Über eine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz (GSpG) verfügt die Beklagte nicht.
Die in Österreich wohnhafte Klägerin registrierte sich im November 2022 auf der Homepage ** und richtete dort unter Angabe ihrer E-Mail-Adresse „ ** “ einen Account zur Teilnahme am Online-Glücksspiel ein. Die Klägerin erklärte sich bei der Anmeldung auf der oben angeführten Internetseite mit den per Mausklick abrufbaren AGB der Beklagten und damit auch mit der darin enthaltenen Rechtswahlklausel einverstanden. Es findet sich in den AGB der Beklagten kein Hinweis darauf, dass sich die Klägerin nach Art 6 Abs 2 der Rom I-VO auf den Schutz der zwingenden Bestimmungen des im Staat ihres gewöhnlichen Aufenthalts geltenden Rechts berufen kann. Die Klägerin erlitt im Zeitraum 4.11.2022 bis 25.8.2023 Spielverluste in Höhe des Klagebegehrens.
Die Klägerinbegehrte die Rückzahlung ihrer Spielverluste aus dem Titel der unrechtmäßigen Bereicherung und des Schadenersatzes. Sie brachte im Wesentlichen vor, sie sei Verbraucherin, die Beklagte Unternehmerin, die ihre gewerbliche Tätigkeit in Österreich ausübe. Gemäß Art 18 Abs 1 EuGVVO habe die Klägerin als Verbraucherin das Recht, bei den Gerichten ihres Wohnsitzstaats zu klagen und aus demselben Grund sei nach Art 6 Abs 1 der Rom I- VO österreichisches Recht anwendbar. Die Rechtswahl in den AGB der Beklagten sei nicht wirksam, weil sich darin kein Hinweis für Verbraucher finde, dass sie nach Art 6 Abs 2 der Rom I-VO auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießen, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre. Die mit der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielverträge seien wegen des Fehlens einer Konzession der Beklagten nach dem österreichischen GSpG gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig. Die Beklagte habe rechtswidrig und schuldhaft gegen die einschlägigen Bestimmungen des GSpG verstoßen.
Die Beklagtebestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wendete zusammengefasst ein, dass sie ihr Online-Glückspiel auf Basis aufrechter und gültiger Glücksspiellizenzen anderer EU-Staaten anbiete, sodass kein unerlaubtes Glücksspiel vorliege. Das österreichische GSpG sei unionsrechtswidrig, weil es in nicht gerechtfertigter bzw unverhältnismäßiger Weise in die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art 56 AEUV eingreife. Die dem Primärrecht entgegenstehenden Normen des GSpG, insbesondere das staatliche Glücksspielmonopol sowie die Konzessionspflicht, hätten folglich aufgrund des Vorranges des Unionsrechtes unberücksichtigt zu bleiben. Die österreichischen Glücksspielregulierungen seien in ihrer Gesamtheit inkohärent und würden nicht den vom EuGH vorgegebenen Anforderungen entsprechen, um einen Eingriff in eine primärrechtlich gewährleistete Grundfreiheit zu rechtfertigen. Die hierzu ergangene Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte sei im Lichte der Judikatur des EuGH verfehlt bzw. überholt.
Die Beklagte biete ihr Online-Glücksspiel daher rechtmäßig an und die mit der Klägerin geschlossenen Glücksspielverträge seien folglich wirksam. Die aggressive und expansionistische Werbepraxis des österreichischen de facto-Monopolisten überschreite die vom EuGH entwickelten Schranken eindeutig, die Werbepraxis sei daher nicht mit Unionsrecht vereinbar. Seit der Entscheidung des EuGH zu C-429/22 vom 14.3.2024 sei österreichisches Recht nicht mehr anwendbar, da Art 6 Rom I-VO abschließenden Charakter habe. Die Kollisionsnormen dieses Artikels dürften nicht durch andere Kollisionsnormen der Rom I-VO geändert oder ergänzt werden, sodass kein anderes Recht gewählt werden dürfe, selbst wenn dieses für den Verbraucher günstiger wäre.
Nach österreichischem Recht sei jedoch der Rückforderungsanspruch gemäß § 1174 Abs 1 S 1 ABGB ausgeschlossen und würde auch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Ein Schadenersatzanspruch sei ausgeschlossen, weil gar kein Schaden bei der Klägerin vorliege. Diese habe genau das bekommen, was sie gewollt habe, nämlich die Dienstleistung „Glücksspiel“.
Die Beklagte bestritt weiters die Verbrauchereigenschaft der Klägerin und die Höhe des Klagebegehrens.
Schließlich beantragte sie die Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH zu C-683/24, in der wesentliche präjudizielle Vorfragen zur Zulässigkeit der in Malta eingeführten „Exekutionssperre“ (Bill 55/56a) geklärt werden. Bis zur Entscheidung durch den EuGH seien die Verfahren zur Rückforderung von Glücksspielverlusten als aussichtslos zu qualifizieren, weil der Anspruch in Malta nicht durchsetzbar sei.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt.
Es traf die auf den Seiten 1, 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung ersichtlichen, eingangs der Berufungsentscheidung zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen, auf die verwiesen wird, und folgerte rechtlich (zusammengefasst und soweit für das Berufungsverfahren relevant), die Klägerin sei als Verbraucherin iSd Art 17 EuGVVO zu qualifizieren. Gemäß Art 18 EuGVVO habe sie daher ein Wahlrecht zwischen den zuständigen Gerichten des Sitzstaats der Beklagten und jenen Österreichs. Das Erstgericht sei somit international zuständig.
Der EuGH sehe nationale Restriktionen der europarechtlichen Grundfreiheiten, im konkreten Fall jene der Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 AEUV, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses als gerechtfertigt an. Solche zwingende Gründe seien im Bereich des Glücksspiels der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Bekämpfung der Spielsucht (EuGH C-98/14, Berlington Hungary; C-338/04 ua, Placanica ua; OGH 10 Ob 52/16v; RS0125825). Dabei verfügten die Mitgliedstaaten über ein weites Ermessen, ob Maßnahmen, welche das Glücksspiel einschränken, zur Erreichung dieser Ziele erforderlich seien (EuGH C-463/13, Stanley International). Die Beschränkungen durch die Mitgliedstaaten müssten jedoch den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügen, dh geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und dürften nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei.Am 18.5.2021 habe der EuGH in der Rechtssache Fluctus/Fluentum (C-920/19) abermals die Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols bestätigt. Die „aktuellen“ Werbemaßnahmen der österreichischen Konzessionsinhaber habe er als kohärent angesehen. Auch innerstaatlich bestehe zur Vereinbarkeit des österreichischen Glücksspielmonopols mit den unionsrechtlichen Vorgaben eine gefestigte Judikatur des OGH dahingehend, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen nicht gegen Unionsrecht verstoße. Insbesondere gehe der OGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt (vor allem der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) im Einklang mit allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts stehe. Die Beurteilung des OGH entspreche sowohl der ständigen Rechtsprechung des VfGH als auch jener des VwGH. Die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols sei daher abschließend beantwortet, dieses stehe im Einklang mit den primärrechtlichen Grundfreiheiten.
Da der Glücksspielvertrag zwischen Klägerin und Beklagter als Verbrauchervertrag zu qualifizieren sei und die Beklagte entsprechend den Feststellungen ihre Werbung auf Österreich ausrichte, sei gemäß Art 6 Abs 1 der Rom I-VO österreichisches Recht anzuwenden.
Die von der Beklagten angebotenen Spiele seien mangels Glücksspielkonzession nach österreichischem GSpG nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB, weil verboten im Sinne des § 1174 Abs 2 ABGB. Die Beklagte könne sich nicht auf den Anwendungsvorrang der Dienstleistungsfreiheit nach Art 57 ff AEUV berufen. Nach ständiger Rechtsprechung erzeugten verbotene Spiele nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer könne daher die gezahlte Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünde, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht worden sei.
Auch das Vorbringen, dass eine Rückforderung dem allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz „nemo auditur“ widersprechen würde, sei nicht zutreffend.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen, hilfsweise es dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; ebenfalls hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Weiters beantragt die Beklagte, das Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rs C-683/24 zu unterbrechen (Berufung I.6.).
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
I.1Das zu C-683/24 anhängige Vorabentscheidungsersuchen betrifft Auslegungszweifel im Zusammenhang mit Art 45, 46 und 52 EuGVVO und der „Anerkennungssperre“ Maltas in Bezug auf „Glücksspielurteile“ und damit keine auch hier maßgebliche gemeinschaftliche Rechtsvorschrift. Eine Unterbrechung des Berufungsverfahrens ist daher nicht geboten (vgl zB 2 Ob 198/24t; 2 Ob 194/24d).
I.2Mit dem Argument der Beklagten zu ihrem Einwand der Nichtigkeit des Ersturteils mangels örtlicher und internationaler Zuständigkeit nach § 477 Abs 1 Z 3 ZPO (Berufung I.1.), wonach eine unmittelbare Anwendung von Art 17 und 18 EuGVVO 2012 dem Wortlaut des Art 17 EuGVVO 2012 widerspreche, weil die Klägerin keinen Anspruch aus einem Vertrag, sondern einen gesetzlichen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend mache, setzte sich der Oberste Gerichtshof in der E zu 9 Ob 75/22b explizit auseinander und kam zu dem Ergebnis, dass von den Regelungen der Art 17 ff EuGVVO 2012 auch Streitigkeiten über das Zustandekommen eines Vertrags sowie vertragliche (Rückabwicklungs-)Ansprüche erfasst sind.
Untrennbar mit einem Verbrauchervertrag sind auch die vom Verbraucher geltend gemachten, der Rückabwicklung eines unwirksamen (nichtigen) Vertrags dienenden bereicherungsrechtlichen Ansprüche verbunden. Dieser Entscheidung setzt die Beklagte nichts Substanzielles entgegen, weshalb die Berufung wegen Nichtigkeit zu verwerfen war.
II. Zu den sonstigen Berufungsgründen:
1. Mangelhaftigkeit des Verfahrens:
1.1. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt die Beklagte einen Begründungsmangel, weil sich das Erstgericht die Feststellungen zu den erlittenen Verlusten der Klägerin sowie dazu, dass diese von Österreich aus auf die Website der Beklagten zugegriffen und von hier aus die Spielverluste erlitten habe, nicht nachvollziehbar und schlüssig begründet habe.
Gemäß § 272 Abs 3 ZPO sind die Umstände und Erwägungen, welche für die Überzeugung des Gerichts maßgebend waren, in der Begründung der Entscheidung anzugeben. Der Richter muss in knapper, überprüfbarer und logisch einwandfreier Form darlegen, warum er aufgrund bestimmter Beweis- oder Verhandlungsergebnisse bestimmte Tatsachen festgestellt hat, damit sowohl die Parteien als auch das Rechtsmittelgericht die Schlüssigkeit seines Werturteils überprüfen können (RS0040122). Ein Begründungsmangel liegt dann vor, wenn dem angefochtenen Urteil nicht die Erwägungen zu entnehmen sind, die zu den getroffenen Feststellungen geführt haben ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 272 ZPO Rz 1 und 3), wenn die Beweiswürdigung offensichtlich leichtfertig, oberflächlich oder willkürlich erfolgte bzw wenn sich das Erstgericht mit wesentlichen Verfahrensergebnissen überhaupt nicht auseinandergesetzt hat ( Delle-KarthÖJZ 1993, 18/19 mwN). Nach der Rechtsprechung genügt es aber, wenn der Richter in knapper, jedoch überprüfbarer und logisch einwandfreier Form darzulegen vermag, warum er aufgrund bestimmter Beweis- oder Verhandlungsergebnisse bestimmte Tatsachen festgestellt hat, und sowohl die Parteien als auch das Rechtsmittelgericht die Schlüssigkeit dieser Werturteile zu überprüfen in der Lage sind. Nicht erforderlich ist es jedoch, auf jede einzelne Aussage einzugehen. Ein Begründungsmangel liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn das Erstgericht nicht sämtliche für nicht glaubwürdig erachtete Beweisergebnisse im Einzelnen nennt (2 Ob 206/99d).
Die Beweiswürdigung in der angefochtenen Entscheidung erschöpft sie sich nicht in Leerformeln bzw Kurialfloskeln. Das Erstgericht verwies zur Teilnahme der Klägerin an den von der Beklagten veranstalteten Glücksspielen, den notwendigen Abläufen, um überhaupt am Glücksspielangebot der Beklagten teilzunehmen sowie zur Höhe des Gesamtverlusts auf die überzeugenden Angaben der Klägerin und den von ihr gewonnenen persönlichen Eindruck und stützte die Feststellungen zu den Ein- und Auszahlungen überdies auf die Transaktionsliste (Beilage ./C). Diese Beweiswürdigung ist für das Berufungsgericht überprüfbar, der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor.
1.2 Die Beklagte argumentiert, die Verwertung der von der Klägerin vorgelegten Beilage ./C sei wegen deren Abfassung in englischer Sprache unzulässig.
Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nur dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern. Der Rechtsmittelwerber ist zur Dartuung der abstrakten Eignung des Verfahrensmangels gehalten, wenn die Erheblichkeit des Mangels nicht offenkundig ist (RS0043049 [T6]), was der Berufungswerberin jedoch konkret nicht gelingt. Ihr Argument, das Erstgericht hätte ohne Verwertung dieser Urkunde zu keinen positiven Feststellungen über die Spielverluste der Klägerin kommen können, greift zu kurz. Ein allfälliger Mangel könnte nämlich – wenn überhaupt – nur darin liegen, dass das Erstgericht die Urkunde ohne Übersetzung verwertete (vgl Kodek in Fasching/Konecny³§§ 84, 85 ZPO Rz 99). Dieser Mangel wäre aber nur dann geeignet, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen, wenn die Übersetzung durch das Erstgericht unrichtig gewesen wäre (4 Ob 138/06g). Die Beklagte behauptet jedoch nicht, dass das Erstgericht die Urkunde unrichtig übersetzt bzw wegen eines falschen Verständnisses der in der Urkunde vorkommenden englischen Begriffe daraus unrichtige Schlüsse gezogen hätte. Für die Addition der in ./C genannten Beträge war eine Übersetzung auch nicht erforderlich, weil es auf den wörtlichen Inhalt der Urkunde nicht ankommt.
Die Verwertung der fremdsprachigen Urkunde durch das Erstgericht stellt daher keinen Verfahrensmangel dar.
2. Tatsachenrüge:
Die Beklagte bekämpft die Feststellungen:
„Dabei zahlte sie in Summe EUR 72.940 auf ihr Spielkonto bei der Beklagten ein und erhielt in Summe EUR 38.487 ausbezahlt. Sie erlitt somit Spielverluste in der Höhe von EUR 34.453.“
Stattdessen wird eine negative Feststellung zu den von der Klägerin erlittenen Verlusten begehrt.
Das Erstgericht stützte die bekämpften Feststellungen nicht allein auf die Beilage./C, sondern auch auf die überzeugende Aussage der Klägerin. Warum diese unrichtig sein sollte, legt die Berufung nicht näher dar. Im Übrigen wäre es der Beklagten offengestanden, ihre eigene Aufstellung der Spielverluste der Klägerin vorzulegen, um die mit Beilage./C untermauerten Klagsbehauptungen zu entkräften. Die Argumente der Beklagten sind insgesamt nicht überzeugend und vermögen nicht, erhebliche Zweifel an der Beweiswürdigung des Erstgerichtes aufzuzeigen.
Das Berufungsgericht übernimmt daher auch die bekämpften Tatsachenfeststellungen und legt auch diese der rechtlichen Beurteilung zugrunde.
3. Rechtsrüge:
Zu sämtlichen in der Berufung aufgeworfenen Rechtsfragen besteht umfangreiche und aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die das Erstgericht richtig dargelegt hat. Den Berufungsausführungen, die das Berufungsgericht als nicht stichhältig erachtet, ist daher (gemäß § 500a ZPO) nur entgegenzuhalten:
3.1.Auch mit der Rechtsrüge bekämpft die Beklagte den Zuspruch der Höhe nach und meint, eine Unschlüssigkeit des Klagebegehrens zu erkennen, zumal das Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO nicht erfüllt sei. Der Verweis auf die Beilage ./C sei kein Prozessvorbringen und könne ein solches nicht ersetzen. Jeder von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen müsse ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein. Werde ein Pauschalbetrag ohne Aufschlüsselung verlangt, müsse das Klagebegehren mangels Individualisierung erfolglos bleiben. Die Klägerin habe die Rückforderung von Spielverlusten im Gesamtumfang geltend gemacht, ohne die einzelnen Verluste nach Zeitpunkten und Art des Spiels näher zu präzisieren. Ein einheitlicher Anspruch liege nicht vor.
3.1.1.Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den von ihm zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516). Die Schlüssigkeit verlangt nicht, dass der gesamte „Tatbestand“ vorgetragen wird, sondern es genügt, wenn die rechtserzeugenden Tatsachen vollständig und knapp angeführt werden (RS0036973 [T15]).
3.1.2Setzt sich wie hier ein Anspruch aus zahlreichen Einzelforderungen zusammen, kommt es (auch) auf die Zumutbarkeit einer Aufgliederung an (vgl 1 Ob 94/20k). Gegebenenfalls reicht ein Verweis auf dazu vorgelegte Urkunden aus. Die einzelnen Positionen und die ihnen zugeordneten Beträge müssen dann nicht auch in der Klagserzählung ziffernmäßig angeführt werden (vgl RS0037907 [T14]; RS0037420 [T4]; RS0036973 [T16]; 1 Ob 153/19k; 1 Ob 97/21b).
3.1.3Konkret zur Frage der Notwendigkeit der Aufschlüsselung von Spielverlusten aus über einen längeren Zeitraum hinweg abgeschlossenen Glücksspielverträgen hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 4 Ob 199/16t wie folgt Stellung genommen: „Wenngleich grundsätzlich jeder von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein muss (vgl RS0031014 [T29]), hat es der Oberste Gerichtshof in Fällen, in denen sich ein Begehren aus zahlreichen Einzelforderungen zusammensetzte, die während eines längeren Zeitraums aufgelaufen sind, als Überspannung des Gebots nach einer Präzisierung des Vorbringens angesehen, würde man für jeden einzelnen von unter Umständen hunderten Fällen ein gesondertes, detailliertes Vorbringen fordern (RS0037907). Nicht nur ein einheitlicher Anspruch (vgl dazu RS0037907 [T9]), sondern auch gleichartige Ansprüche können zu einem einheitlichen Begehren zusammengefasst werden, sodass etwa bei Geldleistungsansprüchen nur mehr die Gesamtsumme im Klagebegehren aufscheint (RS0037907 [T1]). Dabei wird wesentlich auf das Kriterium der Zumutbarkeit einer Aufgliederung abgestellt (vgl RS0037907 [T13]).“
3.1.4 Auch hier würde es im Hinblick auf die Vielzahl der Transaktionen laut Beilage ./C eine Überspannung des Gebots der Präzisierung des Vorbringens darstellen, würde man für jeden einzelnen der zahlreichen Glücksspielverträge ein gesondertes, detailliertes Vorbringen fordern. Eine Aufschlüsselung des Klagsbetrags nach einzelnen Glücksspielen war daher nicht erforderlich. Die Zusammenfassung der Spielverluste in einem Begehren samt Konkretisierung des Anspruchs in der Klage aufgrund der Angabe des Zeitraums des wiederholten Spielgeschehens und des Gesamtverlusts ist im Zusammenhalt mit der vorgelegten Beilage ./C – auf welche die Klägerin im Sinne der zitierten Rechtsprechung zulässigerweise verweisen durfte - ausreichend; die behauptete Unschlüssigkeit liegt nicht vor.
3.2 . Die Beklagte beharrt in der Berufung auf ihrem Argument, nach Art 6 Abs 4 lit a Rom I-VO sei maltesisches Recht anzuwenden.
3.2.1Der Oberste Gerichtshof hat in 7 Ob 155/23d im Rahmen eines Verfahrens auf Rückforderung von Glücksspielverlusten gegenüber einem in Malta ansässigen Anbieter von Online-Glücksspielen die in der Entscheidung 7 Ob 213/21f vertretene Ansicht bestätigt, eine Dienstleistung werde nur dann im Sinn des Ausnahmetatbestands des Art 6 Abs 4 lit a Rom I-VO „ausschließlich“ außerhalb des Mitgliedstaats erbracht, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn dieser keine Möglichkeit hat, sie in seinem Aufenthaltsstaat in Anspruch zu nehmen und sich zu diesem Zweck ins Ausland begeben muss. Entgegen den Ausführungen in der Berufung hat der Oberste Gerichtshof daher diesbezüglich seine Rechtsprechung nicht geändert. Die von der Beklagten ins Treffen geführte Entscheidung 10 Ob 56/22s setzt sich nicht mit Art 6 Rom I-VO, sondern (detailliert) mit dem Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Art 7 Nr 1 EuGVVO auseinander. Lediglich im Zusammenhang mit Art 7 Nr 1 lit b EuGVVO führt der Oberste Gerichtshof darin aus, dass sich der Leistungsort im Zweifel parallel zu Art 4 Abs 1 lit b Rom I-VO am gewöhnlichen Aufenthalt des Dienstleisters befinde.
3.2.2. Das in der Berufung genannte Vorabentscheidungsersuchen zu C 429/22, N1 Interactive, betraf die Frage, ob das nach Art 6 Abs 1 Rom I-VO anwendbare Recht selbst dann maßgeblich bleibt, wenn das nach Art 4 Rom I-VO anwendbare Recht für den Verbraucher günstiger wäre. Diese – vom EuGH mit Entscheidung vom 14.3.2024 bejahte – Frage stellt sich in der gegenständlichen Rechtssache aber nicht.
3.2.3.Damit sind alle vertragsrechtlichen Fragen (Art 6 Abs 1 Rom I-VO) und auch die Rückabwicklung infolge Nichtigkeit des Vertrags (Art 12 Abs 1 lit e Rom I-VO) nach österreichischem materiellen Recht zu beurteilen (vgl 6 Ob 226/21k [Rz 10]; 6 Ob 12/22s [Rz 15 f]; 6 Ob 50/22d [Rz 12] uza).
3.3.Ein Rückforderungsanspruch der Klägerin sei aus Sicht der Beklagten zudem gemäß § 1174 Abs 1 Satz 1 sowie § 1432 ABGB ausgeschlossen, weil die Klägerin wissentlich bei einem Anbieter ohne österreichische Konzession gespielt habe. Ihr liege damit ein Verstoß gegen den Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs 5 GSpG zur Last. Ein solches Handeln widerspreche dem Nemo-Auditur-Grundsatz (nemo auditur turpitudinem suam allegans), demzufolge niemand aus dem eigenen rechtswidrigen Verhalten einen Vorteil ziehen dürfe. Die Klägerin habe von vornherein beabsichtigt, allfällige Spielverluste zurückzufordern, Gewinne jedoch schweigend einzustreichen. Die Bösgläubigkeit und Schädigungsabsicht sei daher evident. Es liege daher auch ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor.
Bereits wiederholt hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein verbotenes Online-Glücksspiel nicht entgegensteht. Dies insbesondere deswegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern, um am Spiel teilzunehmen und weil ein Belassen der Zahlung dem Zweck des Verbots des konzessionslosen Veranstaltens, Organisierens, Anbietens oder Zugänglichmachens von Glücksspiel widerspräche. Darauf, ob die Klägerin durch ihre Teilnahme am verbotenen Spiel selbst einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt hat, kommt es daher nicht an. Im Hinblick auf die Zielsetzung des GSpG wird der Rückforderungsanspruch des Spielers nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch durch die Kenntnis von der Nichtschuld nicht ausgeschlossen (3 Ob 69/23b; 2 Ob 187/24z mwN). Soweit sich die Beklagte auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben beruft, weil die Klägerin in Kenntnis der fehlenden österreichischen Konzession der Beklagten und dem Bewusstsein der Möglichkeit, Verluste zurückzufordern, gespielt habe, fehlt schon eine entsprechende Feststellung. Außerdem übersieht sie, dass dieser Wissensstand umso mehr auf die Anbieterin des nicht konzessionierten Spiels zutrifft.
3.4. Die Beklagte meint weiters, der Klägerin stehe ein Schadenersatzanspruch nicht zu, weil ihr gar kein Schaden entstanden sei. Sie habe genau das bekommen, was sie gewollt habe, nämlich die Dienstleistung „Glücksspiel“. Der Schaden sei auch nicht durch eine Handlung der Beklagten bewirkt worden, sondern durch einen eigenen Willensentschluss der Klägerin.
Auf diese Berufungsausführungen ist schon deshalb nicht näher einzugehen, weil der Rückforderungsanspruch der Klägerin bereits auf bereicherungsrechtlicher Grundlage jedenfalls zu Recht besteht.
3.5. Dass die Klägerin von Österreich aus auf die verfahrensgegenständliche Website zugegriffen und nur von dort aus die behaupteten Einsätze getätigt hat, ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt mit hinreichender Deutlichkeit. Sekundäre Feststellungsmängel liegen nicht vor.
3.6. Die weiteren Rechtsausführungen der Beklagten befassen sich mit der Behauptung einer Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols.
3.6.1.Nach der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entspricht das österreichische System der Glücksspielkonzession einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben und verstößt nicht gegen das Unionsrecht (stRsp, etwa 5 Ob 155/23i mwN). Auch das Argument der Beklagten, aus der Entscheidung des VfGH zu G 259/2022 sei Gegenteiliges abzuleiten, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt verworfen: Aus der Aufhebung von Teilen der Einzelregelung zum Spielerschutz in § 25 Abs 3 GSpG durch den Verfassungsgerichtshof kann demnach nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen unionsrechtswidrig wäre (2 Ob 23/23f; 1 Ob 25/23t; 7 Ob 44/23f; 3 Ob 69/23b ua).
3.6.2. Auch mit den Werbeaktivitäten der Konzessionäre haben sich die Höchstgerichte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH (C-79/17, Gmalieva, Rn 27 ff) bereits umfassend auseinandergesetzt (detailliert etwa VwGH Ra 2018/17/0048, Rn 69 ff; OGH 7 Ob 163/21b; 1 Ob 174/21a uva), sodass auch dazu ein Hinweis auf diese Rechtsprechung genügt.
3.6.3.Die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols ist daher abschließend beantwortet (1 Ob 229/20p; 5 Ob 30/21d; 9 Ob 20/21p ua). Neue, vom Obersten Gerichtshof nicht schon behandelte Aspekte oder relevante Änderungen des Sachverhalts seit den letzten höchstgerichtlichen Entscheidungen hat die Beklagte nicht konkret behauptet.
Entgegen dem Berufungsvorbringen ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C-920/19, Fluctus/Fluentum, auch kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf die in zahlreichen Parallelverfahren ergangenen Entscheidungen des OGH) zu berufen (1 Ob 25/23t [9.]).
Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang vermissten Feststellungen waren damit entbehrlich.
4.Die Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahren war nicht aufzugreifen. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie zu der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch der Höchstgerichte in Österreich vor (vgl 8 Ob 140/24g).
Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen. Es liegt gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor, von der das Berufungsgericht nicht abweicht, Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität waren nicht zu lösen.
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